DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

16-06-2023 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 16.06.2023 um 10.30 UTC



Nächste Woche schwülheiß mit Gewittern, dabei vor allem am Dienstag und
Donnerstag erhöhtes Unwetterpotential.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 23.06.2023


Der heutige Blick in die Mittelfrist offenbart eine deutliche Umstellung der
Wetterlage, die ja lange Zeit von einem starken Blocking und persistenten
Hochdruckgebieten nördlich unseres Landes geprägt war. Deren letzte Vertreterin
Zayeneh verabschiedet sich nämlich allmählich in Richtung Nordpolarmeer und
macht Platz für atlantische Systeme.

Zum Beginn der Mittelfrist, im kommenden Montag, liegt nach IFS der letzte Rest
von Zayeneh noch über der Halbinsel Kola. Insgesamt sind die Druckgegensätze
bodennah über Europa schwach, doch uns dominiert ein Tiefdruckgebiet nördlich
von Irland. Dieses korrespondiert in der Höhe mit einem Langwellentrog am
Westrand Europas, auf dessen Vorderseite eine sehr warme und auch recht feuchte
Luftmasse zu uns gelangt ist. Dabei liegt am Montag noch die Achse eines
Höhenkeils direkt über unserem Land und es soll auch nicht verschwiegen werden,
dass der äußerste Nordosten noch von dem tagelang wetterbestimmenden Höhentief
touchiert wird, dessen Kern über der östlichen Ostsee zu finden ist.
Der Blick ins Detail offenbart sich weniger antizyklonal als die grobe
Beschreibung. Denn der Höhenkeil wird im Westen schon von kleinen PVA-Gebieten
attackiert, zudem überquert eine Tiefdruckrinne vor allem den Norden
Deutschlands, so dass der Montag nicht nur von großer Hitze (Temperatur in 850
hPa 12 bis 17°C), sondern auch von reichlich Gewitteraktivität geprägt sein
wird. Dabei wird es sicherlich auch schon in den Bereich von Unwettern gehen,
auch wenn die Scherung noch recht schwach ausfällt.
Diese könnte am Folgetag etwas zunehmen, wenn ein flaches Tief in Richtung
Benelux zieht und sich der Höhenrücken allmählich nach Osten verabschiedet.
Zudem soll die Luftmasse sehr feucht sein, so dass alle Zutaten für eine heftige
Gewitterlage gegeben sind. In der Nacht zum Mittwoch zieht dann ein
Kurzwellentrog nordostwärts und das Tief Richtung Dänemark weiter. Damit setzt
sich die Gewitterlage fort und in den Westen sickert anschließend etwas weniger
warme und feuchte Luft.
Am Mittwoch verbleiben wir weiter auf der Vorderseite des Langwellentroges.
Dessen Achse erreicht den Nordwesten Spaniens. Zwischen dieser und dem
Kurzwellentrog wird das Strömungsmuster bei uns vorübergehend antizyklonal.
Dabei drückt von Süden her weiterhin die feuchtheiße Luftmasse ins Land, während
sich in der Nordwesthälfte die nur wenig kühlere, aber etwas trockenere
Luftmasse durchsetzt. Zwar dürfte bei dieser Gemengelage die Gewitteraktivität
im Vergleich zum Vortag etwas gedämpft werden, dennoch wird es einige kräftige
Gewitter geben, am wahrscheinlichsten wohl im Süden und an der Grenze der
Luftmassen.
Am Donnerstag zieht der Bodentrog bis zum Abend zur Île de France und auf dessen
Vorderseite greift ein flaches Tief auf Belgien über. Während in den Süden noch
heißere Luft (bis über 20°C in 850 hPa) advehiert wird, dürften im Westen schon
bald starke Gewitter aufziehen. Diese dürften bis in die Nacht zum Freitag
anhalten, in der der Höhentrog und das Bodentief den Westen Deutschlands
erreichen.
Am Freitag selbst schwenkt dann allmählich der Langwellentrog (bzw. dessen
Reste) durch. Das Bodentief löst sich nach Osten hin auf. Über den Britischen
Inseln steigt der Druck, so dass allmählich von Nordwesten weniger warme (10°C
in 850 hPa) und trockenere Luft einfließt. Im Süden und Osten ist die Luft
dagegen noch feuchter und wärmer, so dass sich dort die Gewitterlage in etwas
abgeschwächter Stärke fortsetzt.
Zum Wochenende setzt sich in einer vorübergehend recht indifferenten westlichen
Höhenströmung leichter Hochdruckeinfluss durch, so dass sich wieder ruhiges
Sommerwetter einstellt. Bereits am Sonntag beginnt aber die Strömung schon
wieder stärker zu mäandrieren, wobei sich von Westen bei uns zunächst ein Rücken
breit macht, der uns das Bodenhoch noch erhält, bevor dann vor allem zum Beginn
der neuen Woche von Südwesten her wieder heiße Luft zu uns gelangen dürfte.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis zum Mittwoch ist die Konsistenz des aktuellen IFS-Laufs mit den beiden
Vorgängerläufen sehr hoch. Am Donnerstag zeigen die beiden jüngeren Läufe ein
etwas langsameres Vorankommen des Troges als der gestrige 00-UTC-Lauf. Zum Ende
der nächsten Woche werden die Unterschiede größer. Die beiden gestrigen Läufe
zeigten den Langwellentrog noch etwas kräftiger und dieser sollte nur sehr
langsam nach Osten weiterziehen. Damit wäre auch etwas kühlere Witterung
verbunden gewesen. Nach dem jüngsten Lauf fällt - wie oben beschrieben - der
Trog bei uns nur noch sehr schwach aus und zieht rasch ab.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Insgesamt sind IFS, ICON, GFS und GEM bis zum Donnerstag in recht guter
Übereinstimmung, was die groben synoptischen Strukturen und den zeitlichen
Verlauf angeht. An die Details sollte man sich in der Mittelfrist sowieso noch
nicht klammern, damit kann man bei solchen Lagen ja selbst in der Kurzfrist noch
auf die Nase fallen. Zum Freitag hin werden die Unterschiede dann größer,
betreffend die Passage des Langwellentroges. Während IFS und GEM diesen Trog nur
sehr schwach ausgeprägt und schnell durchziehend zeigen, haben GFS und ICON
stärkere und langsamer ziehende Tröge im Angebot.
Ganz aus der Reihe fällt UK10: Zuerst lässt UK10 den ersten Kurzwellentrog erst
am Mittwoch durchziehen, 12 Stunden später als die anderen Modelle. Der
eigentliche Haupttrog kommt bis zum Ende des Modelllaufs noch gar nicht in
unserer Region an.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Im Zeitraum von Mittwoch bis Freitag wird das gesamte IFS-Ensemble einem Cluster
zugeordnet.
In der erweiterten Mittelfrist ab Samstag wird das IFS-Ensemble auf vier Cluster
verteilt. C1 und C4 (zusammen 25 Mitglieder, incl. Kontrolllauf) zeigen nach dem
Durchgang des ersten schwachen Troges zunächst eine recht zonale Strömung mit
insgesamt hohem Geopotential, zum Wochenbeginn dann einen kräftigen Rücken über
Westeuropa, so dass wir auf der Rückenvorderseite unter Hochdruckeinfluss lägen.
Bei C3 (10 Mitglieder, Hauptlauf) wird dieser Höhenrücken rasch nach Osten
abgedrängt und am Montag erreicht schon wieder ein Trog die Britischen Inseln.
Damit ist die Lösung des Hauptlaufs vom größeren Teil des Ensembles nicht
unterstützt. C2 (16 Mitglieder) zeigt den Wechsel zu einer Westlage
(Regimewechsel von "Blocking" zu "positive NAO").

Die Rauchfahnen zeigen im Norden Deutschlands einen Anstieg von Geopotential und
Temperatur bis Mittwoch. Danach geht es bei den Temperaturen bei zunehmender
Unsicherheit wieder zurück (in 850 hPa von 13 auf 9°C), das Potential bleibt
hoch. Nach Süden hin verschieben sich die Spitzen der Temperatur und des
Potentials zum Donnerstag hin, anschließend fällt die Temperatur deutlich ab
(auf immer noch sommerliches Niveau), das Geopotential nur wenig.
Niederschlagssignale finden sich während der ganzen Woche, im Süden sind sie
stark auf den Donnerstag und Freitag fokussiert.

Die Rauchfahnen des GFS zeigen im Süden die Spitze der Temperatur schon am
Dienstag, die zweite Spitze am Donnerstag fällt schwächer aus. Ansonsten sind
die Unterschiede gering.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Gewitter:
An allen Tagen besteht eine teils recht hohe Gewitterneigung mit Unwettergefahr
vor allem durch Starkregen und eventuell aufgrund generell hoher CAPE-Werte auch
Hagel. Vor allem am Dienstag und Donnerstag, an denen etwas mehr Dynamik im
Spiel sein wird, ist die Unwettergefahr erhöht und auch der Sturm kommt ins
Spiel. Für Details ist es in der Mittelfrist üblicherweise zu früh. Auch aus den
Niederschlagsensembles ist derzeit noch kein klares Bild zu erwarten.

EFI:
Sowohl der EFI für CAPE als auch der EFI für CAPE/shear zeigen am kommenden
Donnerstag ein signifikantes Signal für Süddeutschland.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-MIX, IFS-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl.-Met. Peter Hartmann