DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-04-2023 08:30
SXEU31 DWAV 090800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 09.04.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
*********************** Frohe Ostern *********************************

GWL: Übergang von HFa (Hoch Fennoskandien antizyklonal) zu Ww (Winkelwest)

Erst OLDENBURGIA, dann PETER - Ostern unter Hochdruckeinfluss, danach deutlich
wechselhafter.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... dem ersten Ostertag zeigt sich die Atmosphäre bemerkenswert
empathisch, indem sie uns in ihrer großräumigen Potenzialverteilung im wahrsten
Sinne des Wortes ein paar "Eier ins Nest" legt. Wie meinen? Nun, schaut man sich
die Isohypsenverteilung von West nach Ost genauer an, gilt es zunächst mal einen
relativ breiten, dafür recht flachen Höhentrog über dem Ostatlantik
vorzustellen. Er ist deswegen von Bedeutung, weil er bereits zum kommenden
Dienstag, also übermorgen, eine nachhaltige Umstellung der GWL einleitet.
Eingelagert in den Trog ist das hochreichende Sturmtief PETER, ein wahrer
Prachtbursche, der vergangene Nacht mit einem Kerndruck von etwas unter 965 hPa
einige hundert Kilometer südwestlich von Island analysiert werden konnte. Von
dort verlagert sich das PETERle nicht wie man meinen könnte nach Osten, nein, es
zieht ihn gen Nordwesten in Richtung Kap Farvel (Südspitze Grönlands).
Merkwürdig möchte man in erster Näherung meinen, doch es gibt einen
substanziellen Grund, sich nicht nach Osten zu orientieren. Dort, genau genommen
über Teilen des Europäischen Nordmeers, vor allem aber über dem
nordfennoskandischen Festland thront die hochreichende Antizyklone OLDENBURGIA
(im Zentrum anfangs über 1035 hPa, im Tagesverlauf etwas fallend), die unseren
Freund PETER ganz einfach wegblockt respektive zum Rückzug zwingt. Und wo sind
nun die versprochenen "Eier"? Die liegen in Form von Höhentiefs weiter südlich:
eines über Mittelskandinavien, ein zweites (mit 2 Drehzentren) zwischen
Niederösterreich und Süditalien. Deutschland befindet sich genau zwischen diesen
beiden Systemen, die nicht gerade als Bewegungswunder durchgehen. So bleibt das
nördliche Tief heute weitgehend vor Ort, während sich der nördliche Kern des
südlichen Tiefs nur sehr langsam nach Süden zurückzieht. Wichtig für uns, und
damit wären wir endlich in Deutschland angelangt, ist die Tatsache, dass wir
genau zwischen den Tiefs liegen. Ausgefüllt wird der Platz von einem relativ
schmalen, von Südwesteuropa über Norddeutschland nach Osten verlaufenden
Höhenkeil, welcher der hiesigen Höhenströmung mit Ausnahme des Südostens einen
antizyklonalen Anstrich verleiht.

Antizyklonal gestaltet sich auch das Bodendruckfeld, das heute ganz klar von
einem Hochkeil beherrscht wird. Dieser stellt den Fortsatz der bereits erwähnten
OLDENBURGIA dar und reicht quasi über ganz Skandinavien und Deutschland hinweg
bis zu den Alpen. Zwar fällt der Luftdruck bei uns ganz leicht (Stand 5 UTC;
inzwischen leichter Anstieg), was aber lediglich dazu führt, dass die
Meridionalachse des Keils geringfügig nach Osten verschoben wird - marginal
zwar, aber durchaus mit Folgen für die Temperaturentwicklung, wie wir noch sehen
werden. Trotz der antizyklonalen Rahmenbedingungen wird der heutige Ostersonntag
keinesfalls im ganzen Land Affenhochglanz bringen. Auch das hat natürlich
Gründe. So zeigen die meisten Nachtaufstiege von 00 UTC neben der
strahlungsbedingten Bodeninversion noch eine zweite Temperaturumkehr etwa
zwischen 750 und 800 hPa, die eine klassischen Sperrschicht (diesen Begriff
nutzen Meteorologen gerne mal für Inversionen) für die eingeflossene, zumindest
in Teilen feuchte Polarluft darstellt. Nicht von ungefähr hat sich vergangene
Nacht gebietsweise Nebel oder Hochnebel gebildet. Zwar lösen die sich Anfang
April relativ zügig auf bzw. bekommt die Hochnebeldecke Struktur, dafür bilden
sich mit zunehmender Einstrahlung Quellungen, die mal mehr, mal weniger an der
Sperrschicht (wo sie nicht weiter nach oben anwachsen können) breitlaufen.
Kurzum, neben sonnigen oder nur locker bewölkten Gebieten wird es heute auch
wolkige bis stark bewölkte Regionen geben, was natürlich nicht gerecht, aber
typisch für die Atmosphäre ist. In diesem "Gemischtwarenladen" dürfte die Sonne
nach MOS im Tagesverlauf am häufigsten im Südwesten (insbesondere BaWü) sowie
gebietsweise im Osten (insbesondere Sachsen-Anhalt) zu sehen sein. Aber auch
sonst besteht natürlich zeitweise die Hoffnung auf Direktsicht. Am Nachmittag
und Abend ist dann ein klarer Trend zum Rückgang bzw. dem Auflösen der Bewölkung
erkennbar. Etwas Niederschlag gibt es am ehesten im äußersten Südosten Bayerns,
quasi in der Peripherie des scheidenden Höhentiefs. Oberhalb etwa 800 bis 1000 m
fällt Schnee, allerdings ohne nennenswerte Akkumulation.

Blieben zum Schluss - eigentlich viel zu viel geschrieben für völlig
unspektakuläres Wetter - noch die Temperaturen, die bei T850 zwischen -2 und
+2°C weiterhin nicht die ganz großen Sprünge nach oben machen können. An den
Alpen, am Fuße des Bayerischen Waldes sowie an Küstenabschnitten mit auflandigem
Wind (der aus östlichen Richtungen kommt) gilt es sich auf maximal 8-10°C
einzustellen. Ansonsten reicht die Spanne von 11 bis 16°C, am Oberrhein lokal
vielleicht 17°C.

In der Nacht zum Ostermontag tut sich noch nicht allzu viel an der großräumigen
Strömungskonstellation. Okay, der o.e. Höhentrog kommt ein Stück nach Osten
voran und erreicht bis zum Morgen UK/Irland. Dahinter baut sich über dem
Atlantik übrigens eine wunderbar ausgeprägte, zonal exponierte Frontalzone mit
eingelagertem Jet auf, die dem Kontinent immer näherkommt. Das gilt auch für das
okkludierende Frontensystem des Sturmtiefs PETER, der sich wie oben beschrieben
zwar zurückzieht, auf der anderen Seite aber kleine Teiltiefs installiert, die
seinen indirekten Einfluss auf das europäische Wettergeschehen garantieren.

In der Nacht ist bei uns davon allerdings noch nicht allzu viel zu spüren, wenn
man mal von hohen Wolken absieht, die schwacher WLA folgend von Westen langsam
zu uns reinziehen. Dafür nimmt der Anteil tiefer Bewölkung weiter ab (in
Südostbayern sowie gebietsweise im Norden allerdings sehr zögerlich), wobei sich
vornehmlich im Osten und Südosten gebietsweise Nebel bildet. Darüber hinaus geht
die Temperatur in der Südosthälfte sowie allgemein in den Mittelgebirgen
häufiger als vergangene Nacht in den leichten Frostbereich zurück. In Bodennähe
kann es auch im Westen und Norden punktuell auf etwas unter 0°C abkühlen. Auf
der Nordsee nimmt der Südostwind ein wenig zu, bleibt aber noch deutlich unter
den Warnschwellen.

Montag... wandert der o.e. Höhenkeil langsam südostwärts über Deutschland
hinweg. Gleichzeitig verlagert sich der etwas schwächelnde Bodenhochkeil nach
Polen. Damit gelangen wir auf seine "warme" Westflanke bzw. auf die Vorderseite
eines der PETERSCHEN Teiltiefs, von denen ICON eines morgen Mittag 12 UTC bei
den Färöers sieht. Die zugehörige Okklusion überquert UK und erreicht die
Nordsee, zum Abend hin dann Benelux. Die WLA verstärkt sich etwas, was wiederum
die Zufuhr mehrschichtiger und zunehmend kompakter Bewölkung in den Westen und
Nordwesten forciert. Und so kommt es wie es kommen muss, am Spätnachmittag bzw.
am frühen Abend fängt es von Ostfriesland bzw. dem Emsland bis hinunter ins
Saarland leicht an zu regnen. Dabei lebt der Süd-Südostwind im Zuge
kontinuierlicher Gradientverschärfung etwas auf, ohne dass aber die Farbe auf
unserer Warnkarte auf Gelb springt. Vielleicht reicht es am Abend für erste
7er-Böen in den Hochlagen von Eifel und Rothaargebirge sowie auf Helgoland.

Der größte Teil des Landes kann sich morgen auf einen "schönen" zweiten Feiertag
freuen. Nach Auflösung von Nebel scheint verbreitet die Sonne, auch wenn die
Cirrenanteile von Westen her sukzessive zunehmen. Und auch bei der Temperatur
tut sich ein wenig was. Mit Änderung der Anströmung auf südliche Richtungen
steigt nicht nur T850 auf Werte zwischen 1°C rund um die Deutsche Bucht und bis
zu 6°C im Süden. Auch auf 2 m Höhe geht es bergauf, so dass eigentlich zum
ersten Mal ein bis dato vermisster Hauch von Frühling versprüht wird. Maximal 14
bis 19°C stehen auf dem Zettel, am Oberrhein wird lokal vielleicht sogar die
20°C-Marke angekratzt oder leicht überschritten. Selbst an den Küsten wird es
aufgrund der vorherrschend ablandigen Windkomponente relativ mild. Einzig die
Inseln - wie so häufig im Frühjahr - und natürlich das Bergland müssen sich mit
weniger begnügen.

In der Nacht zum Dienstag ist es dann rasch vorbei mit der antizyklonalen
Herrlichkeit, die Wetterlage dreht sich um 180°. Der Rücken wandert
ost-südostwärts ab und macht dem stark negativ geneigten Höhentrog Platz, der
wahre Herkulesarbeit leistet. Zunächst greift er in voller Stärke auf den
Vorhersageraum über, führt ganz nebenbei den Jet bis nach Süddeutschland heran
und schiebt zusätzlich noch die Okklusion vor sich her, die uns mit ihrem
frontalen Regenband zügig ostwärts passiert und am frühen Morgen bereits Oder
und Inn erreicht. Die Regenmengen liegen meist unter 5 l/m², nur im Norden sowie
in einigen Staulagen etwas darüber.

Interessanter ist ohnehin die Rückseite der Front, wo die einfließende, labil
geschichtete subpolare Meeresluft (T850 um -2°C, T500 -30 bis -32°C) das Zeug
hat, selbst zu ungünstiger Tageszeit konvektiv auf sich aufmerksam zu machen. So
werden für den Westen und Nordwesten vermehrt Schauer und sogar einzelne
Gewitter angeboten, was synoptisch vollkommen nachvollziehbar ist (Stärkste
Labilität + linker Ausgang des Jets). Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der
Höhenwind deutlich zunimmt (850 hPa bis 45 Kt, 925 hPa bis 40 Kt), wäre es kein
Wunder, wenn bei Gewittern oder kräftigen Schauern Böen 8 Bft, bei guter
Organisation (vor allem LLS ist mit z.T. über 15 m/s ordentlich vorhanden)
vereinzelt sogar 9 Bft bis nach unten gemischt werden. Aber auch gradientbedingt
legt der auf Südwest drehende Wind zu, so dass im Westen und Nordwesten sowie
bei Frontdurchgang Böen 7 Bft, im höheren Bergland je nach Ausrichtung 8-9 Bft,
auf dem Schwarzwälder Feldberg und dem Harzer Brocken 10 Bft auftreten können.
Kurz noch mal zurück zum Niederschlag, wo einige Modelle für die
Nordseeküstenregion ein Regenmaximum von 10 bis 20 l/m² (ICON sogar noch etwas
mehr) innert weniger Stunden sehen. Möglicherweise handelt es sich dabei um
einen um das in Richtung Jütland ziehende Teiltief herumgewickeltes konvektives
Regenband, das von einem trogvorderseitigen PVA-Maximum generiert wird. Aufgrund
der zunehmenden Bewölkung und des auffrischenden Windes ist Frost kein großes
Thema mehr. Einzig im Bayerischen Wald und am östlichen Alpenrand könnte es hier
und da noch mal für "knapp unter null" reichen.

Dienstag... schwenkt der Trog zügig nach Osten durch. Dahinter beginnt die
anfangs noch glatt konturierte Frontalzone leicht zu mäandrieren, was uns im
Tagesverlauf auf die Vorderseite eines sich von Westen nähernden flachen Rücken
bringt. Dass es dahinter über dem nahen Atlantik erneut austrogt, ist für den
weiteren Verlauf ab Mittwoch von Bedeutung. Der Dienstag steht aber eindeutig im
Zeichen des ersten Troges respektive der subpolaren Meeresluft, die hinter der
rasch nach Osten abziehenden Okklusion weite Teile des Vorhersageraums flutet.
Die Hauptwetteraktivität spielt sich im Norden und in der Mitte ab, während im
Süden, wo die Höhenkaltluft nicht oder nur peripher vorbeischaut, mit
angezogener Handbremse agiert wird. Dort setzt sich von Frankreich her auch als
allererstes leichter Zwischenhocheinfluss durch, so dass die einzelnen Regen-,
oberhalb 1000 bis 1200 m Schneeschauer von West nach Ost immer weniger werden
bzw. ganz aufhören.

Diesen Trend gibt es weiter nördlich zwar auch zu vermelden, weil trogrückseitig
NVA, KLA und zusehend trockenere Luftmassen aufeinandertreffen und für eine
beginnende Stabilisierung sorgen. Zuvor sind Intensität und Häufigkeit von
Schauern und kurzen Gewittern aber stärker ausgeprägt als im Süden. Viel CAPE
wird zwar nicht generiert (bis etwa 200 J/kg), in weiterhin gut geschertem
Umfeld reicht das aber, um vor allem in der Mitte und im Osten ein paar knackige
Zellen entstehen zu lassen, auch wenn es mit dem Wasserdampfgehalt nicht allzu
gut bestellt ist. Deswegen ist auch Starkregen nicht besonders wahrscheinlich
(die Zellen ziehen zudem recht flott). Dafür können Graupel bzw. kleiner Hagel
sowie bei anfangs noch prominenten Höhenwinden bis 40 Kt Böen 8-9 Bft begleitend
auftreten. Unabhängig davon frischt der auf westliche Richtungen drehende
Grundwind landesweit soweit auf, dass verbreitet mit Böen 7 Bft, vereinzelt 8
Bft, in exponierten Hochlagen 9-10 Bft gerechnet werden muss. Etwas weniger
flott ist der Wind wohl nur im äußersten Nordosten und Südwesten, wobei hier das
letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

Aufgrund der guten Durchmischung sowie der Tatsache, dass - typisch April möchte
man hinzufügen - auch die Sonne immer mal wieder zwischen den Quellungen ihre
Chance bekommt, werden trotz vermeintlicher Kaltluft Tageshöchstwerte zwischen
11 und 15°C, im Südwesten lokal 16°C angepeilt.

In der Nacht zum Mittwoch wandern der flache Rücken und das Zwischenhoch derart
schnell über Deutschland hinweg, dass sich schon bald die nächste Störung
bemerkbar macht. Konkret handelt es sich um das Frontensystem eines Doppeltiefs
unweit von UK/Irland, das aus der o.e. Austrogung resultiert. Kräftige und weit
nach Osten ausgreifende WLA lassen von Westen her dichte Schichtbewölkung zu uns
reinziehen, aus der es leicht, im Westen evtl. auch mal mäßig regnet. Noch ist
unsicher, wie weit der Regen ostwärts ausgreift, aber es scheint ziemlich
sicher, dass zumindest die Regionen zwischen Erzgebirge und Ostsee sowie
Ostbayern noch weitgehend trocken bleiben. Dort könnte es sogar für leichten
Frost in Bodennähe reichen. Der Wind lässt bereits in den Abendstunden deutlich
nach, um auf der Nordsee gegen Morgen mit Rückdrehen auf Südost wieder neu
anzusetzen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundlegende Entwicklung und mithin die Umstellung der Wetterlage wird
modellübergreifend sehr ähnlich simuliert. Unschärfen beziehen sich auf
Detailfragen wie z.B. dem genauen Verlauf der Bewölkung oder der Organisation
der Konvektion ab der Nacht zum Dienstag.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann