DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

20-05-2023 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 20.05.2023 um 10.30 UTC



Vor allem im Norden relativ kühle und nicht ganz störungsfreie
Hochdruckrandlage. __________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 27.05.2023


Am Dienstag, dem Beginn der heutigen Mittefristbetrachtung, gestaltet sich das
Wetter mit einer nur langsam ostwärts abziehenden Tiefdruckrinne noch recht
wechselhaft. Dabei spielt die Geopotentialverteilung in der Höhe eine maßgebende
Rolle, die ein stark gestörtes Muster aufweist mit einem umfangreichen, zonalen
Blocking von Neufundland bis zu den Britischen Inseln. Dem gegenüber stehen
Höhentiefs über der Ägäis und Gibraltar (die im Mittelmeerraum für weiteres
Ungemach sorgen) sowie einem breit angelegten Höhentrog über Skandinavien und
dem Baltikum. Letzterer hat in Rudimenten auch noch Deutschland im Griff, wobei
noch nicht ganz klar ist, ob darin noch ein abgeschlossenes Drehzentrum zu
finden ist und ob dies über dem Oslofjord liegt (UK10) oder gar deutlich weiter
südlich über dem Münsterland (ICON).

Was sich dagegen deutlich klarer herausarbeiten lässt, ist die Tatsache, dass
die feucht-warme gewitterträchtige Luftmasse vom Wochenwechsel sich zunehmend in
den äußersten Osten und den Süden des Landes zurückzieht. So treten vor allem
von der Lausitz bis zum Schwarzwald und südöstlich davon noch vermehrt Schauer
und teils kräftige Gewitter auf. Was fehlt, ist die Scherung. Bei nur geringer
Verlagerungsgeschwindigkeit bergen die pulsierenden Einzel- und Multizellen aber
nach wie vor lokales Unwetterpotential durch heftigen Starkregen (PPW's bis 30
mm) und größere Hagelansammlungen (ML CAPE bis 1000 J/kg). Gerade in den Abend-
und Nachtstunden kann auch nochmal mehrstündiger Starkregen bei Verclusterung
ein Thema werden (vor allem im Bereich einer abgehobenen Warmluftschicht in
Norddeutschland sowie südlich der Donau).

Unterdessen fließt aus Nordwesten am Rande des Hochkeils über den Britischen
Inseln kühlere und stabilere Meeresluft ein, in der sich allenfalls noch flache
Konvektion mit vereinzelten schwachen Schauern entwickelt. Der Druckanstieg aus
Westen bewirkt doch einen recht beachtlichen Gradienten, so dass der
auffrischende Nordwestwind an der Nordsee Potential für Böen der Stärke 8, im
angrenzenden Binnenland (evtl. sogar bis zu den zentralen Mittelgebirgen
ausgreifend) für Böen Bft 7 mitbringt. Die Höchstwerte liegen im Osten und Süden
bei teils schwülen 20 bis 24 Grad, im Nordwesten bei kühleren 15 bis 19 Grad.


Am Mittwoch erreicht ein kräftiges Zentraltief das Nordmeer. Dadurch wölbt sich
vorübergehend der Keil von den Britischen Inseln bis nach Skandinavien auf,
womit die Überbleibsel des Troges über Deutschland abgeschnitten werden. Das
Residuum schwenkt unterdessen ostwärts vom Baltikum nach Westrussland ab. Besser
als am Vortag schält sich nun modellübergreifend ein eigenständiges Drehzentrum
über Deutschland heraus, das sogar noch eine -20 Grad Isotherme in 500 hPa
aufweist. Im Verbund mit T850 von rund 5 Grad ist die Schichtung gerade noch so
halbwegs labil, allerdings wird hochreichende Konvektion durch eine
Absinkinversion bei rund 800 hPa unterdrückt. Am Rande des Hochkeils über
Benelux setzt sich in der nordwestlichen Strömung schwaches Absinken durch. Wie
groß die Sonnenanteile tatsächlich sind, lässt sich noch schwer abschätzen, da
die Auslösetemperaturen vermutlich noch recht niedrig sind und die Gefahr von Sc
cugen nicht zu unterschätzen ist. Die letzten Regenfälle lassen unterdessen im
Norden und Osten, zuletzt auch an den Alpen bei nur noch geringem Gewitterrisiko
nach.


Am Donnerstag sorgt kräftige KLA über der Nordsee für eine Ausweitung des
Nordmeertroges südwärts. Dessen Achse kommt im tagesverlauf bis etwa auf Höhe
von Jütland voran. Die Reste des Höhentiefs über Deutschland werden somit
ostwärts gesteuert und schließlich über Polen vom Haupttrog "geschluckt". Die
Achse des Hochkeils verbleibt dabei über Benelux und kann sich kaum ostwärts
vorarbeiten. Das bedeutet zwar leicht antizyklonalen Einfluss bei uns, aber im
Grenzschichtniveau noch immer vergleichsweise viel Feuchtigkeit in der
nordwestlichen Strömung. In der teils kompakten Quellbewölkung reicht es
vereinzelt für schwache Schauer, primär im Nordosten und an den Alpen.
Dazwischen zeigt sich aber auch längere Zeit die Sonne. Aus Nordwesten erreicht
uns zum Abend hin nochmal ein Schwall frischer Meereskaltluft polaren Ursprungs
mit T850 um 0 Grad. Je nach Bewölkung rückt dann in windgeschützten Lagen
Norddeutschlands das Thema Frost in Bodennähe wieder auf die Agenda.


Am Freitag schwenkt der o.e. Haupttrog ostwärts und zeigt über der Ostsee
Abtropftendenzen. Das sich dadurch formierende Tief über der nördlichen Ostsee
ist für unser Wettergeschehen kaum von Belangen. Eventuell gibt es einen
Streifschuss mit einigen Schauern und teils stürmischen Böen an der Ostsee.
Ansonsten ändert sich wenig. Die Höchstwerte liegen meist bei recht kühlen 15
bis 20 Grad, nur südlich von Main und Mosel noch etwas darüber.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der aktuelle IFS Lauf liegt im Großen und Ganzen auf einer ähnlichen Linie zu
seinen Vorgängern. Am Mittwoch wird ein abgeschlossenes Höhentief im neuesten
Lauf stärker betont, was noch gebietsweise etwas Regen zur Folge hätte. Auch der
zweite Schwall Kaltluft aus Nordwesten in der Nacht zum Freitag wird in Timing
und Intensität ähnlich simuliert. Das Thema Frost in Bodennähe wird dadurch
recht wahrscheinlich.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Auch die übrigen verfügbaren Modelle zeigen bis auf die bereits beschriebenen
Unsicherheiten in den Details eine ähnliche großräumige Entwicklung. Ob und was
im Anschluss an den Abtropfprozess zum Ende der nächsten Woche passiert, ist
noch mit größeren Unsicherheiten behaftet, spielt aber für das Wettergeschehen
hierzulande nur eine untergeordnete Rolle.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


RAUCHFAHNEN:

Bei den Rauchfahnen der Temperatur in 850 hPa geht die Spreizung im EPS ab
Mittwoch zwar deutlich auseinander mit einem Spread von etwa 10 K, HL und CL
sind aber gut in der Mehrheit der Member eingebettet. Die kühlste Phase im
Norden wird unisono für Freitag/Samstag anvisiert und mit Werten um 0 oder nur
wenig darunter sollte dann auch das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Danach
erholen sich die Temperaturen wieder. Im Süden geht es nicht ganz so weit
runter, kommt die Kaltluft nicht wirklich hin. Das Gros liegt beispielsweise in
München um +6 Grad in 850 hPa und nur wenige Einzellösungen gehen bis an die 0
Grad ran.

Nach dem gewitterlastigen Wochenstart findet man im Mittelfristzeitraum keine
nennenswerten Niederschlagssignale mehr. Erst zum Monatswechsel ist der Trend
wieder leicht ansteigend.

Interessanterweise liegen HL und CL beim Geopotential vor allem über der
Nordhälfte Deutschlands am unteren Rand des EPS. Womöglich ist also das
Höhentief am Mittwoch doch nicht so gut definiert und bringt im Norden keine
nennenswerten Regenfälle mehr. Der deterministische Lauf vom IFS scheint hier
etwas zu übertreiben mit der stationären rumgeholten Warmluft.

Auch ein Streifschuss des Haupttroges im Norden ist angesichts der EPS'e zu
bezweifeln. Schauer in Küstennähe mitsamt stürmischen Böen an der Ostsee sind
daher noch sehr fraglich und im Moment noch nicht sonderlich wahrscheinlich.


CLUSTER:

Ein umfangreiches, nach Norden verschobenes Azorenhoch westlich der Britischen
Inseln kennzeichnet alle 3 Cluster im Zeitraum +120-168h (Do-Sa). Zum Schluss
gibt es zudem bei allen Tendenzen, dass sich eine kleine Parzelle des
langgestreckten Keils über Mitteleuropa abspalten und verstärken kann. Daraus
wird im Folgezeitraum laut Clusteranalyse entweder eine schwache
Hochdruckbrücke, die Kontakt zum Russlandhoch aufnimmt (60% der Lösungen), oder
ein fettes Skandinavienhoch (40%). Beide Szenarien hätten eine Erwärmung und
überwiegend sonniges und trockenes Wetter zur Folge. Allenfalls in Alpennähe
könnten die Höhentiefs über dem Mittelmeerraum für eine geringe Schauer- und
Gewitterneigung sorgen.


FAZIT:

Nächste Woche steht eine deutliche Wetterberuhigung ins Haus. Am Rande des Hochs
westlich der Britischen Inseln gelangt mit einer nordwestlichen Strömung aber
teilweise noch wolkenreiche und nach Wochenmitte vor allem in den Norden recht
kühle Luft zu uns. Landwirte und Hobbygärtner müssen dabei nochmals Frost in
Bodennähe fürchten (Höhepunkt Freitag/Samstag). Bis mindestens zum Monatswechsel
stehen die Zeichen dann auf langsam wieder wärmeres Hochdruckwetter ohne
nennenswerte Niederschläge.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


GEWITTER:

Gewissermaßen als Relikt aus der Kurzfrist kann es vor allem am Dienstag in der
Südosthälfte Deutschlands lokal zu heftigen Gewittern kommen. Bezüglich teils
mehrstündigen Starkregens finden sich in der Probabilistik vor allem am
Alpenrand geringe Signale (10-20%) für Mengen > 30 l/qm, die auch binnen weniger
Stunden fallen können. Sonst beschränken sich unwetterartige Entwicklungen
voraussichtlich eher auf sehr kleinräumige Bereiche, deren Schwerpunkte selbst
in der Kurzfrist kaum auszumachen sind.

STURMBÖEN:

Die Wahrscheinlichkeit für stürmische Böen erreicht im IFS-EPS am Dienstag auf
den Nordseeinseln immerhin 15-30% und wird durch den deterministischen Lauf
sowie vom UK10 bestätigt. Die Hinweise am Freitag im Ostseebereich sind derzeit
verschwindend gering (siehe Rauchfahnendiskussion).

FROST:

Für den EFI ist das Event anscheinend nicht markant genug. Mos-Mix bietet
immerhin fast eine Woche im Voraus schon Werte in 5cm unweit der 0 Grad an, was
beim zunehmend klimatologischen Einfluss auf die Statistik bei derartigen
Vorhersagehorizonten schon ein Zeichen ist. Aus der Erfahrung heraus ist Frost
in Bodennähe bei dieser Luftmasse zumindest dort, wo es länger aufklart,
ziemlich wahrscheinlich. Die größte Gefahr besteht aus aktueller Sicht für die
Nordhälfte Deutschlands sowie in einigen Mittelgebirgstälern in den Nächten zum
Freitag und Samstag.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, Mos-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen