DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-04-2023 17:01
SXEU31 DWAV 111800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 11.04.2023 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Heute Abend rasch abnehmende Konvektion, danach aber nur kurzer
Zwischenhocheinfluss. Am Mittwoch Durchgang eines weiteren Frontensystems
(Absender ist QUAX), danach Trograndlage.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... liegt der Großteil eines klassischen Aprilwettertags bereits hinter
uns. Wind, Schauer, Gewitter, Sonne und Wolken, es gibt quasi nichts, was nicht
geboten wurde und auch immer noch geboten wird. Inzwischen hat sich die Lage
aber zumindest etwas beruhigt. So hat der Wind vor allem nach Westen hin Fahrt
rausgenommen und auch die Schauerhäufigkeit respektive -ausbreitung ist bereits
etwas zurückgegangen, auch wenn Stand 16 UTC noch ein paar elektrische Zellen
unterwegs sind. Gründe für die einsetzende Beruhigung gibt es verschiedene: der
Tagesgang (abnehmende Sonnenhöhe), die von Westen einfließende trockene Luft
(Taupunkte teils unter 0°C), eine zunehmende Stabilisierung durch einen flachen
Rücken, der Höhentrog und -kaltluft (und mithin die stärkste Labilität) mehr und
mehr in den äußersten Osten und Nordosten zurückdrängt, sowie ein von Frankreich
nach Süddeutschland ausgreifender Zwischenhochkeil, der eine
Gradientauffächerung und damit Windabnahme bewirkt.

In der Nacht zum Mittwoch wandert besagter Rücken ebenso so flott über den
Vorhersageraum hinweg wie das Zwischenhoch am Boden. Von Westen her beginnt der
Luftdruck bereits wieder zu fallen. Ursache ist eine beginnende Austrogung über
dem nahen Atlantik, die mit einer fortschreitenden Zyklogenese im Raum UK/Irland
einhergeht. Das Resultat ist ein doppelkerniges Sturmtief namens QUAX, das sich
bis morgen früh auf etwas unter 980 hPa vertieft. Das zugehörige okkludierende
Frontensystem nimmt Kurs auf Kontinentaleuropa, wo es uns im Laufe des morgigen
Mittwochs erwischen wird. Die vorderseitige, weit nach Osten ausgreifende WLA
ist bereits jetzt schon angekommen (Cirren im Südwesten) und verstärkt sich in
den nächsten Stunden noch. Entsprechend zieht von Südwesten mehrschichtige
Bewölkung auf, aus der es bis zum Morgen in weiten Teilen der Südwesthälfte
leicht regnet. Meist liegen die Mengen unter 5 l/m², nur im Westen stellenweise
etwas darüber.
Richtung Osten und Nordosten bleibt die Nacht - nachdem sich die letzten
Quellwolken verzogen oder aufgelöst haben und auch die zugehörigen konvektiven
Aktivitäten eingestellt wurden - über weite Strecken gering bewölkt (aufziehende
Cirren) oder klar. Und da zudem der Wind in die Knie geht, kann sich die
abgetrocknete maritime Polarluft auf Werte um oder sogar etwas unter 0°C
abkühlen. Am Boden muss im gesamten Osten und Nordosten sowie in Ostbayern mit
leichten Minusgraden gerechnet werden.

Nach Durchgang des Zwischenhochs dreht der Wind - wenn er nicht gänzlich
einschläft - rück auf Südost. Im Westen und Nordwesten lebt er etwas auf,
insbesondere über der Nordsee sowie im Bergland (Böen 7 Bft, Helgoland evtl. 8
Bft, Feldberg/Brocken bis 9 Bft).

Mittwoch ... arbeitet der Höhentrog über Westeuropa an der Vergrößerung seiner
Amplitude, was freilich auf Kosten der Progression geht. Das inkludierte
Höhentief nistet sich über UK/Irland ein, wo sich auch der doppelte QUAX um eine
gemeinsame Achse dreht. Während der nördliche Kern zum Ende des Tages irgendwo
zwischen Schottland und den Hebriden aufschlägt, erreicht das südliche
Drehzentrum die westliche Nordsee (Kerndruck dann zwischen 985 und 990 hPa). Das
Frontensystem überquert Deutschland langsam ostwärts, wobei der Süden in den
zunächst noch offenen Warmsektor gelangt (südlich der Donau steigt T850 auf 5
bis 8°C an). Mit Verlagerung der Fronten kommt es zu zeitweiligen Regenfällen,
bei denen gebietsweise 5 bis 10 l/m² innert weniger Stunden, in einigen
exponierten Staulagen gar bis zu 15 l/m² zusammenkommen können. Bis zum Abend
trocken bleibt es sehr wahrscheinlich an Oder und Neiße, wo gerade am Vormittag
die Sonne noch ganz gut mit den aufziehenden Cirren zurechtkommt.

An der Kaltfront bzw. Okklusion werden z.B. von SuperHD ein paar wenige
eingelagerte Gewitter angeboten, die in anderen Modellen (von SuperHD auch) erst
in der postfrontal einfließenden subpolaren Meeresluft (T850 knapp unter 0°C)
auftauchen. Die letzte Variante ist etwas plausibler, weil die Schichtung erst
mit dem sehr langsamen Übergreifen des Troges sowie der zugehörigen
Höhenkaltluft (T500 um -30°C) ausreichend labilisiert. An der Kaltfront selbst
ist es nicht sonderlich labil, dafür aber deutlich feuchter als in der
rückseitigen Luft. Zusammengefasst, an der Front sind ein paar wenige Blitze
nicht ausgeschlossen, das große Tamtam wird es aber nicht geben. Postfrontal
entwickeln sich im Westen ein paar Schauer und einzelne Gewitter, deren
Organisationsgrad noch nicht endgültig feststehen. Scherung und Hebung sind
trogvorderseitig sowie am linken Ausgang eines Jetstreaks ausreichend vorhanden,
was das im Allgemeinen sehr forsche AROME dazu veranlasst, gleich mal eine schön
ausgeprägte Linie zu simulieren. ICON-D2 belässt es im Wesentlichen bei
Einzelzellen, während SuperHD eine Zwischenlösung markiert. Nochmal, der
abnehmende Wasserdampfgehalt (Rückgang PPW auf rund 10 mm, spezifische
Grundschichtfeuchte auf unter 5 g/kg) schränken die Produktion von CAPE merklich
ein. Trotzdem dürfte es für ein paar Gewitter reichen, die von Graupel/kleinem
Hagel und Böen 8 Bft begleitet sein können.

Böen ist ein gutes Stichwort, um abschließend noch der gesamten Windentwicklung
ein paar Takte zu widmen. Vor bzw. an der Okklusion bzw. Kaltfront frischt der
Wind kurzzeitig und böig auf, bevor er auf Südwest bis West dreht. Vor allem in
höheren Lagen sowie im Lee einiger Mittelgebirge und in freien Lagen kommt es zu
Böen 7 Bft. In exponierten Kammlagen stehen Böen 8-9 Bft, auf dem Feldberg im
Schwarzwald 10 Bft auf dem Programm. An und auf der Nordsee, wo die Okklusion
zur Mittagszeit weitgehend durch ist, geht der anfänglich lebhafte Südostwind
mit Drehung auf Südwest merklich in die Knie.

Die Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen 8 und 14°C, ganz im Osten sowie
ganz im Süden (Warmsektor) lokal um 15°C.

In der Nacht zum Donnerstag erreicht das hochreichende Tief die westliche
Nordsee, wodurch auch der Höhentrog etwas nach Osten vorankommt. Die
Meridionalachse verbleibt aber noch westlich, was eine südwestliche
Höhenströmung für uns zur Folge hat. Der frontale Regen zieht im Osten und
Nordosten noch größtenteils vor Mitternacht ostwärts ab. Anders hingegen die
Situation im Süden, wo die Front ins Schleifen gerät bzw. von einem Tief über
Oberitalien ausgebremst wird. Etwa vom Bodenseeraum bzw. dem Alpenrand bis
hinüber zum Bayerischen Wald kommt es zu länger andauernden, im südlichen
Alpenvorland und an den Alpen gar nicht mal so unergiebigen Niederschlägen. Für
eine Dauerregenwarnung wird´s wahrscheinlich nicht reichen, dafür wird noch mal
eine Schneefallwarnung ausgepackt. Im Zuge kontinuierlicher KLA (Rückgang T850
auf -2/-3°C) sowie starker Niederschlagsabkühlung sinkt die Schneefallgrenze auf
etwa 1000 m oder sogar noch etwas darunter. Dabei können oberhalb 1000 bis 1200
m durchaus bis zu 10 cm, lokal noch etwas mehr Neuschnee zusammenkommen.

Im Westen fällt die Konvektion tagesgangbedingt zunächst zusammen, bevor in der
zweiten Nachthälfte von der Nordsee und den Niederlanden her ein konvektiv
geprägtes, um das o.e. Tief herumgewickelte Regenband den Nordwesten erreicht.
Dort frischt auch der Südwest- bis Westwind wieder auf, insbesondere an und auf
der Nordsee (7-8 Bft), zum Teil aber auch im Binnenland (noch leichte
Modellunterschiede).

Abgesehen von einigen Berglagen bleibt die Nacht frostfrei.

Donnerstag ... gelangt Deutschland immer mehr in den Bereich des Troges, der
aber an Wellenlänge einbüßt und dafür weiter an Amplitude gewinnt. Ob es noch im
Laufe des Tages zu einer Abtropfung irgendwo südlich der Alpen kommt, ist noch
nicht ganz sicher. Sicher hingegen scheint, dass der gute QUAX über der Nordsee
nicht so richtig vom Fleck kommt und sich zunehmend auffüllt. Seine Energie
reicht aber noch, um dem Nordseeumfeld ein paar Schauer sowie einen frischen und
böigen Wind (7-8 Bft) zukommen zu lassen.

Tief #2 - es handelt sich übrigens um RUFOLF - verlagert sich ebenfalls
nur sehr langsam von Oberitalien in Richtung nördliche Adria bzw.
Kroatien/Slowenien. Entsprechend halten die Dauerniederschläge im äußersten
Süden und Südosten zunächst noch an, bevor sie im Tagesverlauf schwächer werden
respektive sich nach Österreich zurückziehen. Zuvor reicht es insbesondere am
östlichen Alpenrand oberhalb rund 1000 m noch für 5 bis 10 cm Neuschnee.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass es unter dem Trog, wo die Luft am
labilsten ist (schwerpunktmäßig Westhälfte; T500 -32°C über T850 -2°C) zu
tagesgangbedingter Konvektion kommt. Limitierender Faktor ist nach wie vor der
sehr dünne Wasserdampfgehalt der subpolaren Luftmasse mit z.T. nur einstelligen
PPW-Werten und rund 3 g/kg spez. Feuchte. Kein Wunder, dass ICON Wolkenbasen
bzw. HKNs von 1800 bis 2000 m anbietet, was für den Niederschlag weite Wege mit
Verdunstungspotenzial bedeutet. Trotzdem wird es für den einen oder anderen
Schauer, vereinzelt auch kurze Gewitter reichen.

Thermisch gilt es sich auf 7 bis 14°C einzustellen, wobei der Süden kälter
abschneidet als der Norden.

In der Nacht zum Freitag weitet sich der zunehmend negativ geneigte Höhentrog
bis nach Italien aus, wo er - sofern es nicht schon vorher passiert ist -
schlussendlich abtropft. Am Boden steigt der Luftdruck etwas und von Frankreich
her schiebt sich ein schwacher Zwischenhochkeil bis zur Mitte vor. Während die
konvektiven Aktivitäten unter dem Trog tagesgangbedingt weitgehend zum Erliegen
kommen, kommt es auf der unmittelbaren Vorderseite zu weiteren Hebungsprozessen.
Dabei kann es im äußersten Osten etwas regnen und im Süden und Südosten Bayerns
könnten die Niederschläge regeneriert werden. Nicht unwahrscheinlich, dass in
den Alpen oberhalb 800 bis 1000 m noch mal bis zu 10 cm, lokal vielleicht 15 cm
Neuschnee fallen. Zum Mitschreiben, tritt es etwa so ein wie simuliert und
beschrieben, wären das in Summe bis Freitagfrüh oberhalb etwa 1000 bis 1200 m 10
bis 30 cm, lokal bis 40 cm Neuschnee. Zum Jahreswechsel (man erinnere sich, fast
T-Shirt-Verhältnisse) hätte man sich darüber sicherlich mehr gefreut, aber nun.

Im großen Rest des Landes muss bei längerem Aufklaren mit Tiefstwerten um den
Gefrierpunkt gerechnet werden, verbreitet Frost in Bodennähe inklusive.

Freitag ... verbleibt das Residuum des abgetropften Troges diagonal über
Deutschland liegen. Gesamttroposphärisch erwärmt sich die Luftmasse aber ein
wenig, in höheren Schichten mehr als weiter unten, was eine Stabilisierung zur
Folge hat. Insgesamt nimmt die Schauertätigkeit also ab. Und da sich ausgehend
von einem neuen fennoskandischen Hoch ein Keil bis in den Westen unseres Landes
ausweitet, setzt sich dort gar nicht mal so selten die Sonne durch.

Ganz anders sieht es im Osten und Südosten aus, wo auf der Vorderseite des
Residuums sowie auf der Nordwestflanke des Cut-Off-Tiefs weiterhin Hebung und
entsprechend teils andauernder Niederschlag generiert wird. Im höheren Bergland
fällt Schnee, wobei die apostrophierten Mengen modellübergreifend derzeit noch
schwanken.

Während in Oberbayern z.T. nur 7 oder 8°C maximal erreicht werden, könnten es
rund um Kölle, Herne und Dochtmund bis zu 16°C werden.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Wie so oft werden die Basisfelder sehr ähnlich simuliert. Offen ist hingegen die
Frage, wie sich Konvektion und Niederschlag entwickeln. Gerade ein Bezug auf die
Schneefälle in den Alpen dürfte das sehr interessant werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann