DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-05-2023 07:30
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 01.05.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HNa

Heute vom Nordwesten bis in den Südwesten und an den Alpen Schauer und Gewitter.
Am morgigen Dienstag von der Neiße bis zu den Alpen und bis zum Hoch- und
Oberrhein, eventuell, mit geringerer Wahrscheinlichkeit, auch von
Rheinland-Pfalz bis nach Brandenburg Schauer mit recht geringem Gewitterrisiko.
An den Alpen heute einsetzender und bis in den Dienstag anhaltender, konvektiv
durchsetzter Regen. Dienstag an der Nordsee geringe Gefahr von Windböen Bft 7.
In den Nächten zum Mittwoch und zum Donnerstag in den Mittelgebirgen und im
Norden lokal leichter Frost und gebietsweise bzw. verbreitet Frost in Bodennähe.


Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... greift von Westen her ein Langwellentrog auf Deutschland über. Seine
Achse erreicht zum Abend den Westen, in seinem südlichen Teil tropft er
allmählich ab, so dass sich zum Abend über dem Golf von Genua eine
abgeschlossene Höhenzyklone ausbildet. Vorderseitig des Langwellentroges schiebt
sich eine breit aufgestellte Tiefdruckrinne nach Deutschland. Diese verbindet
eine Zone tiefen Luftdrucks über der nördlichen Nordsee und dem Nordmeer mit
einem Tief über dem Tyrrhenischen Meer. Während letzteres weitgehend ortsfest
ist, bewegt sich Tief WOLF von der nördlichen Nordsee nach Südschweden. Die
Konvergenzachse der Rinne ist dabei um die Mittagszeit etwa von der Nordsee nach
Südostbayern, am Abend von der Ostsee nach Niederösterreich orientiert. Damit
dreht auch der zumeist schwache Wind, anfangs weht er allgemein aus Ost, zum
Abend verzeichnet nur noch der Osten Südwind, sonst ist die neue Windrichtung
allgemein eine westliche. Mit der Rinne sickert in den Westen und Süden unseres
Landes allmählich eine feuchtere und labiler geschichtete Luftmasse. Die PPWs
erreichen dabei Werte von bis zu 20 mm, CAPE-ML liegt in der Spitze bei etwa 300
J/kg. Dazu kommen Lapse-Rates von knapp unter -0,65 K/100m. Das ist alles kein
Grund für Beunruhigung, zumal aufgrund der niedrigen Scherungswerte der
Organisationsgrad der Gewitter niedrig anzusetzen sein sollte. Letztendlich
liegt der Fokus der Gewitter bei langsamer Verlagerung und fehlender bzw. sehr
schwacher Höhenwinde auf dem Starkregen, diesbezüglich sind 20 l/qm in kurzer
Zeit eine Hausnummer für die starken Gewitterentwicklungen, eventuell tritt auch
mal eine Böen Bft 7 auf. Im Nordosten wird dagegen die trockene Luft auch bis
zum Abend nicht komplett ausgeräumt. Dort bleibt es trocken. Mehr noch: Der
Nordosten ist auch bezüglich des Sonnenscheins eindeutig auf der Sonnenseite.
Teils zeigt sich keine Wolke am Himmel, teils sind es nur ein paar
Schleierwolken, die aber den sehr freundlichen Charakter des Wetters kaum
trüben. Ansonsten gibt es einen Mix aus Sonne und Wolken, wobei sich die Wolken
zu besagten Schauern und Gewittern auftürmen können. Das Temperaturniveau in 850
hPa liegt im Südosten um 7°C, sonst sind es meist drei bis 5°C, was für
Höchstwerte bis zu 20°C in der "Warmluft" am Unterlauf der Donau und bei viel
Sonne im Osten reicht. Im Süden, genauer in Schwaben und im westlichen Teil
Oberbayerns, werden teils aber auch nur 13°C erreicht. Dies liegt dort an
größeren Aufgleitvorgängen im Bereich eines in die Rinne eingelagerten
kleinräumigen Tiefs, die nicht nur für dichte Wolken und damit auch für die
geringste Sonnenausbeute sorgen, sondern auch für länger andauernden Regen. An
den Alpen könnte das für eine kleinräumige Dauerregenwarnung ausreichen, wobei
die Regenfälle dort bis in den Dienstag andauern. Diesbezüglich ist das letzte
Wort aber noch nicht gesprochen. Positiver Nebeneffekt dort: Es wird kaum CAPE
aufgebaut, mithin ist die Gewitterwahrscheinlichkeit gering.

In der Nacht zum Dienstag zieht die Achse der Tiefdruckrinne nach Osten ab.
Allerdings ändert sich über Südskandinavien die Konfiguration dieser Rinne. Dies
hängt mit der Kaltfront von Tief WOLF zusammen. Während das Tief selbst über die
Ostsee hinweg nach Südfinnland driftet, stößt die Kaltfront vom Oslofjord bis in
den Nordwesten und Norden Deutschlands vor. Das Tief selbst bleibt dabei
durchweg vorderseitig des nördlichen Trogresiduums, dessen Achse bis zum Morgen
den Nordwesten Deutschlands erreicht, die Kaltfront wird aber teilweise vom Trog
überlaufen, was in ihrem westlichen Teil die Wetteraktivität limitiert.
Entsprechen bleibt es westlich der Weser in der Nacht zumeist trocken, während
es östlich der Weser, etwa bis nach Schleswig-Holstein und zur Mecklenburgischen
Ostseeküste, ein paar Tropfen geben kann. Die Kaltfront ist dabei in eine neue,
sekundäre Tiefdruckrinne eingelagert, der postfrontal deutlich kältere Luft
folgt. So sinken die Werte in 850 hPa bis zum Morgen im Nordwesten auf bis zu
-2°C, sonst sind es 1 bis 4°C. Da eventuelle Gewitter des Tages rasch
zusammenfallen, gibt es im Bereich der Primärrinne, also im Osten, anfangs noch
ein paar Tropfen, und an den Alpen sowie im Vorland regnet es weiter,
kontinuierlich, aber nicht exzessiv kräftig. Mit 10 bis 4°C bleibt es frostfrei,
allerdings kann an der Nordsee mit der Front und dem an der Front auf
auflandigen Nordwest drehende Wind auch mal eine Böen Bft 7 auftreten.


Dienstag... gelangen wir vollständig auf die Rückseite des abziehenden
Trogresiduums, eventuell bleiben der Osten Sachsens und Bayerns noch bis zum
Abend auf dessen Vorderseite, da das Trogresiduum in seinem südlichen Teil etwas
zurückhängt. Wie auch immer, dem Trog folgt ein kräftiger Höhenrücken, der in
der Folge gelangt vor allem der Nordwesten unter Absinken. Tief WOLF schafft es
bis zum Abend an die finnisch-russische Grenze, und die zugehörige Kaltfront
erreicht zu diesem Zeitpunkt die Mainlinie, und mit ihr auch die 0°C-Isotherme
in 850 hPa. Präfrontal bleibt die Luftmasse mit PPWs um 15 mm, im Süden lokal
bis 20 mm leidlich feucht, und es baut sich wieder etwas CAPE auf, wobei die
CAPE-Bereiche mit Verlagerung der Front immer weiter im Südosten
zusammengepresst werden. Ob es präfrontal in einem Streifen von Rheinland-Pfalz
bis nach Brandenburg am frühen Nachmittag für ein paar Gewitter reicht? ICON
geht fest davon aus und deutet in den Pseudosynops entsprechende Umlagerungen
vor allem in Mitteldeutschland an. Die Wetterinterpretation von IFS ist
diesbezüglich deutlich defensiver. Die ICON-Variante ist speziell durch
Höhenkaltluft von bis zu -26°C und entsprechender thermischer Labilität und PPWs
von bis zu 200 J/kg getriggert. Zum Abend erstreckt sich der Bereich der
höchsten CAPE-Werte dann von den Gebieten südlich der Donau über Ostbayern bis
nach Ostsachsen. Für eventuelle Gewitter gilt das schon am Vortag gesagte:
Eventuell mal Starkregen, in seiner Ausprägung eher eine Nuance schwächer als
noch am heutigen Montag, dazu schnarchnasige Höhenwinde, die in Schauern und
Gewittern selbst die Bft 7 sehr unwahrscheinlich erscheinen lassen. Bleiben zur
Betrachtung noch der Alpenraum mit Vorland und der Norden übrig. Für die Alpen
gilt: es regnet weiter, allerdings mit nachlassender Intensität. Eine eventuelle
Dauerregenwarnung würde wahrscheinlich im Laufe des Nachmittags enden. Und der
Norden? Postfrontal sickert sehr trockene und stabil geschichtete Luft ein.
Vorderseitig des Rückens kräftigt sich Hoch SIGRUN bzw. ein von SIGRUN
abgehender Keil, so dass der Norden und Nordwesten grundsätzlich trocken
bleiben, dazu trocknet es auch in der Mitte von Nordwesten her zunehmend ab.
Damit sind die Bedingungen für zunehmende Auflockerungen eigentlich gegeben.
Aber insbesondere IFS sieht an einer Inversion in etwa 850 hPa doch recht viele
Wolken breitlaufen, so dass die westlichen Norddeutsche Tiefebene nur auf 20%
Sonnenanteil kommen soll - das erscheint dann doch etwas wenig. Aber so sonnig
wie an der Ostsee, wo der Skandenföhn durchgreift, wird es nicht. Der
Nordwestwind ist teils böig, an der Nordsee mag sich auch mal eine Bft 7 unter
den lebhaften Grundwind mischen. Vom Temperaturniveau her muss wieder der
Rückwärtsgang eingelegt werden. Mehr als 10°C an der Nordsee und 17°c im Süden
sind meist nicht drin, eventuell kann es am Oberrhein lokal mal 19°C geben.

In der Nacht zum Mittwoch steigen Luftdruck und Potenzial noch etwas an, auch
wenn der Rücken westlich von uns verbleibt. Ein kurzwelliger Anteil über dem
Süden trägt aber dazu bei, dass die letzten Reste feucht-milder Luft nach
Südosten abgedrängt werden. Damit verabschieden sich auch die schauerartigen
Regenfälle im Südosten, in den übrigen Gebieten ist es sowieso
niederschlagsfrei, die eingeflossene Kaltluft kommt zur Ruhe und die Wolken
bilden sich mehr und mehr zurück bzw. lösen sich auf. In dieser Gemengelage kann
es in der Norddeutschen Tiefebene zumindest lokal leichten Frost geben, auch in
den Mittelgebirgen sinkt die Temperatur teils knapp unter den Gefrierpunkt. Es
wäre nicht verwunderlich, wenn sich im Norden der Frost auch etwas verbreiteter
und damit zumindest gebietsweise zeigt. Und bezüglich Frost in Bodennähe ist
ohnehin von einem verbreitet Auftreten auszugehen.


Mittwoch... legt sich der Ableger von SIGRUN mit etwas über 1025 hPa genau über
Deutschland. Die Divergenzachse reicht am Mittag etwa von der Deutschen Bucht
bis hinüber zum Erzgebirge, in der Nacht zum Donnerstag verlagern sich Hoch und
Konvergenzachse allerdings schon wieder in Richtung Ostsee. Nördlich der Achse
kommt der Wind am Tage aus Nordwest bis West, wodurch mal mehr, mal weniger
dichte Wolken hereindriften. Bis auf ein paar wenige marginale Tropfen bleibt es
aber trocken und vor allem zur Ostsee hin stehen die Chancen auf längeren
Sonnenschein nicht schlecht. Thermisch ist bei 11 bis 15°C Ende der
Fahnenstange, an Küstenabschnitten mit auflandigem Wind sowie auf den Inseln
eher noch etwas früher. Südlich der Divergenzachse, wo der Wind aus dem Sektor
Nord bis Ost weht und im Südwesten eine leichte Bise erzeugt, scheint häufig die
Sonne. Einige Wolken tummeln sich am ehesten im Südosten, während nach Westen
hin der Himmel teilweise wolkenlos bleibt. Die Temperatur steigt dort auf 14 bis
20°C. In der Nacht bleibt die Südwesthälfte frostfrei. Einerseits wegen
hereindriftender hoher und mittelhoher Wolken, die die Ausstrahlung etwas
dämpfen. Andererseits wegen der relativ hohen Tagesmaxima - da ist der Weg in
den Temperaturkeller weiter. Im Nordosten und in Teilen der Mittelgebirge ist
dagegen wieder mit Frost und recht verbreitet mit Frost in Bodennähe zu rechnen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle schätzen die Situation recht ähnlich ein. Größere Unterschiede
ergeben sich bei den Gewitterwahrscheinlichkeiten am morgigen Dienstag. Diese
Unterschiede wurden aber im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas