DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-06-2023 08:01
SXEU31 DWAV 160800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 16.06.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNa (Hoch Nordmeer antizyklonal)

Heute und morgen im Osten und Nordosten konvektive Umlagerungen,
Hauptbegleitparameter Starkregen (lokal WU). Auch im Süden du Osten Bayerns
heute einzelne Gewitter. Ansonsten Fortdauer der trockenen Witterung bei
steigenden Temperaturen, am Wochenende teils über 30°C.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... setzt sich die gefühlt seit der Steinzeit andauernde Blockierungslage
nahtlos fort. Dabei befindet sich Deutschland am Rande einer hochreichenden
Hochdruckzone, die sich vom Nordpolarmeer bis hinunter nach Südwesteuropa und
sogar noch etwas darüber hinaus erstreckt. Der Schwerpunkt des Bodenhochs - die
Rede ist übrigens von ZAYENEH - reicht heute mit etwas über 1025 hPa von der
nördlichen Norwegischen See bis zur Bäreninsel, von wo aus ein Keil bis hinunter
zur westlichen Nordsee verläuft. Flankiert wird die Hochdruckzone von einem
breiten Trog mit integriertem Drehzentrum über dem Westrand des Ostatlantiks,
der vielleicht schon ab Sonntag, wahrscheinlich aber erst ab Montag merklich an
Bedeutung für das Wettergeschehen vor Ort gewinnt. Die östliche Flanke wird von
einem elliptisch geformten Höhentief besetzt, das bisher als Kaltlufttropfen
durchging. Inzwischen findet man auf polnischer Seite in der flachen
Druckverteilung aber erkennbare Ansätze zyklonaler Rotation, die die
BWK/FU-Berlin bewogen hat, einen Namen zu vergeben - Gott zum Gruße IORDANIS.
Doch zurück zum Höhentief, das seinen Sitz heute Mittag unweit der Odermündung
hat. Es wird von mehreren kurzwelligen Sekundärtrögen umlaufen, die für
zeitweilige Hebungsimpulse sorgen, meist durch PVA, teils unterstützt durch WLA.
Die zuletzt noch wirksame KLA (hebungsdämpfend) ist passe und so verwundert es
nicht, dass es heute früh vor allem im Nordosten, partiell aber auch in
Nordbayern (Stand 4:30 UTC) schauerartig, gebietsweise aber auch stratiform
(also skalig) regnet, was mehr als willkommen sein dürfte. Der Regen wird sich
in den nächsten Stunden langsam süd-südostwärts ausweiten und dabei immer mehr
in den konvektiven Modus übergehen, wobei heute Morgen und am Vormittag wohl
aber nur vereinzelte Blitze auftreten werden. Hier und da reicht es bis zum
Mittagessen für bis zu 5 l/m², mit Hilfe schauerartiger Verstärkungen vielleicht
um 10 l/m².

Im weiteren Verlauf des Tages ändert sich an der eingefahrenen
Strömungskonfiguration wenig bis nix. Bewegung ist für das gesamte System ein
Fremdwort, wenn man mal von den besagten Sekundärtrögen absieht. Hinzu kommt der
Tagesgang und schon tut sich auch ein bisschen was beim Wetter. Was noch gar
nicht zur Sprache kam ist die Luftmasse, die sich derzeit in Deutschland
tummelt. Sie ist mäßig warm bis warm, aber nicht heiß und vor allem trocken,
wenn auch nicht überall. Insbesondere im West und Süden liegen die morgendlichen
Taupunkte im einstelligen Bereich, z.T. sogar unter 5°C. Da nutzt es auch wenig,
dass die Schichtung bis etwa 600 hPa (teils auch noch darüber) labil ist. Der
Wasserdampfgehalt ist zu gering, als dass sich anständig CAPE aufbauen ließe. So
bleibt es heute in der Westhälfte sowie im Süden - abgesehen vom Südosten
Bayerns, auf den ich noch zu sprechen komme - bei einigen hochbasigen Quellungen
und viel Sonnenschein mit Temperaturmaxima bis zu 29°C am Rhein und seinen
Nebenflüssen.

Die Regionen, in denen es heute "Wetter" gibt, lassen sich ganz gut in drei
Zonen einteilen. Fangen wir im Osten und Südosten Bayerns an, wo die Luftmasse
etwas feuchter ist als weiter westlich. Das reicht, um mit Hilfe der
Einstrahlung wenige hundert Joule pro Kilogramm CAPE aufzubauen, die vor allem
orografisch (einer der o.e. Sekundärtröge dürfte sich am Nachmittag schon auf
österreichischer und tschechischer Seite befinden) in einzelne Schauer und
Gewitter umgesetzt werden kann. Aufgrund der inversen V-Struktur der Temps
(trockene Grundschicht) steht der Wind/Sturm im Blickpunkt des Geschehens mit
Böen 8 Bft, vereinzelt vielleicht sogar 9 Bft in der Spitze. Starkregen (unter
25 l/m²) und kleinkörniger Hagel gibt´s gratis dazu.

Zone #2 befindet sich im Nordosten, genau genommen zwischen Vorpommern und
Erzgebirge, also etwas östlich des skaligen Regenanteils von heute Morgen. Dort
ist die Luft zwar nicht so labil wie im Südwesten, dafür ungleich feuchter mit
PPWs um oder etwas über 25 mm und Grundschichtfeuchten von bis zu 10 g/kg. Das
Problem ist die starke Bewölkung, die die solare Energiezufuhr und somit auch
den Aufbau von CAPE erheblich hemmt. Trotzdem, die Schichtung ist ungedeckelt
und im Tagesverlauf sollte es zumindest partiell für etwas Einstrahlung reichen,
was ein sofortiges Brodeln und die Bildung konvektiver Umlagerungen zur Folge
hat. Im Gegensatz zu Bayern liegt der Schwerpunkt der Begleiterscheinungen beim
Starkregen, weil die meist als Einzelzellen auftretenden Gewitter mal so gar
keine Lust haben, sich anständig zu bewegen. Mengen bis 25 l/m² innert kurzer
Zeit sind kein Problem und sogar vereinzelte Unwetter (> 25 l/m²) können nicht
ausgeschlossen werden, auch wenn die Numerik (vor allem ICON-D2-EPS) sehr
zurückhaltend agiert. Trotz kaum vorhandener Scherung kann trotzdem kleiner
Hagel mit am Start sein, während beim Wind mehr als 7 Bft nur gering
wahrscheinlich ist.

Kommen wir noch zu Zone #3, die etwas weiter westlich ansetzt, also etwa von SH
über den Großraum HH und Ostniedersachsen bis etwa zum Harz. Dort soll das
meiste CAPE aufgebaut werden, gebietsweise 500 bis 1000 J/kg laut Numerik.
Ursache sind eine gut ausgeprägte Feuchteflusskonvergenz (PPW 25 bis 30 mm)
sowie zeitweilige Einstrahlung. Auch hier entwickeln sich Gewitterzellen, die
ähnliche Qualitäten aufweisen wie die weiter östlich. Eine Besonderheit gibt es
in SH, wo sich im Tagesverlauf zumindest teilweise Seewind einstellt, der die
Bildung einer mehr oder weniger ausgeprägten Bodenkonvergenz zur Folge hat
(Ostwind von der See vs. West-Nordwest weiter im Landesinnern). Für Funnel
reicht das mindestens, aufgrund der hohen bodennahen CAPE-Werte sind aber auch
Typ-II-Tornados (sogenannte Landspouts) nicht gänzlich ausgeschlossen.

Bleibe nur noch zu erwähnen, dass die Temperatur in der Osthälfte maximal auf 20
bis 25°C ansteigt. Mancherorts, wo die Sonne gar nicht zum Zuge kommt, könnte
sogar die 20°C-Marke zum Problem werden.

In der Nacht zum Samstag orientiert sich das Höhentief entlang der
deutsch-polnischen Grenze geringfügig nach Süden. Auf seiner Westflanke werden
weiterhin schwache Hebungsimpulse generiert, auch wenn kein klar erkennbarer
Randtrog auszumachen ist. Letztendlich führt das dazu, dass die Schauer und
Gewitter im Osten nicht sofort in sich zusammenfallen, sondern eine gewisse
Nachtaktivität an den Tag legen. Die Intensität lässt aber schon nach und auch
die Anzahl der konvektiven Elemente ist rückläufig. Im Norden und Nordosten, wo
es zuvor geregnet hat und die Wolkendecke aufreißt, kann sich stellenweise Nebel
bilden (Sichtweiten unter 150 m nicht ausgeschlossen, in dieser Jahreszeit aber
selten und wenn auch nur von kurzer Dauer).

Ansonsten sei noch gesagt, dass sich an den Alpen noch längere Zeit starke
Bewölkung hält, während die Nacht im großen Rest gering bewölkt oder klar
verläuft. Landesweit kühlt es auf etwa 15 bis 8°C, in der Eifel bis zu 5°C ab.


Samstag... ändert sich nicht allzu viel am Set. Okay, das hochreichende Tief
nebst Trog über dem Atlantik kommt der Grünen Insel etwas näher, was für uns
aber noch keine Konsequenzen hat. Wir verbringen den bundesligafreien Samstag
weiterhin am Rande der meridionalen Hochdruckzone mit überlagertem Rücken, was
für weite Landesteile warmes bis sehr warmes 24 bis 29°C), im Südwesten
gebietsweise sogar heißes (bis zu 31°C; T850 um 15°C) und sonniges bis locker
bewölktes Wetter zur Folge hat.

Im Osten und Nordosten allerdings beschäftigt und weiterhin besagtes Höhentief,
das sich wie in einer engen Gefängniszelle vorkommen muss. Jedenfalls ist sein
Bewegungsradius weiterhin stark limitiert, es reicht gerade mal für einen
minimalen Ausflug in die polnische Grenzregion knapp östlich der Oder. Um
wenigstens etwas Energie abzubauen, kommt es über dem Balkan zu einer
Abtropfung, was für uns aber ohne Folgen bleibt. Entscheidend ist das
Zusammenspiel des Höhentiefs mit der weiterhin potenziell instabilen und
feuchten Luftmasse, die morgen stärker von der Sonne angestrahlt wird als heute.
Entsprechend bauen sich recht verbreitet einige hundert Joule pro Kilogramm CAPE
auf, gebietsweise sogar wieder über 500 J/kg. Mit Hilfe des Tagesgangs, der
Orografie und lokaler Windkonvergenzen entwickeln sich etwa von der Deutschen
Bucht, SH und der Ostsee bis hinunter nach Sachsen zahlreiche, meist als
immobile Einzelzellen daherkommende Gewitter (teils auch "nur" Schauer), die
ähnliche Begleiterscheinungen aufweisen wie heute. Lokale Unwetter durch
Starkregen sind einzuplanen, wobei die Numerik dem schleswig-holsteinischen
Binnenland im Bereich der sich erneut ausprägenden Bodenkonvergenz die
Favoritenrolle zuschustert. Dagegen ist die Wahrscheinlichkeit für
Überentwicklungen am Alpenrand sowie in Ostbayern gegenüber heute deutlich
herabgesetzt, weil die Luftmasse abtrocknet und trotz vorhandener Labilität so
gut wie kein CAPE aufgebaut werden kann.

Temperaturmäßig kommt der Osten (Ostsee bis Erzgebirge bzw. Zittauer Gebirge)
morgen auf Höchstwerte zwischen 20 und 25°C (mehr Bewölkung als im Westen und
T850 lediglich zwischen 7 und 10°C).

In der Nacht zum Sonntag zieht es das Höhentief auf die Ostsee raus, wobei es
seine elliptische Konfiguration beibehält. Die Längsachse beginnt aber leicht zu
kippen in eine nordnordwest-südsüdost orientierte Exposition. Dadurch wird die
nordwestliche Höhenströmung im Nordosten glatter, Hebungsimpulse sind nicht mehr
gegeben. Das erklärt, warum die Modelle durch die Bank weg die Konvektion
deutlich rascher zusammenfallen lassen als in der Vornacht. Bei auflockernder
Bewölkung und feuchter Grundschicht bilden sich einige (flache) Nebelfelder,
Sichtweiten unter 150 m sind aber nicht sehr wahrscheinlich. Ansonsten gilt im
größten Teil des Landes klarer Himmel oder nur geringe Bewölkung (erste Cirren
von Westen her) bei Tiefstwerten zwischen 17 und 8°C.

Sonntag... beginnt sich die Wetterlage ganz allmählich umzustellen, wobei sich
das großräumige Muster gar nicht so sehr ändert. Entscheidend ist die leichte
Progression der Wellen, die Deutschland zunächst unter den o.e. Höhenrücken
bringt, welcher sich langsam von Westen hereinschiebt. Unserem Höhentief
schmeckt das natürlich überhaupt nicht, weshalb es ganz gemütlich die Flucht
ergreift, Zielort Südschweden. Derweil legt sich das hochreichende Tief über dem
Atlantik vor die irische Westküste, von wo aus sich die Achse des Höhentrogs
über das Seegebiet westliche der Iberischen Halbinsel nach Süd-Südwest
erstreckt. Die Frage ist nun, welchen Einfluss Tief und Trog schon am Sonntag
auf unseren Raum ausüben. Geht es nach ICON, ziehen schon früh hohe und
mittelhohe Wolken von Westen ins Landesinnere, aus denen ab dem Nachmittag etwa
vom Niederrhein bis zum Saarland, vielleicht auch noch etwas weiter östlich
skalig motivierter Regen fällt. Hinzu kommt im Südwesten die Ankunft einer
Druckwelle (böiger Wind), die offensichtlich vom regenbedingten Coldpool weiter
westlich angetrieben wird. Sollte sich dieses Szenario bewahrheiten, wären die
von MOS-Mix apostrophierten Höchstwerte von 29 bis zu 33°C zumindest im Westen
und Südwesten um Einiges zu hoch angesetzt. Möglich ist aber auch, und damit
wären wir bei IFS, dass die Bewölkung erst später ankommt bzw. weniger
mittelhohes "Zeug" am Start ist, so dass noch mehr Einstrahlung erfolgt. Dann
wären die genannten Höchstwerte bei T850 von 16 bis 20°C durchaus berechtigt.
Vor allem über den west- und südwestdeutschen Mittelgebirgen könnte es zum Abend
hin für einzelne Schauer oder Gewitter reichen - Fragezeichen mit Hang zur
IFS-Lösung.

Fakt ist, dass weite Landesteile einen sonnigen bis locker bewölkten, vor allem
aber sehr warmen bis heißen Sommertag erleben werden, an dem die Temperatur
verbreitet auf 25 bis 30, in der Südwesthälfte stellenweise bis 32 oder 33°C
ansteigt. Einzig an Küstenabschnitten mit Seewind sowie im höheren Bergland
bleibt das Thermometer bei 20 bis 25°C stehen. Im äußersten Osten und Nordosten,
vornehmlich im Bereich des Oderhaffs könnte es im Schlepptau des scheidenden
Höhentiefs noch für ein paar wenige Frühschauer oder -gewitter reichen, bevor es
im Tagesverlauf abtrocknet.

In der Nacht zum Sonntag macht die Progression des Strömungsmusters weitere
Fortschritte, wenn auch nur sehr schleppend. Dadurch breiten sich von Südwesten
schauerartige Regenfälle und einzelne Gewitter nordostwärts aus, wobei
hinsichtlich räumlicher Ausdehnung und Intensität noch keine belastbaren
Aussagen getroffen werden könne. ICON fährt aber weiterhin die offensivste
Variante. Auf alle Fälle macht sich die Wetteränderung bei den Nachttemperaturen
bemerkbar. Die Abkühlungsrate wird erheblich gedämpft und in den Großstädten
West- und Südwestdeutschlands sind Tiefstwerte nahe 20°C denkbar.

Modellvergleich und -einschätzung
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Es ist alles gesagt, auch was die zunehmende Prognoseunsicherheit ab Sonntag
betrifft. Das konvektive Geschehen heute und morgen muss mit dem üblichen
Handwerkszeug des Nowcastings abgearbeitet werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann