DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-05-2023 17:30
SXEU31 DWAV 211800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 21.05.2023 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Sommerlicher Sonntag endet mit einzelnen Gewittern. Am Montag in der Westhälfte
vermehrt kräftige Gewitter bis in den Unwetterbereich. Weiterhin sehr warm. Am
Dienstag Luftmassenwechsel => stabiler und kühler.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland nach wie vor auf der Südflanke einer
scheinbar erdumspannenden Hochdruckzone, die mindestens vom mittleren
Nordatlantik über Skandinavien bis in die sibirischen Weiten reicht. Bei uns
sind die Isobaren inzwischen aber stark zyklonal gekrümmt. Ausgehend vom
Mittelmeerraum, der durchweg tiefen Luftdruck zu bieten hat, reicht eine
trogartige Ausbuchtung über die Alpen hinweg bis in die Westhälfte. Mit etwas
guten Willen findet man in Süd- bzw. Südwestdeutschland sogar ein flaches Tief
(DAVID). Ansonsten dauert die östliche Strömung an, mit der inzwischen warme
(T850 10 bis 15°C), potenziell instabile und zumindest teilweise recht feuchte
Luft (Taupunkte lokal über 15°C, PPW im Nordwesten um 30 mm) den Weg zu uns
gefunden hat.

In der Höhe thront eine abgeschlossene Antizyklone mitten über dem
Vorhersageraum (300 hPa). Das erklärt zu einem Großteil, warum es heute tagsüber
trotz des überaus soliden Treibstoffs nur wenige Überentwicklungen gegeben hat.
Aktuell tummeln sich ein paar, im Wesentlichen aus der Orografie hervorgegangene
Schauer und Gewitter über dem Schwarzwald sowie in der Mitte. Erwähnenswert für
die weitere Entwicklung ist ein kleiner Kaltlufttropfen (KLT), der heute Abend
mit seinem Drehzentrum dicht vor der englischen Ostküste über dem Seegebiet
Humber liegt. Er wird sich bis Montagfrüh ein wenig gen Osten verlagern, wobei
das in unteren Troposphärenschichten scheinbar besser gelingt als weiter oben.
Auf alle Fälle sind sich die Modelle einig, dass im Laufe der Nacht ein
Hebungsimpuls ausgelöst wird, der im Nordwesten in schauerartige Regenfälle und
einige abgehobene Gewitter mündet. Fraglich ist derzeit noch, wie weit diese in
deutsches Hoheitsgebiet eindringen. IFS, das bezüglich der Entwicklung im
Nordwesten in der vergangenen Nacht vollkommen versagt hat, bietet einmal mehr
die progressivste Variante an. Andere Modelle sehen den Schwerpunkt eher in den
Niederlanden sowie über der Nordsee - schwierig. Die relativ große Entfernung
des KLTs spricht eher für die defensive Variante, schlussendlich läuft das Ganze
aber ohnehin auf Nowcasting hin. Neben Starkregen in Verbindung mit Gewittern
gilt es auf ungewittrigen Starkregen, möglicherweise auch mehrstündig, zu
achten.

Ansonsten verläuft die Nacht verbreitet gering bewölkt oder klar und trocken,
weil der abendlichen Restkonvektion rasch die Puste ausgeht. Mit 16 bis 10, im
Süden bis zu 8°C bleibt es vielerorts relativ mild.

Montag ... kommt der KLT - angeschubst von einem Trog, der sich aus der weit im
Norden verlaufenden Frontalzone löst - langsam weiter gen Osten voran. Dabei
wandelt er sich zunehmend in einen gewöhnlichen KW-Trog um, auf dessen
diffluenter Vorderseite PVA wirksam ist. Diese erfasst im Tagesverlauf den
Nordwesten, wo sie nun wirklich und ziemlich sicher einen dynamischen
Hebungsimpuls liefert. Gleichzeitig wird das Bodendruckfeld in der Westhälfte
noch zyklonaler eingedellt, so dass sich ein schlanker, fast rinnenartiger Trog
konfiguriert, in dem sich eine deutliche Windkonvergenz (Ost-Südost vs. West bis
Nordwest) etabliert. Und weil die nach wie vor potenziell instabile Luftmasse
noch feuchter wird (PPW teils bis zu 35 mm) und entsprechend mehr CAPE zur
Verfügung steht (gebietsweise werden rund 1500 J/kg ML-CAPE angeboten),
entwickeln sich in der Westhälfte schon ab dem Vormittag teils kräftige
Gewitter. Im Nordwesten, wo etwas niedertroposphärische (Richtungs)Scherung
vorhanden ist, können die Zellen einigermaßen organisiert auftreten, was sich
auf ihre Lebensdauer auswirkt und zudem die Gefahr von stürmischen Böen oder
Sturmböen 8-9 Bft sowie etwas größeren Hagel erhöht. Unwettergefahr besteht vor
allem aber durch Starkregen. Außerdem ist das HKN insbesondere über der Nordsee,
bedingt aber auch im küstennahen Binnenland deutlich unter 1000 m herabgesetzt,
was bei gleichzeitig bodennaher Richtungsscherung die Rüsselgefahr erhöht.

Weiter im Westen und Südwesten ist es mit der Scherung nicht gut bestellt, es
gibt abgesehen von orografisch induzierten Effekten schlichtweg keine. Das macht
die mit Hilfe des Berglands entstehenden Gewitter aber keinesfalls ungefährlich.
Die Einzel- oder Multizellen verlagern sich kaum und können bei ihren
Stehversuchen bzw. bei rückwärtigem Anbau oder Mehrfachtreffern zu regelrechten
Wasserbomben mit kräftigem Starkregen bis in den Unwetterbereich anwachsen. Auch
größere Hagelansammlungen, die räumlich eng begrenzt weiße "Winterlandschaften"
produzieren, müssen einkalkuliert werden.

Je mehr wir uns in die Osthälfte orientieren, desto geringer die
Wahrscheinlichkeit für konvektive Umlagerungen. Dafür scheint häufig die Sonne.
In den Nordosten sowie in Teile Bayerns abseits der Alpen strömt wieder
trockenere Luft ein, mit der schauer- und gewittertechnisch wenig bis nichts
anzufangen ist. Somit beschränkt sich die Auslöse einiger weniger
Überentwicklungen auf das Bergland, vom Zittauer Gebirge bis hinüber zum
Thüringer Wald, den ostbayerischen Mittelgebirgen sowie den Alpen.
Temperaturmäßig startet die neue Woche sommerlich mit verbreitet 25 bis 29°C.
Nur direkt an der See, in höheren Lagen und im wolkigeren Westen und Nordwesten
geht´s nicht ganz so hoch hinaus.

In der Nacht zum Dienstag verlagert sich die Rinne langsam ostwärts. Im
Nordwesten hängt sie aber etwas zurück, weil sich dort ein flaches Tief
ausbildet, das am Morgen im Raum HH liegen soll. In der Höhe rückt der ehemalige
KLT als KW-Trog weiter nach Osten vor, verliert von oben nach unten aber
zunehmend an Kontur. Gleichzeitig nähert sich von der Nordsee der o.e. Trog aus
der Frontalzone, der zunächst aber keine Wirkung zeigt.

Fakt ist, dass sich die schauerartigen Regenfälle und Gewitter im Laufe der
Nacht über den Norden des Landes ostwärts verlagern. Teilweise gehen die
Gewitter in ungewittrigen Starkregen über, wobei die Unwettergefahr mit
zunehmender Nachtlänge zurückgeht. Im äußersten Nordosten kommen die
Niederschläge bis zum Morgen wahrscheinlich noch nicht an und auch im Westen
lässt das Ganze mehr und mehr nach. Im Nordwesten, vor allem aber an und über
der Nordsee zieht der Nordwestwind rückseitig des o.e. Tiefs mächtig an und
erreicht in Böen Stärke 7-8 Bft.

Unterschiedlich sind die Aussagen derzeit noch zu den Abläufen im Süden.
Teilweise kommen die konvektiven Prozesse und Niederschläge vom Abend allmählich
zum Erliegen, teilweise köchelt es die ganze Nacht durch. Hier gilt es morgen
eine Neubewertung vorzunehmen.

Dienstag ... zeichnet sich ab, dass sich die Tiefdruckrinne und somit auch die
Zone mit schauerartigen Regenfällen und Gewittern ziemlich rasch (deutlich
rascher als gestern noch angenommen) in den äußersten Osten und Süden
zurückzieht. Treibende Kraft ist der zweite Trog, der es ziemlich eilig hat,
nach Osten durchzuschwenken. Hinter der Rinne dreht der Wind auf westliche bis
nördliche Richtungen, an der Nordsee weiterhin mit steifen bis stürmischen Böen.
Dabei wird eine stabile und deutlich kühlere Luftmasse in den Vorhersageraum
gesteuert, die sich zügig ost-südostwärts ausbreitet. T850 sinkt im Norden und
Westen auf etwas unter 5°C, was dort unter wolkigem, teils stark bewölktem
Himmel die Tageshöchsttemperatur auf nur noch 15 bis maximal 20°C regelrecht
abstürzen lässt.

Etwas wärmer, wenn auch merklich nicht mehr so warm wie tags zuvor, wird es in
der Südosthälfte, wo es noch ein zwei Bemerkungen zum Wetter zu machen gilt. Die
schauerartigen Regenfälle und Gewitter ziehen sich zusehends in den Süden und
Osten zurück. Im Süden wird der Regen staubedingt mehr und mehr an die Alpen
gedrückt wird. Dabei muss auf Starkregen geachtet werden, evtl. auch
ungewittrig. Ob es sogar für Unwetter reicht, ist aus heutiger Sicht fraglich.

In der Nacht zum Mittwoch tropft der Trog über Südwestschweden aus und zieht
nachfolgend in Richtung deutsche Ostseeküste. Dabei kommt es im Nordosten zu
zeitweiligen, anfangs noch gewittrigen Regenfällen. Ansonsten macht die
Stabilisierung weitere Fortschritte, was nicht nur an der sich ausbreitenden
kühlen Luftmasse, sondern auch am fortlaufenden Druckanstieg liegt. Absender ist
ein umfangreiches Hoch über dem Ostatlantik, von dem aus sich ein Keil bis nach
Mitteleuropa vorschiebt. Dieser verdrängt auch im Süden die schauerartigen
Regenfälle und anfänglichen Gewitter zusehends an den Alpenrand respektive in
die Alpen zurück. Rückläufig ist auch der Nordwestwind an und auf der Nordsee.
Lediglich von der Elbmündung bis hoch zur Nordfriesischen Küste sind am frühen
Morgen och ein paar steife Böen 7 Bft am Start. Mit 12 bis 5°C wird es wieder
frischer. In den zentralen und westlichen Mittelgebirgen sind sogar Minima unter
5°C drin.

Mittwoch ... zieht das Höhentief über die Osthälfte nach Süden. Dabei nimmt es
eine elliptische Form, so dass die Höhenströmung über weiten Teilen Deutschlands
zyklonal konturiert ist. Außerdem wird es durch die fehlende Kopplung zu einem
Bodentief als KLT eingestuft. Im Osten fällt hin und wieder etwas Regen und am
Alpenrand, wo sich noch Reste der feuchteren und labileren Luft halten, gibt es
im Tagesverlauf eine etwas erhöhte Wahrscheinlichkeit für Schauer und
vereinzelte Gewitter. Im großen Rest des Landes bleibt es weitgehend trocken
unter einem mehr oder weniger bewölkten Himmel. Die meiste Sonne ist im
Südwesten sowie direkt an der See zu erwarten. Der Wind an der Nordsee nimmt
weiter ab. Die Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen 15 und 21°C, bei
auflandigem Wind an der See sowie im höheren Bergland etwas darunter.


Modellvergleich und -einschätzung
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Das Abdrängen der instabilen, gewitterträchtigen Luftmasse am Dienstag scheint
schneller vonstatten zu gehen als gestern noch simuliert. Der Luftmassenwechsel
als solcher mit der daran gekoppelten Abkühlung sind unstrittig. In Bezug auf
das nachfolgende Cut-Off-Tief gibt es noch ein paar prognostische
Positionsunschärfen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann