DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-03-2023 09:01
SXEU31 DWAV 100800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 10.03.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Ws

Heute im Norden an der Luftmassengrenze Schneefälle, kommende Nacht
intensivierend und südwärts ausweitend, nachfolgend z.T. markante Glätte. Zuvor
in einigen Mittelgebirgen Dauerregen und Tauwetter. Im Südwesten stürmisch,
kommende Nacht auch über der Mitte.
Am Samstag vorübergehend Wetterberuhigung.
Sonntag und Montag wieder unbeständiger, windiger aber zunehmend mild.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... setzt sich die zyklonale Westlage fort und auch die (etwas stärker)
mäandrierende Frontalzone bleibt uns gewogen. Sie liegt zurzeit als
quasi-stationäre Luftmassengrenze über der nördlichen Mitte Deutschlands. Man
erkennt sie schön an einer Windkonvergenz, die in etwa auf einer Linie
Niederrhein-Berliner Raum zu finden ist. Nördlich herrschen zumeist östliche bis
nordöstliche Winde, mit der polare Luft angezapft wird (-2 °C im Norden von
Schleswig-Holstein), südlich erfolgt mit südwestlicher Strömung ein
Warmlufteinschub (um 10 °C entlang des Oberrheins). Die frontalen Niederschläge,
die durch einen ersten kräftigen Schub WLA im Laufe der vergangenen Nacht eine
Intensivierung erfahren haben, fallen zumeist auf der kalten Seite der
Luftmassengrenze, wobei sich der Übergang von Regen zu Schnee etwa nördlich
einer Linie Emsland-Uckermark vollzieht. Dies korreliert gut mit der
0-Grad-Isotherme auf 850 hPa (Isothermie). Zum Teil hat es dabei recht kräftig
geschneit (z. T. um 10 cm Neuschnee), sodass markante Schneefallwarnungen
geschaltet werden mussten. Ansonsten fällt bis in Kammlagen schauerartig
verstärkter Regen, sodass sich das Tauwetter in einigen Mittelgebirgen
fortsetzt.

Die Luftmassengrenze ist eingebettet in eine zonal orientierte Tiefruckrinne,
die nach Westen zu in ein kleines, aber markantes Randtief mit Kern über dem
Ostausgang des Ärmelkanals. Dieses hat Eigenschaften eine Shapiro-Keyser-Zyklone
mit einem warmen Kern, einem scharfen Bodentrog an der Südwestflanke (eventuell
mit Cold-Jet) und einer wenig baroklinen, wetterinaktiven Kaltfront. Diese ist
aber so diffus, dass sie zurzeit (noch) nicht analysiert werden konnte. Das Tief
korrespondiert mit zwei Kurzwellentrögen. Der erste liegt schon über Benelux und
hat den Tiefkern bereits überlaufen. Der Trog schwenkt bis zum Abend recht zügig
vor allem über die Südhälfte Deutschlands ostwärts. Der zweite Trog liegt über
Schottland und greift ab den Abend auf den Nordwesten und Norden des Landes
über. Letzterer stützt das Tief und sorgt dafür, dass es sich zunächst kaum
abschwächt und einmal quer über die nördliche Mitte (ziemlich genau entlang der
Spur der Luftmassengrenze) ostwärts geführt wird und bis Mitternacht bereits
nach Polen abzieht.

Tagsüber lassen die frontalen Niederschläge im Norden mangels Antrieb
vorübergehend etwas nach, nördlich der Luftmassengrenze schneit es in einem
Streifen von der Ems bis zum Oderhaff. Dabei tut sich die Neuschneeakkumulation
aufgrund der diffusen Gegenstrahlung zunehmend schwer, bei etwas stärkeren
Intensitäten kann es aber zu Schneematsch und Glätte kommen.

Während es im äußersten Norden weitestgehend trocken bleibt, sind auch in der
Warmluft in der Südhälfte verbreitet Niederschläge zu erwarten. Die Luftmasse
ist instabil geschichtet, erst mit Übergreifen der o.e. Kaltfront von Südwesten
setzt Stabilisierung ein. Vor allem über der östlichen Mitte sind die
ICON-Prognosesoundings mit einer schmalen, aber hochreichenden CAPE-Fläche
ausgestattet (Feuchtekonvergenz), sodass auch einzelne Gewitter möglich sind.
Aber auch nach Süden zu können diese nicht ausgeschlossen werden, wenngleich die
Labilität dort nicht so hochreichend ist. Die Niederschlagsmengen sind an sich
nicht warnwürdig, allenfalls im Schwarzwald gibt es schwache Hinweise auf mehr
als 30 mm/24 h. Allerdings regnet es zunächst bis in Kammlagen der
Mittelgebirge, sodass mit Abschmelzend er z.T. noch vorhandenen Schneedecke
warnwürdige Abflussmengen durchaus nicht ausgeschlossen werden können und die
geschalteten Tauwetterwarnungen Berechtigung haben. Hinter der Kaltfront sinkt
die Schneefallgrenze zwar nachmittags ab auf rund 800 m im Schwarzwald und 1000
m an den Alpen, viel Neuschnee kommt dabei aber erst mal nicht zusammen.

Nördlich der Rinne frischt der Wind aus Ost zwar etwas auf, es bleibt aber bei
einzelnen Steifen Böen über der Nordsee und auf Ostfriesland. Markanter ist die
Gradientverschärfung südlich der Rinne, sodass zunächst in der Südwesthälfte mit
steifen bis stürmischen Böen Bft 7-8 bis ins Tiefland zu rechnen ist. Da sich
ein markanter Low-Level-Jet über dem Süden ausbildet (50 bis 60 kn auf 850 hPa),
geht es im oberen Bergland noch deutlich mehr zur Sache mit (je nach Höhenlage)
schweren Sturmböen bis Orkanböen (Bft 10-12). Da die Labilität im Süden nicht
ganz so hochreichend, treten bei Schauern und Gewittern wohl nicht mehr als
Sturmböen auf.

Den Höhepunkt der Windentwicklung erwarten wir aber ab dem späten Nachmittag,
wenn die "scharf-gradientige" Rückseite des Tiefs mit dem Cold-Jet einmal quer
über die Mitte des Landes ostwärts geführt wird. Damit frischt der von Südwest
auf Nordwest drehende Wind im gesamten mittleren und südlichen Drittel des
Landes von Westen nochmal stärker auf mit Sturmböen bis ins Tiefland, schweren
Sturmböen im Bergland und Orkanböen vor allem in den südlichen Mittelgebirgen
und in den Alpen.

Eine zurückhängende Okklusion stützt zudem eine mesoskaliges
Niederschlagsgebiet. Die Niederschläge gegen mit Ausbrechen der Kaltluft nach
Süden dabei zügig in Schnee über. Bis Mitternacht erreicht die -5 Grad auf 850
hPa den Alpenrand, die -10 Grad die Mittelgebirge. In einem Streifen von NRW bis
nach Brandenburg werden verbreitet 10 bis 20 mm, am Nordrand der Mittelgebirge
teils sogar um 30 m simuliert. Der Schneeanteil beträgt dabei gut und gerne 75%,
allerdings wird sicherlich nicht alles davon bleiben. Dennoch sind strichweise 5
bis 10 cm binnen weniger Stunden (!) wahrscheinlich, in Staulagen der
westlichen/nördlichen Mittelgebirge und später auch am Erzgebirge durchaus auch
bis 15 cm oder mehr. Das hat zusammen mit den Wind fast schon
Schneesturm-Charakter. Markante Schneefallwarnungen sind somit ins Kalkül zu
ziehen. Aufgrund der eher nassen Schneedecke dürften Schneeverwehungen eher eine
untergeordnete Rolle spielen, sind aber vor allem in Hochlagen der Mittelgebirge
nicht auszuschließen.

Auch an den Alpen staut es etwas rein, die Neuschneemengen sind aber eher im
gelben Bereich. Ansonsten gibt es nur einzelne Schneeschauer, die kaum
nennenswerte Mengen bringen.

Frost stellt sich wieder verbreitet ein (mit wenigen Ausnahmen), sodass auch
abseits der Niederschläge Glätte durch überfrierende Nässe auftreten kann.
Besonders im Fokus scheint die Nordwesthälfte zu sein, wo es nach Abklingen der
Schneefälle rasch auflockert und es verbreitet und plötzlich Überfrieren kann
(markante Glättewarnungen!).



Samstag... heißt es erst mal Durchschnaufen! Trog und Sturmtief ziehen nach
Osten ab. Zwischen dem abziehenden Trog und einem Rücken über dem nahen
Ostatlantik stellt sich über Deutschland eine recht glatte nordwestliche
Höhenströmung ein. Der Luftdruck steigt von Westen, vor allem aufgrund von
kräftiger KLA deutlich an, sodass sich eine Hochparzelle ausbilden kann, die
abends mit Schwerpunkt über dem Süden Deutschlands liegt. Eine Warmfrontwelle
über Frankreich scheint den Südwesten nach aktuellen Stand nicht zu tangieren.

Im Osten und Südosten klingen die Schneefälle am Vormittag ab, an den Alpen
dauert das bis in den Nachmittag hinein. Die Neuschneemengen liegen aber meist
bei weniger als 5 cm, nur Richtung Allgäu könnte es noch etwas mehr geben.

Der Nordwesten und Norden wird am Nachmittag nochmal von einem flachen Bodentrog
nebst eingelagerter Konvergenzlinie erfasst, die eine Schauerlinie stützt. Die
Schnee- und Schneeregenschauer bringen aber wahrscheinlich keine Glätte.

Im übrigen Land bleibt es trocken bei wechselnder Bewölkung und teils längeren
heiteren Abschnitten.

Im Osten weht der Nordwestwind anfangs noch frisch und stark böig, im östlichen
und südöstlichen Bergland sind Sturmböen Bft 9 möglich. Mit dem Bodentrog
frischt der Wind mit Drehung auf West im Norden und bevorzugt in Schauernähe
nochmal auf mit steifen, exponiert an der See stürmischen Böen. Ansonsten lässt
der Wind deutlich nach.

Die Temperaturen gleichen sich in der nach Süden vorgestoßenen Polarluft (T850
-4 Grad im Südwesten und -9 Grad im Nordosten) an und liegen durchweg im
einstelligen Bereich.

In der Nacht zum Sonntag endet der Zwischenhocheinfluss bereits. In der
Nordwestströmung wird ein flacher Kurzwellentrog nach Westdeutschland geführt.
Dieser korrespondiert mit einer Warmfront eines zur Nordsee ziehenden Teiltiefs,
die nach ICON den Westen und Südwesten des Landes mit leichten Niederschlägen
erreicht. Rückseitig wird ein erster Schwall milderer Luft herangeführt (T850 um
0 Grad). Demnach sind nur anfangs leichte Schneefälle möglich, die dann von
Westen eher in Regen übergehen. Beim Phasenübergang ist kurzzeitig und örtlich
gefrierender Regen nicht ausgeschlossen. Etwas stärker fallen die Schneefälle
staubedingt am Alpenrand aus, dort sind bevorzugt im Allgäu um 10 cm drin.

Ansonsten bleibt es trocken und nach Osten zu anfangs auch teils klar. Bevor
sich die Milderung ganz im Südwesten und Westen durchsetzt stellt sich
flächendecken leichter, nach Südosten zu und im Bergland mäßiger Frost ein.

Sonntag... schwenk der flache Kurzwellentrog nach Südosten durch, vorderseitig
des auf Westeuropa übergreifenden Troges konturiert sich die nordwestliche
Höhenströmung antizyklonal.

Die Warmfront schwenkt ost-nordostwärts und erreicht abends den Nordosten, wo
dann durch einen über die westliche Ostsee laufenden Keil eingebremst wird. An
der Ostflanke des korrespondierenden Niederschlagbandes ist weiterhin die
Schneephase vertreten, am ehesten in den Mittelgebirgen sowie nach Nordosten zu
ist Glätte durch etwas Schneematsch auch tagsüber möglich. An den Alpen staut es
weiterhin, sodass nochmal 5 bis 10 cm Neuschnee möglich sind, bevor die
Schneefallgrenze im Tagesverlauf auf über 1500 m ansteigt.

Im Südwesten und Westen lassen die Regenfälle im Tagesverlauf nach, und die
Bewölkung lockert etwas auf. Dann sind in der milderen Luft entlang des Rheins
auch wieder zweistellige Temperaturen möglich.

Der Wind frischt hinter der Warmfront etwas auf und dreht auf Südwest,
warnwürdige Böen Bft 7-8 beschränken sich aber auf höheren Lagen und Leelagen.

In der Nacht zum Montag schwenkt der Rücken nach Deutschland. Er wird allerdings
von WLA überlaufen. Zudem erfasst uns von Westen bereits die nächste Warmfront
eines Sturmtiefs bei den Britischen Inseln. Damit wird eine nochmal deutlich
mildere Luft herangeführt, im Westen und Südwesten steigen die
850-hPa-Temperaturen auf 5 bis 8 Grad an.

WLA und Warmfront bringen verbreitet Regen, auch im Nordosten geht der Schnee
zunehmend in Schneeregen/Regen über. Warnwürdig sind die Mengen wahrscheinlich
nicht. Noch überwiegend trocken bleibt es im Südosten.

Dafür wird der Wind wieder Thema, er frischt in der Nordwesthälfte sowie
generell in den Mittelgebirgen auf mit steifen Böen im Tiefland und Sturmböen im
oberen Bergland.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Entwicklung der Großwetterlage konsistent. Auch was
die Luftmassengrenze im Norden und das durchschwenkende Sturmtief in der Nacht
zum Samstag betrifft, sehen die synoptischen Basisfelder sehr ähnlich aus. Vor
allem im Hinblick auf die Schneefallwarnungen gibt es dennoch einige offene
Fragen: Wie viel bleibt tatsächlich liegen? Für die Warnherausgabe können noch
einige Modellläufe abgewartet werden, spätestens im Nachtmittagsverlauf sollte
dann entschieden werden. Markante Warnungen (eventuell auch in Kombination mit
Verwehungen) sind aber zumindest strichweise quer über der nördlichen Mitte in
Erwägung zu ziehen, alleine schon im Hinblick auf den subjektiven Eindruck bzw.
den Impact (plötzliche, teils schneesturm-ähnliche Bedingungen).
Die Erweiterung/Heraufstufung der Windwarnungen erfolgen um die Mittagszeit.
Bezüglich etwaiger markanter Glättewarnungen ab dem Abend im Anschluss an die
Schneefallwarnungen agieren wir ereignisnah am Abend, wenn die Schneefälle
nachlassen.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser