DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

06-01-2023 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 06.01.2023 um 10.30 UTC



Unbeständig, zeitweise nass und windig. Vom Winter keine Spur.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 13.01.2023


Zu Beginn der Mittelfrist am Montag wird das Wetter von einem hochreichenden,
steuernden Zentraltief mit Drehzentrum über dem Nordmeer bestimmt. Seinen
Entwicklungshöhepunkt hat das Tief bereits überschritten, der Kernluftdruck
steigt von anfänglich rund 970 hPa sukzessive an. Die Hauptachse des nach Süden
gerichteten Troges schwenkt nach Mitteleuropa und zum zentralen Mittelmeer. Als
Konterpart fungiert ein blockierendes Hoch über Westrussland, das sich auf über
1050 hPa intensiviert. Daraus ergibt sich eine klassische "Winkelwestlage" (Ww),
bei der die mäandrierende Frontalzone über dem Nordatlantik recht weit nach
Süden bis zum nördlich-zentralen Mittelmeer vorstößt, von dort aber dann scharf
nach Norden ins östliche Mitteleuropa und nach Skandinavien abbiegt.

Deutschland liegt unter Trogeinfluss, wobei mehrere kurzwellige Anteile ostwärts
über uns hinweggesteuert werden. Hinter einer nach Osten abziehenden Kaltfront
wird aus Westen ein Schwall maritimer Polarluft herangeführt, in der die
Temperatur in 850 hPa Höhe auf -1 bis -4 °C absinkt). Die schauerartig
verstärkten, vereinzelt gewittrigen Niederschläge gehen in Lagen oberhalb von
600 bis 800 m in Schnee über. Nennenswerter Neuschnee ist am ehesten in
Staulagen der Alpen denkbar, dort kommen bis in den Dienstag hinein immerhin bis
10 cm, in Hochlagen auch bis 20 cm zusammen. Ansonsten verhindert der gut
durchmischte Charakter der Luft, dass sich eine nennenswerte Schneedecke
ausbilden kann. Der nordostwärts ziehende Bodentrog eines kleinen Randtiefs über
der Nordsee sorgt derweil für Sturmböen aus Südwest bis West, vornehmlich im
Bergland und an der Nordsee.

Am Dienstag tropft der Trog über dem Balkan ab, das Residuum schwenkt zügig über
Deutschland nach Polen. Vorderseitig eines neuen Troges noch westlich der
Britischen Inseln stützt WLA einen Rücken, der bis Tagesende Deutschland
erreicht. Damit kann sich nach Abzug der trogbedingten Konvektion schwacher
Zwischenhocheinfluss durchsetzen. Dieser ist allerdings nur von kurzer Dauer, da
die Warmfront des mit dem neuen Trog verbunden Tiefs bei den Britischen Inseln
den Rücken bereits überläuft. Die Warmfront schwenkt mit mäßigen Regenfällen bis
Mittwoch früh ostwärts über das Land hinweg. Dann spannt sich ein kleiner
Warmsektor auf, in der die 850-hPa-Temperatur vorübergehend auf 3 bis 6 °C
ansteigt, was in den Alpen Tauwetter bedeutet. Zudem zieht der Gradient deutlich
an, doch da die Schichtung stabil ist, beschränken sich Sturmböen wieder auf das
Bergland und einige anfällige Leelagen. Die Kaltfront greift in den Frühstunden
des Mittwochs von Nordwesten über, ihr folgt ein neuer schwall Meereskaltluft
(T850 auf 0 bis -4 °C sinkend). Da der nachfolgende Trog verzögert erst in der
Nacht zum Donnerstag übergreift, beginnt die Kaltfront spätestens über der
Südhälfte vorübergehend zu schleifen. Dabei regnet es gebietsweise länger
anhaltend, vor allem in Staulagen ist Dauerregen (>30 mm/24 h) nicht
ausgeschlossen. In den Alpen setzt dagegen wieder Schneefall ein.

Der Donnerstag steht zunächst im Zeichen des ostwärts schwenkenden Troges. Die
damit einhergehenden schauerartigen Niederschläge fallen in Lagen oberhalb rund
600 bis 800 m als Schnee, wobei sich allenfalls nur kurzzeitig mal Schneematsch
bildet. In den Alpen allerdings können wieder Neuschneemengen über 10 cm
zusammenkommen. Im Tagesverlauf erreicht uns ein Rücken, der zwischen dem nach
Osten abziehenden und einem neuen, zu den Britischen Inseln schwenkenden Trog
aufgespannt wird. Zwischenhocheinfluss macht sich aber kaum bemerkbar, denn der
Rücken wird erneut von der Warmfront des mit dem neuen Trog korrespondierenden
Sturmtiefs über den Britischen Inseln überlaufen. Dabei legt auch der Wind
wieder zu und erreicht an der Nordsee und im höheren Bergland Sturmstärke.

Am Freitag liegen wir zunächst im Warmsektor des Sturmtiefs im Zustrom sehr
milder Luft (T850 1 bis 5 °C), dem Schnee in den Alpen geht es also wieder an
den Kragen. Da sich der auf Westeuropa übergreifende Trog etwas stärker nach
Süden amplifiziert und die Strömung auf Südwest aufsteilt, erreicht uns die
Kaltfront im Tagesverlauf verzögert und leicht schleifend von Nordwesten.

In der erweiterten Mittelfrist setzt sich die unbeständige, zeitweise nasse und
windige West-/Winkelwestlage nach IFS-Lesart fort. Trotz des erneuten Vorstoßes
maritimer Polarluft, kann sich aufgrund des gut durchmischten Charakters der
Luft selbst im Bergland kaum Winterwetter durchsetzen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Zu Beginn der Mittelfrist bis zur Wochenmitte (Montag-Mittwoch) kann dem IFS vom
EZMWF eine gute Konsistenz bescheinigt werden. Die Modellläufe simulieren
unisono eine zyklonale West- bzw. Winkelwestlage (Wz/Ww). Selbst die Phase des
Trog-Rücken-Musters weist eine unter mittelfristigen Gesichtspunkten
vergleichsweise geringe Verschiebung auf.
Ab Wochenmitte (Donnerstag) werden die Unterschiede deutlicher und beschränken
sich nicht nur auf die Phase, sondern betreffen zunehmend auch die Kontur der
Tröge und Rücken. Prinzipiell haben aber alle IFS-Läufe den atlantischen
Einfluss mit wiederholt übergreifenden Störungen auf der Agenda, sodass das
gestrige Vorhersagekonzept nicht grundlegend in Frage gestellt werden muss.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Simulationen der übrigen deterministischen Globalmodelle ICON, GFS und UK10
sehen der von IFS sehr ähnlich. Alle zeigen die zyklonale Winkelwestlage, wobei
die Unterschiede selbst in der Phase bis Mittwoch quasi vernachlässigbar sind.
Danach wird das Muster insgesamt etwas diffuser, wenngleich keines der erwähnten
Modelle von dem grundsätzlichen Fahrplan der Fortdauer der zyklonalen Westlage
abweichen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Das Ensemble des IFS bestätigt das oben beschriebene Szenario des
deterministischen Laufes. Dabei sind die Rauchfahnen bis einschließlich Mittwoch
sehr eng gebündelt. Die Member durchschreiten die Talsohle bei Temperatur und
Geopotenzial am Montag und Dienstag (Troglage!) also quasi im Gleichschritt und
erreichen zum Mittwoch fast zeitgleich den erneuten Peak (Warmsektor).
Ab Donnerstag nimmt der Spread langsam aber sicher zu, was aber im Wesentlichen
auf leichte Phasenverschiebungen und Unterschiede in der Magnitude der
Temperatur- und Geopotenzialwelle zurückzuführen ist. Von ganz wenigen
Ausreißern abgesehen zeigen alle Member aber ein ähnlich hochfrequentes Auf- und
Abschwingen der Temperatur und des Geopotenzials, ohne, dass sie vom
deterministischen Lauf signifikant abweichen.
Bei den Niederschlägen zeigt sich ein ab Mittwoch vorübergehend sogar
zunehmendes Grundrauschen, dass erst zum kommenden Wochenende wieder etwas
nachlässt.
Beim Wind gibt es am Montag noch einige Ausreißer nach oben, was darauf
hindeutet, dass eine etwas großflächigere, stärkere Sturmlage mit dem o. e.
Randtief bzw. Randtrog noch nicht ganz ausgeschlossen, aber eher
unwahrscheinlich ist.

FAZIT: Fortdauer der West-/Winkelwestlage bis in die erweiterte Mittelfrist sehr
wahrscheinlich, erst ab Donnerstag mit gewissen Unschärfen, was den zeitlichen
Ablauf betrifft. Eine größere Sturmlage scheint eher unwahrscheinlich, genauso
wenig wie ein überregionale Dauerregenlage. Das Rückseitenwetter mit maritimer
Polarluft kommt zahnlos daher, wegen des durchmischten, erwärmten Charakters der
Luft ist selbst im Bergland kaum mit nennenswerten winterlichen Erscheinungen zu
rechnen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


STURM:
Zeitweise auffrischender Südwest- bis Westwind. Sturmböen 8-9 Bft aber
vornehmlich auf das Bergland und die See beschränkend, in exponierten Hochlagen
auch schwere Sturmböen 10 Bft wahrscheinlich.

SCHNEE:
Am Montag und Dienstag in den Alpen länger anhaltende Schneefälle. Dabei vor
allem oberhalb von 1000 m bis 10 cm, in höhergelegenen Staulagen auch bis 20 cm
Neuschnee. In den Mittelgebirgen oberhalb von 600 bis 800 m allenfalls eine
dünne Nassschneedecke.
In der Nacht zum Donnerstag und am Donnerstag in den Alpen erneut Schneefall,
Neuschneemengen über 10 cm gering wahrscheinlich.

DAUERREGEN:
Wiederholte Niederschläge, gebietsweise auch mal länger anhaltend. Aber nur
geringes Dauerregenrisiko, bevorzugt in Weststaulagen einiger Mittelgebirge.

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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS, MOS-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser