DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-01-2023 09:01
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 25.01.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: BM

Im Nordwesten anfangs teils gefrierender Regen mit Glatteisgefahr (lokal
unwetterartig). Abgesehen davon etwas Schnee, in Staulagen (Osten/Alpenrand)
auch zeitweise mäßiger Schneefall. Sonst Grenzschichtdynamik mit Nebel, Glätte
und Frost.



Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... erstreckt sich das umfangreiche Bodenhoch BEATE vom Bereich der
Wolga über Polen, England bis weit auf den offenen Nordatlantik. Dabei wird
diese Brücke mittlerweile mit mehreren Teilzentren benannt (BEATE I über
Mitteleuropa und II über dem Atlantik). Allerdings schwächt sich die Brücke nun
kontinuierlich ab, während sich BEATE II zur dominanten und für uns
blockierenden 1040 hPa + Antizyklone aufplustert. In der Höhe (500 hPa)
etabliert sich ein blockierender Höhenkeil über dem nordöstlichen Atlantik und
weitet seinen Einfluss während der Kurzfrist nordostwärts in Richtung
Skandinavien aus.

Südlich von uns liegt weiterhin ein umfangreiches Höhentief, das weite Bereiche
des westlichen Mittelmeers und das nördliche Marokko/Algerien überstreicht.
Begleitet wird dieses Höhentief von einem diffusen Bodentiefsumpf, in dem
mehrere schwache Minima eingebettet sind. Eines davon wird weiterhin als JAN
(international HANNELORE) tituliert. In der Folge mausert sich aus diesem Sumpf
erneut eine kräftige Bodenzyklone, die während der Kurzfrist besonders dem
zentralen und östlichen Bereich des Mittelmeers einiges an Nass und Wind bringt.
Aus heutiger Sicht wird das jedoch nicht mehr JAN, sondern eine neue Entwicklung
sein.

Bleibt zuletzt noch ein markanter Höhentrog zu erwähnen, der heute über
Schottland und Großbritannien südostwärts zieht und sich in der Folge
aufspaltet. Ein Teil der Energie verbleibt in der progressiv nach Osten
(Richtung Russland) ziehenden und an Amplitude verlierenden Welle, während ein
anderer Teil der Energie südwärts in Richtung Mittelmeer geführt wird und dort
das Höhentief und in der Folge auch JAN/HANNELORE erneut intensiviert - eine
Konstellation, die bis weit nach Nordafrika rein eine kühle Luftmasse
transportiert (Schneeoptionen im Atlasgebirge). Mit diesem Trog wird eine
Kaltfront nach Deutschland geführt, die jedoch in der Folge während der
Kurzfrist über dem Norden und der Mitte Deutschlands regelrecht verhungert.
Dabei handelt es sich um eine maskierte Kaltfront, da postfrontal mit der
Advektion mariner Luftmassen die Temperaturwerte ansteigen im Vergleich zur
präfrontal lagernden, gealterten und kälteren kontinental geprägten Luftmasse.

Doch kommen wir zurück zu unserem Wetter, das heute erneut einen recht trüben
Start in den Tag verspricht. Schaut man sich die Radiosondenaufstiege von 00Z
an, so erkennt man eine scharfe Inversion, die in Norddeutschland in etwa bei
rund 950 hPa, in Süddeutschland bei rund 870 hPa liegt. Darüber folgt ein
scharfer Feuchterückgang mit gesättigten Bedingungen darunter, sodass es nicht
verwundert, dass vielerorts etwas Sprühregen (teils gefrierend) gemeldet wird.
Entsprechende Glättewarnungen (gelb) gelten für viele Regionen entlang und
südlich der zentralen Mittelgebirge, da die Frühwerte vielerorts um den
Gefrierpunkt liegen. Dank der tiefen Inversionslage melden auch viele Stationen
in diesen Bereichen Dunst oder Nebel, teils auch warnwürdig.

Tagsüber ändert sich daran nicht viel. Vorhersagesoundings deuten ein recht
statisches Verhalten der Inversion an, sodass weiterhin mit dichter Bewölkung,
Dunst oder Nebel im höheren Tiefland und Bergland (Mitte und Süden) sowie
gebietsweise mit etwas Sprühregen zu rechnen ist. Eine Änderung der Schichtung
gibt es jedoch. Über Norddeutschland wird die Inversion präfrontal der nahenden
Kaltfront gehoben und geht fließend über in ein typisches Hebungsprofil einer
nahenden Front (veer/back/veer löst die Inversion effektiv auf). Vielleicht
gelingt es der Front abends die ersten Tropfen in Richtung Sylt zu tragen, doch
ansonsten bleibt es auch hier noch trocken. Präfrontale Auflockerungen, wie vom
GFS angedeutet, werden aktuell als unrealistisch angesehen.

Die Höchstwerte liegen deutschlandweit zwischen 0 und 4 Grad, entlang des
Oberrheins vielleicht auch bei 5 oder 6 Grad. Im Bergland herrscht meist
leichter Dauerfrost. Der Wind weht schwach bis mäßig aus Nordost, im Norden aus
Südwest und frischt zum Abend über der Deutschen Bucht böig auf.


In der Nacht zum Donnerstag erreicht die Kaltfront, dank weiter sinkendem
Geopotenzial, Benelux und Nordwestdeutschland. Im Gepäck ist ein bisschen Nass
und viel Bewölkung. Schaut man sich die Front innerhalb der cross sections an,
so scheint deren Aktivität bereits in der Nacht nur noch auf einen Höhenbereich
von 600-500 hPa beschränkt zu sein (gestützt durch die Advektionsverteilung in
Vorhersagesoundings). Bei geringer Frontneigung und Hebung fallen die Mengen
dieser Frontpassage sehr überschaubar aus.
Bleibt nun die Frage der thermischen Schichtung und der Bodenverhältnisse. Im
Boden herrscht dank der dichten Bewölkung der vergangenen Tage kein Frost mit
Werten von meist wenig über 0 Grad (0.X Grad bis +1 Grad) und präfrontal deutet
sich wie gesagt auch keine Auflockerung an. Bei diesen Werten muss man jedoch
davon ausgehen, dass exponierte Abschnitte wie z.B. Brücken doch Werte von etwas
unter 0 Grad aufweisen können.

Die Numerik ist weiterhin zweigeteilt mit einzelnen recht aggressiven Lösungen
beim Blick auf gefrierenden Regen entlang der Front, während andere wie z.B. das
ID2 zurückhaltender agieren. Entscheidend wird sein, wie kalt die präfrontale
Luftmasse wirklich ist und einzelne Modelle deuten über Luxemburg und Umgebung
stärkere Auflockerungen mit entsprechender Auskühlung an, die mit südwestlichen
Winden nach Nordosten advehiert werden würden. Allerdings rennt diese Kaltfront
maskiert gegen die kältere Festlandsluft an und die Numerik deutet ein zügiges
Abkühlen der wärmeren Nase in rund 950 hPa an.
Summa summarum beginnt im Küstenumfeld im Verlauf der ersten Nachthälfte Regen
einzusetzen, der auf dem Weg nach Südosten zunehmend auf die leicht frostige
Luftmasse trifft. Ab Mitternacht sollte der Schwerpunkt ein Streifen vom
Niederrhein bis Hamburg sein, wo wenigstens regional mit Glatteis durch
gefrierenden Regen gerechnet werden muss. ID2 zeigt die Niederschläge auch recht
schwach mit 3-std. Mengen meist um oder 1 l/qm, während andere Modelle diese
Mengen höher ansetzen. Auf jeden Fall muss hier mit markanten Warnungen agiert
werden und je nach regionaler Niederschlagsintensität kann lokal auch die
Ausgabe einer Unwetterwarnung vor Glatteis nicht ausgeschlossen werden. Im
Verlauf der Nacht können die schwachen Niederschläge am Vorderrand des
Niederschlagsbands bereits in etwas Schnee übergehen (voraussichtlich mit einem
breiten Überlappungsbereich).

Abgesehen davon verläuft die Nacht sonst hochnebelartig bedeckt, im Bergland
teils neblig-trüb mit regional auftretendem und teils gefrierendem Sprühregen.
Also muss auch hier mit winterlicher Grenzschichtdynamik gerechnet werden.

Die Tiefstwerte liegen im Umfeld der Deutschen Bucht um +1 Grad und sonst
zwischen -1 und -4 Grad, im Bergland herrscht mäßiger Frost. Der Wind kommt im
Süden schwach aus variablen Richtungen, im Norden mäßig aus Südwest, postfrontal
aus Nordwest.



Donnerstag... drückt die Front noch etwas weiter nach Südosten und erreicht zum
Abend in etwas eine Linie Pfalz - Prignitz. Die Dynamik der Front geht weiter in
die Knie, sodass die Reste der warmen Nase in rund 950 hPa endgültig getilgt
werden. Dennoch tritt bis weit in den Vormittag im Umfeld der Front noch teils
gefrierender Regen oder Sprühregen auf, was grob die Bereiche vom Ruhrgebiet
über Niedersachsen bis nach Mecklenburg-Vorpommern betreffen wird. Die
Problematik aus der Vornacht wird auch in diesen Zeitabschnitt mitgetragen -
Frontverlagerung und - dynamik werden innerhalb der Numerik weiterhin leicht
variabel gezeigt. Der Mittelweg ist, dass die markante Glatteiswarnung aus der
Nacht wohl weiter nach Osten ausgedehnt werden wird und regional muss weiterhin
mit der Möglichkeit einer Heraufstufung zur Unwetterwarnung gerechnet werden,
besonders wo die Orografie ins Spiel kommt. Im Tagesverlauf gehen die
Niederschläge aber sukzessive in leichten Schneefall über, der 1 oder 2 cm, im
Bergland auch 3 oder 4 cm Neuschnee bringen kann mit entsprechender Glätte.
Postfrontal sorgt die feuchte Luftmasse im Verlauf des Nachmittags bei
beginnender Auskühlung für teils dichten Nebel von der Eifel bis zum
Rothaargebirge.

Eine weitere Option für etwas Neuschnee ergibt sich ab den Nachmittagsstunden
für den Osten Deutschlands (Lausitz, Erzgebirge und Bayerischer Wald). Ein
schwacher Höhentrog, ausgehend vom Höhentief über dem zentralen Mittelmeer, baut
sich über Tschechien auf und induziert leichte positive Schichtdickenadvektion,
die für etwas Hebung gut ist. Die meisten Modelle lassen nur einzelne Flocken
herausfallen. Nur ICON deutet einen breiteren Trog an mit entsprechend
kräftigerer Krümmungsvorticity, sodass sich nach Leseart dieses Modells ein Band
mit leichten Schneefällen und mit wenigen Zentimeter Neuschnee in den genannten
Regionen etablieren könnte. Der modellinterne Trend wird immer aggressiver und
entfernt sich somit immer weiter vom sonst zurückhaltend agierenden Modellpool.

Südlich vom Main ändert sich wenig an dem grauen und abgesehen von etwas
Sprühregen überwiegend trockenen Wetter.

Die Höchstwerte liegen meist zwischen 0 und +4 Grad, im Bergland im leichten
Dauerfrostbereich. Postfrontal steigen die Werte in der einströmenden Meeresluft
rückseitig der maskierten Kaltfront auf 5 bis 7 Grad. Der Wind weht schwach bis
mäßig aus Nord und frischt im Küstenumfeld zeitweise böig auf.

In der Nacht zum Freitag weitet sich das Feld mit schwacher positiver
Schichtdickenadvektion auf weite Bereiche Deutschlands aus, sodass die Nacht
nicht nur bedeckt verläuft, sondern immer wieder auch leichte Schneefälle (inkl.
gefrierendem Sprühregen) auftreten können, die meist mit einer gelben
Glättewarnung abgedeckt werden. Anders sieht es im Süden von Sachsen-Anhalt,
Thüringen und Sachsen aus, wo im Tiefland 1 bis 3 cm, im Bergland 4 bis 8 cm
Neuschnee fallen sollte. Davon ausgenommen der Nordwesten und Norden, wo
postfrontal die Wolkendecke auflockert und kein Niederschlag erwartet wird. Die
Tiefstwerte liegen im Norden zwischen +2 und -2 Grad (u.a. Frost im Umfeld er
dänischen Grenze dank stärkerer Auflockerungen) und sonst zwischen 0 und -5
Grad, im süddeutschen Bergland auch etwas darunter. Der Wind kommt weiterhin
schwach bis mäßig aus Nord bis Nordost.


Freitag... verstärkt sich das Geopotenzial über der Nordsee, sonst ändert sich
wenig und weite Bereiche Deutschlands liegen peripher im Einflussbereich des
sich intensivierenden Mittelmeertiefs. Schwache Hebung sorgt in den meisten
Regionen weiterhin für etwas Schnee oder gefr. Sprühregen mit regionaler Glätte.
Kräftigere Schneefälle sind weiterhin im Stau des Harzes, Thüringer Waldes und
vom Erzgebirge möglich. Es wird mit 1-3 cm Neuschnee im Tiefland und mit 4 bis 8
cm Neuschnee in den Staulagen gerechnet. Ähnliches gilt für die Staulagen des
östlichen Alpenrands.
Im Nordwesten verläuft der Tag postfrontal recht freundlich und trocken. Die
Höchstwerte liegen bei 0 bis 4 Grad mit leichtem Dauerfrost im südlichen
Bergland. Der Nordostwind weht frisch bis mäßig, auf dem Brocken auch stürmisch.


In der Nacht zum Samstag wenig Änderung mit anhaltender Grenzschichtdynamik und
etwas Neuschnee im Osten sowie entlang der Staulagen der östlichen zentralen
Mittelgebirge und des Alpenrandes. Im Umfeld der Deutschen Bucht Ausbildung
teils dichter Nebelfelder und das bei Tiefstwerten von -1 bis -6 Grad, im
Bergland bis -8 Grad. Am direkten Alpenrand kann auch strenger Frost nicht
ausgeschlossen werden. Der nordöstliche Wind weht überwiegend schwach.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Numerik hat die Entwicklung während der Kurzfrist recht gut im Griff.
Allerdings ergeben sich weiterhin Unterschiede mit Blick auf die
Kaltfrontpassage (timing und Dynamik), die Auswirkungen auf die
Niederschlagsphase haben. Dies wurde im Text ausführlich besprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy