DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-05-2023 08:30
SXEU31 DWAV 140800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 14.05.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNFz (Hoch Nordmeer Fennoskandien zyklonal), im Laufe der Woche
allmählicher Übergang zu BM (Brücke Mitteleuropa)

Heute leicht wechselhaft, später an den Alpen wiederholt Regen, in Hochlagen
Schnee. Morgen ebenfalls wechselhaft und am Dienstag auch bei allerdings
nachlassender Schauer- und Gewitteraktivität. Dafür ganz im Süden markanter
Dauerregen und allgemein ("noch" werden einige sagen) kühler.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... zeichnet die großräumige Potenzialverteilung ein vergleichbar
komplexes Bild, bei dem die Zirkulation derart gestört ist, dass man gar nicht
weiß, wo man anfangen und wo man aufhören soll zu beschreiben. Versuchen wir´s
mal, Ergebnis offen. Da wäre zunächst mal ein von Grönland bis hinunter nach
UK/Irland reichender Trog, der es bei uns erst morgen Montag auf die
Anzeigetafel schafft. Dann ist da ein zweiter, stark positiv geneigter Trog, der
für Mitte Mai ziemlich weit nach Süden reicht. Genau genommen erstreckt er sich
von Nordwestafrika bis zum östlichen Mitteleuropa/Südskandinavien mit
Fortsetzung Richtung Schwarzes Meer. Ein weiterer Trog, wir sind inzwischen bei
#3, befindet sich noch über den Weiten Nordwestrusslands, doch den lassen wir
der Einfachheit halber mal weg. Gehen wir eher noch mal zurück auf die #2, die -
damit es nicht zu einfach wird - über mehrere Drehzentren verfügt, von denen
eines heute Mittag das Ligurische Meer und Teile der Poebene überdeckt, ein
Zweites über dänischen Gefilden kreiselt und ein Drittes über Tschechien dabei
ist, das Licht der Welt zu erblicken (alles 300 hPa). Letzteres wird als kleiner
Flummi die deutsch-polnische Grenze entlang nach Norden ziehen und somit dem
Vorhersageraum am dichtesten sein. Das "Dänentief" verschwindet derweil in
Richtung Schweden/Norwegen, während das südliche Tief die Poebene im Eilzugtempo
ost-nordostwärts überquert. So weit zu den zyklonalen Vertretern der
Potenzialzunft, jetzt die antizyklonale Fraktion.

Zwischen den beiden Haupttrögen verläuft ein Rücken, der sich ausgehend vom
Azorenhoch bis zur Nordsee und weiter zum Südrand der Norwegischen See
erstreckt. Wenn man so will, trennt er die beiden Tröge voneinander wie der
Mönch die Jungfrau vom Eiger trennt. Rücken #2 verläuft vom östlichen Mittelmeer
bis hoch in den fennoskandischen Raum, wobei über dem Baltikum und Belarus eine
abgeschlossene 568-gpdm-Zelle (500 hPa) zu finden ist. So weit, so gut, und was
fangen wir mit dem ganzen Konglomerat zum heutigen Muttertag an? Nun, wir machen
es noch etwas komplizierter, indem wir uns ins bodennahe Niveau begeben, wo es
die Druckverteilung und die Luftmassen (die natürlich auch in ihrer vertikalen
Erstreckung) zu würdigen gilt. Auf der einen Seite beobachten wir das
Azorenhoch, das weite Teile des Ostatlantiks abdeckt und über eine schwache
Brücke mit Hoch TINA dicht am Finnischen Meerbusen (die Lady ist gefühlt schon
seit der Steinzeit auf der Wetterkarte) verbunden ist. Derweil ragt vom
zentralen Mittelmeer unter der Regentschaft von BENEDIKT (Kern heute Mittag etwa
über der nördlichen Adria) eine Tiefdruckzone über die Alpen hinweg bis zu uns.
Während der BENEDIKT unter leichter Abschwächung gen Osten zieht, weitet er sich
gleichzeitig nach Norden aus. Am Ende entsteht ein weiterer Tiefkern (die BWK/FU
Berlin nennt ihn ebenfalls BENEDIKT, was nicht ganz korrekt, aber auch nicht
wirklich wichtig ist), der ausgangs der kommenden Nacht etwa über dem
Dreiländereck Polen-Tschechien-Slowakei aufschlägt. Zunächst mal ist heute für
den Vorhersageraum noch die Konstellation high-over-low von Belang, die uns eine
östliche, im Süden eher auf nördliche Richtungen drehende Grundströmung
beschert. Damit wird leidlich feuchte und mäßig warme Luft advehiert (T850 um
6°C; keine echte Kontinentalluft, sondern über Umwegen mediterran angetriggert),
die uns einen wechselhaften, aber keinesfalls durchweg unfreundlichen Sonntag
beschert, zumindest in weiten Teilen des Landes.

Das meiste Gewölk wird sich heute im Süden und Südosten halten, wo sich im
Tagesverlauf Schauer bzw. schauerartiger Regen dazugesellen. Einzelne Gewitter
sind ebenfalls möglich, weil die Bewölkung zumindest teilweise nicht durchweg
geschlossen bleibt und somit etwas ML-CAPE generiert werden kann. Aufgrund kaum
vorhandener Scherung dürfte es sich um wenig bewegliche Einzelzellen handeln,
bei denen markanter Starkregen (PPW 15 bis 20 mm) ganz klar im Vordergrund
steht. Zwar signalisiert ICON-D2-EPS auch die Möglichkeit von mehr als 25 l/m²
innert kurzer Zeit (WU), allerdings dürfte das in dieser Luftmasse nur sehr
lokal und auch nicht mit überbordend hoher Wahrscheinlichkeit auftreten (am
ehesten bei Doppeltreffern bzw. Verclusterung). Ähnliches gilt für kleinen Hagel
und Sturmböen sind noch unwahrscheinlicher. Bedingt durch die Entwicklung
südlich der Alpen, Verclusterung der Schauer sowie einsetzenden Stau geht der
konvektiv geprägte Regen an den Alpen in Dauerniederschlag über, der bis in den
Montag (wahrscheinlich Mittagszeit) anhält. Akkumuliert über 24-30 Stunden
können durchaus 30 bis 40, lokal bis 50 l/m² zusammenkommen, wobei das Allgäu
tendenziell weniger abbekommt. Tagsüber liegt die Schneefallgrenze bei 1800 bis
2000 m, kann in der Nacht aber auf bis zu 1500 m absinken (vor allem nach Osten
hin).

Je weiter wir uns im Land gen Norden und Westen orientieren, desto mehr
Sonnenschein ist zu erwarten. Keine sky-clear-conditions, weil zu den heute
Morgen schon durchziehenden Wolkenfeldern auch noch tagesgangbedingte Quellungen
dazukommen, deren vertikale Mächtigkeit ausreicht, um den einen oder anderen
Schauer sowie einzelne Gewitter zu generieren (Auslösetemperatur um oder sogar
unter 20°C). Meist sind es unorganisierte, mäßig ziehende Einzelzellen, deren
Lebensdauer nur kurz ist. Hagel sollte kein Thema sein (Scherung fehlt, CAPE
wenig), Starkregen bedingt (15 l/m² sind schnell erreicht) und Böen 7-8 Bft sehr
gut möglich. Vor allem nach Nordosten hin, wo die Grundschicht relativ trocken
ist, zeigen die Soundings eine inverse V-Struktur, die förderlich für stärkere
Windböen ist. Das spiegelt sich auch in den EPSen wider, die gerade für MV (wo
übrigens noch die Küstenkonvergenz als auslösendes Moment dazukommt) leicht
erhöhte Wahrscheinlichkeiten für Böen 8 Bft zeigen.
Reichlich Worte, bei denen wir nicht vergessen sollten, dass viele von uns heute
weder einen Schauer, geschweige denn ein Gewitter abbekommen, was in der
Tagesplanung unbedingt berücksichtigt werden sollte. Gerade in einem Streifen
vom westlichen Niedersachsen bis hinüber nach BB sowie im Westen NRWs (wo das
Atlantikhoch am nächsten ist) dürfte es nur für wenig Konvektion reichen. Dafür
werden dort wie im ganzen Norden, Westen und Osten 20°C und mehr (maximal 24°C,
die aber nur vereinzelt) erreicht. Einzig an Küstenabschnitten mit auflandiger
Windkomponente bleibt es frischer. Im Süden und Südosten stehen dagegen nur 14
bis 19°C auf der Karte, in Alpennähe eher noch weniger.

In der Nacht zum Montag bricht die Tageskonvektion alsbald zusammen. Im Fokus
des Wettergeschehens bleibt der äußerste Süden und Südosten, wo es durch die
o.e. Entwicklung (u.a. die Neubildung des Bodentiefs) sowie der Tatsache, dass
aus dem "italienischen" Höhentief über Österreich/Tschechien ein weiteres
Höhentief entsteht, zu weiteren Regenfällen kommt. Die deutsche Modellkette
bietet bis zum Morgen auch noch von der Grundschicht abgehobene Gewitter an -
nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich. Mit Ausnahme des Nordens und
Nordostens kann sich bei längerem Aufklaren das eine oder andere Nebelfeld
bilden, teils mit Sichtweiten unter 150 m.

Montag... nimmt das neu entstandene Höhentief Fühlung zum ebenfalls noch nicht
allzu alten Bodentief auf, um tagsüber gemeinsame Sache zu machen. Genau
genommen sieht der Plan so aus, dass man sich auf Reisen in Richtung Norden
begibt, das alles auf polnischer Seite. Dadurch bleibt bei uns Platz für den
o.e. Rücken, der von Westen her zu uns hereinschwenkt. Nicht ganz freiwillig
muss man sagen, da ihm nämlich der Trog von UK/Irland im Nacken hängt (der
Nacken des Rückens, auch die menschliche Anatomie kommt hier nicht zu kurz). Der
ist unweigerlich an Progression interessiert und versucht erfolgreich nach Osten
voranzukommen. Bodennah gelangen wir zwischen das Vb-artige Tief über Polen
(etwas unter 1010 hPa) und dem Hoch über dem nahen Atlantik (Zentrum mit über
1030 hPa am Mittag knapp westlich von Irland). Dadurch dreht der überwiegend
schwache bis mäßige Wind auf Nordwest. An und auf der Nordsee muckt er am
Nachmittag und Abend soweit auf, dass es für Böen 7 Bft reicht.

Ansonsten gilt es von einem wechselhaften Wochenstart zu berichten, an dem die
Sonnenanteile gegenüber heute insgesamt zurückgehen. Die meiste Einstrahlung ist
im hohen Norden etwa zwischen SH und Vorpommern zu erwarten. Trotz Winddrehung
ändert sich an den Luftmasseneigenschaften nicht allzu viel. Labilität,
Wasserdampfgehalt, fühlbare Wärme - alles so ähnlich wie heute. Lediglich im
Westen und Nordwesten, wo die Kaltfront eines Nordmeertiefs bedrohlich
nahekommt, sind einige Grad Einbußen hinzunehmen. Trotz des überlagerten Rückens
und beschränkter, aber ausreichender vertikaler Mächtigkeit (bei 600 hPa sollte
Schluss sein, nur im Süden geht´s höher) wird es zu tagesgangbedingter
Konvektion in Form von Schauern und einzelnen Gewittern kommen, die einmal mehr
als Einzelzellen auftreten. Starkregen und/oder Böen 7-8 Bft stehen begleitend
auf der Karte, während Hagel nach wie vor keine Rolle spielen dürfte. Mit Abzug
des Tiefs über Polen lassen die Niederschläge am Alpenrand mehr und mehr nach
respektive gehen in Schauer über.

Die Tageshöchsttemperatur liegt zwischen 15 und 22°C, im Süden stellenweise
etwas darunter.

In der Nacht zum Dienstag kommt die besagte Kaltfront noch etwas landeinwärts
voran. In der postfrontal einfließenden maritimen Polarluft sinkt T850 im Westen
und Nordwesten auf rund 0°C. Frechheit wird manch einer aufgrund der
fortgeschrittenen Jahreszeit anmerken, was die Atmosphäre aber mal so was von
gar nicht interessiert. Die zieht ihr Ding durch und dazu gehört, dass der
Luftdruck von Westen her steigt und sich ein Keil zu uns reinschiebt. Der macht
es der Kaltfront immer schwerer zu überleben, trotzdem wird sie im Westen noch
für ein paar Schauer bzw. schauerartige Regenfälle gut sein. Im Übrigen verliert
die Konvektion mangels Energienachführung von unten aber zusehends die Lust,
sprich, sie schwächt sich immer weiter ab bzw. kommt ganz zum Erliegen. Sollte
es gerade im Süden mal für etwas längere Zeit aufgehen, bildet sich Nebel. Der
ist im Norden unwahrscheinlich, weil es dort zu windig ist. Insbesondere an der
Nord-, zunehmend aber auch an der Ostsee weht ein mäßiger bis frischer
Nordwestwind mit Böen bis 7 Bft, an der Nordfriesischen Küste exponiert 8 Bft.


Dienstag... weitet sich der Bodenhochkeil nach Osten hin aus und schlägt sogar
eine schwache Brücke zu einem Hoch über West-Nordwestrussland, in dem immer noch
ein Stück TINA steckt. Im Grunde trennen Keil und Brücke das inzwischen über
Schweden angelandete "Vb-Tief" von einem neuen Tief über Mittelitalien (CHAPPU).
Dieses Tief, das heute über Libyen bzw. der Großen Syrte gestartet ist und am
Montag Rast auf Sizilien eingelegt, ist nicht ohne mit einem Kerndruck knapp
unter 1000 hPa. Es wird rund um Italien für ordentlich Wirbel mit Wind/Sturm,
Starkregen und Gewittern sorgen. Aber auch bei uns hält dieses Exemplar Aktien,
vor allem im äußersten Süden und Südosten, schwerpunktmäßig vom Alpenrand bis
hinüber zum Bayerischen Wald. Ausgehend vom korrespondierenden Höhentief
erstreckt sich ein Trog bis zu den Alpen, auf dessen Vorderseite
synoptisch-skalige Hebung generiert wird (vor allem PVA, aber auch etwas WLA).
Hinzu kommt noch Stau, so dass die anfänglichen Schauer aus den Alpen heraus in
länger andauernden stratiform geprägten Regen übergehen. Akkumuliert über 24
Stunden sind bis Mittwoch früh an den Alpen und im südlichen Vorland 30 bis 50
l/m² drin, in Staulagen punktuell noch etwas mehr.

Im großen Rest des Landes gestaltet sich der Dienstag einmal mehr wechselnd
bewölkt bei allerdings gegenüber den Vortagen deutlich gedämpfter Schauer- und
Gewitterbereitschaft. So ist die einfließende Polarluft nicht nur trockener,
sondern auch stabiler, was ICON gleich mal dazu veranlasst, die
Niederschlagsprognose auf null zu stellen. Dagegen bieten die Externen noch ein
paar schlaffe Schauer unterhalb von etwa 800 hPa an, die von der Nordsee
landeinwärts driften. Etwas stärker in den Fokus rückt der aus Sektor West bis
Nord wehende Wind, der nicht nur an der Küste, sondern auch in höheren Lagen
Akzente setzt (7-8 Bft). Auch im küstennahen Binnenland wird es wohl für eine
kleine Windwarnung reichen.

Reichen wird es hingegen nicht mehr für 20°C oder mehr, dazu taugt die polare
Luftmasse nicht. Stattdessen müssen wir und auf 11 bis 18°C, im Bergland z.T.
auf einstellige Höchstwerte einstellen. Für die Folgenacht bedeutet das in den
Mittelgebirgen - längeres Aufklaren vorausgesetzt - die Möglichkeit lokalen
Luftfrosts. Im Flachland könnte es an der einen oder anderen Stelle für leichten
Frost in Bodennähe reichen. Definitiv keinen Frost wird es im äußersten Süden
und Südosten geben, wo es weiterhin munter vor sich hin regnet.

Modellvergleich und -einschätzung
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Nachdem im Vorfeld gerade in Bezug auf das Vb-artige am Montag viel geschrieben
wurde, weil die Zugbahn immer wieder anders simuliert wurde, haben sich die
Modelle inzwischen deutlich angenähert. Dauerregen ganz im Süden ja, sonst
weitgehend nein. Auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung zeigen die Modelle
erfreuliche Kongruenz, auch wenn die Regensummen im Süden von Dienstag zu
Mittwoch noch nicht final feststehen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann