DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-03-2023 18:30
SXEU31 DWAV 161800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 16.03.2023 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Sehr mildes und zunehmend feuchtes Frühlingswetter. Anfangs regional noch
windig. Ab dem Samstag Gewitterneigung.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich ein langwelliger Höhenrücken mit seiner Achse über dem
westlichen Mittelmeer und dem westlichen Mitteleuropa. Dieser wird flankiert von
zwei Langwellentrögen: Der erste liegt über dem östlichen Europa und dem
östlichen Mittelmeerraum und ist in allen Höhenniveaus mit Kaltluft angefüllt.
Der zweite nähert sich auf dem nahen Atlantik und hat nur eine leicht kältere
polare Meeresluftmasse dabei. Bodennah stützt unser Langwellenrücken ein Hoch
(Jeanine), das sich von Tunesien über das östliche Mitteleuropa bis nach
Finnland erstreckt und von dort sogar Verbindung zu einem Grönlandhoch hat.
Dagegen befindet sich auf dem Atlantik ein Tiefdruckkomplex, dessen Kern
(Gerson) noch ein gutes Stück westlich von Irland liegt. Von diesem ausgehend
hat sich am Okklusionspunkt ein Teiltief bei den Shetland-Inseln gebildet. Von
dort ausgehend erstreckt sich eine Warmfront über die Nordsee südwärts bis in
die Deutsche Bucht. Kräftige WLA führt demzufolge über dem Nordseegebiet und
Schleswig-Holstein zu stratiformen Regenfällen. Nach Süden zu nimmt die Stärke
der WLA rasch ab, so dass über weiten Teilen Deutschland von Westen her zwar
hohe und mittelhohe Wolkenfelder durchziehen, in der bis in die mittlere
Troposphäre recht trockenen Luft regnet es aber nicht.

Ein kleiner Blick noch auf den thermischen Gradienten über Deutschland: In 850
hPa werden am Abend über Rügen nur -4°C erreicht, im Südwesten dagegen schon
+7°C, so dass das recht markante Auf und Ab, welches wir in den letzten Tagen
schon bei den Temperaturen erleben durften, sich mit einem neuen kräftigen
Aufschwung fortsetzt.

Die oben bereits erwähnte Druckverteilung hat einen recht starken Gradienten
über dem Norden Deutschlands zur Folge, im Süden ist dieser deutlich schwächer.
Überall kommt der bodennahe Wind aus Südost und erreicht rund im
Schleswig-Holstein in Böen Stärke 7. In einigen exponierteren Lagen der
Nordfriesischen Inseln und Helgolands werden stürmische Böen erwartet. Auch auf
dem Brocken wird es zunehmend stürmisch und der Windrichtung entsprechend
frischt auch der Böhmische Wind rund um Erzgebirge und Lausitzer Bergland auf.

In der Nacht zum Freitag verlagert sich das Teiltief vor der Küste Norwegens
nordwärts, was den Gradienten vor allem im Nordseebereich wieder auffächern
lässt, so dass sich dort der auf Süd drehende Wind abschwächt. Etwas frischt der
Südsüdostwind dagegen im Ostseeraum auf, ohne aber Warnschwellen zu erreichen.
Im Binnenland ändert sich der Gradient kaum, was auf dem Brocken in Sturmböen
resultiert und an der Grenze von Sachsen zu Tschechien steife Böen erwarten
lässt.

Die Warmfront erreicht Südschweden und in ihrem Bereich treten vor allem im
nördlichen Schleswig-Holstein Regenfälle auf. Die zugehörige Kaltfront gerät
noch fernab deutscher Hoheitsgewässer ins Schleifen. Über Deutschland ziehen in
der Nacht immer wieder hohe und mittelhohe Wolkenfelder hinweg, die diese
produzierende Warmluftadvektion nimmt aber im Nachtverlauf ab. Dazwischen tun
sich auch durchaus größere Wolkenlücken auf, so dass die Temperatur Richtung
Südosten deutlich absinken kann. Im Süden ist der Wind vielleicht auch hier und
da noch schwach genug, dass sich trotz insgesamt geringer Feuchte ein paar
Nebelfelder ausbilden können. Leichter Frost bis -3°C ist in größeren Teilen der
Südosthälfte Deutschlands zu erwarten, im südöstlichen Bergland teils auch
mäßiger Frost unter -5°C. Dagegen bleibt es mit etwas mehr Wind im Westen und
Norden verbreitet schon frostfrei, am Niederrhein wird es mit Tiefstwerten von
teils +8°C eine sehr milde Nacht.

Am Freitag ... verabschiedet sich die Achse des Höhenrückens ins östliche
Mitteleuropa. Der Schwerpunkt des Bodenhochs erreicht bis zum Abend schon die
Moskauer Region. Damit gelangt das gesamte Vorhersagebiet in allen Höhenniveaus
in den Bereich einer südwestlichen bis südlichen Strömung, mit der
erwartungsgemäß sehr milde Luft in der unteren Troposphäre zu uns gelangt. In
850 hPa werden im Tagesverlauf in allen Regionen meist 6 bis 9°C erreicht, im
Alpenvorland mit leichtem Föhn sogar über 10°C.

Der Druckgradient wird im Norden Deutschlands noch etwas auseinandergezogen,
wohingegen sich in den übrigen Regionen nicht allzu viel ändert. Auf dem Brocken
gibt es weiterhin Sturmböen und der böhmische Wind lebt über den Kamm des
Osterzgebirges hinweg und in den Tälern Ostsachsens bis hin zu einzelnen
stürmischen Böen auf. Trotz des sich zeitweise bis auf 8 hPa verstärkenden
Druckgradienten zwischen Bozen und Innsbruck wird derzeit von den
hochaufgelösten Modellen kein Sturm in den Bergen simuliert auch auf stärkere
Föhnböen in den Tälern gibt es derzeit keine Hinweise.

Mit der südwestlichen Strömung werden weiterhin viele mittelhohe und hohe
Wolkenfelder über Deutschland gelenkt. Insbesondere in der Nordwesthälfte können
diese auch mal dichter werden, so dass dort die Sonnenanteile etwas geringer
ausfallen, während nach Südosten hin die Sonne definitiv häufiger zum Vorschein
kommt. Mit der niedertroposphärischen Erwärmung wird die Schichtung zunehmend
labil, was insbesondere die Schicht zwischen 800 und 400 hPa betrifft, während
sich bodennah die Erwärmung noch nicht ganz durchsetzen kann. Dort ist die Luft
auch weiterhin trocken, so dass die von einigen Modellen am Nachmittag und Abend
in einem Streifen im Westen simulierten Schauer abgehobener Natur sein sollten.
Ob diese tatsächlich ausgelöst werden und ob es sich gegebenenfalls auch nur um
"Oberschlag" handeln wird, erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt keineswegs
sicher. Potentiell auslösender Mechanismus ist die Kaltfront des Tiefs, die
langsam nach Deutschland eindringt, was sich in einem leichten Rückgang der
Temperatur in 850 hPa zeigt, die aber ansonsten nicht markant in Erscheinung
tritt.

Sicher ist hingegen die markante Erwärmung: Vom Südosten bis zum Emsland steigt
die Temperatur verbreitet auf 16 bis 22°C, mit den höchsten Werten am Oberrhein.
Ganz im Norden und Nordosten bleibt es mit 12 bis 15°C kühler, an der See bei
auflandigem Wind (der aber nur an wenigen Stellen auftritt) werden nur um 10°C
erwartet.

In der Nacht zum Samstag kommt die oben erwähnte Kaltfront sehr langsam ostwärts
voran und erreicht bis zum Samstagmorgen in etwa eine Linie von Rügen bis zum
Saarland. Sie tritt in der unverändert südlichen bodennahen Strömung kaum mit
einem Windsprung oder Druckanstieg in Erscheinung, allerdings gerät sie mit
durchlaufenden kurzwelligen Randtrögen zeitweise unter Hebung, so dass an ihr
zunehmend schauerartige Regenfälle aufkommen. Vereinzelt, z.B. im Bereich des
Bergischen Landes, können dabei durchaus um 10 l/qm zusammenkommen.

Richtung Südosten bleibt es bei den durchziehenden hohen und mittelhohen
Wolkenfeldern und auch größeren Wolkenlücken. Mit etwas Gradientabnahme schwächt
sich der Wind auf dem Brocken sowie auch der Böhmische Wind ab, so dass die
Warnungen wohl zu Ende gehen können. Richtung Südosten kann es noch einmal
leichten Frost geben, wenn die Auflockerungen ausreichend lang sind. Ansonsten
liegen die Tiefstwerte vielfach bei 10 bis 5°C.

Am Samstag ... kommt das gesamte Zirkulationsmuster kaum nach Osten voran. Die
Achse des Höhentroges erreicht bis zum Abend in etwa Zentralfrankreich. Bodennah
verbleiben wir im Übergangsbereich zwischen dem osteuropäischen Hoch (dessen
Schwerpunkt sich zwischen Moskau und Ural auf über 1035 hPa aufgebläht hat) und
den Resten des Tiefs Gerson, die über Großbritannien ankommen. Insgesamt ist bei
weiterer Gradientabnahme nur noch schwacher südlicher bis südwestlicher Wind zu
erwarten.

Der Kaltfront fehlt die Schubkomponente, so dass sie ihre Lage kaum verändert
und bis zum Abend weiterhin in einem Streifen zwischen dem Südwesten und
Nordosten Deutschlands verbleibt. Der an ihr auftretende Temperaturgradient ist
sehr gering ausgeprägt mit in 850 hPa 6°C im Südosten und 3°C im Nordwesten.

Somit bleibt es im Südosten bei recht freundlichem Wetter mit weiterhin
durchziehenden Wolkenfeldern und recht viel Sonne. Dort wird durchaus im
Tagesverlauf eine recht labile Schichtung aufgebaut, allerdings fehlt die
Feuchte zur Auslösung von Konvektion. Anders sieht es vom Nordwesten bis zur
Mitte aus. Dort fließt eine recht feuchte Meeresluftmasse mit niederschlagbarem
Wasser um 20 l/qm ein. Zwar wird am Samstag recht viel Bewölkung erwartet, es
sollte aber dennoch im Laufe des Tages etwas CAPE aufgebaut werden. So simuliert
ICON bis 200 J/kg. Im Umfeld der Kaltfront sollte die Hebung ausreichen, um
Schauer und Gewitter auszulösen. Diese haben bei mäßiger Scherung (um 15 m/s
zwischen 0 und 6 km) durchaus etwas Organisationspotential, so dass zumindest
die Ocker-Kriterien mal angekratzt werden. Bei Verlagerungsgeschwindigkeiten
zwischen 30 und 40 km/h und nicht allzu starkem Höhenwind sind zumindest
Starkregensummen um 15 l/qm in kurzer Zeit und stürmische Böen vorstellbar.
Unter Umständen ist auch mal stärkerer Graupel dabei.

Wieder gibt es fast landesweit einen frühlingshaft-milden Tag mit Höchstwerten
zwischen 16 und 20°C. Benachteiligt sind wie meist zu dieser Jahreszeit die
Nordlichter, die sich mit Höchstwerten zwischen 10°C an der See und 15°C in
Hamburg zufrieden geben müssen.

In der Nacht zum Sonntag arbeitet sich die Achse des Troges bis nach
Ostfrankreich voran und Deutschland gelangt auf die unmittelbare Vorderseite.
Auf dieser kommt auch die Kaltfront allmählich weiter ostwärts voran, allerdings
bleibt der Südosten Deutschlands bis zum Morgen noch präfrontal. Dort ziehen
aber viele Wolken über den Himmel. An der Kaltfront selbst kommt es teilweise zu
stärkeren Hebungsprozessen, die hier und da auch mal über 10 l/qm Regen in
wenigen Stunden produzieren können, eine genaue Lokalisierung ist aber noch
nicht möglich. Es deutet sich aber ein Schwerpunkt in der ersten Nachthälfte im
Norden Deutschlands an und in der zweiten Nachthälfte ein weiterer im Südosten.
Vor allem zu Beginn können auch noch Gewitter eingelagert sein. Abgesehen von
diesen sollten Wetterwarnungen kaum nötig sein. Auch auf der Rückseite bleibt es
labil, denn bodennah sickert nur wenig kühlere Luft ein, während in der Höhe in
der Nähe des Trogbereiches immer kältere Luft über uns gelangt. Deswegen kommt
es auch im Nordwesten zu weiteren Schauern. An den Windverhältnissen ändert sich
in der Nacht nicht viel.

Frost wird in der Nacht zum Sonntag nicht mehr erwartet, vielmehr liegen die
Tiefstwerte zwischen 9°C im Westen und 1°C im Südosten.

Sonntag ... erreicht die Achse des Troges Deutschland und überquert in der Nacht
zum Montag unser Land ostwärts. Die immer schwieriger zu identifizierende
Kaltfront überquert in der ersten Tageshälfte noch den Südosten mit
schauerartigen Regenfällen. Auf der Rückseite setzt sich die erwärmte Meeresluft
polaren Ursprungs dann überall durch. Sie weist tagsüber in 850 hPa meist noch
etwa 2 bis 4°C auf, in der Nacht zum Montag geht die Temperatur dann noch einmal
um 2 K zurück. Mit zeitweise bis zu -26°C in 500 hPa ist die Luftmasse recht
labil geschichtet. Dabei ist im Nordosten etwas mehr Feuchte vorhanden als in
den übrigen Landesteilen, am geringsten ist die Feuchte an den Alpen. Es sollte
aber überall für die Auslösung von Schauern und Gewittern reichen. Die Scherung
ist im Trogbereich nur noch schwach, dementsprechend dürften sich die Gewitter
kaum organisieren. Immerhin sollen die Zuggeschwindigkeiten noch bei 30 bis 40
km/h liegen. Damit sollten weder Starkregen noch stürmische Böen ein großes
Thema werden, so dass die Gewitterwarnungen vielfach im gelben Bereich bleiben
sollten. Ein bisschen Graupel kann natürlich immer dabei sein. Zwischen den
Schauern lugt auch mal kurz die Sonne hervor, insgesamt macht der Sonntag seinem
Namen aber keine Ehre.

Das am Tag zuvor noch über Großbritannien verortete Tief Gerson erfährt vor der
norwegischen Küste wieder eine Verstärkung, was aber auf den Gradienten bei uns
keinen großen Einfluss hat. Dieser bleibt recht schwach ausgeprägt. Mit einem
schwachen durchschwenkenden Bodentrog dreht aber der Wind ab dem Abend und in
der Nacht zum Montag von Süd auf West.

In der Nacht zum Montag schwächt sich dann die Schauertätigkeit auch allmählich
wieder ab, bzw. diese ziehen nach Osten ab. Allzu große Wolkenauflockerungen
werden zumindest vom deutschen Modell nicht simuliert.

Die Temperaturhöchstwerte liegen tagsüber noch bei frühlingshaften 10 bis 16°C,
mit den tieferen Werten an der See und im östlichen Bergland. In der Nacht soll
es auf 7 bis 2°C abkühlen.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptische Entwicklung wird bis zum Samstag von den vorliegenden Modellen
recht übereinstimmend simuliert. Allerdings gibt es bei den
Niederschlagsprognosen durchaus größere Unterschiede, was auf unterschiedlich
starke Schauer- und Gewitteraktivität zurückzuführen ist. Insbesondere morgen
ist unklar, inwiefern am Nachmittag in NRW schon Schauer zu erwarten sind. GFS
und Arome simulieren fast nichts, IFS hat dagegen sehr deutliche Schauersignale.
ICON liegt dazwischen. Am Sonntag gibt es auch auf synoptischer Skala noch
erwähnenswerte Unterschiede. So wird die Struktur des Troges unterschiedlich
simuliert, zudem wäre nach GFS auch der Wind erheblich schwächer. Auf etwaige
Wetterwarnungen haben die Unterschiede aber keinen so großen Einfluss.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann