DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-04-2023 08:01
SXEU31 DWAV 270800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 27.04.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Schwer zu bestimmen. Ein bisschen HNa (Hoch Nordmeer antizyklonal), ein
bisschen Ww (Winkelwest)

Heute nix, Samstag nix, dazwischen Mr. VASCO, ein kleines, aber wirksames
Randtief.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland vorderseitig eines sehr breiten, dafür
aber auch recht flachen Höhenrückens, dessen Achse heute Mittag von der
Iberischen Halbinsel bis nach UK reicht. Das korrespondierende Bodenhoch, die
Rede ist von QUENEE, liegt mit etwas über 1020 hPa stromab über Mitteleuropa und
überdeckt somit auch Teile Deutschlands. Das gesamte Strömungsmuster ist leicht
progressiv, weshalb wir im Tagesverlauf auf die Westflanke des Hochs gelangen.
Damit setzt WLA ein, die den Rücken spielend überläuft und von Südwesten her für
einen gesamttroposphärischen Temperaturanstieg sorgt. So steigt z.B. T850 im
Südwesten von rund +2°C am Morgen auf rund +6°C am Tagesende, während die
Erwärmungsrate im Nordosten merklich schwächer ausfällt (rund -6°C auf rund
-4°C). Die Nachtaufstiege von 00 UTC zeigen sehr schön, wie sich zwischen 800
und 700 hPa eine schwache Absinkinversion gebildet hat, unter der sich eine
leidlich feuchte Grundschicht befindet. Entsprechend findet man heute Morgen
auch vielerorts starke Bewölkung (meist SC), aus der es staubedingt aber nur am
Alpenrand etwas regnet. Größere Lücken machen sich vor allem im Norden und
Westen bemerkbar, Tendenz ostwärts ausbreitend.

Vor allem im Norden sowie im Westen scheint heute vielfach die Sonne, auch wenn
sich später Quellungen bilden, die z.T. an der Inversion breitlaufen. Während am
Alpenrand die Regenfälle nachlassen, besteht im Norden und über den
Mittelgebirgen eine leichte, an der Nordsee sogar etwas höhere Schauerneigung.
Aufgrund der beschränkten vertikalen Ausdehnung der Quellbewölkung ist aber
nicht viel Regen zu erwarten. Dafür wird das Himmelbild noch etwas
facettenreicher, weil sich zu der CU-/SC-Bewölkung von Westen zunehmend hohe,
später auch mittelhohe Wolken (WLA) gesellen. Der Wind spielt in
gradientschwachem Umfeld keine Rolle. Während in der Nordosthälfte gerade mal 9
bis 14°C auf den Thermostaten stehen, reicht es in der Südwesthälfte für 14 bis
19°C - immerhin.

In der Nacht zum Freitag wird es Zeit, sich mal etwas genauer in UK/Irland
umzuschauen. Dort ist nämlich mittlerweile ein flaches Tief mit dem Namen VASCO
eingetroffen, das bei uns am Freitag auf die Anzeigetafel kommt. Es handelt sich
um ein kleines Randtief mit gerade mal etwas unter 1005 hPa im Kern. Trotzdem
zeigt es Wirkung, wie wir gleich noch sehen werden. Korrespondierend findet man
in der Höhe einen flachen Sekundärtrog, der "von hinten" in den Rücken läuft und
ihn dabei zusehends abflacht. So nimmt im Laufe der Nacht die WLA von Westen her
weiter zu und die mehrschichtige Bewölkung wird immer dichter, bis es nach
Mitternacht schlussendlich anfängt stratiform zu regnen. Bis zum Morgen erreicht
der Regen etwa eine Linie Emsland-Oberschwaben, wobei gerade in den
Mittelgebirgen etwas mehr als 5 l/m² in wenigen Stunden zusammenkommen können.
Je weiter nach Osten und Nordosten, desto klarer bzw. gering bewölkter die
Nacht, was in der dort nur zögerlich weichenden Kaltluft nicht ohne Folgen
bleibt. So kühlt es zumindest punktuell noch mal auf 0°C oder in den leichten
Frostbereich ab, gebietsweise gibt es zumindest für ein kurzes Zeitfenster
leichten Frost in Bodennähe.

Freitag... zieht der gute VASCO nebst Sekundärtrog über die Doggerbank hinweg in
Richtung Deutsche Bucht, wobei er sich auf etwas unter 1010 hPa auffüllt. Das
zugehörige Frontensystem schwenkt mitten über Deutschland hinweg ostwärts, wobei
das System in der Bodenvorhersagekarte schöner aussieht als es sich in
Wirklichkeit gibt. Vor allem die Kaltfront, die demnach im Tagesverlauf
durchgehen soll, lässt sich in den numerischen Grundfeldern nur schwer finden.
Von daher sind die morgigen Abläufe auch nicht "klassisch" (Warmfront/-sektor =>
Kaltfront => Rückseite), sondern eher etwas diffus, unorganisiert, wenn man so
will.

Fakt ist, dass sich der anfänglich noch stratiform daherkommende Regen im Laufe
des Vormittags ost-nordostwärts ausbreitet. Dabei fällt auf, dass die
Niederschlagsintensität in der Mitte und im Norden sehr verhalten bleibt,
während im Süden eine deutliche Verstärkung konstatiert werden muss. Die Gründe
dafür liegen nicht unbedingt blank auf der Hand. Ein Punkt ist sicherlich der
recht hohe Wasserdampfgehalt der einströmenden maritimen Luftmasse (um oder
etwas über 25 mm PPW). Außerdem zeigen die Diagnosekarten in der
west-nordwestlichen Höhenströmung immer wieder PVA-Maxima, die auf rasch
durchschwenkende, in den Potenzialkarten mit dem bloßen Auge nicht zu erkennende
Sekundär- und Tertiärtröge hindeuten. Bis Mittag fallen gebietsweise 5 bis 10,
am Alpenrand sowie im Schwarzwald bis zu 15 l/m², am Nachmittag mit zunehmend
konvektiver Komponente eher noch etwas mehr. Aufsummiert über 12 Stunden kommt
man am Alpenrand sowie im südlichen Alpenvorland auf 15 bis 25, im Allgäu bis zu
35 oder gar 40 l/m².

Apropos "konvektive Komponente", mit Winddrehung von Südost auf Südwest bis West
wird nicht nur feuchte, sondern auch leidlich labil geschichtete Biskayaluft
advehiert (T850 mit Ausnahme des Nordostens 5 bis 8°C), der allerdings die
Höhenkaltluft fehlt (T500 nur um -20°C). Die Lapse-Rates sind mäßig und auch das
CAPE-Angebot ist alles andere als attraktiv. ML-CAPE wird mit maximal 500 J/kg
im Westen des Landes angeboten, was sportlich erscheint, weil es einfach an der
erforderlichen Einstrahlung mangelt. Zwar soll es im Tagesverlauf im Westen und
Südwesten mal auflockern, gleichwohl bleiben die Einstrahlungsraten limitiert.
Kurzum, mit zunehmender Tageslänge werden die Regenfälle immer konvektiver,
wobei im Westen, ganz vereinzelt auch im Süden (dort kaum CAPE) einzelne
Gewitter möglich sind. Immerhin liegt eine mehr als solide Scherung vor, so dass
im Falle einzelner Gewitter diese durchaus organisiert sein können. Trotzdem,
das ganz große Tamtam steht nicht an, muss ja auch nicht, schließlich steht die
eigentlich konvektive Saison erst noch bevor. In den ziehenden Zellen kann es
aufgrund der hohen Feuchte mal für Starkregen, kleineren Hagel und Böen 7-8 Bft
(worst case 9 Bft) reichen. Für größeren Hagel wird zu wenig CAPE produziert,
für (schwere) Sturmböen oder mehr dürften die Höhenwinde sowie die allgemein zur
Verfügung stehende Energie nicht ausreichen.

Auch abseits der Konvektion macht der Wind morgen keine großen Sprünge. Zwar
lebt er hin und wieder böig auf, für warnwürdige Böen reicht es aber kaum.
Lediglich in einigen Hochlagen springt der Südwestwind an mit Böen 7-8 Bft, auf
dem Feldberg sowie einigen Alpengipfeln 9 Bft. Etwas Sonne gibt es im äußerten
Nordosten, wo der Regen erst spät (und dann auch nur ganz schwach) oder
überhaupt nicht ankommt. Trotzdem wird es dort nicht wärmer als 13 oder 14°C,
während sonst 14 bis 17°C, im Westen und Südwesten bis 19°C auf der Karte
stehen. Einbußen müssen im Süden bei Dauerregen sowie an Küstenabschnitten mit
auflandigem Wind in Kauf genommen werden (teils nur wenig über 10°C).

In der Nacht zum Samstag zieht das kleine Tief über Norddeutschland hinweg in
Richtung Polen, wobei es weiter an Gewicht zulegt, bis irgendwann die
1010-hPa-Isobare verschwunden ist. Inzwischen hat sich über dem nahen Atlantik
ein neuer Rücken aufgewölbt, der stromab bei uns die west-nordwestliche
Höhenströmung aufrechthält. Der o.e. Sekundärtrog schwenkt von der Nordsee her
über die Nordhälfte hinweg ostwärts und sorgt dabei für weitere, konvektiv
geprägte Niederschläge inkl. einzelner, möglicherweise organisierter Gewitter
(ICON-D2 von 03 UTC). Im Süden ziehen sich die Schauer mehr und mehr an den
(östlichen) Alpenrand bzw. in den südöstlichen Zipfel Bayerns zurück, was dort
noch mal 10 bis 15 l/m² bringen kann. Ansonsten gibt es aus dieser Nacht nicht
viel zu berichten. Von Westen her beginnt es allmählich abzutrocknen, der Wind
bleibt mit Ausnahme von Konvektion und einigen Hochlagen zahm und Frost ist auch
nicht zu erwarten.

Samstag... wölbt sich der Rücken über Westeuropa respektive dem nahen Atlantik
etwas stärker auf, was bei uns eine indifferente bis leicht antizyklonal
konturierte west-nordwestliche Höhenströmung zur Folge hat. Zwischen dem Tief
über Polen (inzwischen eher nur noch eine Rinne) und einem schmalen Hochkeil
über UK bzw. der westlichen Nordsee (RIXTE) steigt der Luftdruck bei uns leicht
an und es setzt Absinken ein. Bei rund 800 hPa bildet sich eine Inversion, die
eine durch den vorherigen Regen ziemlich feuchte Grundschicht deckelt. Damit ist
die "optimale" Mischung für einen verbreitet wolkigen bis stark bewölkten
Samstag gegeben (sich an der Inversion ausbreitender SC cumulogenitus), an dem
die Sonne ziemlich auf Distanz gehalten wird. Vor allem im Osten sieht es in
Sachen direkter Strahlung extrem mau aus, dafür kann sich dort ebenso wie über
den Mittelgebirgen noch der eine oder andere schwache Schauer entwickeln, weil
die Inversion höher liegt oder erst noch am Entstehen ist. Die Chancen auf etwas
Sonne bzw. sonnige Abschnitte stehen an der Ostsee sowie im äußersten Südwesten
am besten. Bei schwachem bis mäßigem nordwestlichen Wind steigt die Temperatur
im Norden auf 12 bis 16°C (direkt an den Küsten etwas weniger), sonst auf 14 bis
19°C, an Hoch- und Oberrhein bis zu 20 oder 21°C. Gut möglich, dass MOS im stark
bewölkten bis bedeckten Osten einen leicht positiven Temperaturbias aufweist.

In der Nacht zum Sonntag schiebt sich der Hochkeil von der Nordsee zu uns rein
und auch der Höhenrücken kommt "bedrohlich" nah. Damit verstärkt sich das
antizyklonale Muster und die Wolkendecke lockert vermehrt auf. Ganz wird sich
die Bewölkung aber nicht tilgen lassen. Im Norden ist bei längerem Aufklaren
leichter Frost in Bodennähe drin.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren die Modelle die Entwicklung konform. Was die
Intensität der morgigen Gewitter angeht, haben alle Modelle den Rückwärtsgang
eingelegt. Trotzdem dürfte es für die eine oder andere markante Überentwicklung
reichen. Für den Alpenrand, schwerpunktmäßig für das Allgäu, wird entweder eine
Dauer- oder eine Starkregenwarnung fällig, wobei die Entscheidung darüber auf
heute Abend vertagt werden kann (neue Modellläufe).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann