DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-04-2023 17:01
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 23.04.2023 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Anfangs noch gewittrig, vor allem im Süden. In den nächsten Tagen wechselhaft
und kühler.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland vorderseitig eines Höhentroges mit
Drehzentrum über dem Ärmelkanal. Dort korrespondiert es mit dem flachen Tief
UDO, das von Nordfrankreich und Westbelgien her mit knapp unter 1000 hPa gerade
die südwestliche Nordsee erreicht. Es zieht im Laufe der Nacht in das Seegebiet
Fisher, während die zugehörige teilokkludierte Kaltfront Teile des
Vorhersageraums von West nach Ost überquert. Im Vorfeld strömt nicht nur ein
Schwall potenziell instabiler Subtropikluft nach Deutschland (T850 bis zu 8°C im
Süden), es bildet sich zudem eine Art Rinne respektive Bodentrog, deren
Ausprägung im Süden und in der Mitte am stärksten ist. Addiert man nun noch den
kleinen Sekundärtrog hinzu, der aus dem Haupttrog herauslaufend von Frankreich
übergreift, lässt sich ein solides konvektives Paket schnüren, auch wenn die
Tageszeit nicht die günstigste ist.

So wird es im Laufe Abendstunden sowie in der Nacht zum Montag von West nach Ost
nicht nur zu schauerartigen Regenfällen, sondern anfangs auch zu Gewittern
kommen, die insbesondere vom Süden bis in die Mitte in kleineren Linien
organisiert sein können. Die erforderlichen Scherungsbedingungen sind gerade im
Bereich des Bodentrogs gut (LLS bis 15 m/s, DLS bis 25 m/s), so dass das eher
dünne CAPE-Angebot überkompensiert wird ("low cape, high shear"). Zu achten ist
insbesondere auf den Wind, der sich in Gewittern zu Sturmstärke 9 Bft
aufschaukeln kann, vereinzelte schwere Sturmböen 10 Bft nicht ausgeschlossen.
Mit zunehmender Andauer der Nacht wird die Zusammenarbeit zwischen dem KW-Trog
und der Front (die übrigens irgendwann durch den starken Druckanstieg in den
vorlaufenden Bodentrog "springt") immer schlechter, was auf Kosten der
Gewitteraktivität geht. Im Grund trennen sich die Wege der beiden Protagonisten:
Während es die Front nach Osten zieht, schwenkt der KW-Trog gen Nord-Nordost.

Mit Durchgang der Druckwelle sowie auch schon etwas davor frischt der von Südost
auf westliche Richtungen drehende Wind vornehmlich im Südwesten auch außerhalb
der Konvektion böig auf mit Spitzen 7, vereinzelt 8 Bft. Ansonsten macht sich
der zunehmende Gradient bzw. auflebende Wind vor allem in exponierten Hochlagen
(z.B. Schwarzwald, Alpen, Brocken) mit Böen 8-9 Bft bemerkbar. In der
postfrontal einfließenden modifizierten polaren Meeresluft (Rückgang T850 im
Westen auf rund 0°C) beruhigt sich das Wetter rasch, bevor mit Annäherung des
Haupttrogs einzelne Schauer möglich sind. Mit 12 bis 6°C verläuft die Nacht
relativ mild.

Montag ... zieht das Tief UDO weiter in Richtung Skagerrak, wobei es im Kern gen
995 hPa konvergiert. Die Front verlässt den Vorhersageraum alsbald gen Osten, so
dass sich die rückseitig einfließende maritime Polarluft im ganzen Land
ausbreiten kann. Mit -1°C (NW) bis +3°C (SO) ist sie zunächst noch moderat
temperiert, da geht noch mehr. Aktiviert wird die leidlich labile Luftmasse
(T500 -24 bis -29°C) vom o.e. Höhentrog, der vom Haupt- zu einem Randtrog
mutiert. Ursache ist ein in die Rückseite reinlaufender kurzwelliger Anteil, der
den Haupttrog scheinbar retrograd werden lässt. Klingt kompliziert, ist es auch,
aber nun. Wichtig ist, dass der vordere Troganteil mit einem gut geschnittenen
Bodentrog interagiert, der in den Morgenstunden von Benelux auf den Westen
übergreift, um von dort im Tagesverlauf über die Nordhälfte (im Süden ist er nur
schwach respektive gar nicht ausgebildet) ostwärts zu schwenken. Gekoppelt an
den Bodentrog ist ein mesoskaliges, schauerartig verstärktes Regengebiet
(gebietsweise 5 bis 10, lokal bis zu 15 l/m² innert weniger Stunden), in dem ein
eingelagertes Gewitter keine Sensation wäre. Schauer und vereinzelte Gewitter
stehen auch im übrigen Deutschland auf der Karte, wobei als Begleiterscheinung
Böen 7-8 Bft ganz vorne stehen, gefolgt von Graupel respektive kleinem Hagel.

Neben dem Regen sorgt der Bodentrog zusätzlich für ein Auffrischen des
südwestlichen bis westlichen Windes. Verbreitet werden Böen 7 Bft, exponiert 8
Bft erreicht, wobei der Schwerpunkt unmittelbar an der Südflanke des Troges
liegt (dort die höchste Komprimierung der Isobaren). Windschwächer bleibt es im
Nordosten, im äußersten Osten sowie in den Niederungen Südwestdeutschlands. In
den Hochlagen stehen Böen 8-9 Bft auf dem Zettel, auf dem Brocken und einigen
Alpengipfeln vielleicht sogar 10 Bft. Die Sonne wird zu Wochenbeginn sicherlich
nicht der ganz große "Burner", mit Ausnahme des weitgehend bedeckten Nordwestens
dürfte sie aber überall mal zumindest für kurze Zeit vorbeischauen. Dabei steigt
die Temperatur auf 14 bis 18°C, im Nordwesten lediglich auf 10 bis 14°C.

In der Nacht zum Dienstag erreicht uns von Westen her endlich der Haupttrog, der
mit einer leicht negativen Achsstellung behaftet und höhenkalter Luft um -28°C
auf 500 hPa gefüllt ist. Da die untere Troposphäre im Süden und in der Mitte mit
0 bis -2°C auf 850 hPa noch relativ mild bleibt, ist dort die Labilität am
größten. Aktiviert durch den Trog kommt es zu Schauern und einzelnen kurzen
Gewittern. In der (niedertroposphärisch) kälteren Luft im Nordwesten (T850 bei
-5°C) reicht die KLA bis maximal 800 bis 750 hPa (schwache Inversion), so dass
es aus einer SC-Schicht zwar gebietsweise regnet, sich aber keine klassische
Schaueraktivität einstellt. Vielleicht reicht es in den Hochlagen der
Mittelgebirge für ein paar Schneeflocken.

Während der Wind im Binnenland mit Ausnahme einiger Hochlagen abflaut, frischt
er an und auf der Nordsee mit Drehung auf Nordwest merklich auf (Böen 7-8 Bft).
Mit 7 bis 2°C, in einigen Hochlagen um 0°C, wird die Nacht deutlich frischer als
die Nächte zuvor.

Dienstag ... gilt es eine lupenreine Troglage mit aprilfrischer Kaltluft zu
verdauen. So bleibt der weiterhin negativ geneigte Potenzialtrog ebenso lange
über dem Vorhersageraum liegen wie die zugehörige Höhenkaltluft (T500 knapp über
-30°C, T850 bei 0°C ganz im Süden und -5°C im Nordwesten). Das Bodentief zieht
in den Grenzbereich Südnorwegen/Südschweden, wobei es sich nur langsam auffüllt
(weiterhin knapp unter 1000 hPa). Zwischen dem Tief und einem schmalen, aber
sehr langgestreckten Hochkeil (reicht von Grönland bis zur Biskaya) dreht der
Wind komplett auf Nordwest, wodurch die maritime Polarluft auf ziemlich direktem
Weg zu uns gelangt. Vor allem an der See sowie im küstennahen Binnenland,
bedingt aber auch bis in die Norddeutsche Tiefebene ausgreifend sowie in höheren
Lagen werden Böen der Stärke 7 bis 8 Bft erwartet. Mit jedem Kilometer weiter
nach Süden bzw. Südwesten fällt der Wind schwächer aus, auch wenn bei Konvektion
durchaus mal stärkere Böen auftreten können.

Darüber hinaus werden im Süden, wo die leidlich labil geschichtete Luftmasse
keine Sperrschicht aufweist, mit langsamen Durchschwenken der Trogachse
zahlreiche Schauer und auch einzelne kurze Gewitter generiert. Aufsummiert über
den Tag sind gebietsweise 5 bis 10 l/m², in Alpennähe sowie im Stau des
Schwarzwaldes auch etwas mehr Niederschlag drin. Die Schneefallgrenze liegt bei
1000 m, in den Alpen eher noch etwas darüber. Je weiter der Blick nach Norden
geht, desto stabiler die Schichtung. Die Inversion vom Vortag steigt etwas an
auf rund 700 hPa, unter der sich ein paar schwache Regen- oder Graupelschauer,
oberhalb etwa 600 m Schneeschauer bilden. Wie es sich für anständiges
Aprilwetter gehört, zeigt sich zwischendurch auch mal die Sonne, wobei der
Norden (und dort vor allem die küstennahen Gebiete) gegenüber dem Süden in der
Vorhand ist. Wenig zu melden hat die Temperatur, die mit maximal 7 bis 12°C, im
Bergland nur um oder sogar unter 5°C unterdurchschnittlich abschneidet für Ende
April.

In der Nacht zum Mittwoch zieht der Höhentrog nach Osten ab, was uns unter eine
glatte bis leicht antizyklonal konturierte nordwestliche Höhenströmung bringt.
Im Gegensatz zum Trog bleibt das Bodentief nahezu ortsfest, wobei es weiterhin
tapfer gegen das Überschreiten der 1000-hPa-Schwelle ankämpft. Das sorgt dafür,
dass der West-Nordwestwind an der See lebhaft unterwegs bleibt (7-8 Bft), wobei
an der Nordsee tendenziell eine Ab-, an der Ostsee eine Zunahme zu erkennen ist.
Im Binnenland nimmt der Wind mit Ausnahme einiger Hochlagen generell ab.

Abnehmen tut auch die Schauerneigung und das sogar ziemlich deutlich. Im Süden
zieht sich der Niederschlag bei auf etwas unter 1000 m sinkender
Schneefallgrenze an und in die Alpen zurück. Weiter im Norden muss vor allem an
den Küsten noch mit einzelnen Schauern gerechnet werden. Ansonsten lockert die
Wolkendecke mal mehr, mal weniger auf, was die Temperatur gerade in der
windschwachen Mitte nicht selten auf 0°C oder sogar etwas darunter zurückgehen
lässt. Frost in Bodennähe ist verbreitet möglich, auch wenn MOS wahrscheinlich
mit einem leicht negativen Bias aufwartet.

Mittwoch ... verbleiben wir zwischen dem nach Osten abgezogenen Trog und einem
über dem nahen Atlantik sich flach aufwölbenden Rücken unter einer weitgehend
indifferenten west-nordwestlichen Höhenströmung. Bodennah steigt der Luftdruck
etwas an, was uns leichten Zwischenhocheinfluss beschert. Genau genommen
schwenkt von Westen her der o.e. schmale Keil zu uns rein, der mit wenig über
1015 hPa nicht gerade vor Kraft strotzt. Trotzdem reicht das, uns eine Mischung
aus Sonne und Wolken zu präsentieren, in der es vornehmlich im Norden und Osten
noch ein paar leichte Schauer gibt. Mit 8 bis 13°C schlägt das thermische Pendel
nur langsam nach oben aus; vielleicht reicht es im Südwesten mit etwas
Sonnenunterstützung für 14 oder 15°C. An der Küste wird der mäßige bis frische
und böige Wind von Westen her nur langsam schwächer. Im Binnenland spielt er
kaum eine Rolle.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle sind einer Meinung, vor allem was die Basisfelder betrifft.
Unschärfen sind am ehesten beim Niederschlag zu erkennen, was aber kaum
Warnrelevanz hat, weil potenzielle Gewitter in situ gewarnt werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann