DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

22-02-2023 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 22.02.2023 um 10.30 UTC



Erst ´ne Rutsche polarer Kaltluft mit Schnee teils bis ganz runter, danach
Hochdruckeinfluss.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 01.03.2023


Es war ja fast klar wie Kloßbrühe: Der meteorologische Winter neigt sich dem
Ende zu (nur noch wenige Tage bis zum 1. März, dann heißt es Frühlingsanfang)
und was macht die Atmosphäre. Klaro, jetzt fällt ihr ein, wie defizitär sie im
Winter 22/23 gearbeitet hat und meint nun - wo viele schon kein Interesse mehr
an Winter haben - uns noch mal mit einer ordentlichen Portion Kaltluft versorgen
zu müssen. Und das muss ja noch nicht mal das letzte Mal gewesen sein. Es gibt
genügend Beispiele aus den vergangenen Jahren, wo auch im März und April noch
Kaltlufteinbrüche mit Schneefällen aufgetreten sind. Aber gut, es ist wie es
ist, und wir nehmen´s, wie´s kommt.

Am Samstag, dem Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums, befindet sich
Deutschland im Übergangsbereich eines nur langsam nach Osten schwenkenden
Höhentrogs und einer abgeschlossenen Höhenantizyklone mit Zentrum knapp
nordwestlich von UK/Irland und Keil in Richtung Nordmeer. Die Antizyklone
korrespondiert nahezu achsensenkrecht mit einem Bodenhoch, während der Trog mit
einem Tief im Raum Baltikum/Belarus zusammenarbeitet. Unter dem Strich ergibt
sich für uns eine hochreichende und auch recht flotte nord-nordwestliche
Strömung, mit der - wie sollte es anders sein - straight ahead Kaltluft aus
polaren Breiten zu uns gesteuert wird. T850 sinkt bis Sonntag 00 UTC auf rund
-10°C! im Norden und in der Mitte (im Süden etwas weniger kalt), T500 im Osten
auf rund -38°C. Und da das ganze Setup noch vergleichsweise zyklonal aufgestellt
ist, kommt es zu Schnee-, Schneeregen- und Graupelschauern (am wenigsten davon
im Nord- und im Südwesten, am meisten im Nord-Nordweststau des Berglands).

Am Sonntag verlagert sich der Trog in seinem Nordteil nebst Bodentief nach
Osten, während er nach Süden hin unter Vergrößerung seiner Amplitude deutlich
zurückhängt. Damit blockiert er das hochreichende Hoch, das selbst blockierend
(im Volleyball spricht man von einem Doppelblock) wirkt und seine Position kaum
verändert. Einzig der o.e. Keil macht eine Schwenkbewegung im Uhrzeigersinn in
Richtung Skandinavien, wo er den freigewordenen Platz des abgezogenen
Troganteils einnimmt. Bei uns dreht die Strömung leicht nach rechts auf
Nord-Nordost, wobei die Zufuhr kalter, nunmehr aber etwas trocknerer Luftmassen
andauert (T850 am Mittag verbreitet um -10°C). Zwar wird die höhenkälteste Luft
allmählich ins östliche Mitteleuropa abgedrängt, trotzdem bleibt im Osten und
Süden noch genügend davon übrig, um ausreichend Labilität zu erzeugen, aus der
sich der eine oder andere Schneeschauer generieren lässt (die meisten davon im
Erzgebirge, im Thüringer Wald und an den Alpen).

Zu Beginn der neuen Woche kommt es wie es kommen muss. Der Höhentrog tropft
entweder über oder in unmittelbarer Nähe der Schweiz ab, um von dort im Stile
eines Kaltlufttropfens (KLT; ein korrespondierendes Bodentief ist nicht wirklich
zu finden bzw. liegt deutlich weiter östlich über dem Tyrrhenischen Meer) gen
Südfrankreich zu ziehen. Gleichzeitig nähert sich von Skandinavien her der o.e.
Höhenkeil, der auf seiner Vorderseite einen zonal exponierten Bodenkeil
induziert. Dieser deckt im Tagesverlauf von Norden her immer größere Teile des
Vorhersageraums ab. Lediglich der Süden verbleibt noch im Randbereich mit etwas
stärkeren Gradienten und einer möglichen Bisenlage im Südwesten. Nieder- und
mitteltroposphärisch steigt die Temperatur an auf über -30°C auf 500 hPa und -10
bis -4°C auf 850 hPa (die höheren Werte im Norden). Schnee fällt kaum noch,
vielleicht ein paar Restflocken an den Alpen.

Bis Mittwoch (meteorologischer Frühlingsanfang) verlagert sich das Höhentief
respektive der KLT zum westlichen Mittelmeer, während das Höhenhoch mit seinem
Zentrum knapp nördlich von Schottland verweilt (=> klassische
High-over-Low-Konstellation). Der Bodenkeil kommt nur noch wenig nach Süden
voran, wodurch die mäßige ost-nordöstliche Strömung im Süden andauert. Ganz im
Norden sickert etwas feuchtere Luft ein. Zwar steigt T850 deutlich an auf Werte
zwischen -4°C (Osten) und +2°C (Süden) am Mittwochmittag. Ob diese
Erwärmungsrate aber 1:1 nach unten durchgereicht werden kann, bleibt abzuwarten.
Okay, im Lee der Mittelgebirge dürften die Tagestemperaturen tatsächlich einen
Satz nach oben machen, insbesondere wenn noch Einstrahlung dazukommt. So sind im
Westen Höchstwerte nahe 10°C durchaus denkbar, während im Süden vor allem bei
zähem Hochnebel leichter Dauerfrost möglich ist. Niederschlag fällt keiner.

Im weiteren Verlauf der Woche (erweiterte Mittelfrist) tut sich zunächst wenig.
Zum Freitag hin lässt dann ein vom Nordpolarmeer nach Westrussland ziehendes
Tief zusammen mit dem sich etwas nach Westen zurückziehenden Hoch eine
Nordwestströmung bei uns aufkommen. Wie nachhaltig diese ausfällt und ob sie
überhaupt kommt (GEM spielt mit, GFS zeigt was gänzlich anderes), bleibt offen.

__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Ähnlich wie in den vergangenen Tagen kann auch heute dem IFS (ECMF) eine gute
bis sehr gute Konsistenz attestiert werden. So wird die großräumige Entwicklung
- erst Kaltlufteinbruch mit Niederschlägen, teils bis in tiefe Lagen als Schnee,
danach Hochdruckeinfluss - bestätigt, auch wenn es an der einen oder anderen
Stelle kleinere Unschärfen gibt. Unsicher ist z.B. noch, wie sich die Temperatur
in der kommenden Woche unter Hochdruckeinfluss entwickelt. Hier scheint die
Numerik (speziell MOS) etwas zu forsch zu agieren, indem die Werte zumindest in
einigen Regionen zu schnell nach oben gehen und wohl auch etwas zu hoch
ausfallen. Auch die nächtlichen Minima scheinen ab Sonntag zumindest im Süden
nicht ausreichend niedrig simuliert zu werden (mehr strenger Frost, vor allem
über Schnee).
Von daher gilt gegenüber gestern: leichte Anpassungen ja, grundlegende
Änderungen nein.


__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die anderen für gewöhnlich auf dem Prüfstand stehenden Globalmodelle von ICON
über GFS und GEM bis UK haben zumindest bis nächsten Mittwoch keine anderen
Ideen als IFS. Unschärfen oder kleine Unterschiede liegen innerhalb der üblichen
Prognoseunsicherheit. Dass das abgetropfte Höhentief jeweils individuell
behandelt wird (u.a. Zugbahn, Splitting ja/nein), ist nicht ungewöhnlich, spielt
für unseren Raum aber auch kaum eine Rolle.
__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen über weite
Strecken des mittelfristigen Zeitstrahls einen relativ eng gebündelten
Kurvenverlauf. Dabei kommen sehr schön das das Potenzialminimum am Samstag (im
Süden am Sonntag) sowie das etwas nach hinten versetzte Temperaturminimum
(Sonntag/Montag) heraus. Bis Mitte nächster Woche steigen beide Kurven deutlich
an (kaum Niederschlagssignale), wobei der Spread nur langsam zunimmt. Es fällt
allerdings auf, dass die meisten Ensembles die niedertroposphärische Erwärmung
etwas schneller stemmen als der Haupt- und Kontrolllauf. Erst zur zweiten
Wochenhälfte werden die Kurvenverläufe so diffus, dass noch nicht mal mehr
Trendaussagen möglich sind.

Letzteres spiegelt sich ein Stück weit auch in den Clustern wider, um das Pferd
mal von hinten aufzuzäumen. Von Donnerstag bis Samstag (T+192...240h) werden drei
verschiedene Cluster angeboten. Dabei präferiert CL 2 mit 17 Fällen eine
Blockierung, bei der sich die Wetterlage der Vortage mehr oder weniger
fortsetzt. CL 1 (18 Fälle) und CL 3 (16 Fälle + HL/KL) simulieren zum Ende hin
den Übergang zum Klimaregime "Atlantischer Rücken" und bei uns eine mal mehr,
mal weniger antizyklonal geprägte Nordwestlage (NWa).
Von Montag bis Mittwoch (T+120...168h) wartet die Clusterung mit satten fünf
Chargen auf, die aber alle unter dem Oberbegriff "Blockierung" stehen und die
alle den Cut-Off-Prozess zeigen. Zugbahn und Position des Tiefs sind jeweils
etwas anders angeordnet, unterscheiden sich aber nicht substanziell. Bei uns
liegen die Unterscheide darin, dass die Divergenzachse des o.e. und in allen
Clustern vorkommenden Bodenhochkeils mal etwas weiter nördlich, mal etwas weiter
südlich liegt.

FAZIT: Das vom IFS-Hauptlauf skizzierte Szenario wird sowohl vom Modellkollegium
als auch von den probabilistischen Anschlussverfahren im Großen und Ganzen
gestützt.
_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Mit dem bevorstehenden Kaltlufteinbruch sind vor allem drei Komponenten von
Bedeutung.

SCHNEE:
Das meiste fällt von Freitag zu Samstag im Süden, vor allem an den Alpen. Ist
aber ein Thema für die Kurzfrist (siehe auch Synoptische Übersicht Kurzfrist von
heute). Am Wochenende lassen die Niederschläge nach, insbesondere an den Alpen
sowie im Erzgebirge könnte die Schauerhäufigkeit am Samstag noch ausreichen,
zumindest stellenweise rund 10 cm Neuschnee zu produzieren. Dabei sind auch
lokale Schneeverwehungen nicht auszuschließen (im hochalpinen Raum sind größere
Schneeverfrachtungen möglich).

WIND/STURM:

Am Samstag reicht der Gradient anfangs noch, um an der Ostsee stürmische Böen 8
Bft aus Nord-Nordwest zu generieren. Im Tagesverlauf ist dann aber Schluss
damit. Dafür bläst es in den Kamm- und Gipfellagen der östlichen Mittelgebirge
und der Alpen noch längere Zeit ein stürmischer Wind (8-9 Bft), der wie gesagt
zu Verwehungen und Verfrachtungen sorgen kann. Ab Sonntag wird es dann aber
weniger mit dem Wind. Dafür könnte sich im Schwarzwald eine Bisenlage einstellen
mit Böen 8-9 Bft in den Kammlagen (noch unsicher).

STRENGER FROST:
Ab der Nacht zum Sonntag muss vornehmlich in den östlichen und südöstlichen
Mittelgebirgen sowie in den Alpentälern mit strengem Frost gerechnet werden -
Schneedecke und längeres Aufklaren vorausgesetzt.
________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und leichter Temperaturkorrektur durch den direkten
Modelloutput (ICON/IFS; nachts und tags z.T. kälter als von MOS angeboten).
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann