DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-01-2023 12:30
SXEU31 DWAV 310800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 31.01.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWz (Nordwest zyklonal)

Unbeständig und windig bis stürmisch, dazu ab Mittwochabend teils kräftige
Schneefälle an den Alpen und im Bayerischen Wald.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... erstreckt sich die relativ glatte, gut ausgeprägte Frontalzone
ausgehend von Neufundland über den mittleren Nordtalantik bis nach Mitteleuropa,
wo sie nach Süden in Richtung zentrales Mittelmeer abbiegt. Der Richtungswechsel
hat zur Folge, dass wir aktuell unter einem flachen Rücken liegen, der von WLA
überlaufen wird. Im Tagesverlauf verdünnisiert sich der Rücken nach Südosten und
macht einem KW-Trog Platz, der in der Frontalzone mitschwimmt und zum Abend hin
den äußersten Norden erfasst. T500 geht auf unter -30°C zurück, was bei
gleichzeitig -5°C auf 850 hPa eine Labilisierung der einfließenden erwärmten
Meereskaltluft polaren Ursprungs zur Folge hat. Dazu später mehr.

Zunächst mal der überaus interessante Blick auf die Bodenwetterkarte, wo - wie
es sich gehört - auf der kalten Seite der Frontalzone eine ganze Horde
pubertierender Tiefdruckgebiete ordentlich Alarm macht. Dem gegenüber steht auf
der warmen Seite das quasistationäre Azorenhoch (merkwürdigerweise gleich mit
zwei Namen ausgestattet, nämlich BEATE und CÄCILIE) mit etwas über 1035 hPa im
Zentrum westlich der Biskaya, wo es sich scheinbar unbeeindruckt von den
Aktivitäten ihrer männlichen Konterparts zeigt und zunächst auch keine
Ambitionen hegt, daran etwas zu ändern. Während der Kollege NICOLA, gestern für
Sturm, Schauer und Gewitter verantwortlich, inzwischen über alle Berge ist
(Karelien, dicht am Weißen Meer), tritt heute und morgen sein Nachfolger OLEG
auf den Plan. Dieser wurde heute früh mit einem imposanten Kerndruck von rund
970 hPa dicht bei Island gesichtet, von wo aus er in den nächsten Stunden
relativ behäbig (kein Schnellläufer) ostwärts zieht. Ausgestattet ist das
relativ kleine Sturmtief mit einem kompletten Frontensatz, der schon ein ganzes
Stück okkludiert ist, wobei sich an der Okklusion westlich der Haltenbank
(Norwegen) gerade ein Teiltief bildet (OLEG II). Es wird im Laufe des Tages den
Süden Norwegens und Schwedens überqueren, um am Ende des Tages auf der Ostsee
nördlich von Gotland aufzuschlagen.

Zwischen dem sehr breit aufgestellten Hoch und den beiden OLEGs legt der
Gradient bei uns heute wieder etwas zu, was vor allem nach Norden hin sowie
allgemein im Bergland, teils aber auch bis in die mittleren Landesteile
ausgreifend einen auffrischenden Südwest- bis Westwind zur Folge hat. Böen 7 Bft
sind dabei im Tiefland obligatorisch, ganz im Norden ist auch die eine oder
andere Böe 8 dabei. Direkt an der See sowie im höheren Bergland stehen vor allem
am Nachmittag vermehrt Böen 8-9 Bft auf der Karte, wobei die reinen Sturmböen an
der Nordsee häufiger vertreten sind als an der Ostsee, wo sich bis zum Abend
diesbezüglich nur wenig tut. In exponierten Kamm- und Gipfellagen sind sogar
Böen 10 bis 11 Bft drin.

Ansonsten gilt es noch zu konstatieren, dass sich mit Übergreifen des
Frontensystems von der Nordsee und den Niederlanden leichte Niederschläge von
Nordwest nach Südost ausbreiten, wobei der Süden BaWüs und Bayerns tagsüber noch
ausgespart wird (dort entsprechend die meisten Auflockerungen bzw. sonnigen
Abschnitte). Aufgrund der Tatsache, dass der Okklusionsprozess noch nicht
abgeschlossen ist und deshalb vor allem im Norden und Westen ein kurzzeitiger
Warmlufteinschub erfolgt (T850 bis nahe 0°C), steigt dort die Schneefallgrenze
von anfänglich 400 bis 600 m auf 800 bis 1000 m. Nach Osten hin bleibt sie etwa
bei 400 bis 600 m, allerdings fällt dort nicht allzu viel Neuschnee. Wie man
überhaupt sagen muss, dass das frontale Niederschlagsereignis eher eines aus der
Kategorie "luschig" darstellt. Meist liegen die 12-stündigen Niederschlagsmengen
unter 5 l/m². Trotzdem, in einigen Hochlagen, wo sich tagsüber Dauerfrost hält,
muss weiterhin mit Schneeverwehungen gerechnet werden (insbesondere, aber nicht
ausschließlich im Erzgebirge), auch wenn nicht viel Neuschnee hinzukommt. Nach
Passage der teilokkludierten Kaltfront - und damit noch mal zurück zur o.e.
Labilität - entwickeln sich im Norden einzelne Schauer oder kurze Gewitter,
teils mit Graupel und Böen 8-9 Bft (Oberwind auf 925 hPa immerhin satte 50 Kt).

Temperaturmäßig geht´s hoch auf 3 bis 8°C mit den höchsten Werten zwischen Ems-
und Nordfriesland. Dauerfrost zieht sich in die höchsten Lagen, im Westen sogar
darüber hinaus, zurück.

In der Nacht zum Mittwoch zieht OLEG I dich an den Färöers vorbei in Richtung
Viking (nördliche Nordsee), wobei er sich etwas auffüllt. Die Kaltfront
marschiert nach Süden durch, wo es oberhalb 400 bis 600 m (an den Alpen
vielleicht etwas höher) leicht schneit. Viel kommt nicht zusammen, die Maxima
liegen im Bayerischen Wald sowie am östlichen Alpenrand, wo um 10 cm Neuschnee
möglich sind. Ansonsten sinkt zwar die Schneefallgrenze in der postfrontal
einfließenden polaren Meeresluft wieder (T850 um -5°C), im Mittelgebirgsraum
fällt allerdings auch nicht mehr viel Niederschlag.

Das gilt nicht für den Norden, wo nun aber auch nicht besonders hohe Berge
herumstehen. Dort ziehen in der Nacht nach Abzug des KW-Troges kleine
WLA-Gebiete durch, die zwar für Hebung, aber keine nennenswerte Stabilisierung
der Schichtung sorgen. Heraus kommen schauerartige Niederschläge, teils mit
Graupel und auch gewittrig, fernab der Küste nach Osten hin evtl. auch mal als
nasser Schnee. Der Gradient fächert nur geringfügig auf, weshalb auch der
Südwest- bis Westwind mit konvektiver Unterstützung insbesondere im Norden sowie
allgemein auf den Bergen recht flott unterwegs bleibt. Böen 7 Bft, an der Küste
und auf den Bergen 8 bis 9 Bft, auf exponierten Kämmen bis zu 11 Bft ist das,
worauf wir uns einstellen müssen. Mit Ausnahme des höheren Berglands bleibt es
meist frostfrei.

Mittwoch... zieht das Tief OLEG I dicht an der Südspitze Norwegens vorbei zum
Skagerrak und später zum Kattegat. Inzwischen haben sich die Modelle
hinsichtlich der Zugbahn gut angenähert, was übrigens auch für den Kerndruck
gilt. Man ist sich einig, dass das Tief keine Intensivierung erfährt und den Tag
mit einem Kerndruck um 990 hPa verbringt. Offensichtlich funktioniert die
Zusammenarbeit mit einem korrespondierenden KW-Trog alles andere als gut, weil
der dem Bodentief ein kleines Stück vorauseilt. Außerdem liegt der Kern zu weit
weg von einem Jetstreak der Frontalzone, der sich im Laufe des Tages von der
Nordsee her bis nach Deutschland vorarbeitet (nordwest-südost-exponiert).
Trotzdem, zwischen dem Tief und dem weiterhin bräsig westlich der Biskaya
liegenden Hoch hält sich auch morgen ein veritabler Gradient, aus dem sich ein
solider, aber kein überdurchschnittlicher Starkwind- respektive Sturmtag
generieren lässt. Mit Ausnahme des Südwestens, wo es insgesamt etwas handzahmer
zugeht, erreicht der westliche Wind verbreitet Böen 7 bis 8 Bft, an der Küste
und im höheren Bergland sowie bei kräftigen Schauern/kurzen Gewittern 9 Bft, an
der Nordsee exponiert 10 Bft, auf einigen freien Kämmen und Kuppen (1x dürft ihr
raten wo) 11 Bft. Kurze Ergänzung zur Küste, wo der Schwerpunkt der
Sturmentwicklung eindeutig auf der Nordseeseite zu finden ist. An der Ostsee ist
tagsüber von West nach Ost vorübergehend sogar eine leichte Windabnahme zu
erwarten, bevor er erst zum Abend hin wieder zulegt.

Niederschlagstechnisch gilt es zunächst mal die frontalen Reste im Süden
abzufrühstücken, was bis zum frühen Nachmittag weitgehend erledigt sein sollte.
Viel Neuschnee ist dort also nicht mehr zu erwarten, aber das dicke Ende kommt
ja erst noch. Ansonsten ziehen die schauerartigen, vereinzelt gewittrigen
Niederschläge aus der Nacht über den Norden und Osten ab. Nach einer kurzen
Pause kommt von Nordwesten her die nächste Portion verclusterter Schauer rein,
die von den Ausläufern des o.e. KW-Trogs ausgelöst wird. Je weiter im Nordosten,
desto labiler die einfließende maritime Polarluft (T500 um -35°C über T850 um
-5°C). Von Regen über Graupel bis hin zu kurzen Gewittern (Böen 8-9 Bft, bei
Oberwinden bis 55 Kt auf 925/850 hPa worst case 10 Bft) ist alles dabei. Auch
Schnee, der allerdings erst mit Erreichen der Mittelgebirge oberhalb etwa 400
bis 600 m. Viel Schnee fällt nicht (der meiste Niederschlag kommt im
nordwestdeutschen Tiefland runter mit bis zu 10 l/m² innert 12 h), lediglich im
Oberharz könnte es im West-Nordweststau für rund 10 cm reichen, ganz oben mit
Verwehungen.

Thermisch geht es bei guter Durchmischung hoch auf 4 bis 9°C. Nur ganz oben im
Bergland hält sich leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Donnerstag zieht OLEG I über die dänischen Inseln und den
Oderbruch hinweg nach NW-Polen, wobei er sich weiter auffüllt. Die Frontalzone
respektive der Jetstreak verweilen über dem Vorhersageraum, allerdings dreht die
Höhenströmung etwas nach rechts. Grund für das leichte Aufsteilen ist die
Aufwölbung eines Rückens über SW-Europa bzw. dem vorgelagerten Seegebiet. Mit
Verlagerung des Bodentiefs verschiebt sich das Wind-/Sturmmaximum zur Ostsee
(Böen bis 10 Bft) bzw. in den Nordosten und Osten (7-8, vereinzelt 9 Bft), aber
auch im Süden bleibt es sehr windig (7-8 Bft). Im höheren Bergland bleibt es
stürmisch bis zu 11 Bft in Böen. Der Wind dreht auf West bis Nordwest.

Interessant ist der Verlauf der Niederschlagsentwicklung. Der Schwerpunkt
verlagert sich mehr und mehr vom Norden in die Mitte und den Süden, wobei sich
ein schmaler Korridor herauskristallisiert, in dem die Mengen deutlich höher
sind als in der Umgebung (5 bis 10, in Staulagen bis 20 l/m²/12 h). Der Streifen
reicht grob von NRW bis nach Ostbayern, weist modellübergreifend aber noch keine
befriedigende Kongruenz auf. Von daher ist es derzeit auch noch schwierig,
genaue Prognosen bezüglich Neuschnee zu formulieren. Stand jetzt fällt das
meiste im Bayerischen Wald, wo über 10 cm Neuschnee zusammenkommen können, in
höheren Lagen verweht. Im Grunde stellt das aber nur die Ouvertüre zu einer
länger andauernden Schneefalllage ein, die bis in den Samstag anhalten kann.
Ähnliches blüht übrigens den Alpen, wo ebenfalls reichlich Schnee erwartet wird,
teils mit erheblichen Verfrachtungen und deutlich steigender Lawinengefahr.
Sowohl für den Bayerischen Wald als auch für die Alpen wurde oberhalb 1000 m
eine Vorabinformation Unwetter "Starker Schneefall plus Verwehungen" geschaltet.
Bis Freitag/Samstag werden 30 bis 80 cm, am östlichen Alpenrand bis 100 cm
Neuschnee erwartet, wobei es im Laufe des Mittwochs noch Anpassungen geben kann,
bevor die Akutwarnung geschaltet wird.

Donnerstag... stellt sich mit der noch etwas aufsteilenden Höhenströmung eine
Staulage am Alpennordrand ein. Dabei kommt es zu permanenter
mitteltroposphärischer WLA, die zusätzlichen Hebungsantrieb liefert. Außerdem
scheibt sich von der Nordsee her die Warmfront bzw. Warmfrontwelle (derzeit noch
schwer zu detektieren) des nächsten Tiefs (PIT) nach Deutschland rein. Um es
kurz und einfach zu halten (Details folgen in den weiteren Übersichten): bis in
die Nacht zum Freitag (und noch darüber hinaus) von Westen her einsetzende,
länger andauernde und gebietsweise ergiebige Niederschläge, nur langsam ostwärts
verlagernd. Akkumuliert über 24 h teils bis zu 30 l/m², in Staulagen der Alpen
bis zu 50 l/m². Nach wie vor ist ein Maximum in einem von Westdeutschland in den
Südosten reichenden Korridor zu erkennen, der synoptisch nicht ganz einfach zu
erklären ist. Später könnte er auf die Warmfront oder -welle zurückgeführt
werden. Anfangs scheint aber Querzirkulation im Zusammenhang mit der Frontalzone
verantwortlich zu sein, ohne Gewähr. Die Schneefallgrenze steigt kontinuierlich
an (T850 im Westen bei 0°C), weshalb auch das Thema Tauwetter im Hinterkopf
abgespeichert werden sollte (z.B. Alpen unterhalb 1000 m).

Windtechnisch wird am Donnerstag 2 Gänge, an der Küste auch mehr runtergefahren.
Stürmisch bleibt es auf den Bergen und im Osten und Süden zumindest anfangs
windig mit Böen 7 Bft.

Modellvergleich und -einschätzung
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Obwohl die Modelle ähnlich simulieren und z.B. sich in Bezug auf das Sturmtief
am morgigen Mittwoch angenähert haben, bleibt die Wetterlage hochkomplex. Sowohl
Wind/Sturm als auch Niederschlag mit der wechselnden Schneefallgrenze stellen
eine echte Herausforderung dar. Warntechnisch arbeiten wir uns Zug für Zug nach
vorne, mit Anpassungen bzw. vom heutigen Text abweichenden Detailprognosen muss
in den nächsten gerechnet werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann