DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-03-2023 09:30
SXEU31 DWAV 240800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 24.03.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz (West zyklonal), zum Ende Übergang zu N/NWz (Nord/Nordwest zyklonal)

Heute teils dynamischer Kaltfrontdurchgang ohne nachfolgende Kaltluft. Am
Samstag windiges bis stürmisches "Aprilwetter" mit zahlreichen Schauern. Am
Sonntag "3-Wetter-Taft" (gab da mal so ´ne Werbung für Haarspray) und danach -
herzlich Willkommen - polare Kaltluft und Spätwinter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... liegt Deutschland nach wie vor unter einer flotten südwestlichen
Höhenströmung, die Bestandteil der zunehmend ins Schlingern kommenden
Frontalzone ist. Insgesamt sind die eingelagerten Tröge und Rücken noch relativ
flach, was sich in den nächsten Tagen aber deutlich ändern wird. Zur Zeit
formiert sich über Westeuropa und dem nahen Atlantik ein breiter Trog, der bei
uns das Wetter am morgigen Samstag nachhaltig bestimmen wird, doch dazu später
mehr. Aktuell und heute steht erst mal die Passage einer Kaltfront auf der
Agenda, die bereits heute früh die westlichen Landesteile erreicht hat. Im Radar
spiegelt sich die Front an einer schmalen, teils gesplitteten Linie wider
(Querzirkulation), die hinter dem eigentlichen Regengebiet hinterherläuft. Die
Schauerlinie ist das Resultat einer beginnenden Labilisierung, die im Extremfall
sogar ein einzelnes Gewitter mit Böen 8-9 Bft zustande bringen kann und durchaus
auch für lokalen Starkregen taugt. So wird im Frontbereich etwas CAPE simuliert
und ausreichend Hebung ist auch gewährleistet.

Kommen wir zur Bodendruckverteilung, die von einer umfangreichen Tiefdruckzone
(HILMAR plus JOHANNES) und einem flachen Hoch (etwas über 1015 hPa) in Südeuropa
geprägt wird. Die mehrkernige Tiefdruckzone befindet sich auf der kalten Seite
der Frontalzone und erstreckt sich von Seegebiet weit westlich Irlands bis
hinüber nach Fennoskandien bzw. Nordwestrussland. Diese Konstellation führt
übrigens dazu, dass die polare Kaltluft weit im Norden vor verschlossenen Türen
steht und nicht so einfach nach Süden vorstoßen kann. Um das zu erreichen, muss
sie einen sehr weiten Bogen erst nach Westen und dann wieder nach Osten
schlagen, bevor sie bei uns deutlich erwärmt aufschlägt. Aber auch das - so viel
sei verraten - wird sich zum Montag hin ändern. Auf alle Fälle ist die heute
postfrontal einfließende Meeresluft alles andere als kalt (T850 3 bis 0°C),
wobei die gute Durchmischung noch das Ihrige dazu tut. Kurz noch ein Wort zu
JOHANNES, dem die Kaltfront anhängt und der sich als offene Welle sozusagen in
die HILMAR-Dynastie gemogelt hat. Vom Ärmelkanal kommend hat JOHANNES in der
Nacht die Nordsee gekreuzt und steuert nun Südschweden an, wo es sich letztlich
zu einem kleinen 985-hPa-Tief mausert.

Zum Tagesablauf, der wie gesagt vom Kaltfrontdurchgang geprägt ist. Der erfolgt
relativ zügig von West nach Ost, wobei es im Süden aufgrund der etwas
zurückhängenden Frontenexposition und leichter Schleiftendenzen am längsten
dauert. Das könnte sogar dazu führen, dass sich in der präfrontalen Warmluft im
Süden und Südosten ein oder zwei Gewitter entwickeln, wobei die aktuell schon
präsente starke Bewölkung eher dagegenspricht (kein oder kaum CAPE-Aufbau).
Sicherer als die Gewitter ist der Regen, der sich nicht minder zügig als die
Front ostwärts verlagert, im Süden aber ins Stottern gerät. Dort werden dann
auch die höchsten Summen von der Numerik angeboten, gebietsweise bis 10 l/m²,
lokal (Alpenrand, Mittelgebirge) auch noch etwas mehr.
In der postfrontal einfließenden Meeresluft kommt es zunächst erst mal zu einer
Abtrocknung (Spez. Feuchte um 5 g/kg, PPW unter 15 mm), die trotz vorhandener
Labilität als Spaßbremse potenzieller konvektiver Aktivität fungiert. Einzig
eine schmale Schliere mit etwas feuchterer Luft - heute früh als durchbrochene
Schauer- und Gewitterlinie über dem Kanal zu erkennen - sorgt etwa ab Mittag im
Westen für einzelne Schauer oder auch ein Gewitter mit Böen 8 Bft.
Offensichtlich ist ein sehr flacher, nach Nordosten ablaufender KW-Trog der
Impulsgeber. Erst am Nachmittag und Abend, wenn der o.e. breite Trog näher
kommt, intensiviert sich das konvektive Geschehen im Westen und Nordwesten.

Die wichtigste Baustelle des Tages ist der Wind respektive Sturm. Mit
Frontpassage legt er deutlich zu und dreht dabei von südlichen Richtungen auf
Südwest. Böen 7 Bft sind obligatorisch, Böen 8 Bft vor allem bei Frontdurchgang,
im Norden sowie in freien Lagen, Böen 9 Bft vereinzelt an der Küste angesagt.
Auf den Bergen stehen je nach Höhe und Ausrichtung Böen 8 bis 10 Bft, auf dem
Brocken anfangs 11 Bft auf der Karte. Am Nachmittag und Abend wird der Wind mit
scheidendem Tagesgang sowie bei leichter Gradientauffächerung bereits schon
wieder schwächer.
Die Temperatur steigt auf immer noch milde bis sehr milde 14 bis 18°C, einzig
Richtung Küste sowie im äußersten Norden bleibt es etwas frischer.

In der Nacht zum Samstag rückt uns besagter Höhentrog immer dichter auf die
Pelle. Damit einhergehend sinkt die Temperatur auf 500 hPa auf rund -30°C ab.
Zwar geht auch T850 auf 0 bis -2°C zurück, die Differenz reicht aber dicke, um
ein mehr als solides Maß an Labilität zu garantieren. Trotz ungünstiger
Tageszeit wird die Nacht uns einige Schauer und vereinzelte kurze Gewitter
bescheren, die im Osten und Nordosten ein Minimum aufweisen. Dafür reicht es
akkumuliert über 12 h in den west-südwestlichen Mittelgebirgen sowie an den
Alpen lokal für 10 l/m² oder etwas darüber.

Der Wind legt eine kurze Pause ein, bevor mit Annäherung eines breiten
Bodentroges von Frankreich her der Gradient wieder schärfer wird und der
Südwestwind vornehmlich im Westen und Süden anzieht mit Böen 7 Bft, im höheren
Bergland entsprechend mehr.

Samstag... schwenkt der Höhentrog, gespeist durch rückseitig einlaufende
KW-Anteile über den Vorhersageraum hinweg ostwärts. Gleiches gilt für den o.e.
Bodentrog, der sich von dem von Nordengland nach Südnorwegen ziehenden Tief
HILMAR I nach Süden erstreckt. Dabei kommt es zu einer Komprimierung der
Isobaren und einer erneuten Windauffrischung. Und da auch die Zufuhr labiler,
wenn auch nicht überbordend feuchter subpolarer Meeresluft andauert (T500 um
-30°C, T850 um 0°C), ergibt sich summa summarum eine äußerst pikante
Gemengelage, aus der ein windiger bis stürmischer "Apriltag" Ende März
resultiert. Bei wechselnder, im Norden und Nordwesten überwiegend starker
Bewölkung entwickeln sich zahlreiche Schauer, teils mit Graupel und auch kurze
Gewitter, die sich staffelartig über das ganze Land verteilen. Im Nordwesten, wo
die Luft am feuchtesten und die Hebung am stärksten ist, kommen über den Tag
durchaus 5 bis 10 l/m² zusammen. Sonst liegen die Regenmengen abgesehen von
lokalen Staulagen darunter.

Windmäßig arbeiten der sich verschärfende Gradient, die Labilität und der
Tagesgang Hand in Hand, so dass morgen verbreitet mit Böen der Stärke 7 bis 8
Bft aus Südwest bis West gerechnet werden muss. Böen 9 Bft sind auch am Start,
insbesondere bei "günstiger" Orografie (Stichwort Leitplanke) sowie in
Verbindung mit kräftiger Konvektion. Die stärksten Höhenwinde mit bis zu 50 Kt
auf 850 und 45 Kt auf 925 hPa werden in der Nordhälfte simuliert. Sie kommen
aber erst am Nachmittag von Westen herein, wenn der Tagesgang schon wieder
anfängt, keine rechte Lust mehr auf Bambule zu haben. Trotzdem bleibt der Wind
im Nordwesten am längsten flüssig, während er weiter südlich schon wieder
merklich abnimmt und im Nordosten schon tagsüber nicht richtig ankommt. In
exponierten Hochlagen stehen je nach Exposition Böen 8-10 Bft auf dem Zettel.

Zwar gilt es thermisch erste Einbußen zu akzeptieren, mit 9 bis 15°C Maximum
wird es in der sehr gut gequirlten Luftmasse aber nochmalig mild.

In der Nacht zum Sonntag zieht der Trog nach Osten ab, wodurch die Schauer- und
Gewitteraktivität im Verbund mit dem Tagesgang abnimmt. Hinzu kommt die
stabilisierende Wirkung eines flachen Rückens, der uns von Westen her beehrt. Er
ist das Resultat von WLA vorderseitig des nächsten Troges, der sich bei
UK/Irland auftut und mit einem sehr soliden Bodentief (KHUSRU) zusammenarbeitet,
dessen Kern mit nahe 995 hPa um Mitternacht dicht vor der irischen Südküste
liegt. Bodennah steigt der Luftdruck von Süden her an, so dass durchaus von
leichtem Zwischenhocheinfluss gesprochen werden kann. Die Betonung liegt
allerdings auf "leicht" und "Zwischen", denn noch in der Nacht sorgt die o.e.
WLA im Westen und Südwesten für den Aufzug mehrschichtiger Bewölkung, aus der es
in der zweiten Nachthälfte anfängt zu regnen.

Während im Süden nochmal ein Schluck Warmluft advehiert wird (T850 etwas über
0°C), strömt Richtung Norden mit Winddrehung auf West bis Nordwest bereits
kältere Polarluft ein (-2 bis -6°C). Von daher ist nicht ausgeschlossen, dass
die letzten abziehenden Schauer im Harz oder auch im Erzgebirge als Schnee
fallen. Der Wind flaut weiter ab, einzig in den Hochlagen bleibt er zunächst
noch flott und teils stürmisch unterwegs. Und auch an der Küste kann es bis zum
Morgen ein paar steife Böen 7 Bft aus westlichen Richtungen geben.

Sonntag... wird es etwas unübersichtlich, wenn nämlich unser "irisches" Tief
begleitet vom Höhentrog gen Frankreich zieht und dabei noch ein paar kleine
Ableger (Teil- bzw. Randtiefs) generiert, die sich auch für unseren Raum
interessieren. Heraus kommt im Grunde eine breite, von Frankreich bis ins
Baltikum bzw. Westrussland reichende Rinne, an der zu allem Überfluss auch noch
eine Tiefneubildung südlich der Alpen andockt. Innerhalb der Rinne etabliert
sich mitten über Deutschland eine wunderbare Konvergenz, die sogar das Zeug hat,
zu einer Luftmassengrenze zu mutieren. Tatsache ist, dass im Norden nördliche
Winde vorherrschen, mit denen polare und zunächst vergleichsweise trockene
Meeresluft herangeführt wird, in der T850 auf bis zu -6°C zurückgeht. Im Süden
kommt der Wind hingegen aus dem Sektor Süd bis West, was die Zufuhr milder und
labiler Luftmassen zur Folge hat (T850 0 bis 3°C).

Wettermäßig lässt sich Deutschland recht gut in drei Zonen einteilen, auch wenn
die Demarkationslinien dazwischen noch etwas unscharf ausfallen: Im Norden
trocken mit Auflockerungen bzw. sonnigen Abschnitten bei nur noch 5 bis 9°C. In
der Mitte bedeckt mit länger andauernden stratiformen Regenfällen (verbreitet 5
bis 15 l/m² innert 12 Stunden) bei Höchstwerten um oder etwas über 10°C. Im
Süden unterschiedlich bewölkt mit Schauern und einzelnen Gewittern, dazu
zeitweise spürbar, in Böen evtl. stürmischer Wind bei bis zu 13°C.

In der Nacht zum Montag ist es dann endlich soweit. Von Westen greift der sich
immer weiter amplifizierende Höhentrog über, während sich der westliche Teil der
Tiefdruckrinne nach Osten verlagert. Damit wird die Tür aufgestoßen für die im
Norden schon lauernde Polarluft, die mit allgemeiner Winddrehung auf Nordwest
nun regelrecht nach Süden schießt und bis zum Morgen ganz locker die Alpen
erreicht. T850 geht auf rund -8°C zurück (nur der äußerste Süden noch etwas
darüber) und ganz im Norden taucht die bei uns nicht alltägliche "-40" in 500
hPa auf. Die stratiformen Regenfälle lassen mehr und mehr nach, gehen z.T. aber
noch in Schnee über. Auch die einsetzenden, in ihrer Verbreitung und Häufigkeit
aber limitierten Schauer gehen bis in tiefe Lagen in Schnee über. Im Stau von
Erzgebirge und Alpen setzt Dauerschneefall ein. Die Temperatur geht auf +3 bis
-3°C zurück.

Modellvergleich und -einschätzung
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Wie so oft simulieren die Modelle die Basisfelder sehr ähnlich. Die Umstellung
mit dem "Kälteeinbruch" zu Wochenbeginn ist unstrittig. Trotzdem bleiben noch
ein paar Fragezeichen, z.B. was die genaue Druckverteilung und die daraus sich
ergebenden Konsequenzen (Wind und Wetter) betrifft. Was die heutige
Windentwicklung angeht, scheinen die Modelle etwas zurückgerudert zu sein. Von
daher sollte man sich nicht scheuen, die gültigen Warnungen vorzeitig
runterzustufen bzw. anzupassen, wo die Sache klar ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann