DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

26-04-2023 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 26.04.2023 um 10.30 UTC



Insgesamt wechselhaft, dabei im Süden mehr Regen als im Norden. Mäßig warm, im
Norden mitunter kühl.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 03.05.2023


Vor dem Hintergrund der negativen Temperaturen, die heute am frühen Morgen in
einem breiten Streifen in der Mitte unseres Landes registriert wurden, dürfte
sich mancher die hitverdächtige, einst von Rudi Carell besungene Frage stellen:
Wann wird´s mal wieder richtig Sommer? Nun, so weit sind wir noch nicht,
schließlich befinden wir uns mitten im Frühling. Aber die Botschaft ist schon
klar. Gerade mal an einem einzigen Tag - es war der vergangene, auch aus anderen
Gründen unvergessliche Samstag (Mainz 05 vs. Bayern...) - wurden in diesem
Frühjahr bisher verbreitet 20 bis knapp 25°C erreicht. Ansonsten bestimmt
thermisch vornehme Zurückhaltung das Geschehen und es sieht so aus, dass sich
daran auch erst mal nicht substanziell etwas ändert. Damit ist auch klar (obwohl
das die Spatzen schon seit Längerem von den Dächern gepfiffen haben), dass der
April gemessen an 1991-2020 über ein Kelvin zu kalt ausfällt.

Stiegen wir ein in die mittelfristige Prognose, die am kommenden Samstag
startet. Den verbringen auf der Rückseite des flachen Tiefs VASCO, der weiten
Teilen des Landes einen ziemlich lausigen Freitag beschert. Samstagmittag
befindet sich VASCO aber bereits über Polen, wodurch von Westen und der Nordsee
her schwacher Hochkeil den Weg zu uns findet. Dieser wird gestützt von einem
flachen Rücken über Westeuropa respektive dem nahen Atlantik, der aber nur
zögernd ostwärts vorankommt. Außerdem wird er ständig von kurzwelligen
Troganteilen traktiert, die den Rücken immer weiter abflachen lassen. Trotzdem,
die eingeflossene subpolare Meeresluft (T850 um +1°C, nur ganz im Süden wärmer)
beginnt langsam abzutrocken, was den einen oder anderen schwachen Schauer aber
nicht ausschließt (vor allem nach Osten hin sowie über den Mittelgebirgen). Noch
eine Anmerkung zur großräumigen Temperaturverteilung, die sehr bemerkenswert
ist. So kommt über Nordeuropa die -10°C-Isotherme auf 850 hPa bis nach Island
bzw. zur südlichen Norwegischen See voran, während das westliche Mittelmeer
unter einer 20°C-Glocke schwitzt (die übrigens die Tage zuvor den Süden der
Iberischen Halbinsel belästigt hat).

Am Sonntag setzt sich der Abtrocknungsprozess fort, weil sich der Hochkeil noch
etwas besser postieren kann und Reste des Höhenrückens einen Kleinstbeitrag
leisten. Gegenüber Samstag nehmen die Auflockerungen und sonnigen Abschnitte zu,
die Schauerneigung hingegen ab. Unsicher ist derzeit noch, was ganz im Süden
passiert, wo aus den Alpen heraus der Luftdruck fällt und sich eine Art
Tiefdruckrinne etabliert. Insbesondere am Alpenrand sowie an der Grenze zur
Schweiz wird eine erhöhte Schauer- und Gewitterneigung angezeigt. Bis an die
Donau ausgreifende, teils erkleckliche Regenfälle, wie sie gestern um 00 UTC
noch gerechnet wurden, sind auf Basis von IFS völlig von der Bildfläche
verschwunden.

Zu Beginn der neuen Woche kommt es über dem Atlantik zu einer merklichen
Mäandrierung der bisher westlichen Grundströmung. Auslöser ist die Austrogung
über dem Westteil des mittleren Nordatlantiks, der stromab - also über dem nahen
Ostatlantik - die Aufwölbung eines neuen Rückens zur Folge hat. Dieser
korrespondiert mit einem meridional ausgerichteten Hoch, das sich von Grönland
bis hinunter zur Biskaya sowie etwas westlich davon erstreckt. Auf seiner
Ostflanke wird über Skandinavien ein Teil der o.e. Kaltluft südwärts gesteuert,
die bei uns aber (noch) nicht ankommt (T850 2 bis 5°C, im Süden und Südosten bis
zu 8°C). Während der Norden und wohl auch noch Teile der Mitte unter
Hochdruckeinfluss verbleiben, ist im Süden ein flaches Tief wirksam, das sich
innerhalb der Rinne aus den Alpen heraus gebildet hat. Unterstützung bekommt das
Tief von einem Randtrog über Frankreich, der wahrscheinlich noch im Laufe des
Montags südlich der Alpen abtropfen wird. Mit anderen Worten, im Süden kommt es
zu zeitweiligen, wahrscheinlich überwiegend schauerartigen Regenfällen, bei
denen auch einzelne Gewitter nicht ausgeschlossen sind.

Am Dienstag ändert sich gar nicht mal so viel an der Gesamtkonstellation. Zwar
wird der äußerste Norden leicht touchiert von einem LW-Trog über Nordeuropa
(Rückgang T850 um 0°C), nennenswerter Niederschlag fällt aber nicht. Der tritt
weiterhin im Süden auf der Nordflanke des abgetropften Höhentiefs auf, wobei es
vornehmlich südlich der Donau auch mal länger und etwas üppiger regnen kann mit
10 bis 20 l/m² innert 24 Stunden.

Am Mittwoch kommen der Höhenrücken und das Bodenhoch dichter an den
Vorhersageraum heran, was mehrere Konsequenzen hat. Erstens, die Hebungsprozesse
im Süden lassen nach, weil sich auch das Höhentief - wenn auch langsam - von den
Alpen entfernt. Entsprechend werden die Regenfälle schwächer respektive ziehen
sich mehr und mehr an bzw. in die Alpen zurück. Zweitens, der Bodenwind bekommt
zunehmend eine nördliche Komponente mit der Konsequenz - Achtung, tapfer sein -,
dass noch mehr skandinavische Kaltluft zu uns gelangt. So soll die 0°C-Isotherme
auf 850 hPa fast bis zur Mainlinie vorankommen und im Norden sogar die "Minus 5"
auftauchen. Man braucht nur rudimentäres meteorologisches Know-How um zu
schlussfolgern, dass die Tagestemperaturen alles andere als frühlingshaft
ausfallen (ganz im Norden unter 15°C) und in der Folgenacht sogar leichter Frost
droht, wenn auch vielleicht nur in Bodennähe.

Trend für die erweiterte Mittelfrist bis Samstag: Zwar überwiegend
Hochdruckeinfluss, aber nur zögerlich von Südwesten her (bzw. diabatisch)
wärmer.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Es war fast zu befürchten, dass auch die heute die Modellkonsistenz von IFS
(ECMF) nicht besonders gut ausfällt. Das liegt gar nicht mal an den
großräumigen, den langwelligen Strukturen, die noch vergleichsweise homogen
simuliert werden. Es sind die kurzwelligen Anteile, deren Ausprägung, Timing und
räumliche Verteilung nicht nur von Lauf zu Lauf, sondern auch im Vergleich mit
anderen Modellen differieren.
Zusammenfassend lässt sich aber konstatieren, dass der Wettercharakter
wechselhaft bleibt, wobei der Regenschwerpunkt eindeutig im Süden liegt.
Außerdem lässt der große Wurf in Sachen Temperatur (also verbreitet und mehrere
Tage andauernd über 20°C Höchsttemperatur) weiterhin auf sich warten. Wenn´s
dumm läuft, droht wie gesagt Mitte nächster Woche eher noch mal eine Portion
skandinavischer Kaltluft.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Wie bereits im Kapitel zuvor angedeutet, liegen die Basisfelder der
einschlägigen Globalmodelle gar nicht so weit auseinander. Heißt, eine gewisse
Grundordnung ist durchaus vorhanden. Es sind die kleinen Anteile, die ja in der
Regel die Musik machen, welche von Modell zu Modell sehr individuell behandelt
werden. Als Beispiel sei der für Montag geplante Cut-Off genannt, der jeweils
etwas anders simuliert wird. Als Folge bieten die meisten anderen Modelle mehr
Regen im Süden an, der zudem weit nach Norden ausgreift (so wie gestern im
IFS-Lauf von 00 UTC). Außerdem fällt der die KLA am Mittwoch nicht ganz so krass
aus wie bei IFS, wird aber modellübergreifend gerechnet.

FAZIT: Die Grundstrukturen passen, die Details noch nicht. Übermäßig warm wird
es aber nach keinem Modell und auch der Regenschwerpunkt wir allgemein im Süden
gesehen (bei allerdings unterschiedlicher Intensität).
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen bis einschließlich
Montag einen eng gebündelten Verlauf mit einem hervorstechenden
Niederschlagspeak am Freitag (Kurzfrist). Danach laufen die einzelnen Kurven in
eine Art Trichter, der nach hinten raus immer breiter wird. Dabei lassen sich
aber ein paar Grundtendenzen erkennen. Das Potenzial steigt ab Dienstag
vorübergehend an, um ganz am Ende wieder zu fallen. Die Temperatur zeigt im
Großen und Ganzen einen Seitwärtsbewegung, wobei der Haupt- und Kontrolllauf ab
Mittwoch ganz klar am unteren Rand der Ensembles herumfischen (heißt nichts
anderes, als dass der "deterministische Kaltlufteinbruch" in dieser Intensität
nur bedingt probabilistisch supportet wird. Auffallend sind auch kleinere
Regensignale zu Beginn der neuen Woche im Norden, die Haupt- und Kontrolllauf
nicht haben wollen.

Zur Clusterung, die am Anfang (T+72...96h, Samstag auf Sonntag) drei
NAO-positiv-Schubladen aufmacht, die sich in unserem Raum so gut wie gar nicht
unterscheiden. Von Montag bis Mittwoch (T+120...168h) erhöht sich die Zahl auf
fünf, wobei alle auf das Klimaregime "Blockierung" wechseln. Alle fünf Cluster
haben den von Westen langsam übergreifenden Hochdruckeinfluss im Programm,
allerdings mit leicht unterschiedlichem Timing bzw. jeweils etwas anderer
Konfiguration. Das Grundmuster ist aber überall zu finden. Bei den vier
Clustern, die den Zeitraum T+192...240h (Donnerstag bis Samstag) repräsentieren,
setzen CL 1 und 3 (15 und 13 Fälle + HL/KL) auf ein Übergreifen des Rückens bzw.
des Bodenhochs. In CL 2 und 4 (14 + 9 Fälle) wird er Rücken von Norden
"abgehobelt", so dass zum Ende hin von Westen her der Tiefdruckeinfluss zunimmt.


FAZIT: Anfangs unterstützen die Ensembles das Ansinnen des Hauptlaufs. Im
Verlauf der nächsten Woche nehmen die Unschärfen zu. Vor allem die KLA ab
Mittwoch scheint etwas gedämpfter abzulaufen als weiter oben beschrieben.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Aus heutiger Sicht ist die Wahrscheinlichkeit für signifikante
Wettererscheinungen nicht besonders hoch. Am ehesten ist ab Sonntag auf die
Niederschläge im Süden zu achten, die teils gewittrig ausfallen können
(Schwergewitterlage allerdings unwahrscheinlich). Außerdem besteht eine gewisse,
wenn auch nicht überbordend hohe Wahrscheinlichkeit für markanten Dauerregen
insbesondere an den Alpen und vielleicht auch noch im südlichen Alpenvorland.
Vorreiter sind vor allem die anderen Globalmodelle, während sich IFS
diesbezüglich auf Rückzugskurs befindet. Auch die Probabilistik fällt nicht
gerade durch besonders deutliche Signale auf.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit MOS-ECMF und IFS-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann