DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-03-2023 19:01
SXEU31 DWAV 131800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 13.03.2023 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Auf und ab, rauf und runter - heute warm, ab morgen wieder kälter (aber nicht
wirklich kalt). Zyklonale Westlage dauert an.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland in einem extrem zyklonal aufgestellten
Strömungsumfeld, das - über mehrere Tage gesehen - von einer mäandrierenden
Frontalzone sowie von einer ganzen Armada an Tiefdruckgebieten geprägt ist.
Letztere bevölkern weite Teile Nordeuropas, von wo aus sie einen erheblichen
Einfluss auf Mitteleuropa und somit auch auf Deutschland ausüben. Dabei stand
und steht der heutige Montag noch immer unter der Ägide des Sturmtiefs FLURIN,
das heute Abend mit etwas unter 970 hPa im Kern die Südspitze Norwegens erreicht
hat, um von dort weiter in Richtung Mittelschweden und Bottenbusen zu ziehen. Im
Warmsektor des zugehörigen Frontensystems wurde heute eine knackige Portion
subtropischer Warmluft advehiert, in der die Temperatur verbreitet in den
zweistelligen Bereich, im Süden und Südwesten mit Einstrahlung sogar auf 20°C
oder mehr stieg. Zum Vergleich, am gestrigen Sonntag lagen die Tageshöchstwerte
in der Nordosthälfte vielerorts noch um 5 oder 6°C.

Inzwischen hat die Kaltfront den Norden und Westen des Vorhersageraums
überquert, was so mancher wahrscheinlich gar nicht gemerkt hat. Kein Wunder, ist
doch die Front rein thermisch betrachtet eine ziemliche Pflaume (kaum
Baroklinität). Dazu kam und kommt im Norden eine fast schon provokative
Passivität ohne jedwedes "Wetter", die zu einem Großteil dem mangelnden Support
aus der Höhe (relativ glatte südwestliche Strömung) sowie der Stabilität der
beteiligten Luftmassen (prä- und postfrontal) geschuldet ist. So zeigen z.B. die
Mittagsaufstiege auf der Rückseite eine ausgeprägte Inversion bei 800-850 hPa
mit einer deutlichen Abtrocknung darüber.

Nach Süden hin, wo die Kaltfront aufgrund von Wellenbildung und geringer
Schubkomponente deutlich nach Südwesten zurückhängt, sieht das ganz anders aus.
Zwar glänzt die Front auch dort nicht gerade durch überbordende Baroklinität,
dafür präsentiert sie sich ungleich aktiver als im Norden. Grund dürfte der in
mehrere Anteile zersplitterte Höhentrog sein, der von Westeuropa her immer näher
kommt und synoptisch-skalige Hebungsimpulse liefert. Außerdem ist die
(präfrontale) Luftmasse feuchter und labiler als weiter nördlich sowie extrem
gut geschert. Kurzum, bereits am späten Mittag haben sich über Frankreich an und
vor der Front schauerartige, mit Gewittern durchsetzte Liniensegmente gebildet,
die am Nachmittag zu einer einzigen Linie zusammengewachsen sind, welche auf den
Südwesten des Vorhersageraums übergegriffen hat. Eingelagerte bogenförmige
Strukturen haben teils schwere Sturmböen generiert, die gegen 16:15 MEZ in eine
glatte Orkanböe 12 Bft mit 119 km/h gipfelten.

Im Laufe der Nacht zum Dienstag schwenkt die Kaltfront langsam und schleifend
über den Süden und Teile der Mitte ost-südostwärts hinweg, wobei es zu weiteren
Regenfällen und vor allem anfangs auch noch kräftigen Gewittern kommt. Neben
(schweren) Sturmböen aufgrund des guten Organisationsgrades können die Gewitter
auch von Starkregen mit Mengen um oder über 15 l/m² innert kurzer Zeit sowie
Hagel bis zu 2 cm Durchmesser begleitet sein. Vornehmlich in einem von
Schwarzwald-Alb-Region bis in die östliche Mitte reichenden Korridor sowie an
den Alpen ist die Wahrscheinlichkeit für Starkregen (1- bis 3-stündig) auch
außerhalb von Gewittern erhöht. Sowohl Starkregen als auch Gewitter können und
müssen letztlich in situ abgewarnt werden. Je länger die Nacht andauert, desto
weniger wetterwirksam die Front.

Und was geht sonst noch so? Bis auf ein paar schlappe Schauer im äußersten
Norden tut sich niederschlagstechnisch zunächst nur wenig. Das ändert sich im
Laufe der zweiten Nachthälfte, wenn sich von der Nordsee und Benelux her ein
scharf geschnittener Bodentrog nähert, der im Grunde die Fortsetzung eines über
Südnorwegen neu geschaffenen Teiltiefs (FLURIN II) darstellt. Auf seiner
Vorderseite nimmt die Schaueraktivität zu, ohne aber über die Stränge zu
schlagen. 6-stündig kommen nur punktuell 5 l/m² oder etwas mehr zusammen.
Dritte, deutschlandweite Baustelle neben dem Regen und den Gewittern ist der
Wind. Der muckt aus Südwesten kommend im Süden an der Kaltfront noch kurzzeitig
auf (7-8 Bft, anfangs 9-10 Bft), während er sonst aufgrund allmählicher
Gradientauffächerung nachlässt. Das gilt allerdings nicht für die Berge, die in
höheren Lagen je nach Exposition weiterhin mit Böen 8 bis 10 Bft, auf dem
Brocken 11 oder 12 Bft aufwarten. Stürmisch bleibt es zunächst auch noch an und
auf der Nordsee (8-9 Bft, anfangs 10 Bft), bevor der Südwestwind auch dort
zumindest vorübergehend leichte Müdigkeitserscheinungen an die Nacht legt.

Bliebe nur noch zu erwähnen, dass es in der postfrontal einfließenden, deutlich
erwärmten Meereskaltluft subpolaren Ursprungs (T850 1 bis 5°C) frostfrei bleibt.


Dienstag ... setzt sich die Progression des Höhentrogs fort. Dieser besteht aus
zwei Teilen, von denen der erste der deutlich schwächer ausgeprägte ist. Er
schwenkt mit nach Südwesten zurückhängender Achse bereits am Vormittag
ost-nordostwärts, wobei er zusehends an Kontur einbüßt. Teil #2, der mehr und
mehr die Rolle des Haupttroges einnimmt, folgt dann am Nachmittag nach. Er wird
begleitet von höhenkalter Polarluft, die zunächst den Westen und Nordwesten
erfasst. T850 geht bis zum Abend auf rund -6°C, T500 auf rund -35°C zurück, was
nach Riese und Zwerg rund 30 Grad Differenz und demzufolge ordentlich Labilität
bedeutet.

Doch zunächst zu den Strukturen am Boden, wo das kleine Teiltief FLURIN II via
Südschweden nach Osten abzieht. Gleichzeitig schwenkt der Bodentrog über
Deutschland hinweg ostwärts. Seine Rückseite wird durch eine Kaltfront markiert,
die in den heutigen Analysen aus historischen Gründen noch als zurückhängende
Okklusion geführt wird. Während am östlichen Alpenrand die letzten Niederschläge
aus der Nacht im Laufe des Vormittags nach Österreich verschwinden, machen sich
die nächsten Regenfälle auf den Weg von West nach Ost. Akkumuliert über 12
Stunden können gebietsweise 5 bis 10 l/m² zusammenkommen. Die Struktur der
Regenfälle ist zunächst tendenziell eher skalig, bevor mit Annäherung des Troges
respektive der Höhenkaltluft von Westen her die konvektive Komponente immer mehr
zunimmt. Doch nicht nur das, aufgrund der postfrontalen KLA sinkt die
Schneefallgrenze in den westlichen und zentralen Mittelgebirgen sowie im Harz
auf 600 bis 300 m ab. Dort kann sich bis zum Abend hier und da eine dünne
Nassschneedecke bilden. Ob es im Norden und Westen auch für ein kurzes
Kaltluftgewitter mit Graupel reicht, ist fraglich. Die höhenkälteste Luft kommt
erst spät, die numerischen CAPE-Angebote entsprechend dünn. Trotzdem sollten
vereinzelte Blitze keine ganz große Überraschung sein.

Neben dem Niederschlag wird uns auch das Thema "Wind/Sturm" weiter beschäftigen.
Mit Passage des Bodentrogs, in orografisch gegliedertem Gelände auch schon
vorher (Stichwort Leitplankeneffekt, Leeeffekte), frischt der Wind merklich auf,
wobei er von Südwest auf West bis Nordwest dreht. Stürmische Böen 8 Bft treten
vor allem vom Südwesten und Süden bis in die Mitte auf. Im Alpen- und
Erzgebirgsvorland sind einzelne Sturmböen 9 Bft, in exponierten Kamm- und
Gipfellagen 10 bis 12 Bft am Start. Weiter nach Norden zieht von West nach Ost
eine recht schmale Starkwindzone von West nach Ost, in der Böen 7 Bft,
vereinzelt 8 Bft auftreten. An der Nordsee muss vermehrt mit Böen 8 Bft
gerechnet werden.

Mit Durchgang des Troges bzw. der Kaltfront geht die Temperatur zurück. Zuvor
reicht es im Osten noch mal für 15 oder 16°C in der Spitze, während im
Nordwesten Maxima von rund 10°C auf der Karte stehen. In den Hochlagen der
Mittelgebirge, wo am Vormittag noch positive Temperaturen gemessen werden, geht
es am Nachmittag in den leichten Frostbereich.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Höhentrog samt thermischen Trog langsam
ostwärts über Deutschland hinweg. Auf 500 hPa sinkt die Temperatur ganz im
Norden auf nahe -40°C, während T850 zwischen -4 und -8°C liegt. Die Labilität
reicht trotz ungünstiger Tageszeit weiter aus, um noch einige, vereinzelt
gewittrige Schauer zu generieren, die bis ganz runter als Schnee oder Graupel
fallen. Eine mehrere Zentimeter dünne/dicke Schneedecke bildet sich aber wohl
nur in einigen Staulagen der Mittelgebirge sowie an den Alpen, wo punktuell
sogar bis zu 10 cm möglich sind.

Ansonsten sorgt die andauernde KLA für Druckanstieg, der sich in einem von
Südwesteuropa bis nach Süddeutschland ausweitenden Hochkeil bemerkbar macht. In
Folge kommt es zu einer Gradientauffächerung, die wiederum zu einer spürbaren
Windabnahme führt. Windig bis stürmisch bleibt es nur an den Küsten sowie in
einigen Hochlagen. Da es zwischen den Schauern, die übrigens nicht überall
auftreten, auch immer mal wieder auflockert, geht die Temperatur vielerorts in
den leichten Frostbereich zurück. Dabei kann es glatt werden durch gefrierende
Nässe.

Mittwoch ... gelangt Deutschland zwischen den nach Osten abziehenden Trog und
einen sich über dem nahen Atlantik aufwölbenden Rücken unter eine relativ glatt
strukturierte nordwestliche Höhenströmung. Bodennah setzt sich der Druckanstieg
fort, was zu einer Ausweitung des besagten Hochkeil bis weit nach Norden führt.
Während die Temperatur auf 850 hPa nur sehr langsam ansteigt (bis zum Abend auf
-3°C im SW und -7°C im NO), zieht die Höhenkaltluft zusammen mit dem
Potenzialtrog relativ zügig nach Osten ab. Damit setzt eine Stabilisierung der
Luftmasse ein, die aber nicht verhindern kann, dass im Nordosten noch ein paar
Schnee-, Schneeregen- oder Graupelschauer inkl. kurzer Gewitter auftreten
können. Auch im West-Nordweststau der Mittelgebirge sowie an den Alpen kann es
schauerartig noch etwas schneien. Tagesgangbedingt lebt der westliche Wind
insbesondere im Norden und Nordosten mitunter etwas auf, wobei Böen 7 Bft an der
See häufiger (hier exponiert sogar eine 8 Bft nicht ausgeschlossen), im
Binnenland seltener anzutreffen sind. Thermisch kommen wir über 4 bis 9°C, am
Oberrhein lokal vielleicht 10°C nicht hinaus. Im höheren Bergland hält sich
sogar noch leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Donnerstag gelangen wir mehr und mehr auf die Vorderseite des
o.e. Rückens, der langsam ostwärts wandert. Der korrespondierende Bodenhochkeil
- mittlerweile ist es eine eigenständige Parzelle mit etwas über 1020 hPa -
verlagert sich in Richtung Austria-Tschechien-Slowakei. Auf seiner Westflanke
setzt WLA ein, die den Rücken in klassischer Manier überläuft und mehrschichtige
Bewölkung generiert, welche sich von Westen her langsam ausbreitet. Im
Grenzbereich zu Benelux beginnt es in den frühen Morgenstunden leicht zu regnen.
Dort bleibt die Nacht meist frostfrei, während sonst leichter, im Bergland lokal
mäßiger Frost auf dem Zettel steht. Im Bajuwarischen Wald sowie an den Alpen ist
lokal sogar strenger Frost möglich.

Donnerstag ... legt sich der Rücken komplett über Deutschland, trotzdem will es
nicht überall klappen mit dem Hochdruckeinfluss. Gut sieht es diesbezüglich für
die komplette Südosthälfte aus, wo sich die Sonne trotz einiger hoher und
mittelhoher Wolkenfelder recht häufig die Ehre gibt. Im Nordwesten dagegen macht
sich die die Warmfront des nächsten Tiefs - seines Zeichens GERSON - über dem
nahen Atlantik bemerkbar. Neben mehrschichtiger Bewölkung fällt zeitweise Regen,
wobei hinsichtlich Intensität und räumlicher Verteilung noch nicht das letzte
Wort gesprochen ist.

Der Wind dreht komplett zurück auf südliche bis südöstliche Richtungen. An der
Nordsee sowie in einigen Hochlagen muss mit Böen 7-8 Bft gerechnet werden. Im
Norden und Nordosten steigt die Temperatur auf 6 bis 10°C, sonst auf 10 bis
16°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundsätzliche Entwicklung wird von den externen Modellen bestätigt. Die
Windentwicklung am Dienstag ist etwas tricky, so dass tagsüber wohl noch
Anpassungen der heute Abend noch veröffentlichten Grundwarnung nötig sein
werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann