DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

12-02-2023 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 12.02.2023 um 10.30 UTC



GWL: HM->NWz(->Wa)
Nach ruhigem Beginn ab Donnerstag unbeständige, aber sehr milde Wetterphase mit
erhöhtem Sturmpotenzial, vor allem im Norden. Zur kommenden Woche
Wetterberuhigung, aber etwas kälter.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 19.02.2023


Die Mittelfrist ist gekennzeichnet durch eine nachhaltige Störung des
stratosphärischen Polarwirbels, wahrscheinlich in der Form eines markanten
"Displacements". Ein "Sudden Stratospheric Warming" (SSW) mit einer nachhaltigen
Umkehr der gemittelten Zonalwinde von West auf Ost wird mittlerweile
modellübergreifend simuliert und kann als relativ gesichert angesehen werden.
Unklar bleibt, inwieweit die Störung bis in die Troposphäre "durchgereicht" und
das nordatlantische und europäische Zirkulationsregime beeinflusst werden kann.
Doch selbst bei vorhandener Kopplung zwischen Stratosphäre und Troposphäre wäre
ein nennenswerter Impact noch nicht in der Mittelfrist, sondern eher in Richtung
Monatswechsel zu erwarten. Es soll an dieser Stelle dennoch konstatiert werden,
dass in der aktuellen IFS-Langfristprognose vom 9. Februar bereits ein für den
Vorhersagehorizont ungewöhnlich robustes Signal für ein Blocking-Regime Anfang
März erkennbar ist (siehe 2-dimensionale Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktion,
PDF).

Nun aber zurück zum eigentlichen Prognosezeitraum. Am Mittwoch startet wir
zunächst mit ruhigem Wetter in die Mittelfrist. Verantwortlich dafür zeigt sich
ein markanter Rücken, der vom zentralen Mittelmeer über Mitteleuropa bis zur
Barentssee aufgespannt wird. Er wird allerdings von einem auf Westeuropa
übergreifenden Trog langsam aber sicher ostwärts verdrängt. Mit Luftdruckfall
von Nordwesten dreht die Strömung über Deutschland von Südost auf Süd bis
Südwest und gewinnt etwas an Fahrt. Die feuchte, wolkenreiche Grenzschichtluft
wird damit nach Nordosten verdrängt und die Nebelauflösung generell begünstigt.
Dafür sorgt einsetzende WLA für einige hohe Wolkenfelder. Das antizyklonale
Wettergeschehen konserviert die Inversionslage. Da die Luft niedertroposphärisch
aber sehr mild ist (T850 5 bis 9 °C), sind zumindest an den Nordrändern der
Mittelgebirge dennoch bemerkenswerte, deutlich zweistellige Höchstwerte (13/14
°C) möglich.

Am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag schwenkt der Trog unter Konturverlust
über Deutschland südostwärts hinweg, dahinter stellt sich eine nordwestliche
Höhenströmung ein. Damit stellt sich unbeständigeres Wetter ein mit von Westen
aufkommenden, schauerartigen Regenfällen. Noch ist nicht ganz sicher, ob die
Niederschläge den äußersten Süden und Südosten erreichen. Wenn ja, ist vor allem
in den südöstlichen Mittelgebirgen gefrierender Regen nicht ausgeschlossen, da
sich dort nochmal Nachtfrost einstellt. Die Strömung dreht niedertroposphärisch
auf West und führt einen Schwall maritime Subpolarluft heran (T850 vorübergehend
auf 2 bis -3 °C) sinkend.

Am Freitag wird zunächst ein flacher Rücken südostwärts über Deutschland
hinweggesteuert, ihm folgt aber bereits in der Nacht zum Samstag ein
Kurzwellentrog, hinter dem sich am Samstag schließlich wieder eine zyklonale
Nordwestströmung durchsetzt. Der Trog stützt ein Sturmtief, das sich nach Lesart
der Mehrheit der deterministischen Simulationen von Nordatlantik in Richtung
mittleres Skandinavien bewegt. Deutschland gelangt am Freitag zunächst in den
Warmsektor des Tiefs, in der wieder milde, zumeist aber sehr feuchte und
wolkenreiche Luft zu uns gelangt. Mit besserer Durchmischung werden verbreiteter
zweistellige Höchsttemperaturen erreicht, am Oberrhein in der Spitze eventuell
bis knapp 15 °C. Die Kaltfront greift später mit schauerartigem Regen auf den
Nordwesten über und wird am Samstag zu den Alpen geführt. Dahinter setzt sich
wieder maritime Polarluft durch, in der es zu Schauern kommt. Diese fallen bei
Temperaturen, die im 850-hPa-Niveau auf 0 bis -6°C absinken, zumindest in den
höheren Mittelgebirgslagen wieder als Schnee. In den Alpen stellt sich mit
Winddrehung auf Nordwest eine kurze Staulage ein, sodass dort bis in den Sonntag
hinein zumindest in Hochlagen mehr als 10 cm Neuschnee nicht ausgeschlossen
sind. Markanter ist aber die Windentwicklung. Sturmböen sind im Bergland sowie
im Küstenumfeld wahrscheinlich, schwere Sturmböen durchaus im Bereich des
Möglichen. Je nach genauer Positionierung und Intensität des Tiefs (das ist noch
unsicher), sind aber auch sonst vor allem mit Kaltfrontpassage und bei
postfrontalem Schauerwetter Sturmböen nicht auszuschließen.

Am Sonntag steilt die Höhenströmung zwischen einem sich über Westeuropa bis zum
Nordmeer aufwölbenden Rücken und einem sich amplifizierenden Langwellentrog über
Ostereuropa auf Nordnordwest auf. Kurzwellige Anteile sorgen vor allem nach
Nordosten zu weiter für zyklonale Verhältnisse, während sich nach Südwesten zu
mit einem nach Hochkeil im Bodenfeld bereits Hochdruckeinfluss durchsetzt. In
maritimer Polarluft werden nur noch einstellige Höchstwerte erreicht, in
Hochlagen und nachts ist verbreitet mit Frost zu rechnen. In der Nordosthälfte
bleibt es windig, im Bergland und an der Ostsee sind Sturmböen möglich.

In der erweiterten Mittelfrist verstärkt sich der antizyklonale Einfluss von
Südwesten her, was - pünktlich zum Höhepunkt der Straßenfastnacht - eine
Wetterberuhigung bedeutet.
__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Zu Beginn der Mittelfrist am Mittwoch/Donnerstag rechnet IFS den Übergang zu
einer zyklonal geprägteren West- bis Nordwestlage noch relativ konsistent, wobei
das erste Störfeuer in Form eines Kurzwellentroges im heutigen IFS-00Z-Lauf
etwas zügiger losgeht als in den beiden Vorläufen (Donnerstag, statt Nacht zum
Freitag).
Die nachfolgenden Trogvorstöße bis zum Wochenende weisen dann nicht nur eine
noch größere Phasenverschiebung auf, sondern auch eine mitunter sehr stark
variierende Geometrie. Sehr volatil wird folglich auch das Bodendruckfeld
simuliert. Insbesondere die beiden 00Z-Läufe unterstreichen mit der
Positionierung eines Sturmtiefs über Süd-, respektive Mittelskandinavien und
breit angelegtem Sturmfeld das zunehmende Sturmpotenzial, vor allem am Samstag.
In der erweiterten Mittelfist rechnete der gestrige 00Z-Lauf noch eine Nordlage
mit recht markantem Kaltluftvorstoß und Stauniederschlägen an den Alpen. In den
Folgeläufen ist die Nordlage nur von kurzer Dauer, durch sich von Westen zügiger
nähernden und übergreifenden Hochdruckeinfluss wird die Kaltluftzufuhr rasch
gekappt.
__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis Donnerstag sind die Unterschiede kaum nennenswert.
Danach werden sowohl die Phase als auch die Geometrie des Trog-Rücken-Musters
mitunter sehr unterschiedlich simuliert. Zwar haben alle Modelle das Sturmtief
Freitag/Samstag auf der Agenda, was die erhöhte Sturmgefahr unterstreicht.
Position und Sturmfeld variieren aber deutlich, teils wird es durch Randtiefs
modifiziert (GFS, UK10).
Sonntag und zu Beginn der kommenden Woche wird der Rücken über dem Nordatlantik
von ICON deutlich flacher simuliert, sodass die Strömung stromab nicht so stark
aufsteilen kann. Deutschland bliebe unter einer Westströmung, in der schleifende
Frontensysteme ergiebigere Niederschläge bringen und mit weiteren Randtiefs die
Sturmgefahr bis auf Weiteres anhalten würde. GFS sieht dagegen der
IFS-Simulation recht ähnlich.
__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


IFS-EPS:
Das EPS bestätigt bis einschließlich Donnerstag das Szenario des
deterministischen Laufes. Die Rauchfahnen für Temperatur und Geopotenzial sind
sehr eng gebündelt. Dabei zeichnet sich ein leichter Potenzial- und
Temperaturrückgang an, bei gleichzeitig aufflammenden Niederschlagssignalen (->
erster Trogvorstoß wird noch recht konsistent gerechnet).
Zwischen Freitag und Sonntag blähen die Rauchfahnen dann schlagartig auf. Dabei
führen aber nahezu alle EPS-Member eine schwingende Bewegung aus (-> zyklonale
Wetterlage mit mehr mehreren Trogpassagen), aber mit durchaus stark variierender
Phase und Amplitude (-> Timing und Geometrie der Tröge sehr unsicher). Der
deterministische Lauf ist beim Geopotenzial allerdings insgesamt recht gut in
die Memberschar eingebettet, bei der Temperatur aber befindet er sich zum
Sonntag eher am unteren Ende der Range (-> Kaltluftvorstoß im IFS-Lauf
verhältnismäßig stark, eventuell weniger aufsteilende Strömung?). In Bezug auf
den Wind sind kaum haltbare Aussagen zu treffen, wenngleich konstatiert werden
kann, dass der Höhepunkt der Windentwicklung mehrheitlich in der ersten
Tageshälfte des Samstags gerechnet wird. An der Küste liegt der Median gerade so
im stürmischen Bereich (Bft 8), nur einzelne Member, darunter auch der
deterministische Lauf, gehen auf schweren Sturm (Bft 10).
In der erweiterten Mittelfist wird die Lage interessanterweise wieder etwas
klarer, denn eine breite Mehrheit der EPS-Mitglieder sehen einen Geopotenzial-
und Temperaturanstieg bei gleichzeitig deutlich zurückgehenden
Niederschlagssignalen.

CLUSTER:
+72-96 h: 3 Cluster, 3x Übergang Blocking->NAO+. Kaum Unterschiede für
Deutschland.
+120-168 h: 5 Cluster, 5x NAO+. 4 Cluster mit zyklonaler West-/Nordwestlage und
variierender Phase, 1 Cluster (3/51 Member) mit antizyklonalem Einfluss in
Deutschland.
+192-240 h: 4 Cluster, überwiegend NAO+. 2 Cluster (36/51) mit wieder
zunehmendem antizyklonalen Einfluss, 2 Cluster (15/51) mit stärkerem zyklonalen
Einfluss im Norden und Osten.

FAZIT:
Nach ruhigem Start am Mittwoch scheint eine zyklonal geprägte, allerdings
zunächst auch sehr milde Wetterphase zwischen Donnerstag und Sonntag sehr
wahrscheinlich. Der genaue Wetterablauf unterliegt aber einigen Unschärfen. Das
trifft auch auf eine etwaige Sturmlage Freitag/Samstag zu, die sich vor allem
für die Küstenregionen und den Norden andeutet. Zu Beginn der kommenden Woche -
also pünktlich zum Höhepunkt der Straßenfastnacht - wird eine Wetterberuhigung
favorisiert. Ob dieser ein Kaltluftvorstoß mit etwas "Winter" im Bergland und in
den Alpen vorausgeht, muss noch abgewartet werden.
_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


GLATTEIS:
In der Nacht zum Freitag im Südosten, vor allem im ostbayerischen
Mittelgebirgsraum gefrierender Regen nicht ausgeschlossen.

STURM:
Vor allem am Freitag und Samstag zeitweise stark auffrischender Südwest- bis
Westwind, später auf Nordwest drehend. Im Küstenumfeld, im angrenzenden
norddeutschen Binnenland sowie im oberen Bergland Sturmböen wahrscheinlich,
schwere Sturmböen nicht ganz ausgeschlossen. Im übrigen Land zumindest mit
Passage einer Kaltfront sowie bei Schauern Sturmböen nicht ganz ausgeschlossen.
________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det. +EPS, MOS-Mix
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser