DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-05-2023 07:30
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 22.05.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HNF z Übergang zu HB

In der Westhälfte häufig, sonst vereinzelt teils starke Gewitter. Lokal
Unwetter! Am Dienstag im Nord- und Südosten Gewitterneigung, nur noch geringe
Unwettergefahr.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Montag... reicht eine langgestreckte Hochdruckzone vom Nordatlantik über
Skandinavien bis Russland. Ein aus der Frontalzone zum Nordmeer schwenkender
Trog und ein Kaltlufttropfen über der Nordsee sorgen für eine Schwachstelle in
der Hochdruckbrücke. Der Kaltlufttropfen wandelt sich in einen Kurzwellentrog um
und zieht heute zur deutschen Bucht. Auf seiner diffluenten Vorderseite kommt es
zu PVA, die im Nordwesten einen dynamischen Hebungsimpuls liefert.
Hier regnet es schon am Vormittag, über der Nordsee eventuell noch mit
eingelagerten Gewittern.

Im Bodendruckfeld formiert sich die Tiefdruckrinne, angefüllt mit sehr warmer,
labiler und nach Westen hin sehr feuchter Luft, über Deutschland immer besser,
in die sich auch eine deutliche Windkonvergenz (Ost-Südost vs. West bis Nord)
etabliert. Im Bereich der Konvergenz, die mittags etwa vom Emsland über die
westliche Mitte bis zum Schwarzwald reicht, steigt die Feuchte weiter auf über
30 mm PPW und entsprechend steht im Tagesverlauf ML CAPE teils über 1500 J/kg
zur Verfügung. Nur schwach gedeckelt entwickeln sich ab dem Mittag über der
Westhälfte teils kräftige Gewitter. Im Nordwesten, wo etwas
niedertroposphärische (Richtungs)Scherung vorhanden ist, können die Zellen
organisierter auftreten, was sich auf ihre Lebensdauer auswirkt und die
Wahrscheinlichkeit von Hagel und Sturmböen (9 Bft) steigen lässt.
Unwettergefahr besteht aber vor allem durch Starkregen. Außerdem ist das HKN
insbesondere über der Nordsee, aber auch im küstennahen Binnenland deutlich
unter 1000 m herabgesetzt, was bei bodennaher Richtungsscherung ein gewisses
Tornadopotential bewirkt, zumindest dort, wo der stabilisierende Einfluss der
kühlen Meeresoberfläche nachlässt.

Weiter südlich ist es, abgesehen von orografisch induzierten Effekten, mit der
Scherung nicht weit her. Die Einzel- oder Multizellen dort verlagern sich kaum
und können mit kräftigem Starkregen bis in den Unwetterbereich verbunden sein.
Auch lokal größere Hagelansammlungen müssen einkalkuliert werden. Die EPSe von
Icon D2 liefern Hinweise auf Regenmengen bis in den extremen Unwetterbereich,
was bei fast stehenden Zellen plausibel erscheint.

Über der Osthälfte ist die Wahrscheinlichkeit für hochreichende Konvektion
geringer. Dafür scheint häufig die Sonne.
In den Nordosten sowie in Teile Bayerns abseits der Alpen strömt aus östlichen
Richtungen mit stark böigem Wind (Ostsee exponiert 7 Bft) trockenere Luft ein.
Somit beschränkt sich die Auslöse auf einige teils kräftige Gewitter über dem
Bergland, vom Zittauer Gebirge bis hinüber zum Thüringer Wald, den
ostbayerischen Mittelgebirgen sowie den Alpen.

Die Temperatur steigt meist auf 24 bis 28°C, tendenziell wird es in vielen
Regionen schwüler als zuletzt.

In der Nacht zum Dienstag verlagert sich die Rinne gestützt durch den
Kurzwellentrog langsam ostwärts. Im Norden hängt sie zurück, weil sich dort ein
flaches Tief im Bereich der unteren Elbe bildet. Die schauerartigen Regenfälle
und Gewitter kommen im Laufe der Nacht bis in den Nordosten voran und gehen in
teils ungewittrigen Starkregen über. Die
Unwettergefahr sinkt deutlich. Nur der äußerste Nordosten bleibt noch außen vor,
während auf der Rückseite der Rinne mit böigem Nordwestwind kühle und stabile
Luft einströmt und für eine Wetterberuhigung sorgt. Im Bergland und an der
Nordsee sind steife Böen 7 Bft, an der See exponiert 8 Bft möglich. Die
Vordergrenze der kühlen Luft tritt im Verlauf der Nacht deutlicher als Kaltfront
in Erscheinung. Mit deren Übergreifen auf Süddeutschland leben die Gewitter nach
vorübergehender Pause in der zweiten Nachthälfte wieder auf. Teils kann es auch
mehrstündigen Starkregen geben.


Dienstag... verliert der Höhentrog an Kontur und läuft etwas breit. Darin bildet
sich nahe dem Oslofjord ein neuer Kaltlufttropfen, der aber für uns zunächst
keine Impulse setzen kann. Entscheidender ist, dass sich die Rinne mit der
präfrontal feucht instabilen Luft in den Nord- und Südosten zurückzieht, wo die
Gewitter tagsüber aufleben. Wie intensiv diese werden, ist angesichts des hohen
Bewölkungsanteils und der damit limitierten Einstrahlung und Labilität unsicher.
Lokal kräftige Gewitter mit Starkregen und kleinkörnigem Hagel sind auf jeden
Fall möglich, vereinzelte Unwetter nicht ganz ausgeschlossen. Auch die Maxima
der Temperaturen bleiben deutlich hinter denen der Vortage zurück. Sommerliche
Werte werden nicht mehr erreicht.
Hinter der auf den Osten und Südosten übergreifenden Kaltfront dreht der Wind
fast überall auf Nordwest bis Nord und die trockenere, stabile und deutlich
kühlere Nordseeluft breitet sich südostwärts aus. In ihr steigt die Temperatur
bei starker Cu/Sc Bewölkung z.T. nicht mehr die 20°C-Marke, im Nordwesten ist
schon bei 15°C Schluss.

Mit dem kräftigen Druckanstieg durch den rasch nachfolgenden Hochkeil sind vor
allem in einem Streifen von der Nordsee Richtung Sachsen und nördliches Bayern
starke bis steife Böen aus Nordwest denkbar, an der Nordsee und exponiert auf
einigen Berggipfeln auch stürmische Böen.

In der Nacht zum Mittwoch dehnt sich der Höhentrog über Ostdeutschland nach
Süden aus, während der Kaltlufttropfen zur westlichen Ostsee zieht. Kräftige KLA
stützt den Hochkeil über dem Westen und Südwesten Deutschlands. Dabei wird die
Rinne auch aus dem Nordosten abgedrängt, wo es aber noch einige Zeit teils
schauerartig regnen kann, aber ohne warnwürdige Mengen. Das gilt auch
staubedingt für den Alpenrand. Ansonsten lockert die Bewölkung teils stärker
auf, und in der kühlen Meeresluft geht die Temperatur in Westdeutschland bei
abflauendem Wind gebietsweise unter 5°C zurück.

Der Wind weht im Norden und Osten teilweise lebhaft aus Nordwest mit einzelnen
Böen 7 Bft aber nur noch im höheren Bergland und an den Küsten, wo anfangs
exponiert auch stürmische Böen auftreten können.


Mittwoch... zieht das Höhentief von der Ostsee nach Süden bis Südwesten und
könnte abends über der Mitte oder dem Südwesten aufschlagen. Dabei nimmt es eine
laut ICON elliptische Form an, so dass die Höhenströmung über weiten
Teilen Deutschlands zyklonal konturiert ist.
Im Osten fällt hin und wieder etwas Regen und am Alpenrand, wo sich Reste der
feuchteren und labileren Luft halten, gibt es im Tagesverlauf eine etwas erhöhte
Wahrscheinlichkeit für Schauer und vereinzelte Gewitter. Im großen Rest des
Landes bleibt es weitgehend trocken unter einem mehr oder weniger bewölkten
Himmel.
Die meiste Sonne ist im Südwesten sowie direkt an der See zu erwarten. Der Wind
an der Nordsee nimmt weiter ab. Die Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen 15
und 20°C, bei auflandigem Wind an der See sowie im höheren Bergland etwas
darunter.
In der Nacht zum Donnerstag lassen die Schauer im Osten und ganz im Süden nach
und die Bewölkung lockert dort, wie in den anderen Regionen teils stärker auf
und es bleibt unter schwachem Hochdruckeinfluss weitgehend trocken. Auf den
Norden kann im weiteren Verlauf die Bewölkung einer stark abgeschwächten
Kaltfront übergreifen. Der meist nördliche Wind spielt aus Sicht der Warnungen
keine Rolle. Die Nacht wird kühl mit Werten teilweise um 5°C.


Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die Modelle simulieren zunächst sehr ähnlich, ab Mittwoch mit Übergreifen des
nächsten KLT mit zunehmenden Unschärfen, die aber keine große Relevanz haben.
Die lokalen Unwetter heute machen eine Vorabinfo nicht nötig.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner