DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-04-2023 07:01
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 22.04.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Zunächst noch SWz, zu Beginn kommender Woche eher NWz
Heute im Osten noch meist sonnig und überall frühlingshaft warm, später im
Nordwesten, in der Mitte und im Süden vereinzelte Gewitter möglich. Danach
unbeständiger mit Schauern und Gewittern, auf den Bergen häufiger Sturmböen.
Sonntagabend und eingangs der Nacht zum Montag im Südwesten erhöhtes Potenzial
für zumindest markante Gewitter.


Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... gelangt Deutschland zwischen einem Höhentrogkomplex, aus dem sich bis
zum späteren Abend zwei Drehzentren (jeweils über der Irischen See und der
nordwestlichen Nordsee) etablieren, und einem Höhenrücken, der sich vom
westlichen Mittelmeerraum bis zur mittleren Ostsee erstreckt und im Tagesverlauf
etwas nach Osten "kippt", unterhalb einer südwestlichen Höhenströmung. Darin
eingebettet, schwenkt aktuell ein markanter Kurzwellentrog, der anfangs noch die
zonal ausgerichtete Trogachse markiert, rasch über die Nordsee hinweg
nordwestwärts und beeinflusst unser Wetter nicht weiter. Ein weiterer flacher
kurzwelliger Troganteil greift nachmittags auf die Nordsee über und streift in
weiterer Folge auch den Westen bzw. Nordwesten des Landes.
Daran gekoppelt ist im Bodenfeld ein flaches Bodentief, das sich ohne großes
Entwicklungspotenzial rasch von Zentralfrankreich bis zum Abend etwa zur
Deutschen Bucht verlagert. Dessen Kaltfront greift am Abend auf den Westen bzw.
Nordwesten des Vorhersagegebietes über.
Vorderseitig ist vor allem in der Südwesthälfte recht markante WLA aktiv, die
sich bereits in Form dichterer hoher und mittelhoher Bewölkung bemerkbar macht,
während im Osten und Nordosten ein sonniger Tag ins Haus steht und auch dem
Südosten durch das Überströmen der Alpen leichter Föhn größere Sonnenanteile
beschert. Auch niedertroposphärisch gelangt heute warme Luft aus dem
südwesteuropäischen Raum ins Land. Die 850 hPa-Temperatur steigt auf Werte
zwischen 7 Grad im Nordosten bzw. im äußersten Westen/Nordwesten (wo auch schon
präfrontal schwache Kaltluftadvektion einsetzt) und 11, vorübergehend sogar 12
Grad mit Föhnunterstützung am Alpenrand.
Bereits weit im präfrontalen Bereich haben über Frankreich schauerartige
Niederschläge eingesetzt, die sich rasch nordostwärts verlagern und sich etwas
nach Norden ausweiten und mittags bzw. am frühen Nachmittag dann auch den Westen
und Südwestend es Vorhersagegebietes erfassen. Damit einher geht ein Bodentrog
mit einem Windsprung von Südsüdost auf Südwest, der gleichzeitig die weiter oben
erwähnte präfrontale KLA markiert. Somit bleibt die Wahrscheinlichkeit für
Gewitter innerhalb dieser schauerartigen Niederschläge, die bis zum Abend die
gesamte Westhälfte erfasst haben, trotz potenzieller Instabilität aufgrund des
"kalten Fußes" wohl sehr gering. Als etwas höher ist sie dagegen in einem mehr
oder weniger breiten Streifen unmittelbar im Vorfeld dieser Niederschläge zu
beziffern. Etwa vom nordwestlichen Niedersachsen über die Mitte des Landes bis
zum Bodensee bzw. zum Alpenrand können gebietsweise noch einige 100 J/kg ML-Cape
generiert werden, am ehesten wohl im Nordwesten sowie im westlichen
Alpenvorland. Die PPW-Werte steigen auf etwa 15 bis 20 mm, im Nordwesten auch
darüber, zugleich kann mit der Trogannäherung im Nordwesten bzw. durch das
Überströmen der Alpen im Vorland zumindest niedertroposphärisch etwas Scherung
generiert werden. Somit besteht in diesen Regionen ein - zugegebenermaßen
geringes - Gewitterpotenzial, wobei markante Entwicklungen nicht ganz
ausgeschlossen werden können.
Anzusprechen bleibt noch der Wind, der mit Durchschwenken des Bodentroges und
Einsetzen der Niederschläge im Westen vorübergehend böig aus Südwest auffrischt.
Vor allem in freien und höheren Lagen sind dann steife Böen (Bft 7) möglich.
In vielen, eigentlich in den meisten Regionen dürfte heute der bisher wärmste
Tag des Jahres bevorstehen. Verbreitet werden die 20 Grad überschritten, außer
wohl ganz im Westen, wo es überwiegend stark bewölkt bleibt und an einigen
Küstenabschnitten. MOSMIX hat für Jena sogar eine 25 Grad auf der Agenda. Die
dürften dann aber wirklich das Ende der Fahnenstange bedeuten.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt der kurzwellige Troganteil rasch
nordnordostwärts, gefolgt von einem weiteren, der morgens auf den Westen des
Landes übergreift. Dabei steilt die Höhenströmung ein wenig auf und insgesamt
zeigt dieser Kurzwellentrog nur wenig Wetterwirksamkeit; er vermag höchstens die
allmählich über das Vorhersagegebiet ostwärts schwenkende Kaltfront des zum
Skagerrak ziehenden Bodentiefs etwas einzubremsen und zu aktivieren. Diese
erreicht somit erst in den Frühstunden mit schauerartigen Regenfällen (maximal 2
bis 9 l/qm in 12 Stunden, gebietsweise kommt aber auch kaum was runter) die
Osthälfte und den Südosten Bayerns. Mit Frontpassage frischt der Südwestwind
vorübergehend böig auf, erreicht aber wohl, wenn überhaupt, nur auf dem Brocken
Warnrelevanz mit Böen Bft 8 bis 9.
Der Kaltfront folgt ein flacher Bodenhochkeil, der morgens bereits in die Mitte
des Landes schwenkt und neben der KLA für rasche Wetterberuhigung sorgt. Im
Westen und Nordwesten lockern die Wolken somit auch mal stärker auf. Der Front
folgt maritim erwärmte Subpolarluft mit etwa +3 in 850 hPa, die Tiefstwerte
liegen meist zwischen 12 Grad gebietsweise in der Osthälfte und 6 Grad in der
Eifel.

Sonntag... schwenkt der südliche Höhentiefdipol über England hinweg südostwärts
und schwächt sich zwar ab, greift aber als markanter Kurzwellentrog abends auf
den Ärmelkanal über. Der nördliche Dipol etabliert sich als quasistationäres
Höhentief über der nördlichen Nordsee.
Der flache Kurzwellentrog über dem Westen Deutschlands hat bis zum Abend den
Norden des Vorhersagegebietes überquert. Zusammen mit der tagesgangbedingten
Erwärmung sorgt er immerhin für eine vorübergehende Labilisierung der Luftmasse
dort, so dass es etwa von NRW bzw. Hessen und dem Weser-Ems-Gebiet bis ins
östliche Niedersachsen bzw. nach Schleswig-Holstein neben Schauern auch für
einzelne Gewitter reicht. Die Luftmasse ist insgesamt aber nur mäßig labil
geschichtet und in den unteren Schichten relativ trocken, dennoch können etwa
100 bis 300 J/kg ML-Cape generiert werden. Dazu gesellt sich noch mäßige, vor
allem höher reichende Scherung, die auch einen gewissen Organisationsgrad
zulässt. Somit sind neben Schauern auch kurze Gewitter möglich, die von steifen,
vereinzelt stürmischen Böen begleitet werden können, während Starkregen und
kleinkörniger Hagel wohl eine eher untergeordnete Rolle spielen, wenngleich
nicht ganz ausgeschlossen sind. Vor allem I-D2 hat auch einige Gewitter auf der
Agenda, SuperHD im aktuellen Lauf dagegen keine.
Die nur langsam abziehende Kaltfront beschert vor allem dem Nordosten und
Südosten noch schauerartige Regenfälle, die mittags und nachmittags aber
nachlassen, lediglich am Alpenrand kann es aus den Alpen heraus auch am
Nachmittag eventuell noch einzelne Gewitter geben. Ansonsten lockern die Wolken
auf und es bleibt weitgehend trocken, vor allem in einem Streifen von Nordost
nach Südwest über die Mitte Deutschlands hinweg scheint auch mal länger die
Sonne. Die 850 hPa-Temperatur steigt vor allem im Süden wieder etwas an auf
Werte zwischen 4 Grad im Norden und 8 Grad in Südbaden. Somit bleibt es zwar
weiterhin recht mild, mit 15 bis 21, mit viel Sonne vielleicht 22 Grad bewegen
sich die Höchstwerte aber unterhalb der von heute.
Interessanter wird es dann ab den Abendstunden im Südwesten. Im Vorfeld des auf
den Ärmelkanal übergreifenden Kurzwellentroges schwenkt ein flacher kurzwelliger
Troganteil bis zum Abend nach Nordostfrankreich, vorderseitig kann aufgrund von
PVA dynamische Hebung generiert werden. Gleichzeitig zieht ein flaches Bodentief
bis zum Abend in etwa nach Belgien, interagiert mit dem Kurzwellentrog und kann
sich etwas vertiefen. Im Vorfeld verschärft sich ein Bodentrog über
Nordostfrankreich und greift abends auf den äußersten Südwesten Deutschlands
über. Die Luftmasse in dessen Einflussbereich bzw. im Vorfeld ist potenziell
instabil geschichtet und es kann voraussichtlich auch etwas Cape generiert
werden, vor allem wohl in Südbaden sowie in Oberschwaben. Darauf springen auch
die Konvektion erlaubenden Modelle an. Während SuperHD allerdings etwas
diffusere Strukturen mit eher unorganisierten Multizellen in Baden-Württemberg
und aus den Alpen heraus ins Alpenvorland bereits am späten Nachmittag/frühen
Abend auf der Agenda hat, simuliert I-D2 mit Annäherung des kurzwelligen
Troganteils im Südwesten markante Scherung, sowohl DLS (über 20 m/s) als auch
LLS (bis 15 m/s), dazu zeigen die Prognosetemps in einigen Regionen gekurfte und
recht lange Hodografen. Damit deutet sich für diese Region eine "high shear -
low Cape"-Situation an. Somit simuliert I-D2 am Abend auch eine markante
Gewitterlinie mit Sturmböen, vereinzelt sogar mit schweren Sturmböen, die weite
Teile Baden-Württembergs ostwärts überquert und am späteren Abend auch auf
Bayern übergreift. Nach Norden zu erfassen die Schauer und Gewitter vielleicht
auch noch Hessen und Thüringen.

In der Nacht zum Montag zieht der kurzwellige Troganteil rasch ostnordostwärts
über die Mitte und den Süden des Landes hinweg, während der folgende markante
Kurzwellentrog auf Belgien und Nordfrankreich übergreift und morgens NRW
erreicht. Das Bodentief zieht bis Montagfrüh über Nordwestdeutschland nach
Schleswig-Holstein bzw. zum Kattegat, wobei diesbezüglich erste
Modelldifferenzen auftreten. Der vorlaufende Bodentrog über Süddeutschland kommt
mit den sich nur zögernd abschwächenden Schauern und Gewittern - anfangs noch
mit Sturmböen - rasch ostwärts voran und befindet sich in der zweiten
Nachthälfte bereits über Tschechien bzw. Österreich. Vor allem im Südosten
fallen aber bis in die Frühstunden noch schauerartige Niederschläge. Die
teilokkludierte Kaltfront des Tiefs überquert von Westen her bereits weite Teile
des Vorhersagegebietes mit schauerartigen Regenfällen (anfangs können auch kurze
Gewitter auftreten, am ehesten im Westen und in der Mitte, im "Extremfall"
irgendwo auch Starkregen), die sich nach Nordosten zu deutlich abschwächen, so
dass es dort oft trocken bleibt. Postfrontal klingen die Niederschläge
vorübergehend ab, vor allem im Nordwesten gibt es aber mit Durchzug des
Bodentiefs bzw. auf dessen Rückseite erneut schauerartige, allerdings nicht
warnrelevante Regenfälle. Warnrelevant könnte allerdings der Wind zumindest in
einigen Höhenlagen werden. Vor allem ICON-EU und UK10 simulieren an der
Südwestflanke des Tiefs einen recht scharfen Bodentrog, der morgens auf den
Nordwesten Deutschlands übergreift, was mit einer Gradientverschärfung
einhergeht, so dass es in einigen Höhenlagen für stürmische Böen bzw. Sturmböen
aus Südwest reicht. GFS hat dagegen einen Sekundärtrog weiter westlich, über
Belgien und Nordfrankreich, auf der Agenda, der erst einmal einiges an
Gradienten herausnehmen würde.
Die Tiefstwerte liegen meist zwischen 10 und 5 Grad.

Montag... überquert der markante Kurzwellentrog unter Konturverlust die Mitte
und den Norden des Landes nordostwärts, gefolgt von einem flachen Höhenkeil,
während abends bereits der nächste Trog, der zunehmend die Hauptachse eines
inzwischen von der Barentssee bzw. vom Nordmeer bis zum Ärmelkanal reichenden
Langwellentroges markiert, das westliche Mitteleuropa erreicht.
Das Bodentief zieht bis zum Abend nach Südschweden bzw. zum Oslo-Fjord, dessen
okkludierte Kaltfront ins östliche Mitteleuropa. Dahinter dreht die Strömung
niedertroposphärisch auf West bis Nordwest und nach Durchschwenken des ersten
Bodentroges, der am Nachmittag auch die Osthälfte überquert hat, folgt von der
Nordsee her nach Lesart des ICON-EU und IFS ein weiterer, der abends den
Nordwesten erreicht. UK10 hat diesen etwas progressiver und schärfer auf der
Agenda, GFS simuliert dagegen nur den von Belgien und Frankreich her auf das
Vorhersagegebiet übergreifenden Bodentrog, was natürlich Auswirkungen auf die
Wind- und auch Temperaturprognosen hat.
Unstrittig ist dagegen, dass die Luftmasse über dem Vorhersagegebiet potenziell
instabil geschichtet ist. In 500 hPa sinkt die Temperatur mit Annäherung des
Langwellentroges auf etwa -25 bis -28 Grad, in 850 hPa auf -1 Grad im Nordwesten
und bis 3 Grad im Südosten, wobei es auch diesbezüglich noch größere
Modelldifferenzen gibt (GFS und UK10 bereits bis zu -5 Grad im Nordwesten). Wir
auch immer - vor allem im Westen und Norden bis in die Mitte reichend ist mit
einer, an die Bodentröge gekoppelten mehr oder weniger regen Schauertätigkeit zu
rechnen, wobei auch einzelne kurze Gewitter (mit Graupel und Böen Bft 7 bis 8)
auftreten können (die Luftmasse ist allerdings insgesamt recht trocken, so dass
das Gewitterpotenzial eher gering ist). Unter Einbeziehung der
Modellunsicherheiten könnte es in einigen Kamm- und Gipfellagen für stürmische
Böen, exponiert auch für Sturmböen reichen und in den Niederungen zumindest in
freien Lagen hier und da für steife Böen.
Mit Höchstwerten zwischen 12 Grad im Nordwesten und 18 Grad in der Lausitz (nach
MOSMIX bzw. ICON-EU; GFS und UK10 vor allem im Nordwesten kühler) bleibt es
frischer als an den Vortagen.

In der Nacht zum Dienstag vollzieht sich die Umstellung auf "Nordwest zyklonal".
Der Langwellentrog schwenkt mit seiner Achse ins Vorhersagegebiet und auch
niedertroposphärisch dreht die Strömung mit Durchzug eines Bodentroges allgemein
auf Westnordwest. Dabei gibt es weitere Schauer bzw. schauerartige Regenfälle,
die sich im Vorfeld des Bodentroges allmählich nach Süddeutschland verlagern.
Dahinter lockern die Wolken auf und es gibt noch einzelne Schauer. Die 850
hPa-Temperatur sinkt rückseitig des Troges auf -4 bis -7 Grad, so dass es in den
Mittelgebirgen oberhalb von etwa 400 bis 600 m auch mal etwas schneien kann, an
den Alpen sinkt die Schneefallgrenze morgens auf etwa 1000 m (wobei es
diesbezüglich noch Modeldifferenzen gibt).
Während der Wind in den Niederungen warntechnisch wohl keine Rolle mehr spielt,
kann es in einigen Hochlagen stürmische Böen, exponiert Sturmböen aus Nordwest
geben und an der Nordsee eventuell steife Böen.
Für leichten Frost wird es vermutlich zunächst nur in höheren Lagen reichen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Ab der Nacht zum Montag beginnen die Modelle im Detail etwas
auseinanderzulaufen, wobei sie ansonsten im Groben eine einheitliche Linie
fahren. Insgesamt hat das kleinere Auswirkungen auf die Wind- und
Temperaturprognosen. Diese Differenzen wurden im Text bereits angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff