DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-05-2023 17:30
SXEU31 DWAV 081800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 08.05.2023 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Abend und in der Nacht nachlassende Konvektion. Ab Dienstag von Westen her
frontale, teils erkleckliche Regenfälle, die sich aber nur sehr langsam ostwärts
ausbreiten. An den Alpen ab Dienstagabend wahrscheinlich eine längere
Dauerregenwarnung.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland atmosphärisch zwischen den Stühlen, was
sich auch in der Wetterverteilung ganz klar widerspiegelt. Auf der einen Seite
das kräftige Hoch TINA mit Zentrum im Bereich Baltische Staaten/Belarus (etwas
über 1030 hPa), das die Nordosthälfte weiterhin mit trockener, aber nicht
überbordend warmer Kontinentallift versorgt. Bei spürbarem und böigem Südostwind
schien heute die Sonne, allenfalls gestört durch ein paar durchziehende Cirren.
Auf der anderen Seite das Tief ZOLTAN mit Kern (etwas unter 990 hPa) südwestlich
von Island, das zumindest indirekt an den aktuell noch andauernden Gewittern und
schauerartigen Regenfällen in der Südwesthälfte verantwortlich zeichnet. Der
gute ZOLTAN, der übrigens mit einem Höhentrog korrespondiert, wird sich bis
morgen auf "wundersame" Weise vermehren, indem er gleich zwei Teiltiefs - eines
dicht bei Island, eines über der nördlichen Nordsee - bildet. Damit wird klar,
dass ZOLTAN Madame TINA den Fehdehandschuh hinschmeißt und zum Ausdruck bringt,
dass er sich nicht allein mit der Südwesthälfte unseres Landes zufriedengibt.
Ob´s klappt, werdet ihr im Verlauf des Bulletins erfahren

Bis es soweit ist, gilt es erst mal die kommende Nacht zu beschreiben, in der
ein dem Trog vorgelagerter Höhenrücken ostwärts über den Vorhersageraum
hinwegwandert. Das riecht nach antizyklonal und tatsächlich schwächt sich die
abendliche Konvektion in den meisten Regionen alsbald ab bzw. stellt gänzlich
den Betrieb ein. Nur im Nordwesten, der zuallererst auf die diffluente
Vorderseite des o.e. Höhentrogs gelangt, wo sich zudem ein kleiner Sekundärtrog
von Benelux her nähert und außerdem noch eine konvergente Windstruktur befindet
(S-SO vs. SW-W, aktuell knapp auf niederländischer Seite), hält sich ein
schmales Band mit Schauern. Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass von Westen
her die teilokkludierte Kaltfront der wachsenden ZOLTAN-Familie langsam auf
Deutschland zuläuft. Vorderseitig breiten sich vor allem in der Westhälfte hohe,
später auch mittelhohe Wolken langsam ostwärts aus, während der frontale Regen
wahrscheinlich erst deutlich nach Sonnenaufgang, nach jüngsten Berechnungen
sogar erst gegen Mittag im Grenzbereich zu Benelux aufschlägt. In der Osthälfte
verläuft die Nacht gering bewölkt oder klar, wobei sich die anfänglich im Süden
noch aufhaltenden dichteren Wolken zurückbilden. Gemäß der unterschiedlichen
Luftmassen fällt der Spread der nächtlichen Tiefsttemperatur ziemlich groß aus.
Während es an der Neiße sowie in Ostsachsen auf rund 2°C abkühlen kann (leichter
Frost in Bodennähe gratis dazu), wird es im Westen z.T. nicht kälter als 13 der
14°C.

Dienstag ... zieht der kleine Sekundärtrog rasch über die Nordsee nordwärts ab.
Dahinter kommt der Haupttrog dichter an den Vorhersageraum heran, wobei sich
abzeichnet, dass das in seinem Südteil besser gelingt als weiter nördlich (=>
zunehmend negative Achsstellung). Der Grund dafür ist die Blockadewirkung des
nur langsam ostwärts abwandernden Rückens respektive des Bodenhochs TINA, die
sich weiterhin bester Gesundheit erfreut und nur marginale Schwächeltendenzen an
den Tag legt. Das erklärt dann auch ganz schnell, warum morgen in weiten Teilen
der Osthälfte erneut die Sonne scheint, zwischen Erzgebirge und Vorpommern sogar
von einem weitgehend blankgeputzten Himmel. Bei böig auffrischendem Südostwind
steigt die Temperatur auf 18 bis 22, vereinzelt vielleicht 23°C. Im Gegensatz zu
heute dürfte etwa von der Oder bis hoch nach Vorpommern sowie allgemein an der
Ostsee eine mehrstündige gelbe Windwarnung mit Böen 7 Bft fällig werden.

Derweil macht die Okklusion respektive Kaltfront aus dem schon genannten Grund
(Blockade) nur langsam Boden nach Osten hin gut. Entsprechend schleppend breitet
sich auch der frontale Regen aus, der ja erstmal das Land erreichen muss. Bis
zum Abend schleppt er sich etwa bis zu einer Linie nordfriesische
Küste-Weserbergland-Spessart-Oberschwaben voran. Mit Frontdurchgang ist nicht
nur eine Winddrehung von Südost auf Südwest bis West verbunden, es kommt
außerdem zu konvektiven Verstärkungen beim Regen, die sogar in einzelne Gewitter
münden können. Einzelne Gewitter sind auch präfrontal nicht von der Hand zu
weisen. So wird die nächtliche Schauerlinie aus dem Nordwesten neu aktiviert bei
gleichzeitiger Ausweitung nach Süden. Sie läuft dem frontalen Regen voraus. Mit
Hilfe von etwas Einstrahlung wird zwar nicht viel, aber wenigstens ein bisschen
CAPE aufgebaut, das im Westen und Südwesten in vereinzelte Überentwicklungen
(teils auch "nur" als Schauer) mit der Gefahr von Starkregen (markant) umgesetzt
werden kann. Aber auch wenn es nicht gewittert, können sich die Tagesregensummen
ganz im Westen mit verbreitet 5 bis 10, lokal bis 15 l/m² absolut sehen lassen.
Während es an der Nordsee sowie bei längerem Regen im Westen z.T. nur für
maximal 16°C reicht, stehen sonst 17 bis 22°C auf der Karte.

In der Nacht zum Mittwoch denken der Höhenrücken über dem östlichen Mitteleuropa
sowie das etwas nach Osten verschobene Bodenhoch nicht im Geringsten dran, ihre
Blockadehaltung aufzugeben. Das macht es dem Höhentrog und der ins Schleifen
kommenden Front natürlich schwer, ostwärts voranzukommen, wozu auch ein weiteres
Teiltief über Nordwestdeutschland beiträgt. Mit Mühe und Not erreicht die Spitze
des weiterhin negativ geneigten Troges den äußersten Südwesten. Vorderseitig
kämpft sich das Regengebiet bis nach Ostbayern, Thüringen und den Hamburger Raum
voran, während es weiter östlich noch trocken bleibt. Durch die langsame
Verlagerung sowie weiterhin vorhandene konvektive Einlagerungen regnet es gerade
in einem von der Deutschen Bucht bis zum Alpenrand reichenden Korridor recht
erklecklich mit Mengen zwischen 10 und 25, in einigen Staulagen sowie am
Alpenrand punktuell um 30 l/m² innert 12 h. Unter Berücksichtigung weiterer
Regenfälle am Mittwoch tagsüber wird für Teile des Alpenrands eine etwa 24-36
Stunden laufende markante Dauerregenwarnung fällig werden (30 bis 50 l/m²,
Staulagen darüber), was auch von EPS-Verfahren gestützt wird. Allerdings werden
die regionalen Schwerpunkte derzeit noch recht unscharf simuliert. In den
Mittelgebirgen wird eine Dauerregenwarnung wahrscheinlich nicht nötig sein,
möglicherweise muss aber auf eine mehrstündige Starkregenwarnung zurückgegriffen
werden.

Darüber hinaus ist noch festzuhalten, dass in den Westen und Südwesten
postfrontal ein Schwall subpolarer Meeresluft einströmt, in der die Bewölkung
etwas auflockert, aber auch noch Schauer auftreten. Außerdem lebt der auf
Südwest bis West drehende Wind dort etwas auf. Das tut er - allerdings aus
Südost kommend - auch im Bereich des Erzgebirges und des Zittauer Gebirges, wo
es in exponierten Hochlagen sowie "günstig" geschnittenen Tälern für einige Böen
7 Bft reicht. Ansonsten heißt es im Osten und Nordosten weiterhin trocken sowie
gering bewölkt bis klar.

Mittwoch ... kommt der Höhentrog kaum noch weiter nach Osten voran. Vielmehr
läuft bei UK/Irland eine kurze Welle in die Rückseite des Troges, die diesen
regeneriert und spätestens zur Nacht hin scheinbar retrograd werden lässt. Für
uns bedeutet das tagsüber eine zunehmend glatt konturierte südliche
Höhenströmung, in der die synoptisch-skaligen Hebungsimpulse (im Wesentlichen
aus PVA bestehend) in Teilen des Landes an Stärke verlieren. Im Westen und
Nordwesten allerdings sorgen die inzwischen nur noch kurzwelligen Reste des
Troges sowie das weiterhin präsente flache Teiltief für ein erhöhtes Aufkommen
konvektiver Niederschläge bis hin zu einzelnen Gewittern (T850 um 4°C, T500 um
-22°C => leidlich labil geschichtete Meeresluft), die bei PPWs über 20 mm mit
Starkregen einhergehen können.

Derweil schwächen sich die nur noch wenig nach Osten vorankommenden frontalen
Regenfälle allmählich ab. Eine Ausnahme bilden der Süden und Osten Bayerns, wo
gebietsweise 10 bis 20, an den Alpen punktuell vielleicht bis zu 25 l/m² fallen
können. Nach wie vor unbeeindruckt von diesem Geschehen bleiben der äußerste
Osten und Nordosten, die immer noch vom blockierenden Hoch im Grenzbereich
Belarus/Westrussland profitieren (wobei "profitieren" stark subjektiv ist).
Vielleicht würde sich mancher ja über eine Portion Regen freuen, der auch an
diesem Tag nicht die Oder und Neiße erreicht. Stattdessen scheint dort noch mal
für längere Zeit die Sonne bei Temperaturmaxima um 20°C (gegenüber 12 bis 18°C
im großen Rest des Landes). Zwar frischt der Ost-Südostwind vornehmlich im
Grenzbereich zu Polen sowie in Vorpommern wieder böig auf mit Spitzen 6-7 Bft,
am Nachmittag erfolgt aber eine allmähliche Abnahme. Das gilt auch für den
Böhmischen Wind im südlichen Sachsen.

In der Nacht zum Donnerstag setzt sich die Regeneration des Höhentroges über
Westeuropa fort bzw. kommt erst richtig in Gang. Bei uns führt das zu einem
leichten Rückdrehen der Höhenströmung auf Süd-Südost. Darunter befindet sich
eine breit angelegte Tiefdruckrinne, in der auch die zunehmend ins Wellen
kommende Front "gefangen" ist. Wo genau sich die Front positioniert, steht noch
nicht endgültig fest. Es könnte irgendwo zwischen Sachsen und Ostsee der Fall
sein, wie von den meisten externen Modellen propagiert. Es könnte aber auch wie
im neuesten Lauf von ICON (12 UTC) 100 oder 200 km weiter westlich sein
(deutlicher Rückzieher gegenüber dem sehr progressiven 00-UTC-Lauf). Harte Nuss
für die Numerik, die wohl erst mit den nächsten Läufen endgültig zu knacken ist.
Auf alle Fälle kommt es im Frontbereich zu weiteren, wenn auch nicht mehr ganz
so intensiven Regenfällen (nur lokal noch etwas über 10 l/m²), die aber bei
einer wahrscheinlichen Dauerregenwarnung an den Alpen mit zu berücksichtigen
sind. Postfrontal entwickeln sich im Westen und Südwesten noch einzelne Schauer.


Donnerstag ... setzt sich das unbeständige Wetter fort. Die wesentlichen Punkte
in aller Kürze: Erstens leichte Westerweiterung des Höhenrückens im Osten und
Nordosten => Abschwächung, möglicherweise Auflösung der inzwischen stark
gealterten Okklusion/Kaltfront nebst frontaler Regenfälle. Zweitens Ausweitung
des westeuropäischen Höhentrogs nach Südosten mit zwei Folgen. A) Im Südosten
skalige Aufgleitniederschläge, Intensität und regionale Ausdehnung noch offen.
B) Nach Westen hin wechselhaftes, konvektiv geprägtes Wetter mit Schauern und
einzelnen Gewittern. Ähnliche Temperaturrange wie tags zuvor. Detailliertere
Ausführungen folgen in den nächsten Übersichten.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die ganz großen Unterschiede sind zwischen den einzelnen Modelllösungen zwar
nicht zu erkennen. Trotzdem ergeben sich noch einige ungeklärte Fragen, die im
Text bereits angeklungen sind. Darunter gehört u.a. die Vita der morgen
übergreifenden Front, insbesondere zum Ende des Vorhersagezeitraums hin.
Unsicher ist auch noch die genaue Niederschlagsentwicklung. Das betrifft sowohl
potenzielle Gewitter am morgigen Dienstag als auch die frontalen Regenfälle, die
sehr wahrscheinlich eine vielleicht mehrtägige Dauerregenwarnung an den Alpen
erforderlich machen (Entscheidung muss im Laufe des Dienstags getroffen werden).



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann