DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-03-2023 17:01
SXEU31 DWAV 271800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 27.03.2023 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zumindest im Bergland vorübergehend winterlich. Ab Mittwoch wieder rasche
Milderung.

WIND/STURM:
Heute bei Schauern stürmische Böen (Bft 8, bis 75 km/h). An der Nordsee sowie
auf exponierten Gipfeln der ostdeutschen Mittelgebirge Sturmböen (Bft 9, bis 85
km/h).
In der Nacht zum Dienstag auf den Bergen stürmische Böen um 70 km/h (BFT 8) aus
Nordwest. Am Dienstag ganz im Osten erneut auflebender Nordwestwind, im
Erzgebirge und Bayerischen Wald stürmische Böen bis Bft 8. Wind am Abend auch
dort abflauend.
Danach erst wieder in der Nacht zum Donnerstag im Bergland aufkommend stürmische
Böen, auf exponierten Gipfeln Böen bis Sturmstärke. Am Donnerstag bis in tiefe
Lagen stürmische Böen, im Bergland Sturmböen, auf exponierten Gipfeln schwere
Sturmböen nicht auszuschließen.

GEWITTER:
Zunächst Schauer, teils mit Graupel und Gewitter. In stärkeren Entwicklungen
stürmische Böen (Bft 8). Am Abend allmählich abklingend.
Erneut in der Nacht zum Donnerstag von Westen und Südwesten her Gewitter, teils
in den Niederschlag eingelagert, dabei Sturmböen nicht auszuschließen. Am
Donnerstag abgesehen vom Nordwesten vermehrt Gewitter mit Böen bis Sturmstärke.

SCHNEE/GLÄTTE:
Im Stau von Erzgebirge und Alpen Schneefall. Bis in die Nacht zum Dienstag 1 bis
5, in exponierten Staulagen bis 10 cm Neuschnee. In den Alpen bis Dienstagfrüh
10 bis 15, in Staulagen bis 30 cm Neuschnee.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland im Bereich eines Troges, der sich mit seiner Achse
von Skandinavien bis ins Ionische Meer erstreckt. Hierdurch wird das
Wettergeschehen durch hochreichend labile arktische Polarluft dominiert. Im 500
hPa-Niveau liegt die Temperatur im Nordosten bei -40 Grad, in 850 hPa
deutschlandweit zwischen -5 und -9 Grad. Die Schichtung ist folglich labil, so
dass nur schwache kurzwellige Strukturen in der steilen nordwestlichen Strömung
hinreichend sind, um konvektive Umlagerungen auszulösen. Zudem war die
Einstrahlung bereits recht kräftig, so dass in der eingeflossenen Polarluft eine
rege Schauertätigkeit bis hin zu kurzen Gewittern in Gang kam. In tiefen Lagen
dominierte noch die flüssige Phase, im Bergland fiel durchweg Schnee, aber auch
bei kräftigeren Entwicklungen fiel aufgrund der tiefen niedertroposphärischen
Temperaturen Graupel oder kleinkörniger Hagel. Da die Luftmasse mit einem Gehalt
an niederschlagbarem Wasser durchweg unter 10 mm sehr trocken war, brachten
diese Schauer nur geringe Niederschlagsmengen zustande. Demzufolge trocknet in
den Abendstunden der Untergrund weitgehend ab, so dass in weiten Teilen
Deutschlands in der Nacht zum Dienstag kaum Glätte auftritt. Ausnahmen sind die
Nordseiten der Mittelgebirge mit 1 bis 3 mm und der Alpenrand mit mehr als 10 mm
Niederschlag. Die Schauertätigkeit setzt sich, bedingt durch einen nach Südosten
ablaufenden Kurzwellentrog, zumindest noch in der ersten Nachthälfte fort, wobei
in tieferen Lagen kaum Schnee liegen bleiben dürfte. Hierzu ist aufgrund der
Vorgeschichte der Boden noch zu warm. An den Nordseiten der östlichen
Mittelgebirge sowie am Alpenrand können durch Stau einige bis etwa 5, am
Alpenrand bis Dienstagfrüh deutlich über 10 cm Neuschnee zusammenkommen. Auch an
der Ostseeküste können, bedingt durch den Lake Effekt, bei der Ausbildung von
Schauerstraßen einige Zentimeter Schnee fallen und vorübergehend für die
Ausbildung einer Schneedecke oder zumindest für Glätte sorgen. Am
wahrscheinlichsten wäre dies aufgrund des größeren Fetches an der Vorpommerschen
Ostseeküste. Auch wenn die Modelle die polnische Ostseeküste hierfür
favorisieren, gilt es, die Lage zwischen Rügen und der Odermündung zu monitoren.

Dem Trog folgt ein Keil, der auf die Britischen Inseln übergreift. Durch diesen
Keil wird ein Bodenhoch gestützt, das sich von Frankreich nach
Südwestdeutschland ausweitet. Zwischen diesem Hoch und einem Tiefdruckkomplex
über Südosteuropa bleibt vorerst noch ein kräftiger Gradient bestehen, so dass
in weiten Teilen Deutschlands anfangs noch Windböen auftreten. An der Nordsee
und in höheren Lagen der nördlichen und östlichen Mittelgebirge sowie in
Verbindung mit kräftigeren Schauern und kurzen Gewittern muss mit stürmischen
Böen gerechnet werden. Daher wurden entsprechende Warnungen als "markant"
ausgegeben. Ein im Bodendruckfeld noch nach Südosten durschwenkender
Sekundärtrog zögert das abendliche Abflauen des Windes in den nordöstlichen und
östlichen Landesteilen hinaus, so dass auch während der Nacht zum Dienstag
zumindest an der Ostsee und im östlichen Bergland wie auch am östlichen
Alpenrand noch Wind- und stürmischen Böen und in exponierten Gipfellagen Böen
bis Sturmstärke auftreten. Ansonsten flaut der Wind ab und ist nicht mehr
warnrelevant. Abgesehen von der Nordseeküste ist ansonsten deutschlandweit
leichter Frost zu erwarten.

Dienstag ... verlagert sich das Zirkulationsmuster nach Osten. Der Südteil des
wetterbestimmenden Troges schwenkt mit seiner Achse in die Ägäis, der
nachfolgende Rücken gelangt mit seiner Achse in die Nordsee, wobei sich dieser
Rücken in zwei Anteile aufspaltet. Dessen westlicher Anteil kräftigt sich über
den Britischen Inseln. Das korrespondierende Bodenhoch verlagert sich mit seinem
Schwerpunkt in den Süden Deutschlands. Im Bereich eines sich von diesem Hoch bis
nach Lappland erstreckenden Keils stellen sich nahezu deutschlandweit geringe
Luftdruckgegensätze ein, so dass der Wind nicht mehr warnrelevant ist. Eine
Ausnahme stellt der Osten Deutschlands dar. Am Rande eines osteuropäischen
Tiefdrucksystems, der sich kaum abschwächt, bleibt von Vorpommern bis zum
östlichen Alpenrand ein kräftiger Gradient bestehen. Hierdurch (und unterstützt
durch den inzwischen kräftigen Tagesgang) frischt der Wind von der
Vorpommerschen Ostseeküste über den östlichen Mittelgebirgsraum hinweg bis zu
den Ostalpen noch einmal mit Windböen Bft 7 auf. Während an der Ostsee nur
anfangs noch stürmische Böen auftreten, muss in den Kamm- und Gipfellagen der
östlichen Mittelgebirge wie auch auf entsprechenden Alpengipfeln den ganzen Tag
mit Böen bis Sturmstärke gerechnet werden.
Im Bereich des Bodenhochs kommt die Schauertätigkeit weitgehend zum Erliegen.
Von der Nordsee her werden mit einer nordwestlichen Strömung weiterhin
Wolkenfelder (Sc, Sc Cu gen, bedingt durch Warmluftadvektion auch flacher Ac)
südostwärts gesteuert, die zwar Fallstreifen produzieren, aber aufgrund der
trockenen Grundschicht sollte kaum Niederschlag den Erdboden erreichen.
Lediglich in den Staulagen der östlichen Mittelgebirge wie auch am östlichen
Alpenrand können noch einmal bis 5 cm Neuschnee hinzukommen, wobei im Laufe des
Nachmittags auch dort die Schauertätigkeit abklingen sollte.
Längere sonnige Abschnitte beschränken sich auf den Nordosten Deutschlands und
die Gebiete südlich der westlichen Mittelgebirge und Teile Süddeutschlands. Aber
auch sonst ist die Bewölkung keineswegs geschlossen. Gegenüber heute erfolgt ein
leichter Temperaturanstieg auf 5 bis 10, in Rheinnähe bis 12 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch greift der Rücken mit seinem vorlaufenden Anteil auf
Deutschland über, gefolgt von einem schwachen, nach Südosten ablaufenden Trog.
Hebung, die durch diesen Trog induziert wird, generiert im Süden Deutschlands
geringe Niederschläge, die im südostdeutschen Bergland und an den Alpen noch als
Schnee fallen. In den südwestdeutschen Mittelgebirgen ist allenfalls anfangs
noch die feste Phase vorstellbar, bevor sich dort mit einer einsetzenden
westlichen Strömung mildere Luft durchsetzt und die Niederschläge in Regen
übergehen. Aber auch im Norden setzen Niederschläge ein, die durchweg als Regen
fallen. Diese resultieren jedoch hauptsächlich aus Warmluftadvektion.
Leichter Frost sollte auf den äußersten Osten, das östliche Bergland und den
Alpenrand beschränkt bleiben. Ansonsten bleibt es aufgrund der meist starken
Bewölkung frostfrei.

Mittwoch ... verlagert sich der westliche Anteil des Rückens, der bis dahin
längst die dominierende Rolle besitzt, in die Nordsee. Hierdurch bleibt über dem
Vorhersagegebiet eine nordwestliche antizyklonale Strömung bestehen.
Warmluftadvektion stützt zwar diesen Rücken, aber die resultierende Hebung lässt
mehrschichtige Bewölkung auf den Nordwesten und Norden Deutschlands übergreifen,
die vor allem in Küstennähe geringe Niederschläge bringt. Weitere Niederschläge,
die ebenfalls nicht mehr als 5 mm innerhalb von 12 Stunden ergeben, erfassen den
Westen und Südwesten Deutschlands. Diese stehen in Verbindung mit der Warmfront
eines sich Schottland nähernden Randtiefs.
Niedertroposphärisch stellt sich mit dem Übergreifen des Rückens bereits eine
südwestliche Strömung ein, die sich in Bodennähe auch bis in den Nordosten
Deutschlands durchsetzt. Mit dieser Strömung erfolgt nahezu überall eine
Milderung. Zwar legt der Gradient etwas zu, aber für warnrelevante Böen reicht
es wahrscheinlich noch nicht.
Größere Auflockerungen sind dann auf den Westen, Südwesten, Teile
Süddeutschlands und die Leegebiete der östlichen Mittelgebirge beschränkt.
Während im Nordosten mit Tageshöchsttemperaturen zwischen 6 und 11 Grad die
Milderung noch etwas auf sich warten lässt, steigt sonst die Temperatur auf 12
bis 18, am südlichen Oberrhein nach Passage der Warmfront auf 20 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag überquert der Rücken weitgehend das
Vorhersagegebiet. Nachfolgend stellt sich eine südwestliche und zyklonaler
werdende Strömung ein. Über dem Nordatlantik zeichnet sich eine Zonalisierung
mit einer nur noch wenig mäandrierenden Strömung ab. Aufgrund der noch etwas
zunehmenden südwestlichen Strömung sind dann im höheren Bergland wieder Wind-
und stürmische Böen, auf exponierten Gipfeln Böen bis Sturmstärke vorstellbar.
Kurzwellige, auf Deutschland übergreifende Anteile lassen vermehrt Niederschläge
aufkommen, die sich mit dem Übergreifen der schwachen Kaltfront eines sich in
die nördliche Nordsee verlagernden Tiefs verstärken. Präfrontal wird labil
geschichtete Luft subtropischen Ursprungs eingesteuert, was die Niederschläge
einen konvektiven Charakter annehmen lässt. Eingelagerte Gewitter können daher
nicht ausgeschlossen werden. Betrachtet man die Luftmasse näher, ergibt sich
durchaus Potential für heftigere konvektive Umlagerungen, möglicherweise sogar
organisiertere Strukturen. Die Scherung ist sowohl niedertroposphärisch als auch
hochreichend stark ausgeprägt, die Luftmasse ist feucht und weist einen Gehalt
an niederschlagbarem Wasser von 20 bis 25 mm auf, was für die Jahreszeit recht
beachtlich ist. Das Hebungskondensationsniveau liegt abgesehen vom Süden
Deutschlands durchweg unterhalb von 1000 m. Was fehlt, ist die Einstrahlung und
die Unterstützung durch den Tagesgang; die Kaltfront greift hierfür auf
Deutschland zu einer "ungünstigen" Zeit über.
Bleibt noch zu erwähnen, dass leichter Frost kein Thema mehr ist. Im Westen ist
es dann mit Tiefsttemperaturen um oder etwas über 10 Grad relativ mild.

Donnerstag ... überquert die Kaltfront des sich in Richtung Skagerrak
verlagernden Randtiefs weitgehend das Vorhersagegebiet. Bei der postfrontal
einfließenden Luftmasse handelt es sich um eine maritime gealterte Polarluft, so
dass nur ein leichter Temperaturrückgang erfolgt. Während die Frontpassage im
Nordwesten und im Norden Deutschlands relativ rasch erfolgt und nur wenige bis
etwa 5 mm Niederschlag zustande bringt, setzt von der Mitte ausgehend
südostwärts aufgrund abnehmender frontsenkrechter Windkomponente Schleifen ein,
was im Süden mehr als 10 bis (in Alpennähe und im Schwarzwald) etwa 20 mm
Niederschlag innerhalb von 12 Stunden zur Folge hat.
Aufgrund des Schleifens der Kaltfront bleibt die feuchtlabile Luft mit den o.g.
Parametern im Osten und Süden Deutschlands zumindest bis in den frühen
Nachmittag hinein noch erhalten, immerhin erreicht dann CAPE(KK) bis ca. 400
J/kg. Die Scherung ist zwar mit Werten um 15 m/s niedertroposphärisch und bis 30
m/s hochreichend nicht mehr so ausgeprägt wie dies noch in der Nacht zuvor der
Fall war, aber der Tagesgang kann seine Wirkung entfalten, so dass im Osten,
Süden und auch in Teilen der Mitte dann vermehrt mit konvektiven Umlagerungen
bis hin zu Gewittern zu rechnen ist. Wie bereits in der Nacht zuvor besteht ein
gut ausgeprägtes Potential für heftigere Entwicklungen. Die präfrontal noch
vorhandene Luftmasse ist subtropischen Ursprungs und somit ist die Konvektion,
sollte es hierzu kommen (es fehlt ja immerhin Einstrahlung), bis über 300 hPa
hinauf reichend. Aufgrund der raschen Verlagerung der Konvektionszellen spielt
Starkregen kaum eine Rolle; vielmehr sind, bedingt durch einen Oberwind, der im
850 hPa-Niveau 45 kt erreicht, Sturmböen in den Fokus zu rücken.
Mit der postfrontal erfolgenden Passage eines schwachen, aber relativ breiten
Troges legt in einer west-südwestlichen Strömung der Gradient deutschlandweit
zu, so dass, abgesehen von den südöstlichen Landesteilen, auch ohne konvektive
Umlagerungen bis in tiefe Lagen Wind- und stürmische Böen aufkommen. Im Bergland
erreicht der Wind in Böen Sturmstärke, auf exponierten Gipfeln sind schwere
Sturmböen nicht auszuschließen. Zum Abend hin flaut in tieferen lagen abseits
der Küste der Wind wieder ab und ist dann wahrscheinlich nicht mehr
warnrelevant. In höheren Berglagen besteht jedoch weiterhin die Gefahr
stürmischer Böen.
Bedingt durch die Trogpassage sind auch postfrontal in der einfließenden
maritimen Luftmasse kurze Gewitter zu erwarten. Auch wenn die Konvektion im
Trogbereich nicht mehr so hochreichend ist wie in der vorgelagerten Luftmasse,
können diese Gewitter dennoch mit Böen bis Sturmstärke einhergehen.
Ein paar Wolkenlücken zeichnen sich am ehesten im Lee der Mittelgebirge sowie
postfrontal im Westen ab. Ansonsten hält sich meist mehrschichtige und relativ
geschlossene Bewölkung. In der gut durchmischten Luftmasse erreichen die
Tageshöchsttemperaturen 15 bis 19, in Küstennähe 10 bis 14 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Prognoserelevante Unterschiede lassen sich kaum finden. Bemerkenswert ist
vielleicht, dass der Trog, der am Donnerstag in der west-südwestlichen Strömung
auf Deutschland übergreift, von EZMW (00 UTC-Lauf), UK10 und auch vom neuesten
ICON etwas kräftiger simuliert wird, als dies noch beim 00- und 06 UTC-lauf des
ICON der Fall war. Dies erklärt auch die anhand der ww-Symbole verbreiteter
einsetzende Gewittertätigkeit.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann