DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-04-2023 07:30
SXEU31 DWAV 210800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 21.04.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HNFz

Heute im Norden, an den darauffolgenden Tagen vor allem im Westen gebietsweise
windig, in einigen Hochlagen auch stürmisch. Heute in der Südwesthälfte
gebietsweise, morgen mit Ausnahme des Ostens einzelne, am Sonntag verbreitet
markante Gewitter.


Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Freitag... erstreckt sich eine Tiefdruckrinne vom Nordatlantik über Deutschland
hinweg zum Schwarzen Meer und zur Ukraine. Sowohl im Bereich der südlichen
Ukraine als auch über dem Nordatlantik befinden sich dabei Höhentiefs, ein
weiteres, mit Temperaturen um -32°C in 500 hPa auch markantes liegt aktuell über
Nordfrankreich. Letzteres verlagert sich im Tagesverlauf zögerlich nach Norden
und erreicht zum Abend Südengland. Während damit der Einflussbereich des
Höhentiefs vor allem auf dem Westen und Süden fokussiert ist, ragt in den
Nordosten ein Höhenkeil herein, der dort für recht ruhiges Wetter sorgt. In der
700-hPa-Feuchte ist eine Feuchteschliere auszumachen, die sich um das Höhentief
herumwickelt und zum jetzigen Zeitpunkt vom Alpenraum über Schwaben, Hessen und
NRW hinweg bis nach England reicht. In diesem Bereich, der auch im Theta-Feld
als schwacher feucht-warme Streifen zu erkennen ist, kommt es aktuell schon zu
leichten Regenfällen. Im Tagesverlauf wird in den Westen und Süden zunehmend
Warmluft advehiert. Somit steigen die 850er Temperaturen am Alpenrand mit
föhniger Unterstützung auf 8°C und in der Südhälfte verbreitet auf Werte um 6°C.
Im Nordosten kommt die Warmluft dagegen noch nicht an, dort verharren die 850er
Werte um 4°C. Da im Bereich des Höhentiefs über Westeuropa und damit auch über
Frankreich der Druck fällt, baut sich zwischen Westeuropa und einem
Hochdruckgebiet über Skandinavien, welches mit dem o.e. Höhenkeil bzw. einer
Geopotentialbrücke über dem Nordatlantik in Verbindung steht, über Teilen
Norddeutschlands zunehmend ein kräftigerer Druckgradient auf. Entsprechend
simulieren die Modelle unisono (z.B. ICON, IFS, GFS vom Harz bis zur Nordsee und
zum Emsland einen Streifen mit Böen Bft 7 aus Ost bis Südost, von denen auch die
Hochlagen des Erzgebirges sowie das nördliche Harzvorland betroffen sein sollen.
Die Aussagen der Ensembles sind diesbezüglich ähnlich, ICON-EU-EPS sagt in
angesprochenen Streifen Wahrscheinlichkeiten für Böen Bft 7 von gebietsweise 80%
bis 100% voraus. Die Berglagen im Osten und der Brocken sind dann auch mit
stürmischen Böen oder Sturmböen mit von der Partie. Die niedertroposphärische
WLA sorgt auch für einen im Tagesverlauf zunehmenden Labilisierung der
Schichtung. Während in 500 hPa die Temperaturen über Deutschland zumeist in
einem Bereich von 23°C liegen, baut sich zwischen 850 hPa und 500 hPa somit ein
vertikaler Temperaturgradient von etwa 30K auf. Zudem prognostizieren die
Modelle im Westen CAPE-Werte von bis zu 20 J/kg, an den Alpen sollen es sogar
bis zu 1000 J/kg werden. Zusammen mit PPW-Werten zwischen 15 und 20 mm kann man
sich dementsprechend auch markante Gewitter vorstellen, die vr allem in den
Bereichen auftreten sollen, in denen der Wind nur schwach bis mäßig weht. Somit
sind Starkregen und kleinerer Hagel ein Thema, im Süden, sprich im Alpenvorland,
sind auch Hagel um 2 cm sowie eventuell unwetterartiger Starkregen nicht
gänzlich von der Hand zu weisen. In der Gesamtschau präsentiert sich der
Nordosten sehr sonnig oder sogar wolkenlos. Im teils föhnigen Osten Bayerns,
aber auch im Südwesten gibt es größere Wolkenlücken oder länger Sonne. Ansonsten
ist die Südwesthälfte wechselnd bewölkt mit besagten Schauern und eventuellen
Gewittern. Die Temperaturen bewegen sich zwischen 22°C bei viel Sonne im Osten
und teils nur 15°C im westlichen Bergland.

In der Nacht zum Samstag wandert das Höhentief, eingebettet in einen
Kurzwellentrog, von Südengland langsam nach Wales. Da die Achse des
Kurzwellentroges anfangs nach Benelux, ausgangs der Nacht dann zur südlichen
Nordsee gerichtet ist, fällt auf seiner Vorderseite der Druck und es bildet sich
ein kleinräumiges Tief aus, das von der Themsemündung ausgehend an der
englischen Küste entlang nach Norden zieht. Ein weiterer Kurzwellentrog, zu
Beginn der Nacht vom Nordostatlantik nach Nordwestspanien weisend, greift auf
Frankreich über, womit der zwischen den beiden Trögen liegende schwache Keil
fast gänzlich abgebaut wird. Da mit diesem zweiten Trog ein kleinräumiges Tief
von der Biskaya nach Zentralfrankreich wandert, bleibt westlich von uns tiefer
Luftdruck dominierend, womit auch die Zufuhr milder Luftmassen anhält. Die 850er
Temperaturen steigen über dem Südwesten auf über 10°C, selbst im Norden sind es
ausgangs der Nacht 4 bis 6°C. Eventuelle Schauer und Gewitter lassen im Süden
sehr rasch nach, im Westen, vor allem aber im Nordwesten und damit im
Einflussbereich des nördlichen Kurzwellentroges geht dies etwas langsamer
vonstatten. Der Wind, auf Südost drehend, lässt ebenfalls nach, teils aufgrund
der nächtlichen Konvektionsabschwächung, teils auch aufgrund eines leichten
Aufweichens des Gradienten. Im Süden und Südwesten ist er sogar so schwach, dass
er die Ausbildung einzelner Nebelfelder zulässt. Bei starker Ausstrahlung im
Nordosten sinken die Temperaturen auf Werte um 3°C, im Westen liegen die
Tiefstwerte um 9°C. Im Osten und Südosten ist lokal Frost in Bodennähe denkbar.


Samstag... dreht sich das westeuropäische Höhentief über Wales und der Irischen
See quasi ortsfest ein. Es bildet damit einem Schwerpunkt einer gebogenen
Geopotentialrinne, die sich vom Nordmeer über die Britischen Inseln und
Westeuropa westwärts über den Atlantik hinweg bis nach Nordamerika erstreckt.
Die Achse des markanten, vom Höhentief ausgehend zur südlichen Nordsee
gerichteten Kurzwellentroges schwenkt zur nördlichen Nordsee, der Kurzwellentrog
über Frankreich schafft es bis nach Benelux und zum Nordwesten Deutschlands.
Damit ist jeweils auch eine Verlagerung der korrespondierenden Tiefs verbunden -
das eine zieht nach Schottland, das zweite zur südlichen Nordsee. Da letzteres
nach ICON, aber auch nach AROME oder UK10 einen scharfen, nach Süden weisenden
Bodentrog hinter sich herzieht, kommt es auch der Südflanke des Tiefs zu steifen
Böen im Westen Deutschlands, insbesondere in den Mittelgebirgslagen. Deutlich
zurückhaltender diesbezüglich ist IFS, bei dem sich die Böen, so sie überhaupt
auftreten, auf die Gipfellagen des Westens beschränken sollten. Letztendlich ist
mit der Verlagerung der Tiefs auch eine Winddrehung auf Südwest bis Süd-Südwest
verbunden, womit ein Frontensystem, das an des südliche der beiden Tiefs
gekoppelt ist, über Deutschland hinweg allmählich nach Osten geführt wird. Auf
seiner Rückseite gelangt in 850 hPa wieder etwas kühlere Luft in den Westen, wo
die entsprechenden Werte zum Abend von vorübergehenden 6°C auf 2°C sinken.
Ansonsten bleibt es niedertroposphärisch relativ warm mit Werten von knapp 12°C
im Süden und bis zu 9°C in Teilen des Nordens und Osten, womit die Warmluft dann
auch genau die genannten Gebiete erreicht hat. Die nach Osten vorankommende
Front sorgt für Wolkenverdichtung, wolkenarm bzw. wolkenfrei bleibt es bis zum
Abend nur in einem Streifen von Vorpommern bis zur Neiße. Dort macht sich auch
ein Höhenrücken bemerkbar, der vom westlichen Mittelmeer nach Norden bis zur
westlichen Ostsee gerichtet ist und gegen den die Front von Westen her anlaufen
muss. Die Niederschläge an der Front schaffen bis nach Nordfriesland,
Ostniedersachsen, zum Thüringer Wald und zur Alb. Einzelne Gewitter können dabei
eingelagert sein, die aber nicht das Potential des Vortages haben. Die
CAPE-Werte liegen meist nur zwischen 100 und 300 J/kg, und die Labilität,
erkennbar z.B. an den Lapse-Rates, liegt niedriger als am Vortag. Das höhere
Angebot an niederschlagbarem Wasser, sprich die PPW-Werte, die nunmehr bei teils
über 25 mm liegen, werden durch eine höhere Zuggeschwindigkeit der potentiellen
Zellen kompensiert. Letztendlich sind markante Entwicklungen durchaus möglich,
unwetterartige Entwicklungen dagegen nach aktuellem Stand nicht/kaum
vorstellbar. Bei vielen Wolken und der im Tagesverlauf wieder einsickernden
kühleren Luft liegen die Höchstwerte in den Hochlagen des Westens teils bei nur
14°C. Ansonsten werden um 20, lokal auch bis 23°C erwartet. Die Sonnenstunden
steigen mit jedem Kilometer, den man von West nach Ost kommt. An Oder und Neiße
gibt's keine Wolken, in der Eifel dagegen praktisch keine Sonne.

In der Nacht zum Sonntag kommt der Kurzwellentrog rasch nordostwärts voran und
die Front überquert mit schauerartigen, aber wohl nicht weiter warnrelevanten
Regenfällen das Vorhersagegebiet ostwärts. Morgens erreicht sie bereits die
östlichen Landesteile und die Alpen, gerät dort aber vorübergehend ins
Schleifen. Vor allem im Norden kann es mit Frontpassage bzw. rückseitig bei
entsprechendem Druckanstieg einzelne steife Böen geben, in den Kamm- und
Gipfellagen einiger Mittelgebirge eventuell auch stürmische Böen, auf dem
Brocken Sturmböen. Postfrontal lockern die Wolken mit Durchschwenken eines
flachen Hochkeils vorübergehend stärker auf, bereits im Laufe der zweiten
Nachthälfte bzw. ausgangs der Nacht erreicht ein weiterer kurzwelliger
Troganteil mit weiteren, allerdings nur wenig ergiebigen Schauern den Westen des
Landes. Der Kaltfront folgt erwärmte subpolare Meeresluft mit 850
hPa-Temperaturen zwischen 1°C im Norden und 5°C an den Alpen. Bei guter
Durchmischung bleibt es nachts somit überall frostfrei und gebietsweise mit
zweistelligen Tiefstwerten auch recht mild.

Sonntag... und in der Nacht zum Montag löst sich das Höhentief als
eigenständiges Drehzentrum zunehmend auf und wird als Randtrog in das
Zirkulationssystem eines umfangreichen Höhentroges über dem nördlichen Nordmeer
bzw. der Barentssee eingebunden. Die südwestliche Höhenströmung bleibt dabei
erhalten, wobei vor allem über der Westhälfte ein in der Nacht mit seiner Achse
übergreifender Trog für dynamischen Hebungsantrieb sorgt. Die Kaltfront des
inzwischen nach Südnorwegen gezogenen und sich bei seinem weiteren Weg zur
nördlichen Ostsee weiter auffüllenden Tiefs schleift noch ein wenig über dem
Alpenraum. Es sorgt anfangs über dem Osten und an den Alpen für schauerartige
Regenfälle, die aber voraussichtlich keinerlei Warnrelevanz aufweisen. Eventuell
wird in den äußersten Südosten noch einmal eine potenziell instabile Luftmasse
eingesteuert, so dass sich einzelne Gewitter entwickeln können bzw. die
Regenfälle gewittrig durchsetzt sind. Ansonsten setzt sich vor allem in der
Osthälfte postfrontal nachmittgas zumindest vorübergehend Wetterberuhigung
durch, die Wolken lockern auf und es bleibt länger trocken, bevor in der Nacht
erneut gebietsweise Schauer aufziehen. Im Westen beginnt es recht rasch durch
den sich von Westen her nähernden Trog zu quellen. Zu der leidlich vorhandenen
Labilität mit einem vertikalen Temperaturgradienten von etwa 25 bis 28K kommt
die dynamische Hebung, so dass Schauer und Gewitter wieder ein Thema sind - das
die Modelle von der räumlichen Verteilung und der Intensität heute noch etwas
unterschiedlich betrachten. Mit etwas Einstrahlung können gebietsweise mehrere
100 J/kg ML-Cape generiert werden. Somit werden Schauer und Gewitter von steifen
bis stürmischen Böen (bei etwas besser organisierten Systemen, die aufgrund
mäßiger Scherung nicht ausgeschlossen sind, auch Sturmböen) und kleinkörnigem
Hagel begleitet. Starkregen spielt dagegen aufgrund der nicht allzu geringen
Zuggeschwindigkeit und PPW-Werten von meist unter 20 mm wohl eher eine
untergeordnete Rolle. Über eine detailliertere räumliche Verteilung der Schauer
und Gewitter lässt sich aktuell allerdings nur spekulieren. Der Wind frischt
tagsüber vor alle im Westen auch außerhalb der Schauer böig aus Südwest auf, da
sich mit dem Höhentrog auch ein recht scharfer Bodentrog annähert. Warnrelevante
Böen sieht aktuell aber vor allem ICON, die anderen Modelle sind diesbezüglich
defensiver. In der Nacht soll dann rückseitig des Bodentroges eine
Druckanstiegswelle über dem Süden und Südwesten eine markante Windauffrischung
bringen - was vor allem ICON vorschlägt. Insgesamt bleibt es mit Höchstwerten
zwischen 13 und 19°C kühler als am Vortag, in der Nacht zum Montag liegen die
Minima meist bei 8 bis 4°C.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die großräumigen synoptischen Abläufe simulieren die Modelle recht einheitlich,
wenngleich für den Sonntag in den Niederschlagsverteilungen noch größere
Unterschiede zu erkennen sind. Auf weitere Modellunterschiede wurde im Text
eingegangen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas