DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-06-2023 07:30
SXEU31 DWAV 190800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 19.06.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
S a Übergang zu Tr W

Einzelne, teils unwetterartige Gewitter. Zum Mittwoch zunehmende
Gewitterneigung.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Montag... liegen wir unter einem Höhenrücken, der flankiert wird von einem Trog
über der Ostsee und dem östlichen Mitteleuropa sowie einem wesentlich breiteren
Trog über dem Atlantik und Westeuropa. Darin eingelagert, sowohl in der Höhe,
als auch im zugehörigen Bodentief sind mehrere Kerne, die dem ganzen ein recht
komplexes Bild geben. Die entsprechenden Tiefausläufer haben auf Mitteleuropa
übergegriffen. Die Warmfront überquert tagsüber langsam den Nordosten, die
Kaltfront wird durch eine Tiefentwicklung über der Biskaya ausgebremst und
greift schliefend auf den Westen und Nordwesten über.
Im Warmsektor wird sehr feuchte (PPW um oder gar über 35 mm, spez.
Grundschichtfeuchte bis zu 13 g/kg) und potenziell instabiler Subtropikluft
advehiert, in der je nach Einstrahlung 500 bis 1000, örtlich um 1500 J/kg
ML-CAPE aufgebaut werden können.
Die dennoch vorhandene Bewölkung und vor allem der überlagerte, sich durch
Warmluftadvektion regenerierende Höhenrücken verhindern das die Labilität auch
ausgelöst wird, bzw. wirken als starke Bremse. Dazu kommt im Nordosten mit Wind
aus östlichen Richtungen noch das Entrainment trockenerer Luft, was in ähnlicher
Weise für große Teile des Nordwestens und Westens gilt, wo dann freilich aus
Westen postfrontal wieder stabilere und trockenere Luft einsickert.

An der hereinschwenkenden Kaltfront, einer Konvergenz über dem Osten und
Nordosten sowie mit Hilfe der Orografie über den östlichen Mittelgebirgen und in
den Alpen können sich trotzdem einzelne starke Gewitter entwickeln, die
vereinzelt unwetterartige Ausmaße annehmen können.
Zwar sind Scherung und der Organisationsgrad gering, trotzdem sind die teils zu
Multizellen zusammenwachsenden Einzelzellen in der Lage, Starkregen von mehr als
25 l/m² in kurzer Zeit sowie im Anfangsstadium größeren Hagel zu produzieren.
Beim Wind sollte es nicht wesentlich über Stärke 7-8 Bft hinausgehen.

Die Temperatur steigt auf 26 bis 31°C, lediglich ganz im Norden und an der See
wird es nicht so warm.

In der Nacht zum Dienstag kommt die Rückenachse etwas nach Osten voran, wir
kommen mehr und mehr in eine südwestliche Strömung in der kurzwellige Tröge
erste kräftigere Hebungsimpulse liefern. Das Wellentief zieht von der Biskaya
Richtung Ärmelkanal. Davor breitet sich die Subtropikluft wieder nordwärts aus.
Die abendlichen Gewitter lösen sich zunächst meist auf, und ziehen nach
Nordosten ab. Nach kurzer Beruhigung kommen dann, im Wesentlichen getriggert
durch die Tröge, die Bodenfronten bleiben noch außen vor, von Frankreich her
schauerartige Regenfälle und teils starke Gewitter auf, ein zäher
Gewittercluster, der heftigen, unwetterartigen Starkregen bringen kann. Diese
dürften sich über große Teile des Westens, der Mitte und des Südwestens
ausbreiten, während der Norden und Osten davon noch nicht betroffen sein
dürften.

Die Nacht bleibt warm mit 21 bis 15°C. Lediglich im Norden und Osten könnte es
bei längerem Aufklaren örtlich kühler werden.


Dienstag... wandert der Höhenrücken noch ein kleines Stück nach Osten, so dass
ganz Deutschland bis zum Abend unter die südwestliche Höhenströmung gelangt.
Diese gibt sich aber immer noch relativ antizyklonal und nach Abzug des
nächtlichen Randtroges kommt der nächste erste abends über Benelux an. Trotzdem
dürfen wir auf einen interessanten Wettertag gespannt sein, wie immer er im
Einzelnen auch genau ablaufen mag.

Die nächtlichen Gewitter bzw. der gewittrige (Stark)Regen zieht am Vormittag
unter Abschwächung nordostwärts, eventuell werden dessen Reste nachmittags ganz
im Norden und Nordosten wieder aktiviert. Dahinter beruhigt sich das Wetter mit
der "vormittäglichen Depression". Mit Durchzug der Regenfälle und Gewitter wird
die fast ruhende Luftmasse angefeuchtet. In der Nordhälfte werden PPW-Werte
teils um 40 mm angeboten, die spezifische Feuchte liegt bei 11 bis 14 g/kg. Zwar
ist die Labilität nur leidlich ausgeprägt (auf alle Fälle weniger labil als im
Süden), trotzdem recht die hochenergetische Gemengelage aus, um eine Menge CAPE,
stellenweise bis 1500 J/kg zu generieren. Die nach den Regenfällen aber
ebenfalls vorhandene starke Bewölkung dürfte gebietsweise aber auch deutlich
weniger CAPE zur Folge haben.
Fraglich sind die auslösenden Faktoren, die Mangelware sein dürften. Am ehesten
sind auf der Vorderseite des erwähnten Troges und an der Kaltfront des weiter
zur Nordsee ziehenden Tiefs nachmittags und abends im Westen und Nordwesten
starke Gewitter möglich. Da auch etwas Scherung aufkommt, aber zunächst nicht in
wirklich günstiger Überlappung, sind auch schwere, teils organisierte Gewitter
nicht ausgeschlossen, die neben heftigen Starkregen und größeren Hagel und
schwere Sturmböen bringen können.
Unabhängig davon können sich im Tageverlauf auch in den übrigen Gebieten
vereinzelte, kräftige Gewitter entwickeln (vornehmlich, aber nicht
ausschließlich aus dem Bergland heraus).
Die Zufuhr der heißen Luftmasse verstärkt sich im Warmsektor noch und die 850
hPa Temperatur steigt auf 13 bis 22°C von Nord nach Süd, was Maxima von 24 bis
29°C im Nordwesten, 28 bis 33°C sonst nach sich zieht.

In der Nacht zum Mittwoch zieht der Trog nordostwärts, während die Kaltfront des
Nordseetiefs in den Nordwesten und Westen eindringt. Da weitere kurzwellige
Tröge die Hebung stützen, dauern die Gewitter nachts an und breiten sich nach
Osten aus. Dabei verclustern sie und gehen in gewittrigen Starkregen über, der
über Norddeutschland und die Nordsee gen Norden zieht. Auch von Frankreich
können sich einzelne teils schwere Gewitter mit Unwetterpotential besonders
durch heftigen Starkregen über den Süden nach Osten ausbreiten. Da die Scherung
vorübergehend zunimmt, sind organisierte Gewitter (bis hin zu Superzellen in den
Abendstunden des Dienstags und anfangs der Nacht) mit teils schweren Sturmböen,
bzw. orkanartigen Böen (ICON D2, Super HD) und Hagel möglich, deren
Wahrscheinlich im Laufe der Nacht aber abnimmt. Mit Winddrehung auf westliche
Richtungen beruhigt sich das Wetter im Laufe der zweiten Nachthälfte von Westen
her wieder.


Mittwoch... glättet die südwestliche Höhenströmung etwas durch und tagsüber sind
keine nennenswerten Trogstrukturen über Deutschland erkennbar. Erst über der
Biskaya setzt der nächste Randtrog an mit einer Wellenentwicklung über der
Iberischen Halbinsel. Das Tief zieht weiter zur südnorwegischen Küste, wobei
dessen Kaltfront Norddeutschland ostwärts passiert, über der Mitte aber ins
Schleifen gerät.
Postfrontal dreht der Wind weiter auf westliche Richtungen und bringt mit etwas
weniger warmer und trockener Luft eine Stabilisierung über der Nordhälfte. Die
anfänglichen Gewitter im Nordosten ziehen vormittags und mittags ab. Von einer
nachhaltigen Abkühlung kann zwischen Rheinland und Küste angesichts erwarteter
25 bis 30°C (nur direkt an der Nordsee und auf den Inseln weniger) allerdings
nicht gesprochen werden.
Das konvektive Geschehen zieht sich in die Südosthälfte zurück, wo kein
Luftmassenwechsel stattfindet und es weiterhin sehr schwül und heiß mit Maxima
bis zu 32°C bleibt. Hier könnten zunächst Reste der nächtlichen Gewitter nach
Osten abziehen, bevor sich nach der Ruhephase am Vormittag wieder einzelne,
teils schwere Gewitter milden.
Die Zutaten bleiben ähnlich den Vortagen. Hohe Feuchte (40 mm PPW) und CAPE ja
nach Einstrahlung um 1000 J/kg wird begleitet von schwacher Strömung, kaum
Scherung und ohne auslösende dynamische Faktoren. Bleiben Orografie und
Einstrahlung, die tagsüber zur Bildung der Gewitter beitragen können. Bei
langsamer Zuggeschwindigkeit muss mit heftigem Starkregen (einzelne Unwetter)
und teils größeren Hagel gerechnet werden, auch Sturmböen sind nicht
ausgeschlossen.
In der Nacht zum Donnerstag nähert sich der Trog über Frankreich, wo sich auch
ein Bodentief bildet, dass die schwülheiße Luft wieder nach Norden drückt. Die
Schauer und Gewitter lassen zunächst nach, bevor im Laufe der Nacht im Südwesten
wieder vermehrt, teils starke Gewitter mit örtlichem Unwetterpotential aufkommen
können.


Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die Modelle simulieren nur in groben Zügen ähnlich. Die Details, wie
Gewitterschwerpunkte weichen teilweise stark voneinander ab. Auch simulieren die
einzelnen Modelle teilweise nicht konsistent. Die Gewitterneigung hält sich
heute und am Dienstag noch in Grenzen, nimmt ab der Nacht zum Mittwoch dann
stärker zu. Ob dann Vorabinformationen nötig werden kann am Dienstagvormittag
entschieden werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner