DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-03-2023 18:01
SXEU31 DWAV 041800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 04.03.2023 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Übergang zu nasskaltem Wetter, zumindest im Bergland und wahrscheinlich auch im
Nordosten teils winterlich. Ab Dienstagfrüh im Küstenbereich Gefahr einer
schweren Sturmlage mit orkanartigen Böen an der See.

SCHNEEFALL:
In der Nacht zum Dienstag und auch am Dienstag in den Staulagen der nördlichen
und östlichen Mittelgebirge mehr als 10 cm Neuschnee innerhalb 12 Stunden, ab
Dienstagmittag in freien Hochlagen mit Verwehungsgefahr.

WIND:
Bis einschließlich Montag abgesehen von exponierten Gipfeln der nördlichen und
östlichen Mittelgebirge keine Sturmböen. In der Nacht zum Dienstag an der
Nordsee und später auch an der Ostsee sowie auf exponierten Berggipfeln
auffrischender Wind mit Sturmböen Bft 8/9, über der offenen Nordsee und
Dienstagfrüh auch an der Nordseeküste schwere Sturm- und orkanartige Böen. Bis
ins nördliche Binnenland und auch an der Ostsee aufkommend sowie auf höheren
Berggipfeln Sturmböen (Brocken schwere Sturmböen).
Sturmböen Bft 8/9 am Dienstag auf den Nordosten bis hin zu den östlichen
Mittelgebirgen übergreifend. Anfangs an der Nordsee, tagsüber an der Ostsee und
in höheren Berglagen teils schwere Sturm- und orkanartige Böen. Wind bis Mittag
an der Nordsee und bis zum Abend auch im nordöstlichen Binnenland abflauend,
dann nur noch an der Vorpommerschen Ostseeküste einzelne schwere Sturmböen.

GEWITTER:
In der zweiten Nachthälfte der Nacht zum Dienstag und Dienstagfrüh im Norden und
Nordosten mit Kaltfrontpassage kurze Gewitter, dabei Böen bis Sturmstärke auch
bis weit ins Binnenland hinein nicht auszuschließen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland an der Westflanke eines breiten Troges, der von
der Barents-See bis zur Ukraine reicht. Dieser Trog wird von einem Höhenkeil
flankiert, der sich von den Kanaren westlich an Irland vorbei bis nach
Westgrönland erstreckt. Das mit diesem Keil korrespondierende Bodenhoch, dessen
Schwerpunkt unmittelbar östlich von Grönland liegt, kräftigt sich dort. Mit der
resultierenden nordwestlichen Strömung wird zunehmend kältere Luft nach
Mitteleuropa geführt. Der Gradient ist jedoch nicht allzu kräftig, so dass
Windböen auf die Nordseeküste und stürmische bzw. Sturmböen auf die
Nordfriesischen Inseln sowie auf das Brockenplateau und den Fichtelberg
beschränkt sind.
Im Bodendruckfeld fungiert als Gegenspieler zu dem Hoch östlich von Grönland ein
Tiefdruckkomplex über Westrussland. Dessen Kaltfront arbeitet sich in der Nacht
zum Sonntag über Deutschland hinweg leicht schleifend südwestwärts vor. Da die
Front von Kaltluftadvektion überlaufen wird, beschränkt sich deren
Wetterwirksamkeit auf etwas Sprühregen, im Bergland Schneegriesel, wodurch
allenfalls in Staulagen 1 bis 2 mm Niederschlag zusammenkommen können. Im 850
hPa-Niveau gehen die Temperaturen im Norden und in der Mitte Deutschlands auf -8
bis -10 Grad zurück. Daher geht der Niederschlag oberhalb 400 m und bis
Sonntagfrüh im Nordosten zum Teil auch bis in tiefe Lagen in Schnee über,
wodurch streckenweise Glättegefahr besteht.
Im Süden, d.h. vor allem in Richtung Alpen, hält sich anfangs antizyklonaler
Einfluss (oder was davon übrigblieb). Absinken hält dort noch die geschlossene
und meist tiefe Bewölkung fern. In der ersten Nachthälfte schließen sich aber
dort die letzten Wolkenlücken. Abgesehen vom Nordwesten ist ansonsten nahezu
durchweg leichter Frost zu erwarten.

Sonntag ... bewirkt ein Vorstoß hochreichender arktischer Polarluft aus dem Raum
Spitzbergen eine Ausweitung des o.g. Troges in Richtung Südwesten, d.h. zur
Nordsee hin. Die über Deutschland schleifende Kaltfront kommt daher nur noch
wenig südwestwärts voran. Wenngleich Kaltluftadvektion kaum noch erfolgt, so
wird doch etwas Hebung durch südostwärts ablaufende Kurzwellentröge generiert,
so dass sich in deren Bereich die Niederschläge etwas intensivieren können, ohne
auch nur annähernd warnrelevant zu werden. In den Staulagen der nördlichen und
östlichen Mittelgebirge können bis 5 mm innerhalb von 12 Stunden zusammenkommen,
wobei die Schneefallgrenze im Bergland bei etwa 400 m liegt und nach Nordosten
hin bis in tiefe Lagen die feste Phase zu erwarten ist. Allerdings sollte dort
der Schnee nicht liegen bleiben.
Im Tagesverlauf verlagert sich das über Westrussland liegende Tief etwas nach
Osten, was den Gradienten auffächern lässt. Einzelne Sturmböen Bft 8/9 treten
anfangs noch auf exponierten Berggipfeln der nördlichen und östlichen
Mittelgebirge auf, danach ist auch dort wie bereits in den anderen Gebieten
zuvor der Wind nicht mehr warnrelevant.
Der Süden bleibt von Niederschlägen noch weitgehend verschont, aber allenfalls
an den Alpen sind ein paar Wolkenlücken vorstellbar. Dagegen macht sich in
Ostseenähe leichter Skandinavien-Föhn bemerkbar, was dort größere Auflockerungen
zur Folge hat.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 1 bis 5, in Rheinnähe bis 7 Grad. Oberhalb
von etwa 600 m herrscht meist leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Montag zapft der wetterbestimmende Trog die über Ostgrönland
liegende arktische Polarluft an, was einen Sekundärtrog zustande kommen lässt,
der über Island hinweg süd-südwestwärts schwenkt. Dies lässt die Strömung ein
wenig rückdrehen, so dass die Kaltfront kaum noch weiter südwestwärts vorankommt
und eher sogar leicht rückläufig wird. Nach wie vor sind in deren Bereich
leichte Niederschläge zu erwarten, wodurch in den Staulagen der östlichen und
nördlichen Mittelgebirge um 5 mm innerhalb von 12 Stunden zusammenkommen können.
Die Schneefallgrenze liegt dann bei etwa 600 m, im Nordosten, wo die
Niederschläge abseits der Ostseeküste geringer sind, fällt auch in tiefen Lagen
die Misch- oder die feste Phase. Dabei besteht durch Schnee, Schneematsch oder
überfrorene Nässe Glättegefahr.
Abgesehen vom Nordwesten und von einigen tieferen Lagen Westdeutschlands ist
ansonsten durchweg leichter Frost zu erwarten.

Montag ... bringt das Südwärsts-Schwenken des Sekundärtroges von der Nacht zuvor
ein weiteres Rückdrehen der Strömung mit sich, so dass sich eine
west-nordwestliche Strömung ergibt. Ein darin eingelagerter vorlaufender
Kurzwellentrog induziert über der mittleren Nordsee eine markante Zyklogenese,
wobei neben positiver Vorticityadvektion auch kräftige Warmluftadvektion
beteiligt ist. Das sich entwickelnde Tief verlagert sich bis zum Abend in die
mittlere Nordsee. An deren Südflanke frischt der Wind auf, was ab Mittag an der
Nordseeküste Windböen und bis zum Abend stürmische und über der offenen Nordsee
Sturmböen Bft 9 aufkommen lässt. Dies trifft wahrscheinlich auch auf den Brocken
im Oberharz zu.
Die rückläufig werdende Front wird hierdurch als Warmfront nach Nordosten
herausgedrückt. Dies bringt auch im 850 hPa-Niveau einen Temperaturanstieg mit
sich, was die Schneefallgrenze etwas ansteigen lässt.
Die Niederschlagstätigkeit ist nach wie vor gering, mehr als 5 mm innerhalb von
12 Stunden sollten kaum zusammenkommen. Erst später am Tag können sich, bedingt
durch Warmluftadvektion, von Nordwesten her die Niederschläge etwas
intensivieren, ohne jedoch auch nur annähernd in die Nähe der Warnschwellen zu
gelangen. Auflockerungen sind auf die küstennahen Gebiete beschränkt, wo etwas
Durchmischung gegeben ist. Auch in den Leegebieten der Mittelgebirge kann es für
ein paar Wolkenlücken reichen. Gegenüber Sonntag ändern sich die Temperaturen
nur unwesentlich.

In der Nacht zum Dienstag überquert der von Norden südwärts schwenkende
Sekundärtrog Schottland, was die zyklonale Strömung über Mitteleuropa nahezu auf
West drehen lässt. Das darin eingelagerte Tief gelangt zu dem nachfolgenden
Kurzwellentrog in entwicklungsgünstige Position, verlagert sich über Jütland
hinweg ostwärts und intensiviert sich zu einem Sturmtief mit einem Kerndruck bis
unter 980 hPa (nach GFS, ICON-EU und UK10 bis unter 975 hPa). Die Zugbahn dieses
Tiefs ist noch leicht unsicher, Dienstagfrüh ergeben sich Unterschiede
hinsichtlich der Position des Tiefkerns von ca. 200 km, was aber durchaus im
Bereich der Prognoseunschärfe liegt. Übereinstimmend zeigt sich, dass das
Sturmfeld dieses Tiefs den Küstenbereich erfasst. Daher frischt der Wind
zunächst an der Nordsee mit Sturmböen Bft 8/9 und schweren Sturmböen über der
offenen Nordsee auf; Wind- und stürmische Böen setzen bis Mitternacht auch an
der Ostseeküste sowie in den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge (Brocken
Böen bis Sturmstärke) ein. Bis Dienstagfrüh legt der Sturm an der Küste weiter
zu, an der Ostseeküste und in Nordfriesland abseits der Küste kommen Sturmböen
Bft 8/9, von der Elbmündung aus nordwärts schwere Sturmböen und auf den
Nordfriesischen Inseln orkanartige Böen auf, wobei diese Version von UK10
gestützt wird. Weiter im Binnenland sind warnrelevante Böen auf die
Mittelgebirgslagen beschränkt, im höheren Bergland sind Sturmböen Bft 8/9 (auf
dem Brocken schwere Sturmböen) zu erwarten.
Mit der schleifend übergreifenden Kaltfront des Sturmtiefs intensivieren sich
die Niederschläge. Im Norden, Westen und in der Mitte sind dann großflächig
einige bis etwa 5, in Staulagen 10 bis 15 mm zu erwarten, wobei die feste Phase
dann wahrscheinlich auf Lagen oberhalb von 800 m beschränkt ist.
Leichter Frost stellt sich gebietsweise in den östlichen Landesteilen sowie im
höheren Bergland ein. Ansonsten bleibt es aufgrund der kräftigen Durchmischung
weitgehend frostfrei.

Dienstag ... wird das Sturmtief, ohne sich wesentlich abzuschwächen, über
Südschweden in die Ostsee gesteuert. An dessen Südflanke erreicht der Sturm am
Vormittag seinen Höhepunkt, wodurch im gesamten Norden Windböen und bis weit ins
küstennahe Binnenland hinein Sturm- und schwere Sturmböen und ab dem Vormittag
auch an der Ostseeküste orkanartige Böen einsetzen. Während ab Mittag an der
Nordsee der Wind sich hin zu Sturm- und einzelnen schweren Sturmböen abschwächt,
sind an der gesamten Ostseeküste dann orkanartige Böen vorstellbar. Zum Abend
hin treten auch an der Mecklenburgischen Ostseeküste keine orkanartigen Böen
mehr auf, mit schweren Sturmböen muss dort wie auch an der holsteinischen
Ostseeküste noch gerechnet werden. An der Vorpommerschen Ostseeküste besteht
auch am Abend noch die Gefahr einzelner orkanartiger Böen. An der Nordseeküste
reicht es dann allenfalls noch für Windböen Bft 7.
Die Kaltfront dieses Sturmtiefs greift zunächst rasch, später zusehends
schleifend und unter Wellenbildung bis auf den Mittelgebirgsraum über.
Präfrontal (von einer Warmluft kann nicht so recht die Rede sein) frischt der
Wind ebenfalls auf. Im Mittelgebirgsraum und südlich davon können bis in tiefe
Lagen Windböen und im Bergland stürmische Böen auftreten. Auf höheren
Berggipfeln muss mit Sturmböen Bft 9 (exponiert auch mit schweren Sturmböen)
gerechnet werden. Im Bereich der wahrscheinlich über die Mitte Deutschlands
hinweg ostwärts ziehenden Welle dieser Front intensivieren sich die
Niederschläge, wobei oberhalb von etwa 600 m wieder ein Übergang in die feste
Phase erfolgt. In den Staulagen der nördlichen und östlichen Mittelgebirge
können dann durchaus 10 bis 15 cm Neuschnee innerhalb von 12 Stunden
zusammenkommen, wobei zum Abend hin eine zunehmende Gefahr für Verwehungen
besteht.
Ebenfalls zum Abend hin gelangt dann in den Norden Deutschlands wieder kältere
Luft. Im 850 hPa-Niveau erfolgt ein Temperaturrückgang auf -7 bis -10 Grad, in
500 hPa bis unter -40 Grad, was bislang in diesem gesamten Winter noch nicht der
Fall war. Die Schichtung wird dann im Küstenbereich hochgradig labil, was
aufgrund der eisfreien See eine rege Schauertätigkeit verspricht, wobei diese
Schauer durchweg in die feste Phase übergehen. Die Konstellation ist dann für
den Lake Effekt günstig, d.h. kräftige Schneeschauer können dann durchaus bis
ins küstennahe Binnenland hinein auftreten.
Der nördlich Teil der Kaltfront, der in den Frühstunden des Dienstags bereits
den Norden und Nordosten Deutschlands überquert, verdient aus konvektiven
Gesichtspunkten eine erhöhte Aufmerksamkeit. Diese Gebiete gelangen unter den
linken Ausgang des Jets, Scherung ist sowohl niedertroposphärisch als auch
hochreichend genug vorhanden, die Hodographen weisen die "richtige" Krümmung auf
und präfrontal zeichnet sich zudem ein Einschub labilerer Luft ab. Zwar wird
kein CAPE generiert, aber diese Zunge labilerer Luft lässt sich anhand des
"Totals-Totals" diagnostizieren. Daher wäre es nicht auszuschließen, dass
bereits mit Kaltfrontpassage im Norden und Nordosten Deutschlands auch bis weit
ins Binnenland hinein in Verbindung mit kurzen Gewittern bereits Böen bis
Sturmstärke auftreten, auch wenn hiervon sich bei keinem Modell bereits
Anzeichen ergeben. Das Umfeld ist zumindest für organisierte, wenn nicht sogar
rotierende Strukturen von Konvektion gegeben.
Auflockerungen zeichnen sich bei rasch wechselnder Bewölkung im Norden und im
Süden, d.h. zwischen Schwarzwald, Inn und Alpen, ab. Im Bereich der schleifenden
Front bleibt die Wolkendecke weitgehend geschlossen. Die Tageshöchsttemperaturen
erreichen 2 bis 7, im Süden präfrontal bis 9 Grad. In den Mittelgebirgen
oberhalb von 600 bis 800 m herrscht meist leichter Dauerfrost.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Prognoserelevante Unterschiede lassen sich nicht ableiten. Selbst das sich am
Dienstag über Südschweden hinweg ostwärts verlagernde Sturmtief wird ähnlich
simuliert.
Unterschiede ergeben sich hauptsächlich hinsichtlich der Böenprognosen. Hier
wird von ICON und UK10 das stärkste Szenario gezeigt. Bemerkenswert ist, dass
EPS-Verfahren nur anhand von Einzellösungen die Version von UK10 und ICON
stützen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann