DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-06-2023 08:01
SXEU31 DWAV 080800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 08.06.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HNz
Am heutigen Donnerstag außer ganz im Norden gebietsweise starke Gewitter, mit
Schwerpunkt über der Mitte. Dabei lokal Unwetter durch Starkregen oder Hagel. Am
Freitag und Samstag langsam abnehmende Gewitteraktivität.


Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... könnte man bei einem Blick auf die Bodenwetterkarte meinen, es sei
ja "alles in Butter" und der Hochdruckeinfluss bringe einen sonnigen Tag ohne
große Störungen. Tja, weit gefehlt, wie ein Blick auf die von Meteorologen sehr
geschätzten Höhenwetterkarten offenbart. In denen zeigt sich in den heutigen
Morgenstunden im Umfeld hohen Geopotenzials ein Höhentief (Kaltlufttropfen) über
Mitteleuropa mit Zentrum über Lothringen, das auch der unteren Troposphäre
zusammen mit einem Tief westlich der Iberischen Halbinsel (das international auf
den Namen OSCAR hört) einen leicht zyklonalen Einschlag bei uns beschert
("HNz"). Mit -18 Grad ist Luft im Kaltlufttropen nicht besonders kalt, aufgrund
um ihn herumlaufender Randtröge liefert er aber immer wieder Hebungsimpulse
durch PVA. Im Tagesverlauf entsteht über Österreich ein zweites Drehzentrum,
sodass aus den Höhentiefs ein Dipol erwächst.
Hebung bzw. PVA wirken sich insbesondere auf die Mitte und den Süden aus,
während sie im Norden nur schwach ist. Schauer und Gewitter bilden sich also
gestützt durch den Tagesgang bzw. der Sonneneinstrahlung vornehmlich in der
Mitte und im Süden. Aber auch im Norden geben die Modelle lokale Entwicklungen
entlang einer möglichen Konvergenz etwa vom mittleren Emsland bis zum Wendland
und bis zur Prignitz her.
Stellt sich die Frage, wie stark die Gewitter werden? ML-CAPE steht bis zu
beachtlichen 1500 J/kg zur Verfügung bei trotz nicht sehr höhenkalter Luft
ordentlichen Lapse Rates von -0.7 bis -0,8 K/100 m. Scherung und SRH hingegen
tendieren gegen 0. Die PPW's erreichen meist Werte von 20 bis 28 mm, am meisten
Feuchtigkeit gibt es in einem Streifen über der Mitte Deutschlands. Dort sind
bereits aktuell teils dichte Wolken mit Schauern unterwegs, vereinzelt blitzt es
daraus auch.
Die Zuggeschwindigkeit der Einzel- oder Multizellen ab dem Mittag lässt sich auf
20 bis 30 km/h abschätzen, was nicht besonders schnell ist. Alle Faktoren
zusammen sprechen vor allem (mal wieder) für lokalen Starkregen, wobei das
ICON-D2-Ensemble stellenweise bis fast 50 % (40 %) Wahrscheinlichkeit für mehr
als 25 (40) l/qm in einer Stunde vorhersagt. Diesbezüglich kann also von lokalen
Unwettern durch heftigen Starkregen ausgegangen werden, möglicherweise muss auch
mal die höchste Stufe mit extrem heftigen Starkregen einkalkuliert werden.
Darüber hinaus sprechen die CAPE-Werte für Hagel, der aufgrund fehlender
Organisation aber keine größeren Ausmaße annehmen sollte (maximal 2 bis 3 cm).
Hagelansammlungen sind hingegen denkbar.
Beim Wind ist beim ICON-D2 meist bei den Sturmböen Bft 9 Feierabend, für schwere
Sturmböen Bft 10 gibt es nur ganz geringe Wahrscheinlichkeiten. Dabei könnte ein
zunächst häufig noch trockener Fuß helfen, den die Prognosetemps durch ein
"Inverted-V" andeuten.
Abseits der Schauer und Gewitter ist es in der Mitte und im Süden wechselnd bis
stark bewölkt, nach Südwesten hin häufiger auch heiter. Am meisten Sonnenschein
gibt es unter dem Einfluss der Hochdruckgebiete "YUNCHIA" und "WIOLA" über der
Nordsee in Norddeutschland und dort insbesondere an der Ostsee.
Der Wind weht im gradientschwachen Umfeld abseits von konvektiven Aktivitäten
schwach, teils auch mäßig aus Nord bis Ost.
Die Temperaturen steigen auf 24 Grad im Emsland und bis 31 Grad im Berliner
Raum, an der Nordsee bei etwas auffrischendem und auflandigem kühleren Nordwind
nur auf 17 bis 24, an der Ostsee auf 21 bis 27 Grad.

In der Nacht zum Freitag verschwindet der Dipol wieder, nachfolgend bewegt sich
das Drehzentrum des Kaltlufttopfens über Süddeutschland hinweg Richtung
Tschechien. Damit wird auch die PVA dorthin gesteuert, während sie auf deutscher
Seite größtenteils nachlässt. Weil auch die Sonneneinstrahlung trotz nun sehr
langer Tage bald fehlt, klingen Schauer und Gewitter mit Nachteinbruch meist
rasch ab. Am längsten können sich konvektive Umlagerungen noch im Süden Bayerns
und in Sachsen halten, wobei die elektrische Aktivität in der zweiten
Nachthälfte arg limitiert ist.
Deutlich zeichnet sich der Kaltlufttropfen auch in der Bewölkung ab. Diese ist
nach Südosten hin zum Teil stärker, während sie in den anderen Landesteilen
meist nur gering ist oder zum Teil gar nicht mehr vorhanden.
Nebel ist bei den Modellen ebenfalls im Programm und am tritt am ehesten dort
auf, wo es abends zuvor noch länger Niederschläge gab.
Der Wind weht nur noch schwach, an der Nordsee teils mäßig.
Die Temperaturen sinken auf 14 bis 8 Grad, an der Küste lokal bis auf 6 Grad.


Freitag... wölbt sich über der Nordsee ein Rücken Richtung Nordmeer und
Skandinavien auf. Am Boden verlagern die Hochs YUNCHIA und WIOLA ihren
Schwerpunkt nach Skandinavien, wobei wir dann am südlichen Rand davon liegen
("HNFa").
Den Kaltlufttropfen zieht es derweil in die Slowakei weiter, womit die
Hebungsimpulse über Deutschland nicht mehr der Rede wert sind. Hydrostatische
Modelle reagieren darauf trotz Feuchtigkeitsnachschub mit geringer oder gar
keiner Konvektion über Deutschland, konvektionserlaubende Modelle wie das
ICON-D2 simulieren jedoch Schauer und Gewitter insbesondere über der Mitte, im
Schwarzwald und an den Alpen. Als Trigger könnten einerseits die Orografie,
andererseits aber auch lokale Konvergenzen fungieren. Letztere bilden sich durch
leicht linienhafte Anordnung der Konvektion in den Vorhersagen von ICON-D2 auch
ansatzweise ab.
Die Labilität scheint mit Lapse Rates von -0,65 bis -0,75 K/100 jedenfalls
ausreichend, ML-CAPE wird bis zu 750 J/kg simuliert. Scherung und SRH sind
erneut sehr gering, die Zuggeschwindigkeit mit rund 15 bis 20 km/h aber auch.
Die PPW's liegen bei 20 bis 25 mm, also ist lokal Starkregen mit Mengen über 15
l/qm in einer Stunde möglich. Allerdings sind die Wahrscheinlichkeiten im
Vergleich zum Vortag deutlich reduziert und für Unwetter sogar äußerst mau.
Vermutlich liegt das daran, dass mögliche Konvektion mit hohen Basen einhergeht
(bei 2000 bis 3000 m), da die unteren bodennahen Schichten bis rund 900 hPa
schon wieder abtrocknen und dann nicht soviel Wasser in der Säule vorhanden ist.

Neben den Starkregen ist kleinkörniger Hagel möglich, durch den trockenen Fuß
auch starke bis stürmische Böen (Bft 7 bis 8).
Abseits von Schauern und Gewittern scheint häufig die Sonne, am meisten im
Südwesten und im Norden. Im Norden sorgt die nordöstliche Anströmung für
deutlich trockenere Verhältnisse, was den Sonnenschein begünstigt.
Der Wind weht schwach bis mäßig aus Ost bis Nordost, an der Ostsee frischt er
bei zunehmendem Gradienten am Rande des Hochs zuweilen stark böig auf (Bft 7).
Die Höchsttemperaturen liegen zwischen 25 und 31 Grad, direkt an der See ist es
mit 19 bis 26 Grad etwas kühler.

In der Nacht zum Samstag ist die Höhenströmung nur leicht progressiv, sodass
sich am Gesamtbild für uns nicht viel ändert. Ohne Tagesgang und nennenswerte
Impulse aus der Höhe sind etwaige konvektiven Umlagerungen bald Geschichte.
Dann erwartet uns unter Absinken eine locker bewölkte oder klare Nacht.
Der Wind ist nur schwach, außer an der Ostsee. Dort treten stellenweise immer
noch starke Böen Bft 7 auf.
Die Tiefsttemperaturen liegen zwischen 17 und 10 Grad.

Samstag... ist weiterhin keine große Änderung in der Höhenströmung zu sehen. Der
Rücken wölbt sich noch ein wenig ins nördliche Skandinavien aus und stützt das
Bodenhoch, wir verbleiben am südlichen Rand davon. Die Feuchtigkeit nimmt weiter
ab, folglich geht die Konvektion weiter zurück. Einzig in Südostbayern wird
wieder feuchtere Luft eingesteuert, die mittels Orogafie (Alpen, Bayerischer
Wald) bei leichter Instabilität in vereinzelte Schauer oder Gewitter münden
könnte. Diese können bei ähnlichen Gewitterparametern wie am Vortag lokal von
Starkregen, kleinem Hagel und stürmische Böen begleitet sein.
Im Rest des Landes ist es heiter oder sonnig, am längsten scheint die Sonne im
Nordwesten und Norden.
Der Wind weht schwach bis mäßig aus Ost bis Nordost, an der Ostsee bei
anhaltendem Gradienten mit starken Böen Bft 7.
Die Höchstwerte liegen zwischen 24 und 31 Grad, direkt an der See bei 19 bis 26
Grad.

In der Nacht zum Sonntag mischt sich von Nordosten her ein Randtrog ein, der im
Verlauf als Kaltlufttropfen Richtung Mitteldeutschland zieht. Er hat schwache
WLA und PVA im Gepäck, vermag aber im absinkdominanten Umfeld kaum konvektive
Impulse zu setzen, zumindest wenn es nach den globalen Modellen geht. Die
konvektionserlaubenden Modelle reichen noch nicht so weit und könnten eine
andere Sprache sprechen, da im Nordosten etwas Labilität aufgebaut wird und ein
wenig CAPE vorhanden ist. Als sehr hinderlich könnte sich allerdings die im
Norden anhaltende Zufuhr trockener Luft aus dem Osten erweisen.
In den anderen Landesteilen ist es unter Hochdruckeinfluss gering bewölkt oder
klar bei meist nur schwacher Luftbewegung. Die Böen an der See schwächen sich
allmählich ab.
Die Tiefstwerte liegen zwischen 17 und 10 Grad, im Osten lokal bei 8 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung
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Unterschiede treten vor allem am morgigen Samstag zwischen den globalen und
konvektionserlaubenden Modellen auf. Ganz so ruhig, wie es die Globalmodelle
glauben, wird es sicherlich nicht werden. Insgesamt ist die Konvektion morgen
aber deutlich schwächer als am heutigen Freitag, sodass Unwetter nur noch
vereinzelt vorkommen sollten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler