DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-01-2023 09:01
SXEU31 DWAV 070800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 07.01.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Südwest zyklonal (SWz), heute vorübergehend mit kleinem antizyklonalen Einschlag


Anfangs Zwischenhocheinfluss, von Westen jedoch rasch neue Regenfälle. Dabei zur
neuen Woche etwas kühler und auf den Bergen Übergang der Niederschläge in
Schnee.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... befinden wir uns auf der Vorderseite eines umfangreichen schweren
Sturmtiefs wenige Seemeilen nordwestlich von Irland. Diese "Schallplatte" namens
CONSTANTIN ist inzwischen achsensenkrecht und hat ihren Höhepunkt damit schon
leicht überschritten. Nichtsdestotrotz können sich sowohl der Kerndruck von nahe
950 hPa als auch die räumliche Ausdehnung (Irminger See bis zur Biskaya) absolut
sehen lassen. Es schluckt aktuell bereits die Reste des vorgelagerten Tiefs
BENITO über dem Oslofjord und steuert eine Warmfront entlang der Elbe
nordostwärts hinweg. Die (leicht schleifende) Kaltfront schließt sich erst über
den Britischen Inseln und der Bretagne westwärts an.

In dem weit geöffneten Warmsektor (T850 zwischen +1 und +3 Grad, im Süden auch
über +5 Grad) kann sich WLA bedingt ein Höhenkeil über Mitteleuropa weiter nach
Norden aufsteilen. Bis zum Abend liegt seine Achse etwa entlang der Oder und
reicht nordnordwestwärts hinauf bis zur Norwegischen See. Zeitgleich schwenkt
ein markanter Randtrog vom nahen Ostatlantik zur Biskaya. Daraus wird schon
ersichtlich, dass es mit der Progression der Kaltfront gemächlich
vonstattengeht.

So gestaltet sich das Wetter bei uns doch verbreitet recht freundlich, wenn man
einmal von den leichten Warmfrontregenfällen, teilweise als Sprühregen von
Schleswig-Holstein bis nach Nordbrandenburg absieht. Zum Nachmittag ziehen diese
über die Ostsee ab. Aus Süden kommt es in der südlichen Grundströmung
unterdessen vermehrt zu Auflockerungen. Derartige Tendenzen sind im Sat-Film
über Ostfrankreich und der Schweiz bereits deutlich zu erkennen. Mit Druckfall
von Westen und Auffrischung des Windes vor allem in höheren Berglagen und an den
Nordrändern (Bft 7, exponiert 8) werden sich auch ausgehend von den Leelagen
nordwärts Aufheiterungen über der Mitte im Tagesverlauf zunehmend durchsetzen.
Erst am Abend fallen im äußersten Westen erste Tropfen der sich nähernden
Kaltfront.

Die Höchstwerte liegen zwischen erneut für die Jahreszeit sehr milden 10 und 14
Grad. Im höheren Bergland, wolkigem Nordosten und weniger gut durchmischten
Lagen im Süden zwischen 6 und 10 Grad.


In der Nacht zum Sonntag schwenkt die Achse des Höhenrückens endgültig ostwärts
ab und wir gelangen auf die umfangreiche Trogvorderseite des steuernden
Zentraltiefs dicht westlich von Schottland. Bei teilweise leicht antizyklonaler
Isohypsenkrümmung und fehlender Diffluenz sind die Hebungsvorgänge zunächst noch
recht schwach, nehmen aber zum Morgen hin mit Annäherung des o.e. Randtroges,
der inzwischen Südfrankreich erreicht hat, etwas an Fahrt auf. So ist es primär
die PVA eines markanten IPV-Maximums (auf dem 320 K Niveau gut in die Hauptachse
des Troges eingebettet), die zum Morgen im Südwesten für eine deutliche
Intensivierung der frontalen Regenfälle sorgt. Zugleich verschärfen sich aber
auch die Temperaturgegensätze an der Kaltfront etwas durch eine von Westen
nachfolgende, hineinlaufende Staffel (zweites Feuchtemaximum in 700 hPa und auch
schwacher Gradient in Theta 850 hPa).

So fällt im Westen und Nordwesten eingangs der Nacht zunächst etwas Regen, der
sich auf dem Weg nach Osten abschwächt und kaum noch die Mitte erreicht. Nach
kurzer Beruhigung greift die Aktivierung und in den Frühstunden greifen auf den
Oberrheingraben, das Saarland und Rheinland-Pfalz kräftigere Regenfälle über mit
Mengen bis 10 l/m² binnen 6 Stunden.

Von der Ostsee bis zu den Alpen bleibt es hingegen zeitweise aufgelockert und
trocken. Bei nur schwacher Luftbewegung besteht vor allem entlang und zwischen
Donau und Inn eine erhöhte Nebelneigung. WarnMOS springt mit satten 40-50% für
Sichtweiten >150m in diesen Regionen an.

Auf höheren Berggipfeln und über der freien Nordsee bleibt es windig, exponiert
stürmisch. Im Zuge des Randtroges nähert sich im Südwesten in den Frühstunden
doch ein beachtlicher Low-Level-Jet an mit teilweise 50 Knoten in 850 hPa.

Die Tiefstwerte liegen bei 9 bis 4 Grad, im Südosten und Süden bei 4 bis -2
Grad. Vor allem südlich der Donau muss gebietsweise mit leichtem Frost gerechnet
werden. Wahnsinn, dass man das an einem 07. Januar noch erwähnen kann/muss!
Glätte sollte die absolute Ausnahme bleiben, da primär Frost in den Gebieten
auftritt, wo es am längsten klar bleibt.


Sonntag... schwenken in der südwestlichen Strömung zwei Randtröge über uns
hinweg - ein schwächerer über die Nordsee, der bereits erwähnte markantere von
Frankreich über den Südwesten Deutschlands zur Landesmitte. Dadurch wird die
thermisch kaum noch definierbare "Luftmassegrenze" gewissermaßen künstlich am
Leben gehalten. Kaum Drucktendenzen, quasi kein Windsprung am Boden - herzlichen
Glückwunsch an dieser Stelle schon mal an die morgigen Analysten.

Schleifend eingebettet wird sich das Regengebiet vor allem auf Bereiche zwischen
dem Schwarzwald und Saarland bis zur Ostsee erstreckend konzentrieren.
Post-"Frontal" setzt doch allmählich eine Labililiserung ein. Die 500hPa
Temperaturen gehen bis nahe -30 im Westen und Nordwesten zurück. Die potentiell
feucht-labile Schichtung ist punktuell sogar für geringe Spuren von ML CAPE (vor
allem zwischen 900 und 700 hPa) gut. Daher wird es im Laufe des Nachmittags im
Westen neben kurzen Aufheiterungen durchaus einzelne Schauer geben. Vereinzelte
Gewitter sind zum Abend im Südwesten nicht ganz ausgeschlossen.

Beim Gradient tut sich insgesamt (wie bereits bei der Frontendiskussion
angerissen) nicht viel. Die unmittelbare Nähe zur Frontalzone mit von 30,
strichweise auch 40 Knoten in 850 hPa schlägt sich vor allem in den Bergen
wieder mit Böen 7 bis 8, auf dem Brocken und dem Feldberg im Schwarzwald
kurzzeitig auch bis 10 Bft. In tiefen Lagen sind im Westen - gerade in
Verbindung mit durchziehenden Schauern - angesichts der Durchmischung und des
Oberwindes durchaus mehr steife Böen möglich, als und die Deterministik aktuell
glauben machen möchte. Aber auch in der Probabilistik muss man schon die
90%-Perzentile bemühen, um flächendeckende Böen Bft 7 hervorzurufen. Zeitweise
ist auch der Böhmische Wind mit Böen bis in den warnwürdigen Bereich ein Thema -
weniger aus den thermischen Gegensätzen, eher aus dem Druckgradienten heraus.

Von der Oberlausitz bis nach Niederbayern und Berchtesgaden bleibt es noch meist
trocken. Die Nebelfelder können sich teils zäh bis in den Nachmittag hinein in
Niederbayern halten. Dort bleibt es dann auch mit teilweise "nur" 3 bis 6 Grad
am kühlsten. Sonst werden die fast schon gewohnt milden 7 bis 12 Grad erreicht.


In der Nacht zum Montag erfolgt vom Englischen Kanal ein weiterer kräftiger
Trogvorstoß, diesmal jedoch weiter südwärts zum Löwengolf gerichtet. In der
Folge kommt es klassisch zur Genuazyklogenese.

Hierzulande sorgen kurzwellige Anteile in der nach wie vor südwestlichen
Strömung für schauerartige Regenfälle, wobei die Schneefallgrenze in der
rückseitig einfließenden erwärmten Polarluft mit T850 von 0 bis -2 Grad
allmählich bis nahe 1000 Meter absinkt. Eine gewisse Grundlabilität bleibt
aufgrund der nun großen Nähe zum Haupttrog auch über die Nacht hinweg immer da,
die sich in steilen Lapse Rates vor allem zwischen 900 und 750 hPa
wiederspiegelt. Bei hochreichend guter Scherung sind auch einige gut
organisierte "Kommas" wahrscheinlich, aus denen vor allem in der Westhälfte die
Wahrscheinlichkeit sukzessive ansteigt, dass es daraus auch mal rausblitzt.

In Niederbayern und im Bayerwald ist kleinräumig und kurzzeitig gefrierender
Regen nicht ausgeschlossen. Sollte es länger neblig sein und am Abend dann
nochmal aufklaren, könnte es eingangs der Nacht nochmal leicht frostig werden.
Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit dafür aber gering und mit aufziehender
Bewölkung fällt einfach "nur" Regen.

Die Temperaturen gehen in den übrigen Landesteilen auf 7 bis 1 Grad zurück,
womit winterliche Erscheinungen erneut ausbleiben.


Montag... bricht kräftige KLA weiter südwärts über Sardinien bis vor die
nordafrikanische Küste und Sizilien aus, wodurch sich der Trog ebenfalls weiter
südwärts ausweitet. Über der Adria entsteht auf dessen stark diffluenter
Vorderseite ein kräftiges Tief mit unter 1000 hPa im Kern.

Bei uns dreht die Strömung am Rande des sich weiter abschwächenden Tiefs bei den
Färöer auf Südwest bis West und es fließt ein weiterer Schwall erwärmter
Meereskaltluft ein mit T850 bis -3 Grad. Zusammen mit der höhenkalten Luft im
Trogbereich (T500 im Osten -28, im West -32 Grad) gibt es einige Schauer, lokal
auch kurze Graupelgewitter. Die Wolkenobergrenzen können sich laut
Vorhersagetemps bis an die -30 Grad hinaufquälen. CAPE-Flächen sind nämlich
allenfalls marginal skinny.

Zwischendurch zeigt sich aber auch zeitweise die Sonne bei zwar gut
durchmischten, sich aber deutlich kühler anfühlenden Höchstwerten von "nur" noch
5 bis 9 Grad. Der Wind bleibt ein Thema mit Böen 7 Bft in der Südwesthälfte in
Schauernähe, sowie generell an der Nordsee und auf den Bergen.

Oberhalb etwa 1000 Meter gibt es im Schwarzwald und den Alpen endlich mal etwas
Schnee. Binnen 12 Stunden meist 5 bis 10, in Staualgen bis 20 Zentimeter.

In der Nacht zum Dienstag rücken winterliche Begleiterscheinungen (Frost,
Schnee, Glätte) zumindest vorübergehend wenigstens mal bis in mittlere Lagen in
den Fokus.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder sind sich in den Grundzügen modellübergreifend einig. Bezüglich
des Low-Level-Jets simuliert die deutsche Modellkette diese am schärfsten mit
bis zu 60 Knoten im Oberrheingraben, GFS und IFS dagegen kaum 40 Knoten. Sonst
gibt es nur kleinere Unterschiede - vor allem bei den
Niederschlagsschwerpunkten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen