DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-04-2023 07:30
SXEU31 DWAV 190800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 19.04.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNFz
Mit Durchzug eines Kaltlufttropfens unbeständig mit zeitweiligen Niederschlägen,
Schneefallgrenze vorübergehend auf etwa 400 m (Mitte) bis 1000 m (Alpen)
absinkend. An den Küsten und auf einigen Bergen heute und morgen stürmische
Böen. Am Freitag deutlich milder.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... bleibt eine umfangreiche Höhenantizyklone über dem Nordmeer bzw. der
Norwegischen See das dominierende und auch zentralsteuernde Geopotenzialgebilde
zumindest im nord- und westeuropäischen Raum. And deren Ostflanke ist aus einem
Höhentrog über Nordwestrussland ein Höhentief abgetropft und hat sich als
kräftiger Kaltlufttropfen (KLT) auf den Weg nach Südwesten gemacht. Inzwischen
hat er den Westen Polens erreicht, wird aufgrund eines über die Nordsee ins
westliche Mitteleuropa reichenden Höhenkeils allerdings etwas eingebremst und
greift mit seinem Drehzentrum erst gegen Nachmittag bzw. frühen Abend auf den
Osten des Vorhersagegebietes (Lausitz) über. An dessen Nordwestflanke schwenkt
allerdings bereits im Tagesverlauf ein kurzwelliger Randtrog über Nord- nach
Westdeutschland. Auf dessen Vorderseite kann markante PVA generiert werden, die
allerdings im Nordwesten und Westen Deutschlands von kräftiger KLA
überkompensiert wird, so dass dort zunächst Absinken dominiert.
Zugleich reicht dorthin ein Keil des nach wie vor kräftigen fennoskandischen
Bodenhochs, das seinen Schwerpunkt (anfangs noch mit über 1040 hPa) zwar
allmählich von Skandinavien Richtung Nordmeer verlagert, dennoch mit seiner 1030
hPa-Isobare bis in den Nordwesten Russlands reicht. Der Keil flacht zwar langsam
ab, dennoch scheint zumindest im Nordwesten, im Tagesverlauf dann auch im Westen
und in Teilen der Mitte längere Zeit die Sonne.
An der Südflanke des KLT kann dagegen die PVA-induzierte dynamische Hebung
wirksam werden. Dort setzen von Tschechien her bereits Niederschläge ein, die in
den kommenden Stunden das südöstliche Bayern erfassen und sich am Nachmittag auf
die Regionen entlang und südlich der Donau sowie auf den Süden
Baden-Württembergs ausbreiten. Der Flüssigwassergehalt dieser Luftmasse ist
nicht allzu hoch (etwa 10 bis 15 mm), so dass die Niederschläge zwar flächig
auftreten, aber nicht sonderlich ergiebig ausfallen. Lediglich von Niederbayern
bis zum Alpenrand fallen gebietsweise mehr als 10 l/qm bis zum Abend.
Mit Annäherung des KLT wird sowohl nieder- als auch mitteltroposphärisch
deutlich kältere Luft ins Vorhersagegebiet advehiert. Bis zum Abend sinkt die
Temperatur in 500 hPa in der Mitte und im Osten des Landes auf etwa -30 bis -33
Grad, in 850 hPa allgemein auf 0 Grad an den Alpen und -4 Grad in der östlichen
Mitte. An der Nordostflanke des KLT wird vor allem nachmittags von Osten her
zunehmend WLA wirksam, die auch den Osten des Vorhersagegebietes erfasst. Somit
werden die Wolken auch dort sowie später im Nordosten dichter und es setzen
mittags und nachmittags schauerartige Niederschläge ein. Im Zentralbereich des
KLT reicht die hochreichende Labilität eventuell auch mal für ein kurzes
Gewitter.
Die Schneefallgrenze sinkt am Abend an den Alpen auf etwa 1000 m, im östlichen
Bergland dagegen bereits auf etwa 600 m.
Von Warnrelevanz ist heute zunehmend der Wind. Trigger für die Windzunahme ist
neben der leichten Gradientverschärfung über Norddeutschland auch die zunehmende
Labilität in der niederen Troposphäre im Zusammenspiel mit dem Tagesgang. In
weiten Teilen Norddeutschlands, teilweise bis in die mittleren Landesteile
reicht es für starke bis steife Böen (Bft 6 bis 7) aus Nordost, entlang der
vorpommerschen Küste am Nachmittag und Abend auch für stürmische Böen (Bft 8).
Auch in den zentralen und westlichen Mittelgebirgen gibt es steife Böen, in den
östlichen Mittelgebirgen einzelne stürmische Böen, auf dem Brocken Sturmböen
(Bft 9).
Die Temperaturen erreichen mit Sonne im Westen und Nordwesten noch einmal
Höchstwerte bis nahe 15 Grad, am Rhein vielleicht auch knapp darüber, während es
an den Alpen und im Erzgebirge grade mal für etwa 7 Grad reicht.

In der Nacht zum Donnerstag wird er Höhenkeil an der Südflanke des nach wie vor
quasistationären, aber sich etwas abschwächenden Höhenhochs zu den Britischen
Inseln abgedrängt und der Kaltlufttropfen kommt entsprechend wieder etwas
schneller nach Westen voran, morgens erreicht er mit seinem Drehzentrum in etwa
den Westen von Rheinland-Pfalz. Der markante kurzwellige Randtrog an dessen
Westflanke läuft nach Süden ab und erreicht morgens Nordostfrankreich, auf
dessen Vorderseite kann auch über dem äußersten Süden des Landes nach wie vor
dynamische Hebung generiert werden. Somit dauern die Niederschläge, mit
allerdings abnehmender Intensität, an den Alpen und im Alpenvorland sowie vom
Hochrhein bis nach Oberschwaben weiter an. Dabei fallen an den Alpen nochmals um
die 5 l/qm, vor allem im Oberallgäu örtlich auch um 10 l/qm, wobei die
Schneefallgrenze je nach Intensität auf etwa 800 m sinkt. Darüber fallen etwa 5
cm, gebietsweise (Oberallgäu) um 10 cm Neuschnee.
Auch an dessen Nord- und Westflanke laufen weitere kurzwellige Troganteile ab
und halten dynamischen Hebungsantrieb aufrecht, zugleich setzt rückseitig des
KLT über der Osthälfte verstärkt WLA ein. Somit kommen die schauerartigen
Niederschläge über die Mitte des Landes nach Westen voran, Gewitter sollten
dabei aber kaum mehr auftreten, können allerdings aufgrund der nach wie vor
vorhandenen Labilität nicht komplett ausgeschlossen werden. PVA und WLA
überlappen sich dabei im Laufe der Nacht vor allem von der Uckermark bis in den
Norden Sachsen-Anhalts bzw. bis nach Westmecklenburg recht günstig, so dass es
dort in einem recht schmalen Streifen auch mal längere Zeit schauerartig
verstärkt regnen kann. Recht einheitlich simulieren die Modelle dort kleinräumig
mehr als 10 l/qm in 12 Stunden, ansonsten kommen kaum mehr als 5 l/qm zusammen,
meist nur wenige l/qm, lediglich im Oststau des Harzes hat ICON-D2 mehr als 10
l/qm auf der Agenda. Die Schneefallgrenze sinkt allerdings auf etwa 600 bis 400
m, so dass es in den Mittelgebirgen gebietsweise für eine dünne Schneedecke
reicht oder zumindest für Glätte durch Schneematsch.
Weitgehend trocken bleibt es aufgrund kompensatorischen Absinkens wohl meist von
Mosel und Main bis zur Donau sowie ganz im Norden/Nordwesten, wo der
antizyklonale Einfluss überwiegt. Vor allem von BaWü bis nach Oberfranken
lockern die Wolken auch mal auf, so dass es dort örtlich leichten Frost geben
kann, ebenso in den höheren Lagen der Mittelgebirge.
Der Wind flaut im Binnenland allgemein ab, ganz im Norden bleibt aber ein recht
scharfer Gradient aufrecht, so dass es zumindest an den Küsten weiterhin steife,
exponiert eventuell stürmische Böen gibt.

Donnerstag... kommt der KLT über die Ardennen westsüdwestwärts bis zur Normandie
voran. An dessen Ostflanke stützt beständige WLA einen Höhenkeil über dem
östlichen Mitteleuropa, der sich noch etwas verstärken kann. Die Luftmasse rund
um das Drehzentrum des KLT bleibt labil geschichtet mit Temperaturen in 500 hPa
unter -30 Grad und etwa -3 Grad in 850 hPa, wobei sich die labilste Luftmasse
allmählich in die westlichen Landesteile verlagert. Dort gibt es weitere
Schauer, kurze Gewitter können nicht ausgeschlossen werden, wobei der
Flüssigwassergehalt weiterhin mit nur wenig über 10 l/qm gering bleibt, so dass
in der Regel nur wenige l/qm zusammenkommen. Die Schneefallgrenze steigt bei
beginnender niedertroposphärischer Erwärmung wieder rasch bis in die Kammlagen.
Schauerartige, teils auch skalige Niederschläge gibt es auch an der Ostflanke
des KLT, wo PVA und WLA einigermaßen überlappen. Dort wird allmählich feuchtere
Luft eingesteuert, PPW steigt auf über 15 l/qm. Mehr als 5 l/qm kommen am
ehesten gebietsweise im Nordwesten zusammen, vor allem aber im Oberallgäu, wo
die Schneefallgrenze nach wie vor um 1000 m schwankt. Im Nordosten und Osten
sowie im äußersten Norden klingen die Niederschläge dagegen vor allem ab mittags
rasch ab und vor allem an der Ostsee, später auch an Oder und Neiße kann sich
die Sonne durchsetzen.
Mit Abzug des KLT steigt die 850 hPa-Temperatur vor allem im Osten und Südosten
rasch wieder an und erreicht abends Werte bis 5 Grad in Südostbayern bzw. 3 Grad
an der Oder. Die Höchsttemperaturen erreichen somit Werte zwischen 6 Grad in
Oberschwaben bzw. im Allgäu und 15 Grad am Oderbruch.
An Lage und Ausrichtung des Bodenhochs ändert sich nur wenig und somit bleibt
vor allem im Norden ein recht scharfer Gradient aufrecht. An den Küsten reicht
es wohl nach wie vor zumindest für steife Böen aus Nordost, eventuell auch im
nordwestdeutschen Binnenland, vielleicht sogar bis nach Ostwestfalen, zum
Haarstrang und ins Münsterland. In den Kammlagen einiger Mittelgebirge kann es
stürmische Böen geben.

In der Nacht zum Freitag beginnt der Kaltlufttropfen allmählich mit einem
Höhentief westlich der Britischen Inseln zu interagieren, kommt nur noch zögernd
westwärts zum Ärmelkanal voran und wandelt sich seinerseits ebenfalls in einen
hochreichenden Kaltluftkörper bzw. Höhentief um, zumal sich auch im Bodenfeld
ein flaches Tief über dem Ärmelkanal entwickeln kann. Somit verlagern sich auch
die schauerartigen Niederschläge an dessen Ostflanke über dem Westen des
Vorhersagegebietes nur noch sehr langsam nach Westen, wobei es gebietsweise auch
längere Zeit regnen kann. Recht unisono wird der recht schmale Streifen mit den
höchsten RR-Mengen vom Niederrhein/Westmünsterland über das Sieger- bzw.
Sauerland und Mittelhessen bis nach Oberschwaben simuliert, allerdings gibt es
bzgl. der Intensität der Niederschläge noch größere Modellunterschiede. ICON-EU
simuliert vom Westmünsterland bis nach Mittelhessen bzw. Unterfranken sowie in
Oberschwaben teilweise 10 bis 15 l/qm in 12 Stunden, im östlichen Sauerland
gebietsweise über 20 l/qm, GFS dagegen deutlich weniger. Mit der
niedertroposphärischen Erwärmung (morgens zwischen 2 Grad in der Eifel und 7
Grad in Südostbayern in 850 hPa) spielt die Schneefallgrenze warntechnisch keine
Rolle mehr.
Im Norden und Osten lockern die Wolken dagegen auf, teilweise ist es gering
bewölkt oder wolkenlos. Bei weiterhin spürbaren Ost- bis Nordostwind, der an den
Küsten (später wohl nur noch über der offenen Nordsee) in Böen noch Bft 7
erreichen kann und in einigen Gipfellagen Bft 8 (lokale Low Level Jets nach
Abkopplung der Grundschicht) bleibt es dort aber überwiegend frostfrei. Im
Westen und Süden verhindert die dichte Bewölkung meist leichten Frost, außer
vielleicht noch im höheren Bergland.

Freitag... schwächt sich die Höhenantizyklone allmählich weiter ab und verlagert
ihren Schwerpunkt nach Südskandinavien, allerdings reicht eine robuste
Potenzialbrücke über das Seegebiet zwischen Island und Schottland bis zu einer
weiteren Höhenantizyklone über Grönland. Diese stützt nach wie vor eine
ausgedehnte Hochdruckzone im Bodenfeld, die von Südgrönland über die Norwegische
See und Süd- bzw. Mittelskandinavien bis ins Baltikum bzw. zum östlichen
Mitteleuropa reicht.
Die Potenzialbrücke wird im Süden flankiert von einer Rinne niedrigen
Geopotenzials, die vom Seegebiet nördlich der Azoren bis ins westliche
Mitteleuropa reicht. Darin eingelagert sind mehrere Höhentiefs, von denen das
östlichste aus unserem Kaltlufttropfen resultiert und sich nur noch wenig nach
Westen, nämlich zur Südküste Englands verlagert. An dessen Ostflanke gelangt von
Südosten her nun deutlich wärmere Luft nach Deutschland, in 850 hPa steigt die
Temperatur bis zum Abend auf Werte zwischen 3 Grad im äußersten Westen bzw.
Nordosten des Landes und 8 Grad im Süden bzw. Südosten.
Vor allem über dem Westen und Südwesten Deutschlands bleibt - wenngleich auch
eher nur noch schwacher - dynamischer Hebungsantrieb aufgrund von PVA aufrecht,
zumal sich zum Abend hin von Frankreich der die Achse des Höhentiefs annähert.
Im Bereich der sich kaum verlagernden, eher sogar wieder etwas nach Osten
vorankommenden "Feuchteschliere" aus der Nacht heraus bleibt es somit
überwiegend wolkig bis stark bewölkt, die Niederschläge klingen aber bereits
ausgangs der Nacht rasch ab. Mit der Erwärmung beginnt die Luftmasse aber wieder
zu labilisieren und es entwickeln sich vor allem dort, aber auch weiter im
Südwesten einzelne Schauer, dabei können nun mit höherer Wahrscheinlichkeit als
am Vortag auch Gewitter auftreten. Gebietsweise werden mehrere 100 J/kg, im
Südwesten und im Alpenvorland örtlich über 500 J/kg ML-Cape generiert werden und
bei relativ geringer Verlagerungsgeschwindigkeit sowie bei PPW-Werten über 15
l/qm können Starkregen bzw. kleiner Hagel nicht ausgeschlossen werden.
Während es innerhalb der oben beschriebenen "Feuchteschliere" eher bewölkt
bleibt, kommt sonst häufiger die Sonne zum Vorschein, vor allem im Norden und
Osten steht sogar ein überwiegend sonniger Tag ins Haus. Somit wird es nun auch
deutlich wärmer als an den Vortagen mit Höchstwerten zwischen 15 Grad
gebietsweise im Bereich der westlichen Mittelgebirge und knapp über 20 Grad von
der Lausitz bis zur Norddeutschen Tiefebene sowie im Alpenvorland. Der Gradient
bleibt nach wie vor recht scharf ausgeprägt, allerdings dreht der Wind auf Ost
bis Südost. Steife Böen gibt es am ehesten wohl über der Nordsee sowie im
Nordwesten, aber auch in den Kammlagen bzw. Mittelgebirgen bzw. im Lee, auf dem
Brocken reicht es wohl für stürmische Böen.

In der Nacht zum Samstag setzt über dem Nordmeer ein nach Süden gerichteter
Trogvorstoß ein, während das Höhentief über Südengland mit Annäherung eines
kurzwelligen Troganteils von Südwesten her etwas nach Norden gesteuert wird. Die
Potenzialbrücke wird somit über der Norwegischen See abgebaut, übrig bleibt ein
über das östliche Mitteleuropa bis nach Südschweden bzw. zur mittleren Ostsee
reichender Höhenrücken. Somit dreht die Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet
von Südwesten her auf Südsüdwest. Vor allem über dem Westen des Landes bleibt
weiterhin schwacher dynamischer Hebungsantrieb, in erster Linie aufgrund wieder
zunehmender WLA, wirksam.
Die Hochdruckzone im Bodenfeld wird ebenfalls über der Norwegischen See und
Südskandinavien abgebaut, gleichzeitig intensiviert sich ein Tiefdruckkomplex
mit mehreren Drehzentren über dem Süden der Britischen Inseln und der südlichen
Nordsee. Die Kaltfront des Tiefs überquert den Ärmelkanal und
Nordwestfrankreich, verwellt aber über Zentralfrankreich, so dass das
Vorhersagegebiet noch im präfrontalen Bereich bleibt. Somit klingen die Schauer
und Gewitter im Westen und Süden im Laufe der ersten Nachthälfte rasch ab, es
kann aber vor allem im Westen hier und da noch etwas regnen. Im Osten und
Südosten sowie ganz im Norden bleibt es dagegen teils gering bewölkt.
Der Wind befindet sich generell eher auf dem absteigenden Ast, in einigen
Hochlagen kann es aber erneut steife bis stürmische Böen, über der offenen
Nordsee steife Böen aus Südost bis Ost geben. Abgesehen von einigen Tälern in
den ostdeutschen und ostbayerischen Mittelgebirgen bleibt es frostfrei.


Modellvergleich und -einschätzung:
Die Passage des Kaltlufttropfens wird von allen Modellen reicht einheitlich
simuliert. Unterschiede gibt es am ehesten noch bzgl. der Intensität der
Niederschläge, diese sind aber nicht wirklich warnrelevant.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff