DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

16-04-2023 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 16.04.2023 um 10.30 UTC



Zunächst zögerlich wärmer, aber regional wechselhaft, im Nordosten anfangs
windig. In der erweiterten Frist Wetterumstellung möglich, dann wieder kühler.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 23.04.2023


Zunächst sollen kurz mögliche Einflussfaktoren auf das kommende Wettergeschehen
analysiert werden. Dabei lohnt sich die Anwendung der top-down-Methode,
beginnend mit dem Zustand des Stratosphärischen Polarwirbels (SPV) in der oberen
und mittleren Stratosphäre. Letzterer steuert nach den neuesten
Ensemble-Prognosen auf sein "Final warming" hin, d.h. nach dem 20.April soll in
10 hPa und zonal gemittelt auf 60 Grad Nord der zonale Wind wohl dauerhaft auf
Ostwinde umschwenken, wenngleich einzelne Member des IFS-EPS durchaus eine
Rückkehr in weniger als 10 aufeinanderfolgenden Tagen verheißen (Definition des
Final warmings). Dabei wird es sich um eine teils dynamisch getriggerte, teils
radiativ unterstützte Erwärmung der arktischen Stratosphäre handeln, die auch in
der Troposphäre durch allmähliche Umstellung auf die Frühjahrszirkulation eine
gewisse Unterstützung findet. Für die dynamische Komponente der finalen
Stratosphärenerwärmung sind wohl (schwache) meridionale und vertikale
troposphärische Wellenflüsse verantwortlich, die bei der ohnehin stark
mäandrierten zirkumpolaren Zirkulation und langen planetaren Wellen sowie unter
der Voraussetzung von Westwinden in der Troposphäre und Stratosphäre(zonal
gemittelt auf 60 Grad Nord) für eine vertikale Ausbreitung und Überlagerung
planetarer Wellen aus der Troposphäre bis in die mittlere und obere Stratosphäre
(unter Amplitudenvergrößerung) sorgen, um dort unter Wärmefreisetzung zu brechen
und schließlich zu dissipieren (Auflösung). Obwohl die dynamische Kopplung
zwischen Stratosphäre und Troposphäre downward derzeit nicht gerade optimal
erscheint, so hat doch das Final warming oftmals erhebliche Auswirkungen auf die
troposphärische Zirkulation der hohen und mittleren Breiten, unterstützt ebenso
durch die o.a. allmähliche Umstellung auf die troposphärische
Frühjahrszirkulation der hohen Breiten. Letztere Umstände führen zur Ausbildung
bzw. Verstärkung hohen Geopotenzials/Luftdrucks im Bereich
Grönland/Arktisumfeld. Die Ensemble-Member des GEFS zeigen daher mit geringer
Streuung (!) nach dem 20.April die Tendenz des AO-Indexes weit in den Keller,
bis auf Werte unter -3. Hier soll noch ergänzt werden, dass die
Ensembleprognosen die Amplitude des Indexes eher unterschätzen. Der Autor gibt
allerdings zu bedenken, dass ausgehend von der Erwärmung in der oberen und
mittleren Stratosphäre sich die Ostwinde ebenso durch Wellenflüsse nur
allmählich downward durchsetzen, es könnte also insgesamt etwas länger dauern
mit der troposphärischen Response (Antwort) auf die markante stratosphärische
Störung. Andererseits wird von Membern des IFS-EPS am Wochenende/Beginn
übernächste Woche nach einem Skandi-Blocking ein kräftiges Grönland-Blocking
simuliert. Dies würde einen Kaltluftausbruch mit Trog über Skandinavien (dann
auch NAO negativ) ermöglichen. Inwieweit zu Beginn der übernächsten Woche auch
Mitteleuropa davon betroffen sein wird, bleibt abzuwarten.

Bis dahin wird uns ein starkes Blocking (kräftiges Höhenhoch mit hohem
Geopotenzial im Bereich Nordmeer/Skandinavien) weitgehend beschäftigen, wobei
durch die Randlage von Ost- über Mittel- bis nach Westeuropa ein Kaltlufttropfen
reines Hochdruckwetter verhindern wird. So soll erstmal an die gestrige
synoptische Übersicht (15.04.2023) angeknüpft werden.

Am Mittwoch und Donnerstag bleibt das Höhenhoch mit Schwerpunkt über dem
Nordmeer stationär, auch das Bodenhoch verändert sich kaum in Lage, Ausdehnung
und Stärke. Für Mitteleuropa wird allerdings ein Kaltlufttropfen (Höhentief ohne
abgeschlossenes Bodentief) relevant, der am Mittwoch von Polen in Richtung
Mitteleuropa zieht. Am Donnerstag zieht letzteres im Tagesverlauf in Richtung
Nordfrankreich, bevor er sich dort im Laufe der Nacht zum Freitag diabatisch
bedingt etwas abschwächt. Die beschriebene Zugbahn ist nun im Vergleich zu den
Vorläufen etwas konsistenter gerechnet (auch im Vergleich mit ICON und GFS).
Klarerweise hängen an dieser aber die erwarteten Niederschläge, die bei
850-hPa-Werte um 0 bis -3 Grad (im zentralen und östlichen Mittelgebirgsraum bis
-5 Grad) in den Hochlagen der Mittelgebirge sowie in den mittleren und höheren
Lagen der Alpen als Schnee fallen können. Leichte bis mäßige, teils
schauerartige (konvektive) Regenfälle (mit geringer Wahrscheinlichkeit für
einzelne Gewitter) werden zunächst für den Osten und Nordosten simuliert (bei
vorderseitiger Kaltluftadvektion von 850 bis 500 hPa und Labilisierung der
mittleren Troposphäre - am Donnerstag auch nördlicher mit rückseitiger
Warmluftadvektion und dann skaligen Niederschlägen. Dafür gibt es dann im
Südwesten eher konvektiv geprägte Niederschläge (ggf. auch mit einzelnen
Gewittern). Der Nordostwind ist im Norden und Nordosten aufgrund der
Gradientverschärfung mit einem flachen Bodentrog (bedingt durch das Höhentief)
vs. Hoch über dem Nordmeer lebhaft unterwegs mit Windböen, an der Ostsee auch
stürmischen Böen.

Am Freitag und Samstag wird das Höhentief weiter um das Höhenhoch (mittlerweile
über Skandinavien liegend) herumgeführt, um dann im Bereich der Britischen
Inseln wahrscheinlich in einen Langwellentrog integriert zu werden. Die 850
hPa-Temperatur steigt am Freitag und Samstag im Nordosten auf 1 bis 3, sonst 4
bis 7 Grad im Süden. Niederschläge, teils konvektiver Art sollten sich auf den
Südwesten und Westen beschränken. Auch die Tageshöchstwerte liegen nun auf
insgesamt höherem Niveau.

Am Sonntag und zu Beginn der übernächsten Woche soll sich laut GFS und IFS ein
veritables Grönland-Blocking ausbilden. Unser ehemaliges Höhentief soll nach
dieser Lesart und nach dessen Assimilierung durch den beschriebenen Randtrog
zonal über Mitteleuropa gesteuert werden, mit möglichem vorderseitigen,
antizyklonalen Aufsteilen, wobei das Höhenhoch von Skandinavien ins Baltikum
wandert (ICON). IFS lässt das Höhenhoch in den beschriebenen, stark
amplifizierten Rücken modifizieren, der bis nach Südeuropa reicht. Dadurch hält
die Milderung zunächst an, bei 850 hPa-Temperaturen am Sonntag von 4 bis 8 Grad
in der Nordwesthälfte und über 10 Grad im Süden und Südosten. An den Alpen
könnte vorübergehend stärkerer Föhn aufkommen. Trogrückseitig setzt sich von
Nordwesten dann wieder deutlich kühlere Meeresluft durch.

In der erweiterten Mittelfrist deutet sich die Umstellung der Großwetterlage auf
Hoch Nordmeer zyklonal (HNz) an, wobei deterministisch zunächst nur GFS auf
diese Lösung setzt, mit der arktische Polarluft, wahrscheinlich erwärmt über dem
Nordatlantik mit einer nordwestlichen Strömung nach Mitteleuropa gelangt.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des aktuellen Laufs ist zumindest bis Freitag gut, selbst der
Kaltlufttropfen wird mittlerweile besser simuliert und passt auch zu anderen
Globalmodellen. Am Wochenende nimmt die Unsicherheit deutlich zu. Unklar bleibt,
ob sich über Mitteleuropa eine eher zonale Strömung durchsetzt oder aber mit
verstärktem Grönland Blocking ein neuerlicher Kaltluftvorstoß in Richtung
Mitteleuropa in Gang kommt.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die beschriebene Entwicklung bezüglich Zugbahn des Kaltlufttropfens (Höhentief)
wird mittlerweile von den Globalmodellen IFS, GFS und ICON recht ähnlich
gesehen. In Richtung Wochenende divergieren allerdings letztgenannte Modelle
recht schnell, angefangen von der Einbindung des Höhentiefs in einen Randtrog
bei den Britischen Inseln, fortgesetzt mit der vorübergehenden Zonalisierung
über West- und Mitteleuropa (noch mit Fragezeichen) und schlussendlich mit der
Umstellung der Großwetterlage mehrheitlich auf HNz (IFS-EPS) in der Ausprägung
AO, später auch NAO negativ. GFS z.B. bildet zu Beginn der übernächsten Woche
einen LW-Trog über Skandinavien vs. Höhenhoch/ Höhenrücken über Grönland/Island
mit einer zyklonalen nordwestlichen Strömung ins Spiel, wovon IFS
deterministisch noch nicht viel wissen will. Dort wird vielmehr ein Höhenrücken
westlich/ bzw. bei den Britischen Inseln gerechnet (GWL Hoch Britische Inseln
(HB).
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Zur Analyse der gruppierten Cluster von IFS-EPS lässt sich folgendes festhalten.


Im Zeitschritt t+120 bis t+168 h (Freitagfrüh bis Sonntagfrüh) existieren vier
Clusterlösungen mit dem Muster Blocking (Skandi, später Nordmeer/Grönland). Erst
zum Sonntag tauchen sowohl wenige zonale Lösungen mit Südwest zyklonal (SWz) als
auch mit Atlantik Ridge (AtR) auf. AtR wird von Haupt- und Kontrolllauf in
Cluster 1 mit 19 Membern unterstützt (entspricht im Wesentlichen der
beschriebenen GWL Hoch Britische Inseln (HB).

Im nächsten Zeitschritt (t+192 bis t+240 (Montagfrüh bis Mittwochfrüh)
verbleiben noch zwei Clusterlösungen. Hier sind Haupt- und Kontrolllauf bei
Unterstützung von 32 Membern klar auf der Seite eines Blockings über Grönland,
teils auch mit einem Höhenrücken vom Nordmeer bis südlich der Britischen Inseln
verbunden. Der LW-Trog über Skandinavien ist hier nun ähnlich wie bei GFS gut
ausgeprägt. Prägendes Muster bei IFS-EPS bleibt AtR in der Ausprägung NAO
negativ.

Für die Rauchfahnen wird ein repräsentativer Ort im norddeutschen Flachland
gewählt.

Bezüglich 850 hPa-Temperatur ist die Abkühlung auf -2 bis -4 Grad zur
Wochenmitte relativ eng gebündelt, danach ebenso der stete Anstieg bis Sonntag
auf 4 bis 7 Grad. Hiernach gehen Haupt- und Kontrolllauf bei großer Streuung in
den Keller, auf ca. -4 bis -8 Grad am Dienstag.

Niederschlagssignale bestehen zur Wochenmitte und danach erneut am Wochenende/
Beginn übernächste Woche.

Das Geopotenzial hat durch das Höhentief einen Knick um die Wochenmitte, um
hiernach wieder auf das vorherige Niveau (560 bis 570 dam) anzusteigen. Zu
Beginn der übernächsten Woche ist ein erneuter Abfall (bei großer Streuung) zu
vermerken.

FAZIT: Zunächst bleibt die Hochrandlage mit Höhentief wetterbestimmend, am
Wochenende/ zu Beginn der übernächsten Woche ist eine Umstellung der GWL auf HNz
möglich, d.h. deutliche Abkühlung und insgesamt wohl zunehmende
Niederschlagsneigung, Nordhälfte windig.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Mittwoch und der Nacht zum Donnerstag an der Ostsee stürmische Böen (Bft 8)
aus Nordost gering wahrscheinlich. Im Nordosten und Osten geringe
Wahrscheinlichkeit für einzelne Gewitter mit stürmischen Böen (Bft 8).

Am Donnerstag im Süden und Südwesten einzelne Gewitter mit stürmischen Böen (Bft
8) nicht ausgeschlossen.

Am Freitag im Westen, am Samstag v.a.im Südwesten einzelne Gewitter mit
stürmischen Böen (Bft 8) gering wahrscheinlich. Am Samstag/zum Sonntag auf
einigen Alpengipfeln Föhnsturm möglich (Bft 9 bis 10).
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GEFS, MOSMIX, ICON, NOAA, StratObserv
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz