DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-04-2023 07:01
SXEU31 DWAV 170800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 17.04.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNFz
"Winterlage" zur falschen Jahreszeit: Leicht unbeständig und kühl (Mittwoch
eventuell bis in mittlere Höhenlagen etwas Schnee), aber kaum markante
Wettererscheinungen. Erst ab der Nacht zum Mittwoch in einigen Höhenlagen und
eventuell auch an den Küsten stürmische Böen, auf Gipfeln Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... vor drei Monaten eine derartige Wetterlage - die Herzen der Winterfans
würden höher schlagen. Nun denn - wir haben April und viele freuen sich
wahrscheinlich auf einen nachhaltigen Durchbruch angemessen temperierten
Frühlingswetters. Und tatsächlich: Es ist ein Silberstreif am Horizont
auszumachen. Dazu aber später mehr von der Kollegin, die sich um die Mittelfrist
kümmert. Zunächst einmal ändert sich nur wenig - im Gegenteil, am Mittwoch
geht's sogar noch etwas bergab mit den Temperaturen und zumindest bis in
mittleren Höhenlagen können noch einmal die Freunde des "weißen Goldes" auf ihre
Kosten kommen. Doch nehmen wir erst einmal den heutigen Wochenauftakt unter die
Lupe:
Einem umfangreichen und mit mehreren Drehzentren gespickten Höhentiefkomplex der
vom zentralen Mittelmeerraum bis nach Mitteleuropa reicht, steht ein Höhenrücken
gegenüber, der sich von Marokko über die Iberische Halbinsel und die Britischen
Inseln bis ins Nordmeer erstreckt, durch WLA vorderseitig eines hochreichenden
Zentraltiefs westlich von Island gestützt wird und sich somit vor allem in
seinem Nordteil über der Norwegischen See noch etwas verstärken kann. Dieser
stützt im Bodenfeld ein Hochdruckgebiet mit Schwerpunkt über Süd- bzw.
Mittelskandinavien, das sich im Tagesverlauf noch ein wenig kräftigt und im
Laufe des späteren Abends einen Kerndruck von um bzw. knapp über 1040 hPa
aufweisen dürfte.
An dessen Südflanke gelangen von Nordosten her relativ kalte und teilweise auch
recht feuchte Luftmassen ins Vorhersagegebiet mit 850 hPa-Temperaturen zwischen
-3 und +2 Grad. Großräumige Hebungs- und Advektionsprozesse halten sich im
Bereich des Höhentiefs zwar in Grenzen, dennoch ist die Luftmasse vor allem im
Süden potenziell instabil geschichtet mit Temperaturen um oder gar knapp unter
-25 Grad in 500 hPa. Zudem sorgen kleinräumige, nicht immer leicht auszumachende
Hebungsgebiete hier und da für leichte Niederschläge, wobei sicherlich auch die
Orographie eine Rolle spielt, wie aktuell z.B. im Bereich der Schwäbischen Alb
sowie in Teilen von Sachsen.
Im Tagesverlauf dürfte in Teilen Süddeutschland mit der etwas Einstrahlung die
Luftmasse so weit labilisieren, dass es neben Schauern durchaus auch mal
einzelne kurze Gewitter geben könnte. Bei ML-Cape von um oder oft weniger als
100 J/kg und PPW-Werten um 15 mm sowie nicht wirklich vorhandener Scherung
sollten diese kurzlebig bleiben und die Begleiterscheinungen sich überwiegend im
gelben Warnbereich abspielen (Böen Bft 7, eventuell etwas Graupel). Nach Norden
zu werden die Schauer generell seltener und vor allem ganz in den Norden bzw. in
den Nordwesten sickert von Osten her im Tagesverlauf auch etwas trockenere Luft,
so dass die Wolkendecke dort größere Lücken bekommen dürfte. Anders dagegen in
der Osthälfte: Dorthin verlagert sich von Polen her ein kleinräumiges Höhentief,
das zum Abend hin in etwa Sachsen-Anhalt erreicht. An dessen Ostflanke setzt
verstärkt WLA ein, die im Tagesverlauf vor allem in Brandenburg auch zu
flächigeren Regenfällen führt; zumindest nach Lesart des ICON-EU und I-D2 kommen
dort einige l/qm zusammen, während beispielsweise GFS kaum nennenswerte
Niederschläge auf der Agenda hat.
Mit Verstärkung des Hochs kann sich der Gradient auch über dem Vorhersagegebiet
etwas verschärfen und der Wind frischt aus Ost bis Nordost auf, ist aber nicht
weiter warnrelevant.
Die Temperatur macht keine großen Sprünge; vor allem ganz im Osten sowie in den
östlichen Mittelgebirgen bleibt es bei meist bedecktem Himmel mit 7 bis 11 Grad
ziemlich frisch. Sonst werden 9 bis 14 Grad erreicht, mit Sonne im Nordwesten
bis zu 16 Grad.

In der Nacht zum Dienstag kann sich aus dem Höhenrücken ein eigenständiges
Höhenhoch über der Norwegischen See etablieren. Davon ausgehend, verstärkt sich
ein zur mittleren Ostsee gerichteter Höhenkeil, wird aber mit einem über
Karelien bzw. Nordwestrussland einsetzenden Trogvorstoß nach Süden, zur
südlichen Ostsee bzw. nach Nordpolen abgedrängt.
Das kleinräumige Höhentief über Sachsen-Anhalt zieht bis Dienstagfrüh in etwa
zum Niederrhein, füllt sich aber mit dem sich vor allem über Nordostdeutschland
verstärkenden Geopotenzialanstieg rasch auf. Die Niederschläge an dessen
Ostflanke kommen ebenfalls nach Westen voran und erfassen nach Lesart des
ICON-EU noch das östliche Niedersachsen und den Harz, wo gebietsweise mehr als 5
l/qm simuliert werden. Nasse Flocken gibt es dabei aber höchstens auf dem
Brocken. Nach wie vor simuliert ICON-EU aufgrund der relativ kräftigen WLA
höhere Mengen als die anderen vorliegenden Modelle.
Im Rest des Landes sind dagegen keine nennenswerten Niederschläge mehr
auszumachen, auch im Süden dürften die Schauer allmählich seltener werden und im
Laufe der zweiten Nachthälfte bleibt es vielerorts - bis auf gebietsweise etwas
Nieselregen - trocken.
Wolkenlücken dürfte es allerdings trotzdem nach wie vor kaum geben, auch in den
Nordwesten ziehen mit Passage des Höhentiefs vermehrt Wolkenfelder. Sollte es
dennoch irgendwo verstärkt auflockern, was am ehesten wohl im Westen der Fall
sein könnte, bildet sich gebietsweise Nebel und im westlichen Bergland kann
gebietsweise auch leichter Frost bzw. Bodenfrost nicht ausgeschlossen werden.
Ansonsten bleibt es weitgehend frostfrei.

Dienstag... kann sich die Höhenantizyklone über der Norwegischen See weiter
verstärken, wobei der nach Nordpolen gerichtete Keil durch den inzwischen ins
Baltikum gerichteten Trogvorstoß an der Ostflanke des Höhenhochs südwestwärts
nach Ostdeutschland abgedrängt wird. Das Höhenhoch stützt nach wie vor auch das
kräftige Bodenhoch mit über 1040 hPa Kerndruck über Mittelskandinavien. Dieses
wiederum weitet sich noch etwas Richtung Nordmeer/Westeuropa aus und vor allem
im Norden des Vorhersagegebietes steigt der Luftdruck weiter an.
Das führt zu einer weiteren Gradientverschärfung, so dass der Wind aus Ost bis
Nordost noch etwas zunimmt. In einigen Höhenlagen, an exponierten
Küstenabschnitten, aber aufgrund der sich verschärfenden Bise auch in
Oberschwaben, am Bodensee und im Allgäu kann es steife Böen (Bft 7) geben.
Wettertechnisch passiert allerdings nicht allzu viel. Aufgrund der sich
abschwächenden und allmählich nach Westen verlagernden WLA und der relativ
feuchten Grundschicht bleibt es überwiegend bewölkt, vor allem im Osten
gebietsweise auch ganztägig bedeckt und trüb. Hier und da fällt etwas Regen bzw.
Nieselregen oder es gibt einzelne Schauer. Die labilste Luftmasse ist inzwischen
nach Südwestdeutschland, vor allem aber in den Alpenraum verdrängt worden, so
dass die Wahrscheinlichkeit für kurze Gewitter geringer als heute sein dürfte,
wenngleich diese aber nicht ganz ausgeschlossen werden können.
Nach wie vor gelangen ganz in den Norden etwas trockenere Luftmassen, die vor
allem den Küsten auch längere sonnige Abschnitte bescheren können.
Trotz der WLA kann sich die Luftmasse niedertroposphärisch und auch bodennah
kaum erwärmen. Somit liegen die Höchstwerte nach wie vor - je nach Sonne -
zwischen 9 und 14 Grad, am Rhein können bis zu 16 Grad erreicht werden.

In der Nacht zum Mittwoch tropft der Höhentrog über dem Baltikum aus, das
Cut-Off-Tief zieht als markanter Kaltlufttropfen (KLT) bis Mittwochfrüh nach
Nordostpolen, während sich an der Lage und Intensität des Höhenhochs kaum etwas
ändert. Somit kann sich an dessen Südostflanke über dem nördlichen Mitteleuropa
der Gradient deutlich verschärfen und mit der kräftigen Kaltluftadvektion setzt
auch über dem Nordosten und Norden Deutschlands markantes Absinken ein, so dass
sich die Wolken dort mehr und mehr auflösen.
Da sich das Bodenhoch in Lage und Intensität kaum ändert, aber mit Annäherung
des KLT ein flacher Bodentrog im Laufe der Nacht von Osten her auf Polen
übergreift, verschärft sich der Gradient auch im Vorhersagegebiet weiter, was
sich aber aufgrund der recht stabilen Schichtung nachts wohl lediglich in
einigen Höhenlagen bemerkbar macht. Dort kann es stürmische Böen aus Ost bis
Nordost geben, auch an den Küsten sind vereinzelte steife Böen möglich,
ansonsten bleibt der Wind wohl noch unterhalb der Warnschwellen.
Ansonsten ändert sich aber nur wenig; in der Mitte und im Süden bleibt es
vielerorts stark bewölkt, teils auch bedeckt und nur gebietsweise bekommt die
Wolkendecke mal größere Lücken (dann kann sich Nebel ausbilden). Mit dem etwas
mehr auf Nordost drehenden Wind kann es staubedingt an den östlichen
Mittelgebirgen sowie am östlichen Alpenrand gebietsweise etwas regnen, ab etwa
1000 m auch schneien, in den übrigen Gebieten bleibt es, bis auf geringen
Nieselregen, weitgehend trocken. Bei aufgelockerter oder geringer Bewölkung kann
es am ehesten im Nordosten örtlich leichten Frost bzw. Bodenfrost geben,
zumindest in windgeschützten Lagen.

Mittwoch... erwischt uns der Kaltlufttropfen - wie bereits eingangs angedeutet -
mit "voller Breitseite". Bis zum Abend verlagert er sein Drehzentrum mit 500
hPa-Temperaturen von nahe -35 Grad über Brandenburg nach Sachsen-Anhalt, wobei
sich die vorliegenden Modelle bzgl. der Zugbahn lediglich im Detail
unterscheiden (GFS und GEM etwas nördlicher als ICON-EU). Vor allem an dessen
Nordwestflanke wird die markante PVA überkompensiert durch die kräftige
Kaltluftadvektion, so dass dort Absinken dominiert und im Westen und Nordwesten
des Vorhersagegebietes zumindest vorübergehend vielerorts die Sonne durchkommt.
Anders dagegen an dessen Südflanke, wo sich die KLA noch nicht großartig
bemerkbar macht und somit die PVA-induzierte Hebung wirksam werden kann. Von
Nordosten her setzten somit vor allem in Bayern und später auch in Teilen
Baden-Württembergs leichte Niederschläge ein (nach Lesart des ICON-EU etwa 1 bis
5 l/qm, im nördlichen Alpenvorland bis an die 10 l/qm, nach GFS und IFS
insgesamt etwas weniger), die sich Richtung Alpen verlagern. Auch
niedertroposphärisch macht sich die KLA dort noch nicht sonderlich bemerkbar, so
dass sich die Schneefallgrenze bei 0 bis -2 Grad in 850 hPa noch bei etwa 1000
m, eher etwas darüber bewegt.
In der Osthälfte hält sich die Niederschlagstätigkeit dagegen zunächst in
Grenzen. Erst rückseitig des nach Osten abziehenden KLT setzen am Nachmittag in
etwa von Ostvorpommern bis nach Ostsachsen WLA-induzierte Aufgleitniederschläge
ein. Dort sinkt die 850 hPa-Temperatur gleichzeitig auf -3 bis -5 Grad, nach
Lesart des GFS sogar bis auf -7 Grad, so dass die Schneefallgrenze - soweit die
Niederschläge bereits die östlichen Mittelgebirge erfassen, was wohl eher gegen
Abend der Fall sein dürfte - auf etwa 600 bis 400 m sinken dürfte.
Der Wind tritt dagegen in den Fokus der Warntätigkeit. Zwar flacht der über
Polen nach Westen ziehende und gegen Abend den äußersten Osten des
Vorhersagegebietes erreichende Bodentrog etwas ab, dennoch reichen Gradient und
die zunehmende Labilität in der unteren Troposphäre mit Unterstützung durch den
Tagesgang nicht nur an den Küsten vermehrt für Böen Bft 7 aus Nordost, sondern
vor allem im Nordosten auch im angrenzenden Binnenland. In den Kamm- und
Gipfellagen der östlichen und nördlichen Mittelgebirge gibt es häufiger
stürmische Böen, auf dem Brocken eventuell auch Sturmböen (Bft 8 bis 9),
nachmittags und abends sind auch entlang der vorpommerschen Küste stürmische
Böen nicht ausgeschlossen.
An den Temperaturen ändert sich insgesamt nicht viel, insgesamt wird es eher
etwas kälter. Mit Sonne können am Niederrhein die 15 Grad eventuell knapp
erreicht werden. Unter den dichten Wolken im Süden und Südosten sowie im Bereich
der kältesten Luftmasse in der Osthälfte liegen die Höchstwerte dagegen oft nur
zwischen 6 und 9 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag kommt der Kaltlufttropfen allmählich bis nach NRW
voran, wobei nun die Modelldifferenzen größer werden, insbesondere, was die
räumliche Verteilung und Intensität der WLA-induzierten Niederschläge an dessen
Ost- und Nordflanke angeht. Mengenmäßig kommt dabei nicht allzu viel zusammen
(maximal 5 bis 10 l/qm, am ehesten ganz im Süden sowie gebietsweise im Norden
und Osten), dennoch könnte durchaus - soweit Mittelgebirge bzw. Alpen betroffen
- die Phase warntechnisch eine Rolle spielen. Nach wie vor bleibt es mit -5 bis
-1 Grad in 850 hPa kalt und die Schneefallgrenze schwankt - je nach Intensität -
zwischen 400 und 800 m, an den Alpen eher um 1000 m.
Auch der Wind bleibt warnrelevant. Der Bodentrog schwankt von Polen her
allmählich über das Vorhersagegebiet hinweg ostwärts, an dessen Nordflanke kann
es vor allem an den Küsten steifem vereinzelt stürmische Böen aus Ost bis
Nordost geben, während der in den Kammlagen der Mittelgebirge allmählich
nachlässt.
Vor allem im Bergland gibt es im Laufe der Nacht leichten Frost und örtlich
Glätte durch Überfrieren - sollten die Wolken mal irgendwo länger auflockern,
kann das aber auch in tieferen Lagen der Fall sein.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle fahren insgesamt eine einheitliche Linie. Auch die Zugbahn des
Kaltlufttropfens wird von allen Modellen sehr ähnlich simuliert. Dennoch ergeben
sich kleinere Unterschiede, die räumliche Verteilung und Intensität der
Niederschläge betreffend, die vor allem in der Nacht zum Donnerstag
warntechnisch von Relevanz sein können. Diese wurden im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff