DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

19-06-2023 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 19.06.2023 um 10.30 UTC



Am Donnerstag in der Südhälfte Schwergewitterlage, nachfolgend aus Nordwesten
Wetterberuhigung.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 26.06.2023


Am Donnerstag steht eine Schwergewitterlage ins Haus. In der Höhe liegen wir in
einer leicht mäandrierenden westlichen Strömung, in der ein flacher Rücken über
dem östlichen Mitteleuropa von einem Trog über Frankreich abgelöst wird. In
diesen ist über Südfrankreich ein kleines eigenständiges Rotationszentrum
eingelagert, das vor allem über dem Alpenraum eine stark diffluente
Südwestströmung begünstigt. Neben der großräumigen dynamischen Hebung, die also
im Tagesverlauf auf den Westen und Süden übergreift, sind es vor allem die
Luftmasseneigenschaften, die Sorge bereiten. So liegt über der Südhälfte des
Landes eine hoch-energetische schwül-heiße Subtropikluft mit Theta-Werten nahe
60°C in 850 hPa. Die Taupunkte liegen entsprechend um 20°C. Eine Hitzetief über
Süddeutschland, das am Nachmittag einen Kerndruck nahe 1010 hPa erreichen
dürfte, sorgt auch für satte Scherungsbedingungen. Weitere Unwetterparameter
gefällig? CAPE in Teilen Bayerns 3000-4000 J/kg, PPW's bis 45 mm, SRH um 500
m²/s². Damit besteht sowohl mit Übergreifen der Kaltfront aus Westen etwa von
NRW bis zum Oberrhein ostwärts ausgreifend Unwettergefahr durch einen MCS oder
eine leicht schleifende Squall line (dort primär durch StarkRR), bevor sich auf
der warmen Seite einzelne, teils üble Superzellen über Bayern und
Baden-Württemberg ausbilden. Dann besteht neben heftigen Starkregenfällen auch
die Gefahr von sehr großem Hagel und Orkanböen. Zudem können mit absinkendem HKN
vereinzelte Tornados auftreten, auch über der Landesmitte.
In die küstennahen Regionen gelangt mit einer schwachen nördlichen Strömung
kühlere und stabil geschichtete Luft, so dass es allenfalls skalige und meist
auch nur schwache Regenfälle gibt. Dort und ganz im Westen bleibt es dann auch
mit 21 bis 26°C deutlich angenehmer, wohingegen am Inn schwül-heiße 35°C
erreicht werden.
In der Nacht zum Freitag verlagert sich das Tief allmählich weiter zur hohen
Tatra. Rückseitig setzt kräftiger Druckanstieg ein, der zur Ausbildung einer
Druckwelle führt, die im Süden gebietsweise zu Böen der Stärke 7, vereinzelt
auch 8 Bft führt (gewitterunabhängig). Mit Abdrängung der energiereichsten Luft
ostwärts, ziehen sich die gewittrigen Starkregenfälle allmählich in den Osten
und Süden zurück. Gebietsweise können über mehrere Stunden hinweg 30 bis 50 l/m²
fallen, räumliche Schwerpunkte sind dabei aber noch nicht zu fassen.

Am Freitag ist der Höhentrog über Deutschland angelangt, das Bodentief lagert
über Südpolen. Somit ist der Bereich der Schwergewitter nun schon eher östlich
von uns auszumachen über Polen, Tschechien und Österreich. Am Rande des Hochs,
das von der Biskaya bis zum Nordmeer reicht, fließt aus Nordwesten kühlere und
stabilere Meeresluft auch in den Osten und Süden ein (T850 um 10°C, Theta auf
unter 40°C zurückgehend), wodurch nur noch kleinere Bereiche abgehobener
Labilität für teils schauerartig durchsetzte und im östlichen Mittelgebirgsraum
und an den Alpen auch noch gewittrige Regenfälle sorgt. Das Starkregenpotential
bleibt erhöht, die anderen Parameter spielen nur noch eine untergeordnete Rolle.


Am Wochenende schwenkt der für die Gewitter verantwortliche Trog weiter ostwärts
und tropft teilweise Richtung Griechenland ab. Im Vorfeld eines neuen
Zentraltiefs westlich von Island kann sich der Rücken und Westeuropa kräftigen
und sich mit seiner Achse langsam nach Mitteleuropa und Norwegen ausweiten.
Bodennah reißt die starke Nordwestströmung rasch wieder ab und im Bereich einer
Hochdruckzone, die von den Azoren über Mitteleuropa hinweg bis nordwärts zu den
Lofoten reicht, weist diese über Deutschland eine Schwachstelle auf. Dadurch ist
das Druckfeld bei uns sehr flau und in der sich langsam wieder erwärmenden
Luftmasse können sich bei überwiegend freundlichem Wetter vor allem über dem
Bergland in den Nachmittagsstunden vereinzelte Schauer entwickeln. Die
Höchstwerte tendieren allmählich wieder Richtung 30°C-Marke.

Ob zu Beginn der neuen Woche aus Nordwesten schwache Tiefausläufer
durchschwenkenden, ist noch sehr unsicher. Gleichwohl zeichnet sich eine erneute
markante Gewitterlage vorerst nicht ab. Im Norden geht der Trend zudem erneut zu
einer leichten Abkühlung.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die grundlegenden synoptischen Strukturen sind einigermaßen konsistent erfasst.
Auch die Ausprägung und Verlagerung des Gewittertiefs zu Beginn der Mittelfrist
wird laufübergreifend recht übereinstimmend bewertet. Es wird spannend zu
beobachten sein, wie die Lokalmodelle auf den Donnerstag "reagieren". An einer
bevorstehenden Schwergewitterlage wird schwerlich zu rütteln sein.

Größere Diskrepanzen gibt es erst zum Wochenwechsel, wo der Einfluss des
Atlantiks noch sehr unterschiedlich berechnet wird. Die jüngste Tendenz geht
dabei weg vom Blocking hin zu einem Durchbruch. In der strammen
west-nordwestlichen Strömung würden dann auch zeitweilige Tiefausläufer mit
teils schauerartigen Regenfällen durchschwenken.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bei der Gewitterlage am Donnerstag lassen die Modelle die skaligen Regenfällen
an der Nordflanke des Tiefs unterschiedlich weit nach Norden ausgreifen. Die
nördlichste Variante fährt das GFS, bei dem selbst die Dänische Grenze noch
Regen abbekommen würde. Wahrscheinlicher stellt sich aber das Szenario dar, dass
die küstennahen Regionen kaum nennenswerte Regenfälle abbekommen (50% Perzentil
von ICON und IFS EPS trocken).

Zu Beginn der neuen Woche setzen UK10 und GFS auf den Aufbau eines Blockings
über Skandinavien, der Rest eher auf West antizyklonal mit kurzen zyklonalen
Einschüben.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


PLUMES:
Die Rauchfahnen der Temperatur zeigen eindrücklich den Absturz zum Freitag, der
im Süden mit teils >10K am stärksten ausgeprägt ist. Damit sollte sich das Thema
Hitze am Freitag auch im äußersten Südosten des Landes ziemlich sicher
(vorerst?) erledigt haben. Der Temperaturen erholen sich allerdings rasch wieder
und im Süden gibt es durchaus Member, die am Montag schon wieder die +18 in T850
ansteuern. Höchstwerte erneut über 30°C entlang der Flussniederungen wären
erneut die Folge, wenn auch ohne die ganz große Schwüle. Der Spread wächst ab
Sonntag allerdings deutlich an, so dass diese Entwicklung noch sehr unsicher
ist.

Sicherer ist dagegen schon, dass sich ab Samstag kaum noch Niederschlagssignale
finden lassen, also wieder ein mehrheitlich trocken geprägter
Witterungsabschnitt bevorsteht. Im Norden liegen dabei die Ausschläge des HL
deutlich über dem ENS Mittel. Auch angesichts des hohen ENS Mittel beim
Geopotential bei über 580 gpdm erscheint der Atlantikdurchbruch fraglich, und
falls doch dann eher weniger wetteraktiv zu sein.

CLUSTER:
Bei den Clustern dominiert mit Übergang in die erweiterte Mittelfrist zwar
leicht antizyklonales Wetter, den Hochaufbau über Skandinavien zeigt aber nur 1
der 6 Cluster. Die Mehrheit schießt sich auf West antizyklonal ein mit einem
recht kräftigen Azorenhochkeil über Frankreich und zeitweiligen zyklonalen
Streifschüssen vor allem im Norden.


FAZIT:
Nach Hitze und Unwettern beruhigt sich das Wetter zum Ende der Woche deutlich
und es wird vorübergehend etwas kühler. 30°C und mehr kehren aber wohl zum
Wochenwechsel zumindest in den Ballungsräumen im Süden und Südwesten zurück. Im
Norden bleibt es kühler und leicht wechselhaft. Die ganz großen Regenfälle sind
aber nach Freitag erstmal vorbei.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


GEWITTER (UNWETTER):
Auf die Zutaten und Begleiterscheinungen wurde bereits ausführlich oben im Text
eingegangen. Da es sich um eine dynamische Unwetterlage mit viel Scherung
handelt, schlägt der EFI CAPE SHEAR ordentlich an mit sehr hohen Werten nahe 1
und SOT bei 1 über Süddeutschland (aber auch über Tschechien, Österreich und
Norditalien bis zu den Balearen reichend). In diesem Bereich werden sich wohl
einige üble Superzellen entwickeln, die eine Schneise der Verwüstung schlagen.
Auch das Tornadopotential ist alles andere als gering.

Der an dessen Nordrand zu erwartende Starkregenstreifen bildet sich ebenfalls im
EFI ab und verläuft von der Eifel bis nach Sachsen-Anhalt. In allen EPS'en gibt
es dort 3 Tage im Voraus ernstzunehmende, teils erdrückende Hinweise auf
Starkregen über 30 l/m² (IFS-EPS teils über 50%!) Dementsprechend müssen auch
unwetterartige Mengen über 50 l/m² in Betracht gezogen werden.

Die Signale am Freitag für den äußersten Osten und Süden sind da deutlich
geringer. Großräumig fallen wahrscheinlich "nur" noch 10 bis 20 l/m² und nur
noch punktuell markante Mengen über 30 l/m².

HITZE:
Am Donnerstag tritt insbesondere im Südosten Bayerns noch eine starke
Wärmebelastung auf.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, Mos-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen