DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-03-2023 09:01
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 01.03.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von NEa (Nordost antizyklonal) auf HB (Hoch Britische Inseln)

Zunächst noch Andauer der hochdruckbestimmten Binärwetterlage - 1 oder 0, grau
oder blau, das ist hier die Frage. Zum Wochenende und danach sehr wahrscheinlich
zyklonaler.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... 1. März, Gott zum Gruße lieber Frühling 2023. Zumindest
meteorologisch öffnet der Lenz heute seine Pforten, während es astronomisch noch
etwa drei Wochen hin sind bis zur Tag- und Nachtgleiche. Mal sehen, was der
Frühling in diesem Jahr so zu bieten hat: wieder mal unwillkommene Spätfröste,
nicht minder unwillkommene Trockenheit, Sonne satt oder mal ganz anders - who
know´s. Der Anfang jedenfalls ist eindeutig noch ziemlich winterlastig, wie man
unschwer an den heutigen Frühtemperaturen erkennen kann. Außer ganz im Norden
und im äußersten Süden (Nebel/Hochnebel/Wolken) waren diese mit einem
Minuszeichen belastet, oft sogar im mäßigen Frostbereich. Die Gründe dafür
liegen auf der Hand. Zum einen die schon vor einigen Tagen eingeflossene,
inzwischen zumindest teilweise gealterte und abgetrocknete polare Kaltluft, zum
anderen der andauernde Hochdruckeinfluss. Das genügt, um der jahreszeitbedingten
Abnahme der Nacht- respektive Zunahme der Tageslänge zu trotzen und uns frostige
Nacht- bzw. gedämpfte Tagestemperaturen zu kredenzen. Noch dauert der
Hochdruckeinfluss an, aber die Signale sind überdeutlich, dass sich
mittelfristig in Richtung nächste Woche mächtig was daran ändern wird. Dazu mehr
in der Synoptischen Übersicht Mittelfrist, die heute am späten Vormittag
erscheinen dürfte.

Aktuell zeigt die Großwetterlage ein nahezu lupenreines High-over-Low-Muster mit
dem Dauerbrennerhoch HAZAL, dessen Zentrum mit etwas über 1040 hPa zwischen
Schottland und Island verortet ist. Ihm gegenüber steht über Süd-/Südwesteuropa
ein zumindest in der Höhe klar abgebildetes Doppeltief. Der westliche Part, ein
Kaltlufttropfen, der unseren Raum in den vergangenen beiden Tagen passiert hat,
zieht heute von der Biskaya aufs Iberische Festland. Der östliche Teil verbleibt
relativ ortsfest über oder dicht an Sardinien, wo er mit dem Bodentief ZAKAIYYA
(int. Juliette) korrespondiert. Summa summarum also eine ziemlich eingefahrene
Blockierungslage, die weite Teile Deutschlands unter einer Absinkinversion
sieht, welche auf Basis der Nachtaufstiege im Norden auf etwa 900 hPa, im Süden
auf 850 hPa und ganz im Süden (Oberschleißheim) auf fast 800 hPa taxiert werden
kann. Darunter hat sich vergangene Nacht - klassisch möchte man hinzufügen -
eine mehr oder weniger ausgeprägte, strahlungsbedingte Bodeninversion gebildet.

Lange Rede, kurzer Sinn, es gehört nicht viel meteorologische Fantasie dazu um
zu checken, dass bei diesen Rahmenbedingungen das Einmaleins der
Grenzschichtmeteorologie gefragt ist. Ein Einmaleins, das bei vielen
Vorhersagemeteorologen, aber auch bei den Modellen nicht gerade zu den
beliebtesten Algorithmen gehört. Die Frage, wo scheint die Sonne und wo bilden,
halten oder breiten sich Nebel und Hochnebel aus, bereitet trotz inzwischen
deutlich verbesserter Grenzschichtparametrisierung mal mehr, mal weniger
Schwierigkeiten. Aktuell (06 UTC) liegt erwartungsgemäß ein größeres
Hochnebelfeld über Süddeutschland (Alpen + Vorland bis hinüber zum südlichen
Oberrhein) und auch der Nebel im äußersten Norden/Nordwesten ist jetzt keine
totale Überraschung. Darüber hinaus zeigen sich in der westlichen Mitte hohe und
mittelhohe Wolkenfelder, die an einen kleinen, westwärts schwenkenden
Sekundärtrog gekoppelt sind und entsprechend in den nächsten Stunden von dannen
ziehen. Und dann wären da noch die Cirren, die gerade von der Ostsee ins
Landesinnere ziehen und wahrscheinlich dem Durchgang eines kleinen
Potenzialkeils in der Höhe geschuldet sind. Sie dürften noch etwas weiter nach
Süd-Südwest vorankommen, dabei aber immer dünner werden bzw. sich ganz auflösen.


Ansonsten gilt es festzuhalten, dass sich die Atmosphäre große Mühe gibt, die
Grautöne im Norden und Süden zu tilgen, was mit Geduld und Spucke (sagt man so;
Mittel der Wahl sind in Wirklichkeit vor allem der inzwischen solide Sonnenstand
sowie im Süden der mitunter mäßige und böige Nordostwind) vielleicht nicht
vollständig, so doch aber weitgehend gelingen wird. In der sehr breiten Mitte
dazwischen kann man sich über einen sonnenscheinreichen Frühlingseinstieg
freuen, an dem die Temperatur auf 4 bis 8, vereinzelt vielleicht 9°C steigt.
Dort, wo es extrem zäh zugeht mit der Auflösung von Nebel oder Hochnebel, reicht
es nur für zaghafte Plusgrade, im höheren Bergland sogar nochmalig für leichten
Dauerfrost. Während es im Norden im Bereich eines vergleichsweise schmalen
Bodenhochkeils windschwach bleibt, lebt der Wind weiter südlich aus Nordosten
kommend mäßig, teils sogar frisch auf. Böen der Stärke 7-8 Bft beschränken sich
aber im Wesentlichen auf exponierte Hochlagen, so dass hier die
Einzelfallentscheidung greift. Die heute früh im Hochschwarzwald noch
beobachteten stürmischen Böen oder Sturmböen 8-9 Bft (offensichtlich
low-level-getriggert an der Inversion) sollten in den nächsten Stunden nicht
mehr auftreten.

In der Nacht zum Donnerstag tut sich nicht allzu viel an der GWL. Okay, das
Boddenhoch schwächelt etwas und wird die 1040 hPa nicht halten können. Dafür
wölbt sich ausgehend von der Höhenantizyklone ein mächtiger Rücken bis zur
Irminger See bzw. Südostgrönland auf, was die Strömung über dem Europäischen
Nordmeer zunehmend auf Nordwest drehen lässt. Nichts, was jetzt aktuell
unmittelbare Wirkung auf unser Geschehen hätte, unter mittelfristigen
Gesichtspunkten aber schon eine Rolle spielt. In Deutschland verläuft die Nacht
- wie sagt man so schön - teils, teils. In weiten Teilen des Landes sorgt ein
klarer, allenfalls gering bewölkter Himmel (Cirrenfelder) abermals für leichten,
in der Mitte gebietsweise auch mäßigen Frost, wobei es vielerorts aber nicht
mehr ganz so kalt wird wie in der Vornacht. Im Norden, wo zwar schleichend, aber
konstant ein leichter Feuchtefluss von der See her gewährleistet ist, bildet
sich Hochnebel, der sich Stück für Stück nach Süden ausbreitet bis etwa zu einer
Linie Osnabrücker Land-nördliches Harzvorland-südliches Berliner Vorland. In
Schleswig-Holstein, mit geringerer Wahrscheinlichkeit auch in "MäcPomm"
(WARNMOS) muss mit echtem und teils dichtem Nebel gerechnet werden. Dort, wo der
Hochnebel früh zuschlägt, bleibt es frostfrei. Das gilt auch für Teile
Süddeutschlands, etwa vom Alpenvorland bis hinüber zu Schwarzwald, wo sich
ebenfalls wieder Hochnebel bildet bzw. Reste vom Tag ausbreiten. Darüber hinaus
beginnt der Luftdruck im Süden leicht zu fallen, was den Nordostwind in Gang
hält mit Böen 7-8 Bft in höheren Lagen.

Donnerstag... heißt es zunächst einen Blick weit draußen auf den Atlantik zu
richten, wo gleich zwei Sturmtiefs damit beschäftig sind, Warmluft weit nach
Norden zu pumpen. Das hat zur Folge, dass sich unser Hoch HAZAL
gesamttroposphärisch immer weiter bis ins grönländische Inlandeis ausweitet. Auf
seiner Nordostabdachung stellt sich über dem Nordmeer und Skandinavien eine
lebhafte nordwestliche Strömung ein, die fast bis zum Schwarzen Meer reicht.
Nach wie vor hat das für uns (noch) keine oder nur minimale Konsequenzen. Hier
ist weiterhin alles auf High-over-Low gestellt, auch wenn der ehemalige
Kaltlufttropfen zwischen Spanien und NW-Afrika von der Bildfläche verschwindet.


Der ausgedehnte Hochnebel über Norddeutschland kommt im Tagesverlauf noch etwas
in Richtung nördliche Mitte voran, wo er aber zusehends ausfranst bzw. sich
auflöst. Ansonsten wird es schwer, Lücken in die graue Bastion zu brennen
respektive den Hochnebel auszudünnen. Ganz gut stehen die Chancen im äußersten
Norden, wo ein allmähliches Rückdrehen des Windes auf Nord bis Nordwest (hier
sind wir bei der o.e. minimalen Konsequenz) abtrocknende Wirkung haben könnte
(Stichwort leichter Skandenföhn). Auf alle Fälle wird dieses Szenario von
einigen Modellen ins Spiel gebracht. Zäher Hochnebel hält sich auch im Süden und
Südwesten (Alpenvorland bis südlichen Oberrheingraben), während die große Mitte
dazwischen den zweiten Sonnentag am zweiten Frühlingstag genießen kann. Dabei
steigt die Temperatur (T850 durch Absinken mittlerweile um 0°C) gebietsweise auf
rund 10°C oder sogar etwas darüber, während bei Dauergrau eher der untere
einstellige Bereich angesagt ist. Aufgrund der fortschreitenden Höhenmilderung
ist selbst im höheren Bergland kaum noch Dauerfrost zu erwarten. Bei etwas
auffächerndem Druckgradienten spielt der nordöstliche Wind nur eine
untergeordnete Rolle.

In der Nacht zum Freitag wird der Gradient noch seichter, was der Ausbreitung
von Hochnebel entgegenkommt. Das gilt vor allem für das große Feld im Norden,
das sich langsam aber sicher bis in die gesamte Mitte ausweiten soll. Ob das
tatsächlich überall gelingt oder ob nicht die gegliederte Orografie der
Mittelgebirge erfolgreichen Widerstand leistet, ist noch nicht abschließend zu
beantworten. Südlich der Mittelgebirgsschwelle bleibt auf alle Fälle ein mehr
oder weniger breiter Streifen mit klarem oder nur gering bewölktem Himmel übrig,
unter dem auch die höchste Frostwahrscheinlichkeit gegeben ist. In den Gebieten
mit Hochnebel dagegen scheinen die von MOS-Mix verbreitet simulierten negativen
Tiefsttemperaturen zu "optimistisch", also mit negativem Bias behaftet zu sein.



Freitag... werden fernab des Vorhersageraum weitere Vorbereitungen zur
Umstellung der Wetterlage getroffen. Konkret anzusprechen ist hier ein breiter
und flacher KW-Trog, der von der Framstraße kommend über das Nordmeer hinweg gen
Skandinavien schwenkt, wo er beginnt, dem über Nordosteuropa positionierten
LW-Trog neues Leben einzuhauchen. Bemerkbar macht sich das insbesondere durch
eine Amplitudenvergrößerung respektive Ausweitung in Richtung östliches
Mitteleuropa. Bei uns bleiben die Auswirkungen zunächst noch peripher,
wenngleich sich ein bisschen schon tut. So schwenkt im Tagesverlauf ein schmaler
Keil des nach wie vor präsenten Hochs HAZAL über den Vorhersageraum südwärts.
Dahinter dreht der vor allem im Norden allmählich zunehmende Wind zurück auf
westliche Richtungen, bevor er in der Nacht zum Samstag wieder rechtdreht auf
Nordwest. Am Abend dürften auf Helgoland, den Nordfriesischen Inseln und den
Halligen die ersten 7er-Böen auftreten.

Wetter- bzw. Wolkentechnisch bleibt im Grunde das alte Muster erhalten. Vom
Norden bis weit in die Mitte viel Hochnebel oder tiefe Bewölkung, die im
Tagesverlauf aber vermehrt Lücken bekommt (Märzensonne plus Durchmischung). Im
äußersten Norden sorgt der Skandenföhn für ein sonniges Fenster und auch südlich
der Mittelgebirgsschwelle bleibt ein sonniger oder zumindest heiterer Streifen
übrig. Ganz im Süden dann wieder mehr Grautöne und am Alpenrand gar etwas
Niederschlag möglich (leichte Hebung ausgehend von Mittelmeertief ZAKARIYYA
(nicht kleinzukriegen das Ding)). Temperaturmäßig läuft es auf 3 bis 8, lokal
10°C hinaus.

In der Nacht zum Samstag nimmt der Gradient zwischen der treuen HAZAL und einem
finnisch-russischem Tief noch etwas zu, was der Nordsee sowie einigen Hochlagen
einen steifen bis stürmischen Nordwestwind beschert. Ob auch an der Ostsee für
warnwürdige Böen reicht, steht noch nicht fest. Sicher ist, dass die
nordwestliche Höhenströmung - bedingt durch die andauernde Austrogung - im
Norden und Osten immer zyklonaler wird, wodurch dort leichte Hebungsprozesse
einsetzen. Außerdem passiert eine Kaltfront den Norden südwärts, die thermisch
recht opulent aufgestellt ist (Rückgang T850 von +3°C am Abend auf -2 bis -6°C
am Morgen), wettermäßig dagegen nicht zu den Größen ihrer Zunft gehört. Für
etwas Niederschlag reicht es wahrscheinlich trotzdem, meist als
Regen/Nieselregen, in den Mittelgebirgen vielleicht ein paar Flocken (lokal ist
auch gefrierender Nieselregen nicht ganz ausgeschlossen, doch wollen wir den
Teufel heute noch nicht an die Wand malen). Die Zone mit potenziellem Frost
verschiebt sich mehr und mehr in den Süden des Landes, allerdings hängt die
Abkühlungsrate wie schon die Nacht zuvor einmal mehr von den genauen Bewölkungs-
bzw. Hochnebelverhältnissen ab.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden modellübergreifend ziemlich kongruent simuliert. Die
gestern noch beobachteten größeren Diskrepanzen bei der Parametrisierung tiefer
Bewölkung und Hochnebels sind erfreulicherweise kleiner geworden. Insbesondere
das zuvor sehr aggressive UK10 (große Flächen "dicht", Hochnebel weit nach Süden
ausgreifend) ist um Einiges zurückgerudert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann