DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-05-2023 08:01
SXEU31 DWAV 020800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 02.05.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNa (Hoch Nordmeer antizyklonal)

Heute Passage einer Kaltfront mit Luftmassenwechsel insbesondere im Norden.
Präfrontal in der Südosthälfte einzelne Gewitter. Morgen und übermorgen
Hochdruckeinfluss, am Donnerstag im Südwesten wahrscheinlich der erste Sommertag
des Jahres.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... steht im Zeichen eines Luftmassenwechsels, der vor allem im Norden
spürbar ist. Dort ist in der vergangenen Nacht von der Nordsee her eine
Kaltfront angekommen, die im Tagesverlauf weiter südostwärts schwenkt. Absender
ist das Tief WOLF, das bereits den Süden Finnlands erreicht hat, von wo aus es
weiter in Richtung Nordosten geht. Mit Winddrehung auf Nordwest wird ein Schwall
stabil geschichteter maritimer Polarluft herangeführt, in der T850 in den
leichten Frostbereich zurückgeht. Die 0°C-Isotherme erreicht bis zum Abend etwa
den Nordrand des Mittelgebirgsraums, womit sie etwas defensiver bleibt als noch
vor wenigen Tagen simuliert. Unterstützt wird die KLA durch hohen Luftdruck über
den nahen Atlantik, wo sich eine meridionale Hochdruckzone aufgebaut hat, welche
von Grönland via UK/Irland und Frankreich bis hinunter nach Nordwestafrika
reicht. Zu groß für die BWK respektive die FU-Berlin, die daraufhin zwei Namen
für dieses monumentale Hoch vergeben hat - im Norden TINA, weiter südlich SIGRUN
(Stand heute Mittag 12 UTC). Gerade der SIGRUN-Teil macht sich bei uns aktuell
durch Druckanstieg bemerkbar, was für eine Expansion nach Osten spricht.

Wettertechnisch gilt es heute zwei Zonen zu beschreiben: prä- und postfrontal.
Fangen wir mit der Rückseite im Norden und Westen an, wo die frische Luftmasse
dabei ist sich auszubreiten. Zwar ist sie ist von ihrem Ursprung maritim, hat
z.T. aber die norwegischen Gebirge überquert, wodurch die Luft teilweise
abgetrocknet ist. Skandenföhn nennt man das Ganze, wovon heute vor allem die
Ostseeküste sowie das küstennahe Binnenland profitieren, wo sich nach
anfänglichen Schwierigkeiten durch nächtliche Restbewölkung die Sonne die Ehre
gibt. Richtung Nordwestdeutschland bzw. in großen Teilen der Norddeutschen
Tiefebene sieht die Sache etwas anders aus. Zwar ist auch dort die Luft nicht
überbordend feucht (Taupunkte gehen z.T. auf unter 0°C zurück), allerdings
akkumuliert sich ein Großteil der vorhandenen Feuchte unmittelbar unter einer
sich bei rund 800 hPa etablierenden Inversion. Dadurch bleibt es häufig stark
bewölkt durch Stratocumulusbewölkung, auch wenn die eine oder andere Lücke am
Start ist. Dazu ziehen von der Nordsee ein paar schwache Schauer ins Land. Vor
allem in Westdeutschland, wo die Annäherung der guten SIGRUN am nachhaltigsten
ist, reicht es für größere Auflockerungen respektive sonnige Abschnitte, die
sich bis hinunter in den Oberrheingraben ziehen. Der anfangs an der See noch
stark böige Nordwestwind (Böen 7 Bft, nordfriesische Küste exponiert 8 Bft)
nimmt im Tagesverlauf mit zunehmender Gradientaufweichung immer mehr ab.

Kommen wir zu Zone #2, die vor der Front liegt. Hier ist die Luftmasse nicht nur
milder und feuchter, sondern auch labiler. Nicht dass wir uns missverstehen,
kein SuperPlus-Treibstoff subtropischer Art (T850 gerade mal bis 4°C, PPW meist
unter 20 mm, dazu ´ne Menge Gewölk). Aber es reicht, um im Süden und Südosten
sowie in der östlichen Mitte mit Hilfe von wenig Einstrahlung zumindest etwas
CAPE aufzubauen, das mit Annäherung der Kaltfront sowie Durchgang eines etwas
nach Südwesten zurückhängenden Höhentrogs in Schauer und einzelne Gewitter
umgesetzt werden kann. Scherung ist kaum vorhanden, so dass die Gewitter über
Einzelzellenstatus kaum hinauskommen dürften. Meist reicht die Farbe Gelb, nur
vereinzelt sind markante Überentwicklungen zu erwarten, die mit Starkregen etwas
über 15 l/m², Böen 7-8 Bft und/oder kleinkörnigem Hagel einhergehen können. Am
Nachmittag und Abend wird die Luftmasse und damit auch die Zone potenzieller
Gewitter immer weiter nach Südosten abgedrängt.

Abschließend noch die Temperatur, die im Norden mit maximal 10 bis 14°C (an der
Nordsee bei auflandigem Wind z.T. sogar nur einstellig) alles andere als eine
Offenbarung ist. In den übrigen Regionen stehen 13 bis 18°C, im Oberrheingraben
mit zeitweiligem Sonnenschein punktuell 19 oder gar 20°C auf der Karte.

In der Nacht zum Mittwoch weitet sich das Bodenhoch nach Osten aus, wodurch der
Luftdruck landesweit auf über 1025 hPa ansteigt. Im Norden und Nordwesten, wo
sich ein definierter Hochkeil etabliert, geht es sogar hoch bis zu 1030 hPa.
Beim Geopotenzial läuft es nicht ganz so flott. Zwar verschwindet der o.e.
Höhentrog endgültig nach Osten, allerdings übt sich der nachfolgende Rücken in
vornehmer Zurückhaltung. Kurzum, wir verbringen die Nacht unter einer
indifferenten bis leicht antizyklonal konturierten nordwestlichen Höhenströmung.
Die eingeflossene polare Luftmasse (die den Süden und Südwesten aber nur ganz
flach bzw. thermisch modifiziert erreicht) kommt zur Ruhe, so dass sich die
letzten Schauer im Süden alsbald in die Alpen zurückziehen.

Nicht ganz einfach ist die Prognose der Grenzschichtbewölkung, was sich auch in
der unterschiedlichen Wolkenparametrisierung der verschiedenen Modelle
widerspiegelt. Fakt ist, dass durch kontinuierliches Absinken die Inversion
weiter nach unten gedrückt wird auf bis zu 900 hPa im Norden und Westen.
Außerdem dreht der Wind südlich der Divergenzachse des Hochkeils auf Nordost
(wenn er nicht ganz einschläft, was meist der Falls ein wird). Das alles spricht
für Wolkenauflösung, wie es u.a. von ICON und ICON-D2 auch simuliert wird.
Allerdings verbleibt der Wind nördlich der Divergenzachse auf Nordwest, wodurch
von der Nordsee weitere Wolken in Teile Norddeutschlands ziehen können. Dort, wo
es für längere Zeit aufklart (Norden, Mitte), muss stellenweise mit leichtem
Luft- und ziemlich verbreitet mit Frost in Bodennähe gerechnet werden. Im Süden
ist das Absinken schwächer, dort hält sich die Bewölkung vielerorts die ganze
Nacht hindurch, was die Abkühlungsrate im Zaum hält (kein Frost).


Mittwoch... kommt der Höhenrücken über Westeuropa etwas nach Osten voran, wobei
er Deutschland aber (noch) nicht erreicht. Allerdings erstreckt sich ein Keil
ostwärts, der die nord-nordwestliche Höhenströmung noch antizyklonaler
gestaltet. Bodennah lässt SIGRUN nichts anbrennen, auch wenn der Druck bei uns
leicht fällt. So zieht sich die 1030-hPa-Isobare auf die Nordsee zurück, was dem
Hochdruckeinfluss aber keinen großen Abbruch tut. Mit Ausnahme Süd- und
Südostdeutschland manifestiert sich die Absinkinversion bei rund 900 hPa,
während die Divergenzachse des weiterhin präsenten Hochkeils etwa von der
Deutschen Bucht bis nach Ostsachen reicht. Nördlich davon weht ein meist
schwacher nordwestlicher Wind, mit dem von der Nordsee her weiterhin Wolken
(meist SC) in den Norden driften. IFS und UK10 sind da ziemlich gnadenlos und
bunkern zumindest über Mittag die Norddeutsche Tiefebene, aber auch große Teile
Ostdeutschlands mit starker Bewölkung zu. GFS, nicht gerade die erste Adresse
bei der Grenzschichtparametrisierung, rechnet es abgesehen von ein paar lausigen
Cirren wolkenlos, während ICON perforierte Bewölkung anbietet (im Nordwesten
dichter als nach Osten hin). Ja, ja, auch Hochdrucklagen können so ihre Tücken
haben, wobei die Variante "im Norden und Osten zeit- und gebietsweise wolkig bis
stark bewölkt, zum Nachmittag und Abend Bewölkungsrückgang" die naheliegendste
Lösung scheint.

Reichlich Sonnenschein dürfen wir morgen im Westen und Südwesten sowie in der
Mitte, also südlich der Divergenzachse bei Ost- bis Nordostwind erwarten, wo die
Wolkenanteile gering ausfallen oder sogar ein wolkenloser Himmel präsentiert
wird. Etwas wolkiger der Südosten (Teile Bayerns), wo die Inversion höher liegt
und die Luftmasse schlichtweg noch etwas feuchter ist. Vereinzelt ist dort sogar
ein schlapper Schauer denkbar, meist bleibt es aber trocken.

Temperaturmäßig stellt sich ein veritables Südwest-Nordost-Gefälle ein mit rund
20°C an Hoch- und Oberrhein nebst Nachbarschaft und weiterhin nur 11 bis 14°C im
Norden und Nordosten, an der See bei auflandigem Wind noch etwas weniger.

In der Nacht zum Donnerstag kommt der Rücken noch etwas dichter an den
Vorhersageraum heran, auch wenn die Hauptachse knapp westlich verbleibt. Im
Bodendruckfeld tut sich herzlich wenig, so dass einer gering bewölkten bis
klaren, im Norden gebietsweise wolkigen Nacht nichts im Wege steht. Im Norden
und Osten sinkt die Temperatur bei längerem Aufklaren auf rund 0°C, was
stellenweise leichten Frost impliziert. Frost in Bodennähe tritt verbreiteter
auf und kann partiell auch Teile der Mitte und des Südens erfassen. Mehr gibt es
eigentlich nicht zu sagen.

Donnerstag... könnte etwas passieren, was wir in diesem Jahr noch gar nicht
hatten. Es "droht" der erste echte Sommertag mit einer Temperatur von mindestens
25°C (bisher hat es vor gut zwei Wochen nur für gerundete 25°C in Jena und
Nienburg/Weser gereicht). Wo der Sekt zur Begrüßung kaltgestellt werden kann,
dazu gleich. Zunächst mal gilt es zu konstatieren, dass es der nach Nordwesten
geneigte Rücken nach zähem Ringen endlich schafft, deutsches Hoheitsgebiet zu
okkupieren. Trotzdem beginnt der Luftdruck zu fallen, was zum einen WLA
geschuldet ist, die den Rücken überläuft. Zum anderen nähert sich von Frankreich
her eine Tiefdruckrinne, während sich das Hoch mit seinem Zentrum zur
Norwegischen See zurückzieht. Damit nimmt vor allem im Norden der Druckgradient
immer weiter zu, was den östlichen Wind an der Küste ab den Abendstunden soweit
auf Betriebstemperatur bringt, dass er in Böen Stärke 7 Bft, in der Nacht z.T.
sogar Stärke 8 Bft erreicht.

Ansonsten scheint tagsüber verbreitet die Sonne, auch wenn sich WLA-bedingt
vermehrt hohe, überwiegend aber noch transparente Wolken am Himmel zeigen. Nur
der Norden präsentiert sich insgesamt etwas wolkiger. Absinken sowie der
niedertroposphärisch auf Südwest drehende Wind (bodennah bleibt er auf Ost)
sorgen im Süden und Südwesten für einen merklichen Anstieg der
850-hPa-Temperatur auf bis zu 12°C, während sich in Mecklenburg-Vorpommern die
0°C-Isotherme zäh wie Leder hält. Dass diese Verteilung Auswirkungen auf die
2m-Temperatur hat, ist evident, womit wir wieder beim Thema "Sommertag" wären.
Die Chancen, diesen erstmalig in diesem Jahr zu erreichen, stehen im südlichen
Oberrheingraben inkl. Seitentäler sowie am Hochrhein am besten, wobei MOS-Mix
vereinzelt sogar bis zu 27°C geht. Mal sehen, ob das klappt (hängt u.a. von
Startwert und der Dichte der Cirren ab), aber die 25°C werden mit ziemlicher
Sicherheit fallen. Ansonsten darf man sich in der Südwesthälfte auf
frühlingshafte 20 bis 25°C freuen, während die SHler und MVler froh sein
dürften, wenn die 15°C-Marke gekappt wird.

In der Nacht zum Freitag nimmt der Ostwind an der See wie bereits erwähnt weiter
zu. Ansonsten schwenkt die Achse des Rückens weiter in Richtung Nordosten,
wodurch West- und Südwestdeutschland auf die Vorderseite eines nachfolgenden
Höhentrogs über UK/Irland und dem nahen Atlantik gelangen. Gleichzeitig schiebt
die die o.e. Rinne mit zunehmend feuchter und labil geschichteter Warmluft immer
weiter vor, was im Westen und Südwesten in schauerartige Regenfälle und einzelne
Gewitter (markant durch Starkregen) mündet. In den übrigen Landesteilen bleibt
es trocken und vor allem nach Osten hin auch noch gering bewölkt oder klar.
Frost ist aber kein Thema mehr, selbst in Bodennähe nicht (außer vielleicht im
Bajuwarischen Wald und im Erzgebirge).

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden von den einschlägigen Modellen extrem kongruent
simuliert. Es wäre schön, wenn es bei der Parametrisierung tiefer Wolken genau
so wäre. Hier gehen die Meinungen aber immer noch auseinander, was im Text
angerissen wurde.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann