DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

10-05-2023 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 10.05.2023 um 10.30 UTC



Zunächst nur in der Südhälfte häufig nass, zum Wochenwechsel überall
wechselhafter. Gebietsweise auch kräftiger Dauerregen möglich.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 17.05.2023


Am Wochenende wird ein umfangreiches Höhentief mit Zentrum über dem Löwengolf
respektive Balearen von einem Hochdruckgürtel umspannt, der von den Azoren über
die Britischen Inseln bis zum Baltikum reicht. Kurzum: Wir haben es mehr oder
weniger mit einer klassischen High-over-Low Lage zu tun. Der NAO Index kommt
entsprechend tief aus dem Minus, tendiert aber laut NOAA Vorhersage bis zur
Monatsmitte wieder ins leichte Plus. Das Höhentief verlagert sich nur sehr
langsam Richtung Poebene und sorgt insbesondere über Südfrankreich, Italien und
auch über dem Balkan für teils heftige und von Gewittern begleitete Regenfälle -
aus gerade in den Regionen, die bereits in der Kurzfrist schon
niederschlagstechnisch teils arg gebeutelt sind. Bemüht man einmal den
Niederschlagsfavoriten der akkumulierten Regensummen, so sind bis Beginn der
kommenden Woche selbst bei den gröber aufgelösten Globalmodellen im Bereich der
Adriaküste 100 bis 200 l/qm zu erwarten. Gerade in Verbindung mit eingelagerten
Gewittern sind punktuell sicherlich an die 300 l/qm möglich. Es steht zu
befürchten, dass uns einige Katastrophenbilder mit Überschwemmungen,
Schlammlawinen, Erdrutschen und Evakuierungen erreichen werden.

Hierzulande kommen wir deutlich glimpflicher davon. Mit der östlichen Strömung
mäßig warme Luft ein, die im Norden am Rande des Hochs eher kontinental
geprägten Charakter hat, in der Südhälfte aber feuchter und potentiell instabil
geschichtet ist. So kommt es vor allem in den Nachmittagsstunden und südlich der
Mittelgebirgsschwelle zu örtlichen Schauern und Gewittern. Der große
Organisationsgrad sollte bei nur geringer Scherung in den unteren
Troposphärenschichten ausbleiben. Punktuell kann es gleichwohl markante
Entwicklungen mit Starkregen (PPW's um die 20 mm) und kleinkörnigem
Hagel/Hagelansammlungen (wenige 100 J/kg ML CAPE) geben. Über der Nordhälfte
scheint mehrheitlich die Sonne, wenngleich zeitweise auch mal harmlose
Wolkenfelder durchziehen. Dort werden dann auch 20 bis 23 Grad erreicht. An
auflandigen Küstenabschnitten sind es eher wie unter den Wolken im Süden
Höchstwerte zwischen 14 und 19 Grad.

Zum Wochenwechsel kommt es an der Polarfront über Irland zu einem Abtropfprozess
Richtung Biskaya. Der nun ins Spiel kommende Fujiwhara-Effekt bewirkt nun eine
gegenseitige Rotation der beiden Höhentiefzentren um eine imaginäre Achse, die
in etwa entlang des Greenwich Meridians erfolgt. Ergo zieht das östliche
Höhentief über der Poebene, das sich auch am Boden kreisrund mit nur geringer
Achsenneigung abzeichnet, auf VB-artiger Zugbahn nordwärts. Für eine klassische
VB-Lage fehlt etwas der stationäre Trog über Westeuropa mit Kaltluftvorstoß bis
in den Löwengolf. Das macht die Lage allerdings nicht minder brisant. Warmluft
ist trotzdem reichlich vorhanden, die von Griechenland über den Karpatenboden
aus Südosten aufgleitet und für einsetzende, teils länger anhaltende und
kräftige Regenfälle bei uns sorgt. Für Details (Wie weit nach Norden und Westen?
Schwerpunkte? Sogar Unwetter? Im Osten Warmlufteinschubgewitter?) ist es
diesbezüglich aber noch zu früh. Derzeit schein sich eine doch recht westliche
Zugbahn über Tschechien und den Berliner Raum nordwärts herauszukristallisieren.
Dabei würde wohl selbst der äußerste Westen nicht trocken davonkommen und im
Osten wären in der Tat auch Gewitter ein Thema. Erfahrungsgemäß kann sich das
aber mit Annäherung an das Ereignis noch gewaltig ändern. Daher nur noch so
viel, dass uns bis Mitte nächster Woche und damit bis zum Übergang in die
erweiterte Mittelfrist, sowohl das sich langsam auffüllende Tief über
Norddeutschland noch beschäftigen könnten oder aber bei rascherem Abzug eine
kühle und leicht wechselhafte Rückseite. Nieder(schlags-)trächtigkeit bleibt
wohl in jedem Falle Trumpf.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des IFS Modells ist trotz der keinesfalls alltäglichen und
ziemlich komplexen Wetterlage zufriedenstellend. Die VB-artige Entwicklung wird
wohl - wie auch immer geartet - kommen. Kerndrücke und Position des
verantwortlichen Tiefs variieren aber teilweise erheblich.
Wie angesprochen geht die Tendenz in den jüngsten Läufen zu einer eher
westlichen Zugbahn und intensiveren Entwicklung (Lauf 0z gestern 1006 hPa
Südpolen, heutiger Lauf 0z unter 1000 hPa Raum Berlin für den kommenden Di 12z),
was aber noch nichts bedeuten muss. Selbst mit der östlichen Variante würde aber
feuchtere Luft auch in den Norden einfließen und für zeitweilige Niederschläge
sorgen. Nur eventueller Stark-/Dauerregen wäre damit vorerst vom Tisch.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Viel schlauer scheinen die anderen Modelle auch nicht zu sein. Alle zeigen die
VB-Entwicklung in ähnlicher Ausprägung mit den angesprochenen Unschärfen.
Höhepunkt der Entwicklung unisono Montag und Dienstag, wobei das GFS das Tief
nur wenig abgeschwächt auch am Mittwoch noch unweit der polnischen Grenze
simuliert. Letztendlich ist auch die komplette Bandbreite aus der
Konsistenzbetrachtung mit Auffüllen der verbleibenden Rinne über Norddeutschland
(IFS, NAVGEM), rasches Abziehen nach Südskandinavien mit Abkühlung aus
Nordwesten (ICON, JMA) und stationäres Tief (GFS, GEM mit südlichem Schwerpunkt)
vertreten.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen helfen uns heute bei der derzeitigen Mittelfristkonstellation
nur bedingt. Unterschiede in der Zugbahn und Intensität des VB-Tiefs spiegeln
sich kaum in der 850 hPa Temperatur (durch Aufgleiten in der Höhe kaum T850
Kontraste) und dem 500 hPa Geopotential (ohnehin auf niedrigem Niveau im Bereich
des umfangreichen Höhentiefs) wider. Zu sehen ist lediglich, dass die Spreizung
ab Dienstag deutlich zunimmt, was mit dem Abbau / der Auflösung der Lage
korreliert, die erst recht noch sehr unsicher ist. Angesichts einer Mehrheit der
Member um die +5 Grad Isotherme auch über den kommenden Dienstag hinaus, ist
eine Abkühlung aus Nordwesten noch mit einem großen Fragezeichen zu versehen.
Bei dann guter Durchmischung hielten sich die unmittelbaren Auswirklungen auf
die 2m Temperatur ohnehin in Grenzen.

Auch das Niederschlagsbild ist ziemlich diffus. Angesichts des Potentials der
bevorstehenden Lage sind die Spitzen im EPS von Dresden mit durchweg unter 10
l/qm binnen 6 Stunden fast schon enttäuschend gering.

Die Cluster favorisieren ebenfalls die Zugbahn über Ostdeutschland hinweg
nordwärts. Der Ausgang ist allerdings auch dort komplett offen, da nahezu
gleichverteilt auf 4 Cluster. In der erweiterten Mittelfrist halten mindestens
bis Ende nächster Woche alle gebildeten Cluster mehrheitlich am High-over-Low
Muster fest. So kommen wohl allenfalls die Küstenregionen wieder in etwas
trockenere Gefilde. Das Frühjahr 2023 will bezüglich der Regenbilanz wohl gerade
im Vergleich zur jüngeren Vergangenheit (alte) Maßstäbe setzen.

FAZIT:
Es geht auch in der kommenden Woche häufig nass auf einem überwiegend der
Jahreszeit entsprechendem Temperaturniveau weiter. Da sich allerdings zum
Wochenstart eine klassische VB-Lage abzeichnet, bei der ein Tief von der Adria
in Richtung Ostsee zieht, ergeben sich daraus erfahrungsgemäß große
Unsicherheit. Potentiell könnte es dadurch vor allem in der Osthälfte
Deutschlands zu ergiebigen Regenfällen bis in den Unwetterbereich hinein kommen.
Für derartige Details ist es aber noch zu früh. Auch danach geht es mehrheitlich
wechselhaft weiter. Eine Umstellung zu stabilem Hochdruckwetter ist nicht
absehbar.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


GEWITTER:
In der anfangs noch feucht-labilen Luftmasse bilden sich bis einschließlich
Sonntag vor allem in der Südhälfte noch lokale, teils kräftige Gewitter. Diese
sind zwar punktuell durchaus markant, vor allem aufgrund des Starkregens,
größere und schon gar nicht überörtliche Auswirkungen sind aber nicht zu
erwarten. Ob zu Beginn der neuen Woche im Osten Warmlufteinschubgewitter oder
aber im Westen kurze Kaltluftgewitter auftreten, hängt entscheidend von der
Zugbahn des Tiefs ab und ist noch sehr unsicher.

DAUERREGEN:
Auf das vorhandene Potential der Wetterlage zum Wochenwechsel wurde bereits
mehrfach oben im Text hingewiesen. Aus diesem Holz sind markante Hochwasserlagen
geschnitzt. Die Deterministik beschränkt sich aber aktuell auf wenige und eher
untypische Schwerpunkte (für markanten Dauerregen) vom Breisgau bis nach
Mittelfranken, was vor allem des Eindrehens und der westlichen Zugbahn
geschuldet ist. Prädestiniert wäre eher der Nordrand des Erzgebirges. Auch der
EFI zeigt nur wenige "Sprenkler" der niedrigsten Schwelle über der Südosthälfte
und leicht erhöhte SOT-Werte. So finden sich nach aktuellem Stand - was noch
nichts heißen muss - keine zwingenden Hinweise auf eine bevorstehende
Dauerregenlage bis in den Unwetterbereich hinein. Freuen Sie sich daher heute
schon auf die Bewertungen des Kollegen Jens Hoffmann an dieser Stelle in der
morgigen Übersicht.

STURM:
Möglicherweise reicht zum Wochenstart der Gradient an der Nordflanke des Tiefs
aus, um an exponierten Küstenabschnitten einzelne stürmische Böen (Bft 8) aus
Nord bis Nordost hervorzurufen. Die Signale in der Probabilistik dafür sind aber
(noch?) sehr gering (IFS-EPS und ICON-EPS unter 10%, dafür aber Det. Lauf vom
UK10).
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, Mos-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen