DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-06-2023 08:30
SXEU31 DWAV 180800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 18.06.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Sa, Übergang zu Sz
Heute meist ruhiger Übergangstag. Ab der Nacht zum Montag allmählich immer
weiter zunehmendes Gewitterrisiko, am Dienstag Potenzial für eine
Schwergewitterlage.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... ist ein Übergangstag, der eine Umstellung der Wetterlage markiert.
Der Kaltlufttropfen über dem Nordosten Deutschlands hat größtenteils ausgedient,
sodass wir auf die Vorderseite eines umfangreichen Höhentiefs über dem
Nordostatlantik in eine südwestliche Strömung gelangen, in der sich zunächst ein
Rücken über Mitteleuropa aufwölbt.
Das beschert weiten Teilen des Landes einen ruhigen und warmen bis heißen
Sonntag mit viel Sonnenschein und nur lockeren Quellwolken.
Zwei Regionen sind allerdings ein wenig ausgenommen. Zum einen ein Bereich von
der Ostsee bis zur Oderbruch, wo das Höhentief, das sich im Tagesverlauf in zwei
Zentren aufteilt, nochmals geringe Hebung einsteuert (PVA vor allem in 300 hPa).
Das lässt die Quellwolken zum Teil etwas höher wachsen, die sich lokal in
Schauern oder Gewittern entladen können. Absinken und nur geringe CAPE-Werte
deuten darauf hin, dass die Schauer nicht zu sehr in die Höhe wachsen, da es in
höheren Atmosphärenschichten bereits zu trocken ist. Da die Luftmasse mit PPW's
von 20 bis 25 mm aber immer noch leidlich feucht ist und die Zellen nicht zu
schnell ziehen, muss stellenweise mit Starkregen über 15 l/qm in kurzer Zeit
gerechnet werden. Bei ML-CAPE bis rund 250 J/kg sind vereinzelt kleinkörniger
Hagel und starke Böen bis 60 km/h (Bft 7) nicht ausgeschlossen.
Zum anderen ist ein Bereich im Westen und Südwesten gemeint, der sich den Rücken
überlaufende WLA ausgesetzt sieht. Damit verbunden ist ein Aufzug feucht-warmer
bis heißer Luft sowie hoher und mittelhoher Bewölkung gepaart mit Saharastaub,
die die Sonne vor allem anfangs meist noch durchlassen. Im äußersten Westen und
Südwesten sinkt die relative Sonnenscheindauer jedoch schon auf 30 bis 70 %. Zum
Abend hin werden vom Niederrhein bis zum Schwarzwald mit Ankunft einer Warmfront
des Tiefs JUSTUS über den Britischen Inseln die ersten Tropfen Regen simuliert,
wobei Gewitter noch keine große Rolle spielen. Die Warmfront wird mit einem
flachen Randtrog nach Deutschland gesteuert, der Randtrog selber erreicht abends
das Saarland. Gegen den Rücken und das Absinken können Warmfront und Randtrog
nicht viel ausrichten, weil die induzierte Hebung gegen das Absinken zu schwach
ist. So sind die Regenmengen mit lokal 1 bis 4 l/qm zunächst gering. Vielerorts
bleibt es bis Abend jedoch trocken, möglicherweise verdunstet der Regen in der
trockenen Grundschicht sogar, bevor er am Boden angelangt.
Der Wind weht schwach bis mäßig aus unterschiedlichen Richtungen. Abends dreht
er im Südwesten bereits auf Südwest und kann mit einer kleinen Druckwelle
vorübergehend etwas auffrischen.
Die Temperaturen erreichen in 850 hPa 10 Grad im Nordosten bis 18 Grad im Süden,
was sich in 2 Meter mit Höchstwerten von 22 bis 29 Grad im Osten und Norden und
mit 27 bis 33 Grad sonst äußert. Im äußersten Südwesten führt das zu einer hohen
Wärmebelastung, für die die Kollegen aus Freiburg eine entsprechende Warnung
ausgegeben haben.

In der Nacht zum Montag zieht der erste flache Randtrog bis nach Sachsen weiter,
wobei die Achse des Rückens noch über Deutschland verbleibt. So kommt die
Warmfront des Tiefs über den Britischen Inseln mit dichteren Wolken bis auf eine
Linie Emsland - Erzgebirge voran, große Wetteraktivität wird aber weiterhin
nicht daran gerechnet. Stellenweise ein paar Tropfen Regen, mehr ist damit
zunächst nicht verbunden. Postfrontal wird im Warmsektor dann zunehmend feuchte
Luft advehiert. MU-CAPE wird bis 400 J/kg aufgebaut, sodass einzelne abgehobene
Schauer und Gewitter auftreten, die lokal Starkregen bringen könnten. Weiterhin
wirkt allerdings auch noch das Absinken dagegen, was durch einen Deckel mit 100
bis 150 J/kg CIN zum Ausdruck kommt und die Gewitteraktivität zunächst hemmt.
Nordöstlich der Warmfront ist es präfrontal meist nur locker bewölkt und
trocken.
Der Wind weht meist nur schwach, im Norden aus Ost bis Südost, im Südwesten aus
Südwest. In Schauern und Gewittern kann es starke Böen geben.
Die Temperaturen sinken unter den Wolken nur auf 20 bis 15 Grad, im Nordosten
auf 15 bis 9 Grad.


Montag... verbleiben wir auf der diffluenten Vorderseite des Höhentiefs über dem
nahen Nordostatlantik, der durch einen neuen Randtrog westlich von Island zu
einem Trog umgebaut wird. Die südwestliche Strömung steilt noch ein wenig auf,
wobei sich die Achse des Rückens langsam in den Osten Deutschlands bewegt. Der
erste Randtrog flacht zusehends ab und liefert kaum noch Impulse, ansonsten
laufen in der südwestlichen Strömung zwar sehr flache Randtröge nach Nordosten,
die Hebung bleibt jedoch eher gering.
Die Warmfront wandert bis zum Abend nach Nordosten weiter und erreicht
Vorpommern. Weiterhin wird an ihr nur geringer Regen simuliert. Die Kaltfront
des Tiefs dringt nachmittags in den Nordwesten von Deutschland ein, abends liegt
sie auf einer Linie Deutsche Bucht - Bremen - Rheinland. Die Gebiete dazwischen
markieren den Warmsektor, in dem eine qualitativ explosive Luftmasse zur
Verfügung steht. ML-CAPE steht bis 1500 J/kg zur Verfügung, die PPW's steigen
auf 30 bis 40 mm. Labilität ist ebenfalls vorhanden (Lapse Rates -0,6 bis -0,7
K/100 m), die Scherung hingegen ist gering. IPV320 hPa zeigt allerdings kaum
Maxima, was das Fehlen von Dynamik begründet. Dennoch sollte die Luftmasse vor
allem bei Einstrahlung, mit orografischem Antrieb oder im Bereich der Kaltfront
für gebietsweise starke Gewitter gut sein. Deren Schwerpunkte werden von den
Modellen unterschiedlich berechnet, derzeit kristallisieren sich über der Mitte
(Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hessen) und im äußersten Süden aber zwei Maxima
heraus. Begleiterscheinungen sind lokaler Starkregen bis in den Unwetterbereich
(ICON-D2-EPS stellenweise mit bis zu 20 % Wahrscheinlichkeit für mehr als 25
l/qm in kurzer Zeit), Hagel von 2 bis 3 cm sowie lokal stürmische Böen Bft 8,
ganz vereinzelt auch Sturmböen Bft 9.
Abseits von Schauern und Gewittern weht der Wind schwach bis mäßig aus Südwest,
im Nordosten noch aus Südost.
Die Höchsttemperaturen liegen zwischen 23 und 29 Grad im Norden und Westen und
zwischen 27 und 32 Grad sonst.

In der Nacht zum Dienstag zieht in der anhaltend südwestlichen Strömung der
Trogvorderseite ein etwas markanterer Randtrog von Frankreich Richtung
Deutschland, morgens kommt er im Westen Deutschlands an. An ihm werden etwas
verstärkt Hebungsimpulse gerechnet (PVA und WLA). Die Kaltfront wird dadurch
wieder ein wenig in den Nordwesten zurückgedrängt, während die Warmfront
Deutschland über den Nordosten verlässt.
Zunächst ist im Warmsektor ein Nachlassen der konvektiven Umlagerungen mit
Auflockerungen zu verzeichnen, was als Resultat des nachlassenden Tagesganges
gesehen werden kann. Mit dem neuen Randtrog taucht in der zweiten Nachthälfte
von Südwesten her jedoch neuer schauerartiger und teils gewittriger Regen auf.
Während die meisten Modelle keine deutlich höheren Regenmengen zeigen (1 bis 15
l/qm bis zum Morgen), ist die Möglichkeit der Bildung eines MCS über Frankreich
mit mehr Regen wie in den Vorläufen gerechnet aber auch noch nicht ganz vom
Tisch.
Der Wind weht meist nur schwach aus unterschiedlichen Richtungen, bei Schauern
und Gewittern frischt er zuweilen stark auf.
Die Tiefsttemperaturen liegen zwischen 20 und 13 Grad.

Dienstag... ändert sich an der großskaligen Konfinguration wenig, die Achse des
Rückens jedoch nach Osten abwandert. Der Randtrog hingegen erreicht unter
Abflachung Schleswig-Holstein, was die Kaltfront dahin abdrängt. Die Kaltfront
geht über in die Warmfront eines weiteren Tiefs, das mit einem weiteren Randtrog
von der Biskaya zum Ärmelkanal zieht. Damit befinden sich weite Teile des Landes
im Warmsektor in der feucht-warmen bis heißen Luft. Der gewittrige "Regenkuchen"
wandert in der vormittäglichen Depression vom Westen ins östliche und
südöstliche Niedersachsen. Die Einstrahlung ist im Norden damit limitiert,
könnte im Westen aber noch rechtzeitig funktionieren.
Bezüglich der Zutatenmethode erschließt sich vor allem in der Mitte ein Bereich
mit sehr guter Überlappung von sehr feuchter Luft, Labilität und Hebung durch
weitere flache Randtröge. Weil auch LLS und DLS ordentlich sind, ist die Lage
nicht ungefährlich. ML-CAPE liegt bis zu 1500 J/kg vor, der Deckel ist nicht
mehr allzu stark (CIN bis etwa 50 J/kg). Daher ist bei PPW's von 40 bis 50 mm
mit schweren Gewittern mit (extrem) heftigen Starkregen, großem Hagel und
Sturmböen Bft 9 zu rechnen. Bei diesen Scherungswerten kann es darüber hinaus zu
isolierten Superzellen kommen, die für noch stärkere Entwicklungen bezüglich
Hagel (größer) und Wind (Bft 10 möglich) sprechen könnten. Im Westen sind zudem
die HKN's mit 600 bis 800 m niedrig, was bei wenig SRH bis 100 bis 150 m/s zwar
nicht sofort nach Tornados schreit, diese jedoch nicht völlig ausschließt.
Im Süden sind die konvektiven Entwicklungen nicht ganz so häufig, da die
Strömung dort zunächst leicht antiyzklonal ist und die Hebung begrenzt. Mit
orografischem Antrieb wird die dort stärkste Labilität vor allem am Alpenrand
zum Nachmittag hin jedoch aktiviert oder es ziehen Zellen von der Schweiz
herein. Die Begleiterscheinungen sind ähnlich stark wie in der Mitte, auch wenn
die PPW's "nur" bei 30 bis 40 mm liegen.
Es sei auch erwähnt, dass die Globalmodelle die Konvektion in der zentralen
Mitte, im Osten im Süden bisher nur sehr spärlich rechnen. Lokalmodelle könnten
bei Erreichen des Vorhersagehorizontes aber eine deutlich andere Sprache
sprechen.
Voraussichtlich trocken bleibt es in Vorpommern und an der Nordsee.
Der Wind weht schwach bis mäßig aus Südwest, im Nordosten weiterhin aus Ost bis
Nordost.
Die Luft erwärmt sich auf 23 bis 29 Grad im Norden und Nordwesten und auf 29 bis
33 Grad sonst.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Randtrog über Dänemark hinweg
nordostwärts ab, während sonst weiterhin die Trogvorderseite mit südwestlicher
Strömung vorherrschend bleibt. Das Tief über dem Ärmelkanal macht sich auf dem
Weg in die Nordsee, seine Kaltfront erreicht den Nordwesten. Dort stabilisiert
es daher.
Auch sonst lasen die Schauer und Gewitter häufig nach und die Wolken lockern
auf. Der Randtrog steuert allerdings noch schauerartigen und teils gewittrigen
Regen über Mecklenburg-Vorpommern nach Nordosten. Unwetter sind dabei nicht mehr
wahrscheinlich.
Etwa südlich des Mains nimmt die Schauer- und Gewitterneigung dagegen zu. Das
liegt einerseits an der nachlassenden Antizyklonalität, andererseits aber vor
allem an einem weiteren, etwas kräftigeren Randtrog. Dieser bringt
Hebungsimpulse insbesondere in der ersten Nachthälfte.
Mögliche Schauer und Gewitter fallen anfangs weiterhin teils kräftig aus mit
heftigem Starkregen, großem Hagel und Sturmböen. In der zweiten Nachthälfte
zeigt sich jedoch eine Abschwächung. Schauer und Gewitter verclustern
möglicherweise und gehen über in schauerartigen, vereinzelt gewittrigen Regen,
der zum Morgen hin nach Osten hin abzieht.
Einige Modelle deuten dann schon wieder das Aufleben von Schauern und Gewittern
im Westen an (weiterer Randtrog).
Der Wind weht schwach bis mäßig aus Südwest.
Die Luft kühlt sich nur auf 20 bis 16 Grad ab.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die groben Strukturen rechnen die Modelle recht einheitlich. Allerdings liegt
der Teufel bei konvektiven Lagen ja im Detail, und der kann noch ganz andere
Lösungen bringen als die oben aufgezeigte. Daher wird vieles Nowcast-Geschäft
sein unter Begutachtung weiterer Läufe. Für Dienstag zeichnet sich derzeit
allerdings die erste Schwergewitterlage des Jahres ab, eine Vorabinformation
scheint zum jetzigen Zeitpunkt notwendig zu werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Tripppler