DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-05-2023 07:30
SXEU31 DWAV 240800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 24.05.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HB (Hoch Britische Inseln)

Heute Passage eines weitgehend wirkungslosen Kaltlufttropfens. Ansonsten Hoch
VERA mit Keil Mitteleuropa => ruhiges Fahrwasser ohne großes Brimborium und
allmählich steigenden Temperatur, aber gerade nach Norden hin noch kalten
Nächten.


Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... steht im Zeichen einer Höhentiefpassage, wobei das nur die halbe
Wahrheit ist. Genau genommen handelt es sich um einen klassischen
Kaltlufttropfen (KLT), der heute einmal cross country von Nordost nach Südost
zieht. Dabei zwingt er den zonal exponierten, bis nach Mitteleuropa reichenden
Rücken über dem Ostatlantik vorübergehend zum Rückzug, bevor er sich nachfolgend
wieder nach Osten ausdehnt. Während das Bild in der Höhe heute also ganz klar
zyklonal gezeichnet ist, sieht das im Bodendruckfeld ganz anders aus. Völlig
unbeeindruckt von den Geschehnissen in der oberen Troposphäre hält sich über
Deutschland der Keil des kräftigen 1030-hPa-Hochs VERA mit Zentrum westlich von
Irland. Dabei weht an der Nordsee anfangs noch ein flotter und böiger
Nordwestwind, der spätestens zum Mittagessen aber soweit die Segel streicht,
dass keine Warnungen mehr nötig sind.

Ansonsten kann einem der KLT schon ein bisschen leidtun. In den Diagnosekarten
gibt er sich mit den entsprechenden Advektionsfeldern (Temperatur und Vorticity)
lehrbuchmäßig und auch die Temperaturverteilung im Zentrum - T850 um 0°C, T500
um -24°C - sieht ganz nett aus. Und trotzdem wird der KLT als zahnloser Tiger in
die Chroniken eingehen, weil er schlichtweg mit dem falschen Futter gefüttert
wird. Konkret, die Luftmasse, mit der er sich auseinandersetzen muss bzw. die er
in die Höhe hieven möchte, taugt zu allem, nur nicht für gescheites Wetter (im
Sinne "markant" oder mehr). Die gestern eingeflossene maritime Polarluft ist
nicht nur kühl (und mithin relativ energiearm), sondern auch ziemlich trocken
(Taupunkte gebietsweise unter 5°C). Hinzu kommt, dass der KLT nicht in der Lage
ist, die bei 900 bis 850 hPa vorhandene Inversion nachhaltig zu entfernen. So
zeigen die beiden Frühaufstiege von Greifswald und Schleswig (also dort, wo der
KLT schon angekommen war) zwar ein leichtes Anheben, aber mitnichten ein Tilgen
der Inversion. Kurzum, viel mehr als starke Bewölkung und ein paar marginale
Tropfen im Norden, Westen und der nördlichen Mitte ist nicht zu erwarten. Im
Westen und Südwesten scheint sogar noch für längere Zeit die Sonne, bevor die
Bewölkung von Norden her zunimmt. Dafür lockert es später von der Nord- und
Ostsee her auf.

Etwas gesondert ist heute der äußerste Süden, insbesondere der Alpenrand zu
betrachten, wo die noch etwas feuchtere Luftmasse vom Nord-Nordostwind gegen die
Berge gedrückt wird. Entsprechend bleibt es stark bewölkt bis bedeckt und es
regnet zeitweise. Direkt am Alpenrand sind 5 bis 10, in Staulagen bis 15 l/m²
innert 12 h zu erwarten. Wenig zu erwarten ist von der Temperatur, die heute ihr
Wochenminimum (zumindest in der Fläche) erlebt. Die 20°C-Marke wird nicht
erreicht, meist stehen 13 bis 18°C, ganz vereinzelt vielleicht 19°C auf der
Karte. An der Nordsee sowie im Bergland sind angesichts von z.T. nur 12°C der
dicke Hoodie sowie ein Mützchen fast schon Pflicht.

Das gilt noch mehr für die Nacht zum Donnerstag, sofern man es nicht vorzieht,
sich ins warme Bettchen zurückzuziehen. Der KLT zieht nach Frankreich ab und von
Norden her beginnt sich der Rücken respektive der Höhenkeil zu regenerieren. Das
färbt auch auf den Bodenkeil ab, der über der Nordhälfte ordentlich zulegt auf
bis zu 1027 hPa am Morgen zwischen Meppen (leider aus Liga 3 abgestiegen, aber
Dynamo Dresden noch ordentlich einen mitgegeben) und Baltrum (fußballtechnisch
unauffällig). Im Süden fällt der Druckanstieg etwas schwächer aus, was einen
leidlichen Gradienten zur Folge hat. Der daraus generierte Nordostwind wird vor
allem im Hochschwarzwald zu spüren sein, wo es - evtl. mit Hilfe von
Low-Level-Effekten - für Böen der Stärke 7-8 Bft reicht.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich im äußersten Süden dichte Bewölkung
hält, der Regen an den Alpen aber schwächer wird bzw. sich unter Abschwächung
nach Westen in Richtung Bodensee, Hochrhein, gemeinhin deutsch-schweizer
Grenzgebiet verlagert. Im Norden präsentiert sich die Nacht ebenfalls häufig
stark bewölkt, weil entweder von der Nordsee hochnebelartige Wolken reinziehen
oder sich eben solche unterhalb der sich bei 850 hPa manifestierenden Inversion
bilden. Dazwischen, also in der breiten Mitte, wird es vielfach gering bewölkt
oder klar und ziemlich frisch mit Tiefstwerten vielfach unter 5°C. In den
Mittelgebirgen reicht es lokal sogar für leichten Frost in Bodennähe, wenn auch
nur für kurze Zeit. Müßig zu erwähnen, dass es unter den Wolken nicht so kalt
wird, von wenigen Ausnahmen abgesehen aber trotzdem einstellige Tiefstwerte
erreicht werden.

Donnerstag... verabschiedet sich der KLT endgültig in Richtung Pyrenäen.
Nachfolgend steigt das Geopotenzial weiter an, was sich in einem vergleichsweise
schmalen, zonal über Deutschland verlaufenden Höhenkeil widerspiegelt.
Korrespondierend dazu findet sich am Boden der Keil der weiterhin mit ihrem
Zentrum westlich von Irland parkenden VERA, die inzwischen - sorry liebe Veras,
ist nicht gentlemanlike, aber entspricht den Tatsachen - noch ein paar Pfunde
auf über 1035 hPa zugelegt hat. Die Divergenzachse verläuft relativ stationär
von der Deutschen Bucht bis zum Zittauer Gebirge, wobei nördlich davon Nordwest-
bis Nordwind, südlich davon Nordost- bis Ostwind weht. Ganz im Norden schickt
sich eine Kaltfront an, am Ego des Hochkeils zu kratzen, was sehr wahrscheinlich
aber in die Hose geht. Absender der Front ist ein Randtief des großen ENGELBERT,
ein Sturmtief, das morgen Mittag südlich von Spitzbergen liegt. Die Kaltfront
kommt auf sehr antizyklonaler Spur an, ist mithin wetterinaktiv und besonders
ausgeprägt ist die nur flach (unterhalb 950 hPa) einfließende Kaltluft auch
nicht. Am Ende löst die etwas landeinwärts vorankommende Front sogar die
hochnebelartige Bewölkung auf, so dass es von Norden her immer sonniger wird. An
der nordfriesischen Küste frischt der Nord-Nordwestwind soweit auf, dass es
vielleicht für die eine oder andere steife Böe 7 Bft reicht.

Und sonst so? - Sonnig oder nur locker bewölkt wird der Tag in der Mitte knapp
südlich der Divergenzachse, wo man ja schon wolkenarm aus der Nacht kommt.
Weiter im Süden startet der Tag wolkig bis stark bewölkt, bevor es im
Tagesverlauf zu größeren Auflockerungen respektive längeren Sonnenfenstern
kommt. Direkt am Alpenrand tut sich die Atmosphäre allerdings schwer, die
vorhandene Feuchte zu entfernen. Außerdem ist die Luftmasse leicht labil
geschichtet, was im Tagesverlauf die Wahrscheinlichkeit für einzelne Schauer
ansteigen lässt. Die meisten konvektiven Umlagerungen bis hin zu Gewittern
dürfte es aber im inneralpinen Bereich sowie südlich davon geben.

Die anfänglich im Südwesten auftretende Bise (Hochschwarzwald Böen 7-8 Bft, in
tiefen Lagen wenn überhaupt nur ganz vereinzelt steife Böen 7 Bft) schwächt sich
im Tagesverlauf ab, weil der Gradient durch leichten Druckanstieg beginnt
aufzuweichen. Die einfließende, von ihrem Ursprung noch immer kühle Luftmasse
kann sich diabatisch erwärmen, so dass am Ende die Spanne der
Tageshöchsttemperatur 17 bis 23°C beträgt. Am kühlsten bleibt es dabei im
Nordwesten, wo die Luft von der Nordsee kommt und direkt an der See ebenso wie
im Bergland noch tiefere Werte angesagt sind.

In der Nacht zum Freitag wird der Druck des frontolytischen Setups so groß, dass
die Kaltfront zumindest bei uns aufgeben muss und von der Wetterkarte
verschwindet. Der Höhenkeil verlagert sich langsam gen Süden, während der
Bodenkeil ortsfest bleibt. Die Wolken des Tages lösen sich vielfach auf.
Lediglich am Alpenrand sowie gebietsweise im Norden bzw. Nordwesten ist es
wolkig oder stark bewölkt, wobei die Parametrisierung der Modelle wie so oft bei
tiefer Bewölkung unterschiedlich ausfällt. Dort, wo es im Norden längere Zeit
klar ist, kann es für eine Nacht Ende Mai bannig kalt werden mit
Lufttemperaturen unter 5°C und Bodentemperaturen um 0°C. Dagegen bleibt es im
Süden und Südwesten zum Teil schon zweistellig.

Freitag... ist die Wettergeschichte rasch erzählt. Der Höhenkeil verlagert noch
weiter nach Süden bzw. Südwesten, so dass der gesamte Vorhersageraum mehr und
mehr unter eine west-nordwestliche Höhenströmung gelangt. Ein eingelagerter
flacher Randtrog erfasst am Nachmittag und Abend von der Nordsee her den
Nordwesen und bringt ein paar Wolken mit. Ansonsten sorgt der kräftige, nach wie
vor stationäre Bodenkeil für einen verbreitet sonnigen oder nur locker bewölkten
(Cumuluswolken unterhalb der zwischen 900 und 800 hPa liegenden Inversion)
Freitag, an dem die Temperatur im Norden auf 16 bis 20°C (Küste meist darunter),
sonst auf 19 bis 24°C, am Oberrhein punktuell vielleicht 25°C steigt. Ganz im
Süden, wo es auf 850 hPa mit rund 11°C teils deutlich wärmer ist als weiter
nördlich (bei etwa gleicher Temperatur auf 500 hPa), lassen sich eine gewisse
Labilität sowie Schauer- und Gewitterbereitschaft nicht leugnen, auch wenn die
Hauptaktivität eher weiter südlich liegen dürfte.

In der Nacht zum Samstag tut sich wenig bis nix an der Wetterlage. Meist ist es
gering bewölkt oder klar und noch immer frisch. Gerade im Norden und in den
zentralen Mittelgebirgen kühlt es z.T. auf unter 5°C ab, 0°C oder sogar lokaler
Frost in Bodennähe gratis dazu.

Modellvergleich und -einschätzung
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Sieht man von der unterschiedlichen Parametrisierung der tiefen Bewölkung ab,
sind die Modelle einer Meinung.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann