DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-05-2023 07:02
SXEU31 DWAV 200800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 20.05.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HNF z. Hochdruckrandlage, aber zunehmend zyklonal geprägt.

GEWITTER:
Im Laufe des Tages in Alpennähe über den östlichen Mittelgebirgen einzelne
Gewitter mit Starkregen, einzelnen stürmischen Böen 8 Bft und kleinkörnigem
Hagel. In der Nacht zum Sonntag von den östlichen Mittelgebirgen nordwestwärts
ziehende Gewitter, vorübergehend nachlassend. In den Frühstunden über
Niedersachsen auflebende Gewittertätigkeit. Dabei erneut Gefahr von lokalem
Starkregen.
Am Sonntag im Nordwesten und Westen einzelne Gewitter mit Starkregen. Im
südwestdeutschen und im sächsischen Bergland vermehrt Gewitter, dabei örtlich
eng begrenzt unwetterartige Regenmengen nicht auszuschließen. In der Nacht zum
Montag im Südwesten alsbald, im Nordseenähe zögernd abklingend und in teils
mehrstündigen Starkregen übergehend.
Am Montag Höhepunkt der Gewittertätigkeit, abgesehen vom Nordosten und von
Bayern abseits der Alpen vermehrt Gewitter; mit Unwettergefahr durch heftigen
Starkregen (im Nordwesten zum Teil mehrstündig) und vor allem im Südwesten und
in Alpennähe auch größere Hagelansammlungen. Ansonsten vor allem über dem
Bergland einzelne Gewitter mit Starkregen. In der Nacht zum Dienstag nach Osten
vorankommend und in mehrstündigen, anfangs noch gewittrigen Starkregen
übergehend. Dabei abnehmende Wahrscheinlichkeit von Unwettern.

WIND:
Heute und am Samstag jeweils im Tagesverlauf böig auflebender Ostwind. In den
Kamm- und Gipfellagen der östlichen Mittelgebirge stürmische Böen 8 Bft nicht
ganz auszuschließen.
In der Nacht zum Sonntag an der Ostsee wieder nachlassender Wind. In Hochlagen
der östlichen und zentralen Mittelgebirge weiterhin einzelne steife bis
stürmische Böen Bft 7 bis 8 aus Richtungen um Ost*

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... liegt Deutschland an der Ostflanke eines Höhentiefkomplexes, der
mehrere Zentren über dem Ärmelkanal, der Iberischen Halbinsel und vor der
tunesischen Küste aufweist. Für unser Wettergeschehen ist nur ersterer Kern
interessant. Ein von dem Kern über dem Ärmelkanal ausgehende Kurzwellentrog
schwenkt unter Auffüllung über den östlichen Mittelgebirgsraum hinweg zur
Rheinmündung, so dass sich zur tagesgangsbedingt aktivsten Zeit in mittleren und
höheren Troposphärenschichten der antizyklonale Einfluss verstärkt. Im
Bodendruckfeld ist dieser durch die Hochbrücke, die sich, ausgehend von einem
Hoch nördlich der Azoren über Skandinavien hinweg bis in die Kara-See erstreckt,
ohnehin gegeben. Diese Brücke wird durch einen breiten, bis ins Nordmeer
reichenden Rücken gestützt. Erst weit nördlich davon ist die Frontalzone zu
finden.
Allerdings erfolgt über weiten Teilen von Mitteleuropa Warmluftadvektion, die
allmählich Wirkung zeigt. Dies macht sich in Form von Druckfall bemerkbar, der
im Süden Deutschlands einsetzt. Hierdurch verstärkt sich die östliche bis
nordöstliche bodennahe Strömung. Für warnrelevante Böen reicht es wahrscheinlich
lediglich an einigen Küstenabschnitten (Mecklenburger Bucht, Ostholstein) sowie
in den Kamm- und Gipfellagen der nördlichen und östlichen Mittelgebirge, wo
exponiert auch einzelne stürmische Böen auftreten können.
Mit der östlichen Strömung gelangt zusehends labilere Luft in das
Vorhersagegebiet. CAPE erreicht einige hundert, dank Einstrahlung im Südosten
bis 1000 J/kg. Dort und auch im östlichen Mittelgebirgsraum steigt der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser auf Werte um 25 mm. Diese Zutaten wären für
unwetterträchtige Entwicklungen hinreichend. Allerdings spielt die Dynamik nicht
mit; vielmehr wirkt diese aufgrund des antizyklonalen Einflusses
kontraproduktiv. Somit bedarf es für konvektive Umlagerungen orografischer
Unterstützung. Diese ist am ehesten über den östlichen Mittelgebirgen und am
Alpenrand gegeben. In diesen Gebieten können sich einzelne Gewitter entwickeln,
die mit Starkregen einhergehen; auch kleinerer Hagel ist nicht auszuschließen.
Bis zum Abend kann von diesen Gewittern auch der zentrale Mittelgebirgsraum
erfasst werden. Die Wahrscheinlichkeit für unwetterartige Entwicklungen ist
jedoch sehr gering; mangels Scherung dürfte die Konvektion relativ unorganisiert
verlaufen. Gegenüber den Vortagen erfolgt ein zögernder Temperaturanstieg auf 17
bis 22, in der Lausitz und in Teilen von Niederbayern bis 24 Grad.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich die Niederschlagstätigkeit (anfangs noch
gewittrig, teils mit Starkregen, aber diesen mit abnehmender Wahrscheinlichkeit)
in den Nordwesten Deutschlands. Hierfür spielen frontogenetische Effekte im
Zusammenspiel mit Warmluftadvektion eine Rolle. Zudem zieht der über dem
Ärmelkanal liegende Kern des Höhentiefkomplexes in die Biskaya. Der von diesem
Kern ausgehende, nach Nordosten gerichtete Trog tropft über der Nordsee aus.
Hierbei zeigen alle verfügbaren hochauflösenden Modelle diese Entwicklung, wobei
EZMW bzgl. der Niederschlagtätigkeit die kräftigsten Signale zu bieten hat.
In den anderen Gebieten macht sich der Hochdruckeinfluss bemerkbar. Vor allem im
Osten und Süden klart es gebietsweise auf, einzelne flache Nebelfelder können
sich bilden.

Sonntag... schwächt sich das über der Nordsee liegende Cut-Off-Tief, das
faktisch ein Kaltlufttropfen ist, vorübergehend ab und nähert sich den
Britischen Inseln. Nach wie vor hält sich über Südwest- und Südeuropa ein
Höhentiefkomplex. Dieser erstreckt sich dann, bestehend aus mehreren Zentren,
von der Iberischen Halbinsel bis in die Schwarzmeerregion. Vom Seegebiet
nördlich der Azoren reicht sich eine breite Brücke hohen Geopotentials bis nach
Nordwestrussland, was die o.g. Hochbrücke im Bodendruckfeld weiterhin stützt.
Allerdings setzt sich über dem Westen und Süden Deutschlands der Druckfall fort.
Fortschreitende Erwärmung lässt die Luftmasse zusehends labiler werden. Dies ist
im Nordwesten, im sächsischen Bergland und im Süden, etwa vom Schwarzwald bis
zum Inn, am ausgeprägtesten. In diesen Gebieten erreicht der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser 25 bis 30 mm. CAPE (MU, KK) steigt in diesen Gebieten
dank Einstrahlung auf mehr als 1000, im Südwesten und in Alpennähe bis auf 2000
J/kg. Nach wie vor fehlt es an Dynamik für die Auslösung hochreichender
Konvektion, so dass erneut die Orografie herhalten muss. Am ehesten können sich
daher über dem Bergland konvektive Umlagerungen entwickeln. Wie bereits am
Vortag ist mangels Scherung der Organisationsgrad sehr gering. Da sich die
Konvektionszellen kaum Verlagerung und an Ort und Stelle wiederholt anbauen,
besteht die Gefahr von Starkregen; Unwetter sind wenig wahrscheinlich, aber
nicht ausgeschlossen. Aufgrund der hohen Labilitätsenergie sind auch größere
Hagelansammlungen vorstellbar, mangels Scherung sollte Großhagel nicht zustande
kommen.
Im Gegensatz hierzu ist im Nordwesten sowohl niedertroposphärisch wenigstens
etwas Scherung vorhanden. Dort macht sich das über der Nordsee liegende
Cut-Off-Tief bemerkbar. Im Zusammenspiel mit leicht frontogenetischen Effekten
können die Antriebe für hochreichende und etwas organisiertere Konvektion
hinreichend sein, wobei auch dort aufgrund der langsamen Verlagerung der
Konvektionszellen Starkregen, möglicherweise sogar bis in den Unwetterbereich
hinein, vorstellbar ist. Allerdings ist mehr zur Nordsee hin, bedingt durch die
kalte Grundschicht (die östliche bis nordöstliche bodennahe Strömung ist ja
weiterhin beständig) die Konvektion gedeckelt.
Während im Nordwesten und Westen Deutschlands durch Quellbewölkung die
Einstrahlung alsbald gedämpft wird, ist zwischen Ostsee und Alpen die
Einstrahlung zunächst weitgehend ungehindert, bevor sich in den genannten
Gebieten ebenfalls Gewitter entwickeln können. Mit Höchsttemperaturen zwischen
24 und 28 Grad wird es frühsommerlich warm. Im Küstenbereich und im höheren
Bergland werden 18 bis 23 Grad erreicht.

In der Nacht zum Montag fällt die Konvektion alsbald in sich zusammen.
Ausgenommen hiervon ist zum einen der äußerste Südwesten, d.h. der Hochrhein,
die Bodenseeregion und vielleicht noch der Südschwarzwald sowie das Allgäu. Dort
lässt eine bodennahe Konvergenz die Schauertätigkeit, die anfangs noch von
Gewittern durchsetzt sein kann, nicht so rasch abklingen. Allerdings ist die
Wahrscheinlichkeit für Starkregen nur noch gering. Einige hochauflösende Modelle
lassen die Konvektion dort jedoch relativ rasch in sich zusammenbrechen.
Als weitere Region ist der Nordwesten und dort die Gebiete in Nordseenähe im
Auge zu behalten. Das über der Nordsee liegende Höhentief sollte noch nicht
abgeschrieben werden. Vielmehr reagiert dieses Tief auf einen Trog, der sich
Schottland nähert. Hierdurch intensiviert sich dieses über der westlichen
Nordsee liegende Höhentief. Vorderseitige Hebung hält daher an und über der
Nordsee die Konvektion am Leben, wobei, wenn zwar nicht an der Küste, so doch in
unmittelbarer Nähe, Signale für Starkregen durchaus geboten werden. Allerdings
zeigen die verfügbaren Modelle hier uneinheitliche Signale.
In den anderen Gebieten lässt großräumiges Absinken den Himmel verbreitet
aufklaren. Stellenweise kann sich flacher Nebel bilden.

Montag... überquert der Trog Schottland, gelangt in die Nordsee und bezieht das
Cut-Off-Tief, vielmehr den über der Nordsee liegenden Kaltlufttropfen, in seine
Zirkulation ein. Letzterer verlagert sich zuvor in Richtung Ijsselmeer. An
dessen Vorderseite erfolgt im Nordwesten und Westen Deutschlands eine weitere
Feuchteanreicherung, was dort den Gehalt an niederschlagbarem Wasser auf mehr
als 30 bis etwa 35 mm steigen lässt. Zudem verstärkt sich die Hebung, was in
diesen Gebieten eine rege Schauer- und Gewittertätigkeit aufkommen lässt. Des
Weiteren ist im Nordwesten vor allem niedertroposphärisch etwas Scherung
vorhanden, so dass dort die Konvektion organisierter erfolgen kann, mit dem
Ergebnis, dass die Konvektionszellen durchaus langlebig sein können. Die Zutaten
für unwetterträchtige Entwicklungen (vor allem durch heftigen Starkregen) sind
demzufolge gegeben. Vor allem zur Nordsee hin dürfte es sich aufgrund der kalten
Grundschicht, die aus der nach wie vor beständigen nordöstlichen bodennahen
Windkomponente resultiert, um abgehobene Konvektion handeln. Eine Deckelung ist
dort ja noch vorhanden.
Mehr nach Westen und Südwesten hin sowie über dem Mittelgebirgsraum ist die
Dynamik weniger wirksam. Vielmehr dürfte dort die Orografie im Zusammenspiel mit
bodennahen Windkonvergenzen, die durch ein über weiten Teilen Deutschlands
liegendes flaches Tief bedingt sind, für die Auslösung hochreichender Konvektion
die entscheidende Rolle spielen. Scherung ist in diesen Gebieten kaum vorhanden,
so dass es sich hierbei um Einzel- oder Multizellen handeln dürfte, die jedoch
kaum Verlagerung aufweisen. Auch diese können (wenn auch mit geringerer
Wahrscheinlichkeit als im Nordwesten und zudem örtlich eng begrenzt) Starkregen
bis in den Unwetterbereich hinein zustande bringen. In Donaunähe und südlich
davon, wo CAPE (MU, KK) mit Werten zwischen 1500 und über 2000 J/kg am höchsten
ist, besteht die Gefahr größerer Hagelansammlungen, die ebenfalls unwetterartige
Auswirkungen aufweisen können. Für Großhagel ist die Scherung zu schwach.
Ausgenommen von der Gewittertätigkeit sind noch der Nordosten und auch Bayern
abseits der Alpen. In diesen Gebieten hält sich noch antizyklonaler Einfluss und
somit großräumiges Absinken. Einzelne Überentwicklungen sind dennoch über dem
Bergland nicht ganz auszuschließen. In diesen Gebieten ist die Einstrahlung noch
weitgehend ungehindert, bevor sich am Alpenrand, im Allgäu und in Oberschwaben
ebenfalls Quellwolken entwickeln. Gegenüber Sonntag erfolgt keine wesentliche
Temperaturänderung.

In der Nacht zum Dienstag greift der Trog, der sich durch Einbeziehung des zuvor
über der Nordsee liegenden Kaltlufttropfens nach Süden ausgeweitet hat, auf
Deutschland über. Vorderseitige Hebung erfasst hierdurch zusehends auch die
mittleren Landesteile, wogegen im Westen, bedingt durch Kaltluftadvektion,
bereits Stabilisierung einsetzt. Dort dürfte am ehesten Wetterberuhigung
einsetzen.
Vom Nordwesten bis in die Mitte hinein wird die Konvektion durch den Trog am
Leben gehalten, wenngleich durch Entrainmentprozesse die Luftmasse etwas
entschärft wird. Vielmehr zeichnet sich in diesen Gebieten mehrstündiger und
anfangs noch gewittriger Starkregen ab, wobei die Wahrscheinlichkeit von
unwetterartigen Regenmengen in der zweiten Nachthälfte nur noch gering ist. Von
den Modellen werden hier unterschiedliche Schwerpunkte der Konvektion gesetzt;
EZMW lässt diese als einziges Modell bereits bis zur Oder und Neiße übergreifen.
Nach den anderen Modellen bleiben diese Gebiete noch von konvektiven
Umlagerungen verschont, was als das wahrscheinlichere Szenario anzusehen ist.
Übereinstimmend nach allen Modellen wird auch im Süden, d.h. etwa vom
Schwarzwald bis zum Inn sowie an den Alpen, die Konvektion am Leben gehalten.
Dort hält sich feuchtlabile Luft, die sich an den Alpen staut, wodurch
mehrstündiger und anfangs gewittriger Starkregen dort am wahrscheinlichsten ist.
Zumindest anfangs sind dort noch unwetterartige Niederschlagsmengen möglich.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten. Hinsichtlich der Niederschlagsverteilung ergeben sich ab
Montag und erst recht in der Nacht zum Dienstag leicht unterschiedliche
Ergebnisse, auf die weiter oben bereits eingegangen wurde.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann