DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-04-2023 17:01
SXEU31 DWAV 121800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 12.04.2023 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Wechselhaft und für die Jahreszeit zu kühl.

WIND:
Zunächst auf exponierten Bergen im Süden teils schwere Sturmböen zwischen 70 und
100 km/h (Bft 8 bis 10). In der Nacht zum Donnerstag abnehmender Wind. Danach
vorerst keine markant zu bewarnenden Böen. Erst in der Nacht zum Samstag im
östlichen Bergland wieder auffrischender Wind, in Kamm- und Gipfellagen sowie
auf dem Brockenplateau mit Sturm- und schweren Sturmböen bis Bft 10. Am Samstag
wahrscheinlich bis auf das Erzgebirge andauernd, dann auch an der Ostseeküste
sowie im Hochsauerland und auf den Gipfeln der zentralen Mittelgebirge
stürmische Böen.

GEWITTER:
Von Westen und Südwesten her bis in die Mitte hinein einzelne kurze Gewitter mit
Graupel sowie steifen bis stürmischen Böen 7-8 Bft.
Nachts abklingende Gewitter.
Am Donnerstag mit geringer Wahrscheinlichkeit von Südwesten bis in die Mitte
hinein einzelne kurze Gewitter, teils mit Windböen und Graupel. Abends alsbald
abklingend.
Auch am Freitag in einem breiten Streifen von der Nordsee bis in den Süden
Deutschlands hinein einzelne isolierte Gewitter nicht ganz auszuschließen.

DAUERREGEN:
Donnerstag an den Alpen und in der Nacht zum Freitag im östlichen Bergland
beginnend Dauerregen, bis Samstag in den östlichen Mittelgebirgen und an den
Alpen bis in die Nacht zum Montag hinein andauernd. Niederschlagssummen bis
Samstagabend 40 bis 60, am östlichen Alpenrand 50 bis über 80 mm.

SCHNEEFALL:
In der Nacht zum Donnerstag an den Alpen beginnend oberhalb 800 bis 1000 m,
später oberhalb etwa 1200 m Schneefall, mit Unterbrechungen bis in die Nacht zum
Samstag hinein andauernd. Dabei 20 bis über 40, in den Staulagen der
Berchtesgadener Alpen bis über 60 cm Neuschnee.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... gelangt Deutschland in den Randbereich eines von den Britischen
Inseln hereinschwenkenden Troges. Diesem Trog ist ein Frontensystem vorgelagert,
bestehend aus Warm- und Kaltfront, wodurch zeitweise Regen fiel, ohne dass
warnrelevante Niederschlagsmengen zustande kamen. Nach Osten hin wurde das
Übergreifen der an die Warmfront gekoppelten Niederschläge durch einen von den
Ostalpen zu den Baltischen Staaten reichenden Keil noch blockiert, am Abend wird
auch der Nordosten Deutschlands von diesen Niederschlägen erfasst.
Die Kaltfront, die sich mittlerweile organisiert hat, konnte sich in der
trogvorderseitigen südwestlichen Strömung schleifend bis in den Südwesten
Deutschlands vorarbeiten. Präfrontal erfolgte ein Einschub feuchterer Luft mit
einem Gehalt an niederschlagbarem Wasser um 20 mm, die Scherung erreicht
niedertroposphärisch um 15 m/s und hochreichend bis 40 m/s, Hebung ist durch
nordostwärts ablaufende kurzwellige Troganteile ohnehin vorhanden. Allerdings
ist die Labilität nur schwach ausgeprägt, mangels Einstrahlung wird auch kaum
CAPE generiert. Einzelne Gewitter, die in den Niederschlag eingelagert sind bzw.
die an der von Frankreich übergreifenden Staffel sich entwickeln, können zwar
auftreten, aber die Wahrscheinlichkeit hierfür ist nicht allzu hoch. Immerhin
erreicht der Oberwind im 850 hPa-Niveau 40 kt, d.h. in Verbindung mit Gewittern
können durchaus Böen bis Sturmstärke auftreten.
Am späten Abend und in der Nacht zum Donnerstag wird die Kaltfront rasch nach
Nordosten gedrückt und läuft aus dem für hochreichende Konvektion interessanten
Bereich heraus. Demzufolge sollte die Gewittertätigkeit, die an die Kaltfront
gebunden ist, spätestens über den mittleren Teilen Deutschlands rasch in sich
zusammenfallen. Die Kaltfront legt sich in der zweiten Nachthälfte an den Alpen,
wodurch dort oberhalb etwa 1000 m die Niederschläge in Schnee übergehen.
Vielmehr ist dann der Nordwesten in den Fokus zu rücken. Durch die Annäherung
des Troges wird die Schichtung im Nordwesten und Westen Deutschlands zusehends
labiler. Mit der Folge, dass auf diese Gebiete einzelne kurze Kaltluftgewitter
übergreifen können. Graupel und Böen bis Sturmstärke können auch an diesen
Gewittern auftreten. Für etwas Organisation ist die niedertroposphärische
Scherung, die auch in diesen Gebieten bei Werten um 15 m/s iiegt, hinreichend.
Allerdings ist die Luftmasse sehr trocken, der Gehalt an niederschlagbarem
Wasser erreicht nur wenig mehr als 10 mm. Auch Hebung ist nicht allzu
ausgeprägt, so dass die Gewittertätigkeit (wie bereits weiter nordwestlich zu
sehen ist) eher gedämpft erfolgt.
Mit der Verlagerung des mit dem Trog korrespondierenden Tiefs in die Nordsee
zieht der Gradient etwas an, wodurch dann an der Nordsee und mit geringer
Wahrscheinlichkeit auch im küstennahen Binnenland Windböen Bft 7 und in den
westlichen Mittelgebirgen Wind- und exponiert (Westeifel) vorübergehend
stürmische Böen aufkommen.

Donnerstag ... weitet sich der über Frankreich liegende Trog eher nach Süden aus
als dass er nach Osten vorankommt. Somit verbleibt Deutschland noch
trogvorderseitig unter einer südwestlichen aufsteilenden Strömung. Zwar setzt
sich mit dem sich etwas annähernden Trog labil geschichtete Luft auch in den
mittleren Landesteilen durch; als stabil ist die Schichtung dann nur noch im
Südosten und im äußersten Osten zu bezeichnen. Etwas Feuchte ist nur in einem
Streifen von der Nordsee und Schleswig-Holstein bis in den Südwesten
Deutschlands hinein zu finden. Demzufolge können sich in diesen Gebieten,
gestützt durch den Tagesgang, einzelne Gewitter entwickeln. Graupel ist nicht
auszuschließen, Windböen sind eher auf den nördlichen Teil dieses Streifens
sowie auf die nördlichen Mittelgebirge beschränkt. Westlich davon, aber auch von
der Ostsee bis zu den östlichen Mittelgebirgen, bleibt es weitgehend trocken.
Der sich bis ins westliche Mittelmeer ausweitende Trog induziert südlich der
Alpen eine Zyklogenese. Wenngleich Hebungsprozesse, die hauptsächlich aus
Warmluftadvektion resultieren, nur in abgeschwächter Form den Alpennordrand
erfassen, so bewirken diese doch in Verbindung mit Stau ein Andauern der
Niederschläge. Die Schneefallgrenze liegt bei etwa 1000 m, mit den Schneefällen
aus der Nacht zuvor sind einige bis über 15, in den Staulagen der
Berchtesgadener Alpen mehr als 30 cm Neuschnee zu erwarten. Die
Aufgleitbewölkung an der Nordflanke des sich über Oberitalien entwickelnden
Tiefs erfasst den gesamten Südosten und größtenteils auch den Süden
Deutschlands. Im Nordwesten und Norden und auch in Teilen der Mitte zeichnen
sich Auflockerungen ab. Dort ist auch etwas Durchmischung gegeben. In diesen
Gebieten sowie in Rheinnähe werden 10 bis 14 Grad erreicht, wogegen sich sonst
die Temperaturen zwischen 5 und 10 Grad bewegen.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der Südteil des wetterbestimmenden Troges ins
Tyrrhenische Meer, wogegen dessen nördlicher Teil kaum nach Osten vorankommt.
Das aus der Zyklogenese hervorgegangene Tief wird, ohne sich vorerst wesentlich
zu intensivieren, nach Ungarn gesteuert. Warmluftadvektion nebst hierdurch
induzierter Hebung, die den Osten Deutschlands erfasst, lässt im Osten und
Südosten Deutschlands Niederschläge aufkommen. In den östlichen Mittelgebirgen
gehen diese oberhalb 1000 m in Schnee über. An den Alpen verstärken sich die
Schneefälle, durch die Niederschlagabkühlung sinkt die Schneefallgrenze auf
Lagen um 800 m ab. In und unmittelbar an den Alpen kommen weitere 10 bis über 15
cm Neuschnee innerhalb von 12 Stunden hinzu.
Zwischen einem Tiefdruckkomplex über den Britischen Inseln und südwestlich davon
und dem Tief über Ungarn kommt durch kompensierendes Absinken ein
Zwischenhochkeil zustande. In dessen Bereich kommt die Luftmasse zur Ruhe, im
Westen und Nordwesten Deutschlands klart es verbreitet auf. In ungünstigen Lagen
kann sich bei längerem Aufklaren daher leichter Frost oder zumindest Bodenfrost
einstellen.

Freitag ... tropft der o.g. Trog in Richtung Südtirol/Slowenien aus, wobei der
Resttrog, faktisch ein Schlauch tieferen Geopotentials, das die Verbindung zu
einem Trog über den Britischen Inseln aufrecht hält, dann über dem Westen und
Süden Deutschlands liegt. Dynamische Antriebe bringt dieser Schlauch nicht mehr
zustande, vielmehr zeichnen sich von der Nordsee bis in den Südwesten
Deutschlands hinein größere Auflockerungen ab. Einzelne Schauer oder isolierte
Gewitter sind dennoch nicht ganz auszuschließen. Zwar ist die Schichtung
hinreichend labil; auch wird ein wenig CAPE generiert, aber der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser lieg nur bei Werten um 10 mm; auch ein
Kondensationsniveau, das bei 2000 m liegt, ist nicht unbedingt Indiz für
konvektive Umlagerungen. Daher ist die Wahrscheinlichkeit für Blitz und Donner
nur sehr gering.
Wesentlich mehr Antriebe bringt das Bodentief zustande, das aus der Zyklogenese
über Oberitalien hervorging und nunmehr auf Vb-ähnlicher Zugbahn von Ungarn zu
den Beskiden zieht. Warmluftadvektion und die hierdurch generierte Hebung lässt
die Niederschläge im Osten und Südosten Deutschlands andauern. Innerhalb von 12
Stunden kommen einige bis 10, im Osten bis 15 mm zusammen und an den Alpen
weitere 5 bis 10 cm Neuschnee hinzu, wobei dort die Schneefallgrenze auf etwa
1000 m ansteigt.
Während unter mehrschichtiger Bewölkung und im Niederschlag nur
Höchsttemperaturen zwischen 5 und 10 Grad zu erwarten sind, steigt sonst die
Temperatur auf 10 bis 15 Grad, in Rheinnähe auch etwas darüber.

In der Nacht zum Samstag tropft der über den Britischen Inseln liegende Trog
aus. Mit dem über dem südöstlichen Mitteleuropa liegenden Höhentief ergibt sich
ein Dipol, dessen Rotationszentrum über dem Süden Deutschlands liegt. Bedingt
durch diese Drehbewegung verlagert sich auch das Bodentief von den Beskiden nach
Südwestpolen bis in die Nähe der Lausitz. Demzufolge weiten sich die
Niederschläge, die aus herumgeholter Warmluft resultieren, die an der Nordflanke
des Tiefs auf dessen Westseite vorstößt, bis in die mittleren Regionen
Deutschlands aus. Im Osten zeichnet sich sogar eine leichte Intensivierung ab.
Im Erzgebirge sinkt die Schneefallgrenze auf etwa 800 m ab, oberhalb davon
kommen einige Zentimeter Neuschnee zusammen. Bedingt durch die Annäherung des
Tiefs verschärft sich der Gradient, in den Kamm- und Gipfellagen der östlichen
Mittelgebirge und später auch auf den Gipfeln des Harzes kommen Sturm- und
schwere Sturmböen bis Bft 10 auf. Zudem muss dann auch an der Ostseeküste mit
Windböen Bft 7 gerechnet werden.
Kompensierendes Absinken, das die Gebiete vom Westen und Nordwesten Deutschlands
bis zu den Alpen erfasst, bewirkt, abgesehen vielleicht von den Berchtesgadener
Alpen, ein vorübergehendes Nachlassen der Niederschläge bzw. Schneefälle am
Alpenrand. Im Westen kann es längere Zeit aufklaren, in diesen Gebieten kann
daher leichter Frost oder zumindest Frost in Bodennähe nicht ganz ausgeschlossen
werden.

Samstag ... setzt sich die Rotationsbewegung des dipolartigen Höhentiefs fort.
Das für unser Wettergeschehen relevante Bodentief verlagert sich über die
Lausitz hinweg in den Erzgebirgsraum und beginnt sich dort allmählich
aufzufüllen. Demzufolge weiten sich die Niederschläge über die Mitte hinweg
westwärts aus, wahrscheinlich bleibt es nur westlich des Rheins und im äußersten
Südwesten noch weitgehend trocken. Auflockerungen sind in diesen Gebieten am
wahrscheinlichsten. Später am Tag lassen auch, bedingt durch einsetzende
Kaltluftadvektion, im Osten die Niederschläge nach und es gibt vermehrt
Wolkenlücken. Im Stau des Erzgebirges dauern die Niederschläge unverändert an,
wobei im Tagesverlauf ein Ansteigen der Schneefallgrenze von etwa 800 m bis über
1000 m erfolgt. Die Niederschläge dürften daher durchweg in Regen übergehen. Im
Bayerischen Wald liegt die Schneefallgrenze nach wie vor bei etwa 800 m. An den
Alpen werden durch erneut einsetzenden Stau, der aus der von West auf Nordwest
drehenden Strömung resultiert, im Tagesverlauf die Niederschläge erneut
einsetzen. Dort liegt die Schneefallgrenze zunächst noch bei etwa 1200 m.
Bedingt durch die Verlagerung des Bodentiefs in den Erzgebirgsraum sind dann
auch in den Hochlagen der zentralen und nördlichen Mittelgebirge sowie des
Hochsauerlandes und zusätzlich an der Ostseeküste Wind- und stürmische Böen zu
erwarten. Mit Windböen muss auch in einigen Leelagen sowie im küstennahen
Binnenland gerechnet werden. Zudem wirkt der Tagesgang hier noch etwas
verstärkend. Im Tagesverlauf flaut jedoch, bedingt durch die Verlagerung des
Kerns des Tiefs in diese Region, der Wind im Erzgebirge ab. Mit
Tageshöchsttemperaturen zwischen 8 und 14 Grad bleibt es für die Jahreszeit zu
kühl.


Modellvergleich und -einschätzung
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Bis einschließlich in die Nacht zum Samstag hinein stützen die verfügbaren
Modelle die oben beschriebene Entwicklung. Prognoserelevante Unterschiede lassen
sich bis dahin nicht ableiten. Erst am Samstag ergibt sich nach GFS eine relativ
strukturlose Druckverteilung, wogegen EZMW und auch UK10 die oben beschriebene
Variante stützen.
Auch hinsichtlich der Niederschlagsentwicklung zeigen sich keine signifikanten
Unterschiede. Die angegebenen Niederschlagssummen werden von Seiten der
Probabilistik (COSMO-LEPS und auch ICON-EU EPS) gestützt. Für den Alpenrand und
für das östliche Alpenrand bis etwa zum Inn sowie den Bayerischen Wald sind bis
Samstagabend innerhalb 48 Stunden aufakkumuliert 40 bis über 60, am östlichen
Alpenrand bis 90 mm Niederschlag zu erwarten, wobei in den Hochlagen der Alpen
Schnee fällt. Dort (und auch im Erzgebirge, wo auch 40 bis über 50 mm
zusammenkommen können), wäre eine Dauerregenwarnung in Erwägung zu ziehen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann