DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-05-2023 08:01
SXEU31 DWAV 180800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 18.05.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von NEz (Nordost zyklonal) zu HFz/HFa (Mittelding Hoch
Fennoskandien zyklonal/antizyklonal)

Insgesamt ruhige Hochrandlage mit zunächst trockener, zum Wochenende dann
feuchterer nordöstlicher Grundströmung. Tag für Tag steigende Temperaturen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... verbringt Deutschland auf der Südflanke einer sich über tausende
von Kilometern erstreckenden Hochdruckzone, deren Eckpfeiler das etwas nach
Norden verschobene Azorenhoch sowie ein Hoch über Sibirien bilden. Die Zone
zwischen diesen beiden Protagonisten hört auf den Namen ULLA, die ihren
Schwerpunkt mit etwas über 1030 hPa von der Nord- zur Ostsee verlagert. Während
die brückenartige Struktur im Bodendruckfeld weitgehend geschlossen ist, kann
man das vom überlagerten Geopotenzial nicht behaupten. Zwischen einem Rücken
über dem Ostatlantik und einem weiteren über dem nahen Osteuropa befindet sich
ein monumentaler Trog, der von Nordwestafrika/Südwesteuropa über Mitteleuropa
und Skandinavien über das Nordkap hinaus nach Norden reicht. Die Hauptachse
verläuft über dem Westen Deutschlands, was mindestens zwei Drittel des Landes
unter eine südliche Höhenströmung bringt. Darunter, die Rede ist etwa von 550
hPa, herrschen östliche Winde vor, so dass mit zunehmender Höhe eine merkliche
Rechtdrehung des Windes gegeben ist und mithin der Tatbestand der WLA gegeben
ist. Allzu dolle fällt die daraus resultierende Hebung aber nicht aus, im
Wesentlichen macht sie sich in Form durchziehender Cirren, vielleicht auch mal
einiger mittelhoher AC-Schollen bemerkbar.

Schauen wir uns die Troposphäre weiter unten an - was eignet sich besser dazu
als Radiosondenaufstiege -, stellen wir schnell fest, dass sich landesweit eine
Inversion gebildet hat, die eine labile Grundschicht von der Mitteltroposphäre
entkoppelt. Heute früh ist es mit der Labilität freilich noch nicht so weit her,
weil in der Nacht reichlich Energie nach oben abgegeben wurde und die Temperatur
wie befürchtet z.T. bis in den leichten Frostbereich abgesackt ist. Inzwischen
hat sich das aufgrund des frühen Sonnenaufgangs konsolidiert und die
Temperaturen steigen, allerdings nicht ins Unermessliche, wie wir noch sehen
werden. Es reicht aber, um das Archimedische Auftriebsprinzip zu bedienen,
sprich, Quellwolken zu erzeugen, die mal mehr, mal weniger dicht ausfallen. Zwar
ist ihre vertikale Ausdehnungsfähigkeit durch die Inversion begrenzt, dafür
laufen sie an der Sperrschicht breit, so dass es über Mittag sowie am frühen
Nachmittag auch mal wolkig bis stark bewölkt sein kann. Im Nordwesten - etwa vom
westlichen Niedersachsen bis nach SH - sowie im südöstlichen Bayern startet der
Tag bereits mit starker, meist stratusförmiger Bewölkung, die mit steigender
Sonne aber zunehmend perforiert werden dürfte. Laut MOS ist der meiste
Sonnenschein in einem breiten, von West-Südwestdeutschland bis hoch in den
Nordosten reichenden Streifen zu erwarten. Dafür sollte man sich an den Alpen
nicht wundern, wenn hier und da mal ein paar Tropfen aus den mit
Nord-Nordostwind gegen die Berge gedrückten Wolken fallen.

Apropos Wind, der lebt heute südlich der Divergenzachse mitunter leicht böig
auf, wobei er im Norden aus nördlichen Richtungen, sonst aus Nordost bis Ost
weht. Das Maximum liegt im Südwesten, wo sich die Bise müht, auf die
Anzeigetafel zu kommen. Wahrscheinlich vergebens, weil es im Tiefland zu wenige
Böen der Stärke 7 Bft sind und die apostrophierten (und auch schon gemessenen)
8er-Böen im Hochschwarzwald als Einzelfall durchgehen. Thermisch geht´s
gegenüber gestern in kleinen Schritten nach oben. Trotzdem wird wahrscheinlich
nirgendwo die 20°C-Schwelle gerissen. Wenn, dann ganz vereinzelt und nur mit
viel Mühe im Südwesten. Meist reicht die Spanne je nach Strahlungsangebot für 14
bis 19°C, ganz im Süden sowie an den meisten Küstenabschnitten etwas darunter.

In der Nacht zum Freitag tut sich wenig bis nix an der Großwetterlage.
Entsprechend wird das Wetter im Wesentlichen vom Tagesgang bestimmt. Heißt, die
tiefe Bewölkung, die schon zum Abend hin verbreitet den Rückzug antritt, geht
diesen Weg unbeirrt weiter. Ob sie sich allerdings überall auflöst, ist
fraglich. Schaut man sich die verschiedenen Parametrisierungen diverser Modelle
an, wird diese Frage unterschiedlich beantwortet. Im Mittel wird vornehmlich im
Süden und Südosten, mit Abstrichen auch im Osten gebietsweise tiefe Bewölkung
simuliert, was natürlich Auswirkungen auf das Strahlungsverhalten hätte. Die
langwellige Ausstrahlung wird zudem von den weiterhin durchziehenden hohen bis
mittelhohen Wolken gedämpft, so dass die Frostgefahr gegenüber der letzten Nacht
abnimmt. Trotzdem, vornehmlich im Norden und Westen, wo insgesamt weniger
Bewölkung zu erwarten ist, besteht stellenweise noch mal die Gefahr von leichtem
Frost in Bodennähe. Für Luftfrost dürfte es nur noch ganz vereinzelt reichen, am
ehesten in den Mittelgebirgen wie z.B. in der Eifel.

Freitag... steigt das Potenzial von Osten her etwas an, wodurch der Trog
geringfügig nach Westen abgedrängt wird. Das reicht, um ganz Deutschland unter
eine südliche, zunehmend antizyklonal konturierte Höhenströmung zu bringen. Nach
wie vor dreht der Wind mit der Höhe nach rechts (von Ost nach Süd), was
insbesondere ab der mittleren Troposphäre WLA bedeutet (=> Durchzug hoher und
einiger mittelhoher Wolken). Weiter unten macht die Erwärmung aber auch
Fortschritte, wenn auch nicht mit Siebenmeilenstiefeln. Vergleicht man T850 von
heute und morgen Mittag, ergibt sich eine Erwärmungsrate von etwa 2 Kelvin (-1
bis +4°C auf +1 bis +6°C). Das färbt mit Unterstützung der diabatischen
Komponente Einstrahlung selbstredend auf die 2m-Temperatur ab, die verbreitet
auf 15 bis 20, mit etwas Glück lokal vielleicht 21°C steigt. Nur im höheren
Bergland sowie an Küstenabschnitten mit auflandigem Wind bleibt es weiterhin
etwas frischer.

Trotz der insgesamt antizyklonalen Rahmenbedingungen muss konstatiert werden,
dass es mit dem Absinken nicht besonders weit her ist. Im Gegenteil, die
Luftmasse wird von unter her sogar leicht gehoben, was ein Anheben der sich
gleichzeitig leicht abschwächenden Inversion zur Folge hat. Es reicht aber noch,
um die sich erneut bildenden Quellwolken in ihrer vertikalen Ausstreckung in
Zaum zu halten und zur Ausbreitung zu zwingen. Trotzdem simulieren einige
Modelle hier und da ein paar Spritzer Regen, die aber - sofern sie tatsächlich
auftreten - nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Einigkeit herrscht dahingehend,
dass der Westen und Norden in der Tageswertung "Sonnenschein" gegenüber dem Rest
des Landes die Nase vorn haben sollen. Zwar lebt der Nordost- bis Ostwind
tagesgangbedingt wieder etwas auf, Warnungen dürften aber nicht fällig werden.
Die Bise im Südwesten schwächt sich ab, weil der Gradient gegenüber heute
vorübergehend etwas aufweicht.

In der Nacht zum Samstag dreht die Höhenströmung langsam etwas zurück auf
Südost, was aber nichts daran ändert, dass weiterhin hohe und mittelhohe Wolken
durchgeschleust werden. Interessanter ist ohnehin, was mit den tiefen Wolken
passiert. Die lösen sich tagesgangbedingt auf, allerdings nicht überall.
Insbesondere im Süden gibt es diesbezüglich größere Schwierigkeiten, während im
Osten von Polen her sogar frisches Gewölk herantransportiert wird. Gering
bewölkte oder klare Verhältnisse herrschen hingegen in weiten Teilen Nord- und
Westdeutschlands. Trotzdem geht die Temperatur weder in der Luft noch in
Bodennähe mehr in den negativen Bereich zurück. Neben der höheren Startwerte am
Abend liegt das ein Stück weit auch daran, dass etwas Wind geht. Grund ist eine
erneute leichter Verschärfung des Gradienten durch von Süden übergreifenden
Druckfall bei gleichzeitig gleichbleibender Tendenz im Norden. Gut möglich, dass
es auf den Schwarzwaldhöhen für die eine oder andere stürmische Böe 8 Bft aus
Nordost reicht.

Samstag... sieht das großräumige Muster ähnlich wie an den Vortagen aus: knapp
nördlich von uns die ewig lange Hochdruckzone mit etwas über 1030 hPa über der
Nord- und Ostsee vs. tiefer Luftdruck in Südeuropa. Dort macht sich ein von
Tunesien kommendes Tief in Richtung Sizilien und Sardinien auf, wo ebenso wie in
der erweiterten Peripherie teils kräftige Regenfälle und Gewitter auftreten. Bei
uns ändert sich übrigens auch ein bisschen was. Zwar kommt die Luftmasse
bodennah weiterhin aus Nordost bis Ost, dafür dreht der Wind in der unteren
Troposphäre mehr und mehr auf Südost. Dadurch kommt es nicht nur zu einer
merklichen Erwärmung insbesondere im Süden und Südosten (Anstieg T850 bis zum
Abend auf 9 bis 13°C vs. 4 bis 8°C sonst). Die Luft wird gesamttroposphärisch
auch zunehmend feuchter (PPW mit Ausnahme des Nordwestens 20 bis 25mm). Hinzu
kommt eine Labilisierung bis 650, maximal 600 hPa ebenfalls im Süden und
Südosten, die den Aufbau von CAPE zur Folge hat. An den Alpen sowie im südlichen
Alpenvorland werden z.T. etwas mehr als 500 J/kg angeboten. Klingt nach Pulver
in den Kanonen, die sehr wahrscheinlich aber nur bedingt zum Abschuss kommen
werden, wenn überhaupt. Zum einen liegt neben CAPE auch etwas CIN vor, zum
anderen fehlt es an synoptisch-skaligen Antrieben (flacher Keil des östlich von
uns positionierten Rückens). Die Auslösetemperatur liegt bei 22 bis 24°C, was so
gerade der erwarteten Tageshöchsttemperatur entspricht. Kurzum, wenn etwas
passiert, dann nur vereinzelt und das am ehesten über dem Bergland, namentlich
den Alpen sowie den ostbayerischen Mittelgebirgen bis hoch zum Erzgebirge. Etwas
Wind ist vorhanden, so dass die potenziellen Zellen ziehen, was die
Wahrscheinlichkeit von Starkregen mindert (15 l/m² sind allerdings schnell
erreicht). Dafür könnte es nicht zuletzt wegen der relativ trockenen
Grundschicht für stürmischen Böen 8 Bft reichen.

Alles noch sehr hypothetisch respektive theoretisch. In weiten Landesteilen
bleibt es weitgehend trocken, wenn auch insgesamt wolkiger als die Tage zuvor.
Zu den zahlreichen Quellwolken gesellt sich weiterhin hohe bzw. mittelhohe
Bewölkung, die es der Sonne nicht einfach machen. Die soll laut Statistik ihre
längsten Einsatzzeiten im Nordwesten mit Schwerpunkt Nordsee sowie im Südosten
Bayerns (deswegen dort auch die Bildung von ML-CAPE) haben. Dort, also in
Oberbayern, dürfte es mit bis zu 24°C auch am wärmsten werden, während sonst 18
bis 23°C auf der Karte stehen (abzüglich des höheren Berglands sowie auf den
Inseln und an den Küsten bei Seewind). Der Ost-Nordostwind lebt im Tagesverlauf
böig auf, bleibt mit Ausnahme einiger Hochlagen aber unterhalb der
Warnschwellen.

In der Nacht zum Sonntag signalisieren die Modelle für den Norden und Nordwesten
einige Schauer. Es ist unstrittig, dass die feuchte Luft an Raum nach Nordwesten
gewinnt und dass von Polen her Nachschub kommt. Es ist aber nicht klar
ersichtlich, wer für die Auslöse dieser Schauer verantwortlich zeichnet.
Eigentlich kann es nur ein im Potenzialfeld schwer auszumachender Sekundärtrog
sein, der etwas Höhendivergenz und folglich Hebung auslöst. Ansonsten dauert die
ost-nordöstliche Grundströmung mit frischem Wind in einigen Hochlagen an. Die
Bewölkungsverhältnisse sind heterogen, vor allem im Süden bleibt es häufig
gering bewölkt oder klar. Mit 14 bis 8°C Tiefsttemperatur fällt die Nacht
deutlich milder aus als die Nächte zuvor.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden modellübergreifend kongruent gerechnet. Am ehesten krankt
es an der Parametrisierung der tiefen Bewölkung, die von den einzelnen Modellen
jeweils zur Chefsache gemacht wird und daher unterschiedlich ausfällt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann