DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-03-2023 09:01
SXEU31 DWAV 040800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 04.03.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HB zu NWz

Mitte und Norden zunehmend wechselhaft, Süden überwiegend trocken. Nächte
frostig und regional Glätte. Deutsche Bucht anfangs stürmischer Nordwestwind.


Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... dominiert noch einmal HAZAL das Wetter in Deutschland, doch an der
durchgreifenden Umstellung auf der synoptischen Bühne ist nicht mehr zu rütteln.


Die Signatur der Anomalieverteilung u.a. im troposphärischen Geopotenzial
entspricht sowohl räumlich als auch zeitlich den Folgen einer kräftigen und
plötzlichen Erwärmung in der Stratosphäre (engl. "major sudden stratospheric
warming, SSW") mit einer Kopplung der beiden Sphären. Die zu HAZAL gehörende
positive Geopotenzialanomalie wandert die Kurzfrist über retrograd in Richtung
Grönland und kanadisch-arktisches Archipel, während sich sonst negative
Anomalien vom Nordatlantik bis nach Asien etablieren. Die daraus resultierende
cross-polare Strömung führt nun arktische Luftmassen in Richtung
Nordatlantik/Skandinavien, während in den mittleren Breiten ein immer prägnanter
aufgestellter Rossby-Wellenzug etabliert wird, der u.a. in Form eines positiv
geneigten Langwellentroges über dem Nordatlantik das wiederholte Einbeziehen
(sub)tropischer Luftmassen in Richtung Europa ermöglicht - ein Cocktail des
kräftigen Niederschlags/der Luftmassengrenzen und der spannenden
Phasenbestimmung - aber vielerorts in Westeuropa auch ein dringend benötigter
Regenspender.

Doch bevor wir nun den Spannungsbogen innerhalb der Kurzfrist zu weit
aufspannen, wenden wir uns dem aktuellen Wetter an einem vielerorts recht trüben
Samstag zu. Mitternachtsaufstiege der Radiosonden/Wetterballone zeigen eine
besonders im Westen und Norden stark antizyklonal geprägte Signatur mit einer
hochreichend sehr trockenen Schichtung (750 - 500 hPa), sowie eine markante
Absinkinversion in rund 900 hPa (Westen und Norden) bzw. in rund 750 hPa in
Richtung Niederbayern (dort modifiziert durch orografisch verstärkte Westwinde
in der unteren Troposphäre). Gleichzeitig sickert in Form einer in Frontolyse
befindlichen Kaltfront von Norden feuchtere Luft ein, die sich ausgangs der
Nacht durch dichte Hochnebelfelder entlang der Inversion bemerkbar macht. Davon
betroffen sind nahezu alle Gebiete nördlich der Donau.
Sprühregen fällt momentan besonders im Umfeld der Kaltfront über
Norddeutschland, wo das dynamische Anheben der Inversion um 50-100 hPa die
gesättigte Schicht soweit streckt, dass ein schwacher Niederschlagsprozess in
Gang gebracht wird.

Der innerhalb der Numerik präfrontal angedeutete gefrierende Sprühregen über den
zentralen Mittelgebirgen fiel mehr oder weniger aus, sodass nur örtlich mal eine
gefrierende Schlange zugemeldet wurde bei Mengen von meist 0.0 l/qm/h.

Südlich der Donau starten wir mit einem Wechsel aus regional teils warnwürdigem
Bodennebel, lockeren Hochnebelfeldern und großräumig klaren Momenten in den Tag.
Die Temperaturwerte (6Z) liegen je nach Bewölkungsverteilung von Nord nach Süd
zwischen +6 und -6 Grad.

Im weiteren Tagesverlauf ändert sich erstmal wenig an dieser Konstellation. Die
sich immer weiter auflösende Kaltfront kommt wohl grob in einer Schiene Deutsche
Bucht - Vogtland zum Liegen. Perfekt, um die feuchte Luftmasse auch noch
orografisch zu heben, sodass der Tag nördlich des Mains durchweg und zwischen
Main und Donau zunehmend stark bewölkt bis bedeckt verläuft. Erst im
Nachmittagsverlauf sickert postfrontal in den Nordosten (u.a. durch leichtes
Abtrocknen am Südrand des skand. Gebirges gestützt) trockenere Luft ein. Zudem
löst sich die Inversion dort auf, sodass besonders in Richtung Vorpommern noch
die eine oder andere Sonnenstunde ermöglicht wird. Viel Niederschlag ist aus dem
Grau dank fehlender dynamischer Antriebe nicht zu erwarten. Dennoch sorgt
besonders die Orografie immer wieder für Sprühregen, der zum Abend zunehmend die
zentralen Mittelgebirge erfasst. Dort kann es wenigstens in den höheren Lagen
lokal für etwas gefrierenden Sprühregen oder einige Flocken reichen, da die
Temperaturwerte tagsüber nur mühsam über die 0 Grad Marke herauskommen bzw. zum
Abend wieder zügiger in Richtung 0 Grad zurückgehen. Die Lage und Ausrichtung
der Front könnte im Stau des westlichen Erzgebirges gar für 1 oder 2 cm
Neuschnee gut sein.

Im Süden (südlich der Donau) scheint häufig noch längere Zeit die Sonne,
wenngleich sich das Sonnenfenster von Norden immer weiter verkleinert. Zudem
halten sich die Bodennebelfelder teils sehr zäh bzw. staut sich etwas Feuchte in
Form von Hochnebel an den Alpen.

Die Höchstwerte hängen stark von den Nachtwerten bzw. der Sonnenverteilung
tagsüber ab. Im Norden, wo die Nacht mild verlief, können trotz dichter Wolken 7
oder 8 Grad erwartet werden, ebenso wie in den Sonnengebieten südlich der Donau
und das trotz zapfiger Startwerte aus der Nacht heraus. Kälter bleibt es vor
allem zwischen Donau und Main/zentralen Mittelgebirgen, wo wir nachts auskühlen
konnten und nun die Bewölkung die diabatische Komponente abschwächt, sodass die
Höchstwerte meist nur wenig über 0 Grad liegen werden (1 bis 4 Grad). Auffällig
auch der Temperaturverlauf im Nordosten ab dem späten Nachmittag, wo dank
aufgelockerter Bewölkung nicht nur die zunehmende Ausstrahlung, sondern auch
eine Abnahme der 850 hPa Temperaturwerte von -3 Grad am Morgen auf -10 Grad am
Abend eine rasche Abkühlung erlauben (ggf. auf bereits leicht frostige
Abendwerte).

Der Nordwestwind weht im Südwesten mäßig, sonst frisch bis stark und kommt über
der Deutschen Bucht und angrenzenden Küstenabschnitten teils stürmisch daher.
Auch auf Rügen können einzelne Bft 7 Böen auftreten und natürlich werden auch
auf dem Brocken markante Böen bis Bft 9 den Plateaubesuchern einen kalten
Empfang bereiten.


In der Nacht zum Sonntag passiert nicht viel. Die Troposphäre kühlt erneut etwas
ab, sodass die T850 hPa Werte ausgangs der Nacht von Nord nach Süd zwischen -11
und -4 Grad liegen. Bei weiter ansteigender Inversion und der angesprochenen
Abkühlung gelangen wir somit zunehmend in den kristallbildenden Bereich, sodass
immer mehr die feste Phase in Form von etwas Schneegriesel oder leichten
Schauern auftreten soll.

Interessant wird auch, dass die stationäre Front im Verlauf der Nacht durch
einen Leetrog aktiviert wird, der sich im Lee des Jotunheimen-Gebirges bildet
und über Dänemark nach Nordostdeutschland geführt wird. Cross sections durch
diesen Trog zeigen nur schwache Hebungsvorgänge bis rund 650 hPa und ebenso
schwache Frontogenese in 800/700 hPa. Die beste Kombination für etwas Schnee
sollte im Scheitel der Welle und somit eher auf polnischer Seite verbleiben,
doch wenigstens in Vorpommern kann etwas Schnee in Form von 1 bis 3 cm nicht
komplett ausgeschlossen werden (dank der Hebung). Kompakte Welle (rund 400 km
Wellenlänge und Mächtigkeit bis rund 5 km Höhe) bedeutet begrenzten Rossbyradius
der Deformation mit rund 600 bis 700 km. Sprich, die Hebung über der Mitte
Deutschlands findet peripher nur schwach statt und die Niederschlagsaktivität
wird eher durch die zunehmend labile Schichtung über der Nordsee (feuchte
Nordseeluft unter kälterer Höhenluft) etwas angeregt, was im Stau der nördlichen
Mittelgebirge 1 bis 3 cm Neuschnee bringen könnte.

Südlich des Mains bleibt es hochnebelartig bedeckt und hier und da kann etwas
Sprühregen oder können einzelne Flocken fallen, für die meisten verläuft die
Nacht jedoch trocken.

Die Tiefstwerte liegen im Nordwesten bei +1 oder +2 Grad (dank dichter Bewölkung
und mariner Luftmasse) und sonst zwischen 0 und -4 Grad, im Bergland teils
darunter.

Der Wind kommt schwach bis mäßig aus West bis Nordwest und frischt im Umfeld und
über der Deutschen Bucht zeitweise stark böig bis stürmisch auf.



Sonntag... passiert die Welle den Westen Polens und hinterlässt eine erneut eher
inaktive Feuchteschliere (ehemalige Front), die grob von der Deutschen Bucht bis
zum Erzgebirge reicht. Das hat zur Folge, dass sich die Sonne in Deutschland
kaum zeigt - wenn dann nach der Mittagszeit im Nordosten, wo mal wieder etwas
trockenere Luft rückseitig der Welle herangeführt wird. Ansonsten aber dominiert
dichte Bewölkung/dichter Hochnebel, aus dem südlich vom Main nur örtlich, sonst
wiederholt Sprühregen oder einzelne Flocken fallen. In Staulagen der nördlichen
und östlichen Mittelgebirge kann es für 1 bis 4 cm Neuschnee reichen, da doch
beständig feuchte Luft herangeführt und orografisch gehoben wird.

Die Höchstwerte gehen im Osten auf +1 bis +4 Grad zurück und erreichen sonst
nochmal 6 oder 7 Grad. Der Wind kommt im Süden frisch, sonst stark aus West bis
Nordwest mit einzelnen Bft 7 Böen über der Deutschen Bucht.


In der Nacht zum Montag entscheiden dann Details über ein erstes
Schneefallereignis im Norden Deutschlands, die jedoch noch nicht enger
eingegrenzt werden können. Eine über den Färöer de-amplifizierende Welle sollte
in der nordwestlichen Strömung ausgangs der Nacht in Richtung Norddeutschland
geführt werden. Intensität und genaue Zugbahn sind noch unsicher, doch
wenigstens ICON und IFS sowie UK10 deuten eine recht ideale Verlagerung an,
sodass im Wellenscheitel bei maximaler Hebung (Nass)Schneefall auftreten kann.
Wenngleich die Dynamik überschaubar ist, so sind Wellenniederschläge im
Scheitelbereich immer interessant dank regional forcierter
Hebung/Niederschlagsintensität, was auch im Ensemble mit einzelnen markanten
Neuschneemengen zu erkenne ist. Aktuell gehen wir aber erstmal von einer Zunahme
der Niederschläge im Verlauf der Nacht aus, die von der Deutschen Bucht auf den
Norden übergreifen und Nassschnee bringen sollten, der sich auf 1 bis 5 cm
akkumulieren dürfte - strichweise auch höher. Abseits dieses 150 bis 200 km
breiten Streifens fällt etwas Schnee, Schneeregen oder Regen. Sonst ändert sich
wenig. Über der Mitte flockt oder tropft es zeitweise aus dichter Bewölkung mit
1 oder 2 cm Neuschnee in Staulagen, während es südlich der Donau meist trocken
bleibt.

Die Tiefstwerte liegen zwischen 0 und -5 Grad und der südwestliche Wind weht
meist nur schwach bis mäßig.

Montag... nehmen die Unsicherheiten weiter zu, sodass ein grobes Umreißen der
Abläufe am Sinnvollsten erscheint. Stromab fallenden Geopotenzials über der
Nordsee baut sich eine westliche Höhenströmung auf, in der ein wellender
Frontenzug über die Mitte und den Norden Deutschlands geführt wird. Immer wieder
fällt etwas Nass, je nach Tageszeit und Intensität mal in Form von Nassschnee,
Regen oder Schneeregen. Bei T850 hPa Werten, die etwas ansteigen und abends
zwischen -3 und -7 Grad liegen sollte aber nur im Bergland sowie ggf. im
Nordosten etwas Neuschnee fallen. Südlich der Donau lockert der Hochnebel
zeitweise auf und es bleibt dort meist trocken.

Die Höchstwerte liegen zwischen 3 und 8 Grad und der Südwestwind weht frisch bis
stark mit stürmischen Böen auf dem Brocken.

Modellvergleich und -einschätzung
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Insgesamt ergeben sich keine gravierenden Diskrepanzen auf synoptisch-skaliger
Ebene. Allerdings entscheiden Tageszeit und Intensität nicht selten über die
Phase der häufig nur schwachen Niederschläge. Die Welle in der Nacht zum Montag
ist bereits mit geringen geometrischen, zeitlichen und räumlichen Diskrepanzen
behaftet, wobei die Unsicherheiten am Montag tagsüber mit Blick auf eine
Zyklogenese über der Nordsee noch weiter zunehmen. Entscheidend ins Gewicht
fallen diese Unterschiede jedoch vorerst nur bei Detailfragen bzgl. möglicher
Niederschlagsschwerpunkte.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy