DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

15-06-2023 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 15.06.2023 um 10.30 UTC



Nächste Woche Übergang zu feucht-warmer, teils -heißer Witterung der Marke TrW
(Trog Westeuropa) mit zahlreichen, vielfach kräftigen Gewittern.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 22.06.2023


Nachdem nun schon über mehre Wochen gefühlt nur nördliche oder östliche Winde
das Geschehen bei uns bestimmt haben, kommt nun etwas Bewegung in die
Angelegenheit. Wobei das Wort "Bewegung" arg euphemistisch erscheint, bleibt
doch das gesamte Strömungssetup ziemlich luschig und wenig mobil aufgestellt.
Sagen wir so, die Windrichtung ändert sich zu Beginn der kommenden Woche auf
vorherrschend Süd bis West. Ursache sind ein ausgeprägter Höhentrog über dem
Ostatlantik, der mit einem dicken, fetten Tiefdruckgebiet zusammenarbeitet.
Beide sind bereits auf der heutigen Wetterkarte zu sehen, allerdings noch mit
gebührendem Abstand zum europäischen Festland, wo derzeit noch leichter
Hochdruckeinfluss wirksam ist (wenn auch etwas gestört durch ein Höhentief
respektive Kaltlufttropfen (KLT) über dem Grenzbereich Deutschland/Polen).

Am kommenden Sonntag, dem offiziellen Beginn des Mittelfristzeitraums, herrscht
quasi über dem gesamten Kontinentaleuropa eine flache Druckverteilung. Das
derzeit noch bestimmende Hoch hat sich weit nach Norden zurückgezogen, dafür ist
das o.e. Tief relativ dicht an Irland herangerückt. Auch der zugehörige
Höhentrog hat inzwischen Boden nach Osten hin gutgemacht (Boden in der Höhe
gutmachen, auch ein Kunststück), seine Achse reicht etwa vom Ostteil der
Irminger See bis ins Seegebiet knapp westlich der Iberischen Halbinsel. Besagter
KLT ist auch noch zu finden, er turnt irgendwo über der westlichen Ostsee rum,
wobei er weiterhin isometrische Halteübungen beweglichen Elementen vorzieht.
Sehr gut möglich also, dass er im äußersten Osten und Nordosten noch etwas
Konvektion entfacht. Ansonsten hat sich über dem Vorhersageraum aber ein
Höhenrücken manifestiert, der die beiden zyklonalen Protagonisten voneinander
trennt und weiten Teilen des Landes einen sehr warmen bis heißen (T850 in der
Nordhälfte 10 bis 15°C, im Süden bis zu 18°C) und trockenen Sommertag beschert.
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass zum Abend hin im äußersten Westen und
Südwesten die ersten Gewitter auftreten (am ehesten über den Mittelgebirgen).

Zu Beginn der neuen Woche sowie in den weiteren Tagen verschiebt sich das
gesamte Strömungsmuster in kleinen Schritten nach Osten bzw. der KLT entfernt
sich in Richtung Gotland oder Baltikum (nicht nur die Wege des Herrn sind
unergründlich). Folgerichtig gelangen wir mehr und mehr auf die Trog- respektive
Tiefvorderseite, was die Zufuhr weiterhin sehr warmer bis heißer, nun aber
deutlich feuchterer und potenziell instabiler Subtropikluft befeuert. Bei nach
wie vor flacher Druckverteilung formiert sich eine rinnenartige Bodenstruktur.
Außerdem lösen sich aus dem Haupttrog wiederholt kurzwellige Randtröge, die mit
der südwestlichen Höhenströmung direkt über den Vorhersageraum nordostwärts
geschleust werden und je nach Ausprägung etwas Dynamik mitbringen. Mit anderen
Worten, die Rahmenbedingungen für üppige und wiederholte konvektive Umlagerungen
könnten kaum besser sein, die Produktion tagtäglicher Unwettersofortberichte
kann als sicher eingestuft werden. Sicher ist auch, dass das Temperaturniveau
hochsommerlich bleibt mit hohen Zwanzigern, teils auch 30°C oder sogar etwas
darüber (T850 am Donnerstag 00 UTC um 12°C im äußersten Norden und Westen bis zu
19°C im Süden). Im Gegensatz zu den vergangenen Wochen kommt nun aber ein
erhöhter Wasserdampfgehalt dazu (=> Schwüle), der die Hitze für manchen schwer
erträglich macht (zumal auch die nächtlichen Abkühlungsraten merklich schwächer
ausfallen werden als das aktuell noch der Fall ist).

Abschließend noch ein kurzer Ausblick in die erweiterte Mittelfrist Richtung
übernächstes Wochenende: Durchzug des Troges, Aufbau eines Rückens über dem
nahen Atlantik/Westeuropa, bei uns steigender Luftdruck. Winddrehung auf
Nordwest => abnehmende Gewitterneigung, weniger warm/heiß.
__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz von IFS (ECMF) ist aktuell gut bis sehr gut. Demnach steht
Deutschland vor einer Umstellung der Großwetterlage. Der hohe Luftdruck weicht
und wir kommen auf die Vorderseite eines Tiefs über dem nahen Atlantik, das
feucht-warme bis -heiße Subtropikluft nach Deutschland transportiert.
Entsprechend stellt sich in der nächsten Woche eine schwül-warme bis -heiße
Witterung mit zahlreichen Gewittern inkl. Unwettergarantie ein. Wo es wann wie
stark kracht und regnet, lässt sich im Detail heute freilich noch nicht
bestimmen. Der Kurs als solcher ist rein aus Konsistenzgründen aber unstrittig.


__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die anderen Globalmodelle - namentlich ICON, GFS, GEM und UK10 - zeigen sich
solidarisch, heißt, sie bewegen sich im gleichen Fahrwasser wie IFS. Dass dabei
im Detail gewisse Abweichungen zutage treten, liegt in der Natur der Sache. So
ist u.a. noch nicht klar, wie weit die Gewitter schon am Montag nach Osten
vorankommen. Auch werden die Verteilung der Gewitter und Regenfälle bzw. deren
Schwerpunkte sehr individuell behandelt, um ein zweites Beispiel zu nennen. Es
kann davon ausgegangen werden, dass die Verteilung des vielerorts dringend
benötigten Regens einmal mehr sehr "ungerecht" erfolgt, wobei die Palette von
"sehr wenig bis nix" bis hin zu (räumlich eng begrenzt) extremen Starkregen
wahrscheinlich voll ausgereizt wird - und das manchmal nur wenige Kilometer
voneinander entfernt.
__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen diverser deutscher Städte zeigen einen sehr gutmütigen
Verlauf, bei dem der Spread erst zum Ende hin (also mehrheitlich schon in der
erweiterten Mittelfrist) allmählich zunimmt. Die Ideen des Hauptlaufs werden von
der Statistik also unterstützt. Gut zu erkennen sind dabei die ab Montag
deutlich nach oben gehenden Niederschlagssignale, wobei nach Nordosten hin
(Rostock, Berlin, selbst Hamburg) anfangs noch sehr defensiv agiert wird (was
für einen Durchbruch erst ab Dienstag spricht). Riskiert man zusätzlich noch
einen Blick auf die EPS-Meteogramme, lässt sich in den Windrosen ab Freitag
nächster Woche ein erkennbarer Sprung in den Nordwestsektor detektieren, der mit
einem zumindest vorübergehenden Rückgang der Temperatur einhergeht. Heißt, auch
der o.e. Trend für die erweiterte Mittelfrist findet sich mehr als passabel in
der Statistik wieder.

Bei der Clusterung wird durch die Bank weg (also bis T+240h) nur jeweils eine
Schublade geöffnet, was ein hoher Vertrauensbeweis in die deterministische
Vorhersage des Hauptlaufs ist.

FAZIT: Aus verschiedenen Gründen (Konsistenz, Modellvergleich, Statistik) ist
die Vorhersage im Allgemeinen unstrittig. Hinsichtlich der Details (u.a. Raum,
Zeit, Intensität) ergeben sich noch einige Fragezeichen, die wahrscheinlich
selbst in der Kurzfrist (als mit Näherrücken der Ereignisse) nicht gänzlich
getilgt werden können.
_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Wie bereits mehrfach erwähnt, stellt sich in der nächsten Woche zumindest für
einige Tage eine schwül-warme bis -heiße Witterung mit hohem Gewitterpotenzial
ein. Dabei sind auch örtliche Unwetter mehr als wahrscheinlich, wobei die
Hauptgefahr von (extremen) Starkregen mit entsprechenden Überschwemmungen
ausgeht. Je nach Konfiguration und Timing der mitbestimmenden Randtröge sind
aber auch größerer Hagel bzw. Hagelansammlungen möglich, während Sturm oder gar
noch mehr wohl eher hintergründig zu betrachten sind. Details lassen sich aber
erst relativ kurzfristig festzurren.

Aufgrund des deutlich zunehmenden Wasserdampfgehalts der subtropischen Luftmasse
(Stichwort "Schwüle") nimmt auch die Wärmebelastung regionsweise zu,
insbesondere im Süden und Osten sowie in Teilen der Mitte.
________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS und IFS-EPS.
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann