DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

05-05-2023 17:30
SXEU31 DWAV 051800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 05.05.2023 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
GEWITTER/STARKREGEN:
Heute Abend abgesehen vom Nordosten einzelne kräftige Gewitter mit Starkregen
bis 25 l/qm in kurzer Zeit, Hagel bis 2 cm und Sturmböen um 80 km/h. Heftiger
Starkregen bis 40 l/qm und größerer Hagel um 3 cm (jeweils Unwetter) lokal eng
begrenzt nicht ausgeschlossen. In der Nacht zum Samstag nach Osten bzw.
Nordosten vorankommende, aber abklingende Schauer- und Gewittertätigkeit.

Am Samstag im Süden Gewitter, dabei Gefahr von Starkregen und Hagelansammlungen;
Unwetter jedoch nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit.

Am Sonntag im Westen und Süden sowie in Teilen der Mitte erneut Gewitter mit
Starkregen und Hagelansammlungen; Unwetter nicht auszuschließen. Bis in die
Nacht zum Montag hinein noch weitere Gewitter, vor allem im Süden und Südosten
in der zweiten Nachthälfte in meist ungewittrigen und teils mehrstündigen
Starkregen übergehend. Unwetter dann zusehends weniger wahrscheinlich.

WIND:
An den Küsten steife, an der Ostsee und an der Nordfriesischen Küste stürmische
Böen um Ost. In der Nacht nachlassend, am Tage wieder etwas auflebend, dann
allerdings nur noch einzelne steife und exponiert stürmische Böen.


Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... überquert ein flacher Höhenrücken die Nordosthälfte Deutschlands,
seine Achse wandert in der zweiten Nachthälfte zur Ostsee. Damit liegt
Deutschland - zumindest vorübergehend - komplett auf der Vorderseite eines
Kurzwellentroges, dessen Achse wiederum in der zweiten Nachthälfte auf den
Westen Deutschlands übergreift. Vorderseitig des Troges zeigt sich die
Höhenströmung deutlich divergent, was schon mal grundsätzlich für Hebungsimpulse
sorgt. Dabei sind die Druckgegensätze über Deutschland überwiegend schwach
ausgeprägt. Nur über dem Norden und Nordosten ist der Gradient auf der
Südwestflanke eines kräftigen Hochs über Skandinavien etwas schärfer ausgeprägt.
Dort treten mit Unterstützung der Ageostrophie steife bis stürmische Böen,
anfangs eventuell auch einzelne Sturmböen auf, die in der Nacht allerdings
nachlassen, wenn das Hoch sich ein wenig nach Nordosten zurückzieht. Ansonsten
ist der Wind aus dem Gradienten heraus kein Thema. Sehr wohl aber als
Begleiterscheinung von Schauern und Gewittern. Denn als Gegenspieler des
Skandinavienhoch liegt über dem Nordatlantik südlich von Island ein großräumiges
Tief. Während dieses Tief mit einem Langwellentrog korrespondiert, der sich von
Südgrönland nach Südosten erstreckt, weist von der Nordsee aus ein Rücken nach
Norden bzw. Nordwesten, der das schon angesprochene Hoch über Mittelschweden und
der zentralen Ostsee stützt. Das Tief schiebt allerding eine schwache
Tiefdruckrinne von der Mitte in den Nordosten, die nicht nur zum Aufweichen des
Gradienten im Nordosten beiträgt, sondern auch noch feuchte und labile Luft
einsteuert. Grundsätzlich ist zum aktuellen Zeitpunkt tagesgangbedingt eher mit
einer Abnahme der Gewittertätigkeit zu rechnen. Trotzdem nehmen sich die
Gewitterzutaten um 18 UTC durchaus noch respektabel aus (nach ICON-EU): CAPE-ML
bis 900 J/kg über Bayern, PPW-Werte ebendort bis 30 mm, sonst 20 bis 25 mm, dazu
ein breiter Streifen erhöhter Scherung (u.a. Deep-Layer bis 25 m/s) vom
Südwesten bis in die Mitte. Die entsprechend kräftigen Gewitter sind ja auch
schon unterwegs, teils mussten Unwetterwarnungen ausgegeben werden wegen
Starkregen und Hagel, dazu kamen Sturmböen bis 100 km/h. Für die Nacht ist dann
der Bereich von Mitteldeutschland bis an die Alpen und zum Schwarzwald das
Hauptgebiet der Gewitter, auch deshalb, weil der Trog in seinem Südteil etwas
zurückhängt. Die CAPE-Werte gehen natürlich zurück und liegen dann in der Spitze
nur noch um 300 J/kg, Feuchte und Scherung bleiben uns aber bis in die Nacht
erhalten. Natürlich ist mit dem zögerlichen Nachlassen der Gewitter auch ein
Übergang des Niederschlages in ungewittrigen Starkregen denkbar. Diesen sehen
die Modelle für den Nordosten eher als Basislösung denn als Option an, weil sich
die Tiefdruckrinne von der Nordsee Richtung Lausitz und Erzgebirge orientiert.
Entsprechend belegen die Modelle (u.a. ICON, IFS oder GFS) einen Streifen von
der Altmark und der Prignitz bis zur Nordsee mit ungewittrigen Starkregen. Im
Westen, wo durch die Gewitter des Tages die Grundschicht angefeuchtet ist,
können sich lokal auch dichtere Nebelfelder bilden.

Samstag ... nähert sich von Westen her ein flacher Rücken, gefolgt von einem
weiteren Kurzwellentrog, der bis zum Abend auf die Britischen Inseln übergreift.
Kaltluftadvektion sorgt im Norden für leichten Druckanstieg, der sich durch eine
leichte Ausweitung des über Nordosteuropa liegenden Hochs und damit dessen
Ausgreifen in Richtung Südwesten bemerkbar macht. Am Rande des Hochs sickert mit
einer nordöstlichen bodennahen Strömung auch an die, lokal auch über die
Mittelgebirgsschwelle hinweg etwas trockenere und stabiler geschichtete Luft
ein, was konvektive Umlagerungen weitgehend unterbinden sollte. In Richtung
Küste ist der Gradient etwas kräftiger, aber der Wind kommt nicht mehr so recht
in die Gänge, vielleicht schafft es an der Ostsee noch mal die eine oder andere
Bft 7 aus Ost bis an die Küste. Im Süden erfolgt jedoch kein Luftmassenwechsel.
Zwar wird durch schwache Entrainmentprozesse die Gewitterlage auch dort ein
wenig entschärft, dennoch können sich bei einem Flüssigwassergehalt über 20 mm
und CAPE-ML-Werten, die südlich der Donau punktuell bis über 500 J/kg reichen,
an den Alpen und aus den Alpen heraus erneut einzelne starke Gewitter
entwickeln. Mangels Scherung weisen diese nur einen geringen Organisationsgrad
auf. Für Starkregen und kleineren Hagel sollte es dennoch reichen; Unwetter sind
eher unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich ausgeschlossen. Abgesehen vom Norden
und Nordosten, wo aus dichten Wolken etwas Regen fällt, der in seiner Intensität
aber nachlässt, sind größere Auflockerungen und auch längere sonnige Abschnitte
zu erwarten. Nordöstlich der Elbe sind 10 bis 15 Grad das höchste der Gefühle,
sonst werden 16 bis 24 Grad erreicht mit den höchsten Werten am Oberrhein.

In der Nacht zum Sonntag wölbt sich der Rücken über Mitteleuropa noch etwas auf.
Der nachfolgende Trog weitet sich eher nach Süden aus, als dass er nach Osten
vorankommt. Diesem Trog ist eine flache Tiefdruckrinne vorgelagert, die sich bis
ins östliche Zentralfrankreich und zu den Benelux-Staaten vorarbeitet. Mit
dieser erfassen ausgangs der Nacht einzelne Schauer den äußersten Westen
Deutschlands. Abgesehen vom Nordosten sind die Luftdruckgegensätze gering. Für
Windböen reicht es dennoch nur an einigen Küstenabschnitten der Ostseeküste
sowie an der Nordfriesischen Küste. Im Nordosten ist die Bewölkung weiterhin
dicht, Regen ist aber nur noch lokal zu erwarten. Das gilt ebenso für Nebel, bei
dem die Modelle einen Schwerpunkt in den östlichen Mittelgebirgen verdrahten.

Sonntag ... gelangt der 500-hPa- Trog nach Ostfrankreich und tropft dabei nach
Südfrankreich aus. Das Residuum schafft es nach Benelux, bodennah eilt diesem
eine Rinne voraus und erfasst bis zum Abend - und folglich wieder zur
tagesgangbedingt aktivsten Zeit - den Westen und Süden Deutschlands. In diesen
Gebieten ist zuvor labil geschichtete Luft eingeflossen. Auf dem ersten Blick
ähnelt die Lage der heutigen Situation. Mit dem Unterschied, dass der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser mit Werten die deutlich flächiger 30 mm erreichen etwas
höher ist als heute. Und auch die CAPE-Werte werden nach den aktuellen Läufen
teils über 1000 J/kg und damit höher als am heutigen Freitag angesetzt. Da in
höheren Troposphärenschichten noch der Rücken über der Region des Geschehens
liegt, ist kaum Scherung vorhanden. Die Hebung muss daher von der unteren
Troposphäre und der Orografie geliefert werden. In der feuchtlabilen Luft können
sich im Tagesverlauf teils heftige Gewitter entwickeln, die sich nur langsam
verlagern, aber einen geringen Organisationsgrad aufweisen. Meist dürfte es sich
um Einzel- oder Multizellengewitter handeln. Daher sind Starkregen und auch
größere Hagelansammlungen in den Fokus zu rücken, wodurch unwetterartige
Entwicklungen nicht auszuschließen sind. Bis zum Abend erreichen die Gewitter
ungefähr eine Linie Münsterland - Berchtesgaden (IFS), bei ICON oder GFS ist
dagegen etwa am Lech Schluss mit Konvektion, zumindest wenn man vom Alpenrand
absieht. Im Norden und Osten sowie über Teilen der Mitte hält sich der Einfluss
des dann über den baltischen Staaten liegenden Bodenhochs. Durch Entrainment
trockenerer und stabiler Luft wird in diesen Gebieten die Konvektion
wirkungsvoll unterbunden. Längerer Sonnenschein ist vor allem an der Ostsee und
auch im Südosten zu erwarten. Ansonsten ist der Tag nicht unfreundlich, hat aber
in der Südwesthälfte die angesprochenen Schauer und Gewitter in petto. Da die
Advektion kühlerer Luft aus dem nordosteuropäischen Bodenhoch heraus schwächer
wird und im Nordosten die Sonne deutlich länger scheint als am bedeckten Vortag,
macht sich dort ein deutlicher Temperaturanstieg auf etwa 16 Grad bemerkbar.
Ansonsten ändern sich die Temperaturen gegenüber Samstag nur unwesentlich,
eventuell reich es lokal mal für die 25-Grad-Marke.

In der Nacht zum Montag wird das über Deutschland liegende Residuum weitgehend
zugeschüttet. Reste davon lassen sich noch über der Mitte Deutschlands finden,
allerdings mit deutlich reduzierter Wellenlänge. Ohne sich wesentlich weiter
nach Osten vorzuarbeiten, sind von der Mitte bis in den Süden weiterhin
konvektive Umlagerungen vorstellbar - laut IFS sehr breit gefächert, laut ICON
oder GFS eher in einem etwas schmaleren Streifen konzentriert. Wenngleich
Gewitter in der zweiten Nachthälfte zusehends weniger wahrscheinlich werden, so
sind (mit unterschiedlichen Schwerpunkten, je nach Modell) auch ungewittrige
Starkregenfälle, teils auch über mehrere Stunden hinweg, möglich. Neben dem
Norden und Nordosten, wo aufgrund der Nähe zum Hoch und der dort vorhandenen
stabil geschichteten und relativ trockenen Luft keine konvektiven Umlagerungen
zu erwarten sind, setzt auch im Westen, laut IFS auch im Südwesten eine
Stabilisierung ein, was dort ebenfalls die Konvektion unterbindet. Bei geringen
Luftdruckgegensätzen können sich dort, wo es zuvor viel geregnet hat, flache
Nebelfelder bilden.

Montag ... liegt weiterhin das kräftige Hochdruckgebiet über Nordosteuropa,
gestützt von einem amplifizierten Höhenrücken über Skandinavien. Im Raum Island
hingegen etabliert sich allmählich tiefes Geopotenzial, sodass auch die
NAO-Entwicklung hin zu neutralen bzw. leicht positiven Werten plausibel
erscheint. Dabei liegt eine Luftmassengrenze über Deutschland, die etwas kühlere
und vor allem deutlich trockenere Luft im Norden und Nordosten von feuchter und
labil geschichteter Luft nach Süden und Westen hin trennt. Gleichzeitig nähert
sich auf der Vorderseite des umfangreichen Tiefdruckkomplexes südwestlich von
Island ein Randtrog mit eingebettetem Frontensystem von Westeuropa an. Die 850
hPa-Temperatur beträgt im Norden und Nordosten 2 bis 4 Grad, wohingegen nach
Süden und Westen die Werte bei 6 bis 8 Grad liegen. Diese Konstellation der
Druckgebilde ruft den Gradientwind auf den Plan, der im Norden und Nordosten
immerhin noch zu starken bis steifen Windböen aus südöstlicher Richtung führt.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren im Großen und Ganzen ähnlich. Insbesondere warnrelevante
Unterschiede lassen sich nicht ausmachen. Größer werdende Unterschiede beim
Niederschlag am Sonntag wurden im Text angedeutet.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas