DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-01-2023 08:30
SXEU31 DWAV 060800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 06.01.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von Wz zu SWz (West zu Südwest zyklonal)

Erst BENITO, dann CONSTANTIN - leicht wechselhaftes und überwiegend mildes
Wochenende ohne die ganz großen Knaller.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... befindet sich Deutschland auf der warmen Seite der nur schwach
ausgeprägten, dafür stark mäandrierenden Frontalzone. Sie dringt vom mittleren
Nordatlantik kommend weit nach Osten in den europäischen Kontinent ein und sorgt
mit ihren kurzen Wellen für einen abwechslungsreichen Witterungsabschnitt.
Aktuell ist ein flacher Rücken dabei, Deutschland ostwärts zu verlassen. Ihm
folgt von der Nordsee her ein noch flacherer KW-Trog, der sich zudem splittet.
Während ein Teil gen Norwegen abdriftet, schwenkt der südliche Part unter
deutlichem Konturverlust rasch über Norddeutschland ostwärts hinweg. Bis zum
Mittagessen ist der Trog weitgehend durch und die westliche Höhenströmung
beginnt erneut leicht antizyklonale Konturen anzunehmen.

Von der Höhe auf den Boden, wo heute BENITO den Hut aufhat. Dabei handelt es
sich um ein kleines, aber durchaus feines Tiefdruckgebiet, das um 03 UTC mit
einem Kerndruck von etwas unter 975 hPa knapp nördlich von Schottland analysiert
werden konnte. In den nächsten Stunden driftet BENITO nach Nordosten in die
Norwegische See, wo er sich teilt und gleichzeitig auffüllt. Die Tatsache, dass
er sein Karriereende so rasch einleiten muss, hängt auch damit zusammen, dass
mit CONSTANTIN über dem Ostatlantik bereits der nächste Kandidat ante portas
steht, der dem guten BENITO schlichtweg die Show stiehlt. CONSTANTIN wurde um 00
UTC mit einer Kernisobare von 980 hPa detektiert. 24 Stunden später, also gegen
Mitternacht der kommenden Nacht, wird das Tief modellübergreifend mit einem
Kerndruck von knapp über 950 hPa simuliert, was einem Druckfall von etwa 30 hPa
innert 24 h entspricht. Damit ist die Bedingung einer sogenannten rapiden
Zyklogenese erfüllt, aber das nur am Rande. Zurück zu BENITO, dessen Warmfront
bereits weite Teile Norddeutschlands mit nur wenig Regen überquert hat. Von der
Nordsee her folgt nun die Kaltfront nach, die im Tagesverlauf bis in die
mittleren Landesteile vorankommt. Dort wird sie ausgebremst bzw. geht in die
Warmfront einer flachen Welle über, welche recht unscheinbar über den
Westeingang des Ärmelkanals ost-nordostwärts schwenkt. Viel Regen ist auch an
der Kaltfront nicht dran. Am meisten regnet es noch im Vorfeld des flachen
Troges, wo heute Vormittag im äußersten Norden durchaus 5 bis 10 l/m² binnen
weniger Stunden zusammenkommen können.

Ansonsten gilt es zu bilanzieren, dass rückseitig ein Schwall erwärmter
Meereskaltluft subpolaren Ursprungs nach Norddeutschland einströmt (T850 bei
0°C), in der die Wolkendecke auflockert. Schauer stehen mangels ausreichend
Labilität nicht auf dem Programm. Trocken bleibt es auch im präfrontalen Süden,
der ohnehin weniger von BENITO und seinen Fronten als vielmehr vom Hoch ALTBURG
über Südeuropa beeinflusst wird. Entsprechend auch hier nach Nebelauflösung
einige Auflockerungen und insbesondere zu den Alpen hin bzw. im südlichen
Vorland öfters Sonne. Der von Süd-Südost auf Südwest bis West drehende Wind
frischt vor allem im äußersten Norden sowie in den Hochlagen einiger
Mittelgebirge für einige Stunden auf mit steifen Böen 7 Bft, exponiert
stürmischen Böen 8 Bft, auf dem Brocken (schwere) Sturmböen 9 bis 10 Bft. Kurz
vor bzw. mit Frontpassage ist auch in tieferen Lagen mal die eine oder andere
"7" nicht ausgeschlossen, für eine Warnung wird das aber kaum reichen. Am
frischesten bleibt es heute im Nordosten sowie an der Ostsee mit Höchstwerten um
7 oder 8°C. Ansonsten stehen 9 bis 14°C auf der Karte mit den Tops im
Oberrheingraben.

In der Nacht zum Samstag kommt Orkantief CONSTANTIN nur wenig nach Osten voran.
Er übernachtet westlich von Irland auf Höhe des 20. Längengrads West.
Vorderseitig wird reichlich Warmluft nordostwärts gepumpt, was bei uns den
Aufbau eines breiten Höhenrückens zur Folge hat. Auch bodennah steigt der
Luftdruck von Süden her an, was erstens zu einer Auffächerung des Gradienten und
damit zu einer raschen Windabnahme führt (lediglich der Brocken bleibt noch mit
ein paar 8er- bis 9er-Böen übrig) und zweitens die Warmfront langsam wieder nach
Norden drückt. Dabei kommt es von der Mitte bis in den Norden zu leichtem, nur
wenig ergiebigem (Niesel)Regen. Während es unter der frontalen Bewölkung mit 10
bis 7°C relativ mild bleibt, kühlt es im Süden unter dem gering bewölkten oder
klaren Himmel stärker ab. An den Alpen sowie im höheren Vorland geht es sogar in
den leichten Frostbereich zurück, was Anfang Januar eigentlich keiner Erwähnung
bedarf, in diesen milden Tagen und Nächten aber fast schon Schlagzeilencharakter
hat. Darüber hinaus bildet sich etwa südlich von Main und Mosel Nebel, teils mit
Sichtweiten unter 150 m.

Samstag... wölbt sich der Rücken noch etwas stärker auf bei gleichzeitig
langsamer Verlagerung gen Osten. Damit kommt Deutschland mehr und mehr auf die
Vorderseite eines umfangreichen Höhentrogs über dem nahen Atlantik, der mit dem
Orkantief CONSTANTIN korrespondiert. Der wird sich im Tagesverlauf geringfügig
auffüllen auf rund 955 hPa und dabei einen leichten Schwenk nach Osten machen.
Am Tagesende dürfte CONSTANTIN etwa 500 km nord-nordwestlich der "Grünen Insel"
liegen und damit noch weit weg vom Vorhersageraum.

Hier gilt es erstmal, die o.e. Warmfront nordostwärts zu verfrachten, was einige
Stunden in Anspruch nimmt. Am Nachmittag sollte die Angelegenheit aber erledigt
sein. Und da die nachfolgende Kaltfront noch über Westeuropa verharrt,
verbringen wir den Samstag über weite Strecken im tendenziell eher antizyklonal
gefärbten Warmsektor des "constantinschen" Frontensystems. Im Norden und
Nordosten überwiegt dabei starke Bewölkung, aus der es vor allem am Vormittag
hier und da noch etwas regnet oder nieselt, bevor der Regen auf die Ostsee
rauszieht. Im großen Rest des Landes stellen sich "Teils-teils-Bedingungen" ein,
sprich, teilweise bleibt es stark bewölkt oder auch längere Zeit neblig-trüb.
Teilweise lockert die Wolkendecke aber auch auf respektive ziehen nur dünne hohe
Wolken durch und die Sonne zeigt sich. Neben einigen Hoch- und Leelagen ist hier
vor allem der Alpenrand in der Favoritenrolle. Zwar ist der Druckgradient bei
uns leidlich ausgeprägt, aufgrund der überwiegend stabilen Schichtung kommt der
Südost- bis Südwind aber nicht so richtig aus dem Quark. Lediglich in höheren
Lagen sowie im Tagesverlauf vermehrt auch über der Deutschen Bucht und im Lee
der westlichen Mittelgebirge macht er sich mit Böen 7 bis 8 Bft, auf dem Brocken
9 Bft bemerkbar. Thermisch geht´s hoch auf 7 bis 13°C, bei hartnäckigem Nebel
darunter.

In der Nacht zum Sonntag wandert der Höhenrücken endgültig nach Osten ab und die
südwestliche Höhenströmung vorderseitig des Troges nimmt immer zyklonalere Züge
an. Eingelagert sind kurze Wellen, die synoptische Hebungsimpulse liefern und
z.T. mit der Kaltfront interagieren, die von Westen her langsam auf den
Vorhersageraum übergreift. Dabei beginnt es von Frankreich, Benelux und der
Nordsee her leicht zu regnen (unter 5 l/m² bis zum Morgen). In der Osthälfte
bleibt es noch größtenteils trocken und z.T. auch aufgelockert. Vor allem in
Bayern bildet sich Nebel bzw. breiten sich die Restnebelfelder vom Tag aus.
Außerdem kühlt es im Süden und Osten des Freistaats bis in den leichten
Frostbereich ab. Der auf Süd bis Südwest drehende Wind bleibt vor allem über der
Nordsee sowie in höheren Lagen prominent unterwegs mit Böen 7 bis 8 Bft, auf dem
Brocken 9 bis 10 Bft. In den Alpen setzt allmählich Südföhn ein.

Sonntag... macht CONSTANTIN knapp nördlich an den Hebriden vorbei etwas Boden
nach Osten hin gut. Dabei muss er aufgrund der inzwischen senkrechten
Achsstellung Intensitätseinbußen akzeptieren, die ihn im Kernbereich auf etwa
965 hPa bringen, was natürlich noch immer äußerst stattlich ist. Derweil kommt
auch der Höhentrog dichter an den europäischen Kontinent heran, bis Montagfrüh
verleiben wir aber noch auf seiner Vorderseite. Die thermisch alles andere als
baroklin aufgestellte Kaltfront (T850 prä etwas über, post um 0°C) schwenkt
langsam ostwärts über den Vorhersageraum hinweg und produziert dabei leichten
Regen. Rückseitig lockert die Wolkendecke im Westen und Nordwesten etwas auf,
aber auch präfrontal sind abseits zäher Nebelfelder einige Lücken drin. Der
südliche Wind lebt vornehmlich in Höhenlagen sowie an und auf der Nordsee, hier
und da aber auch in einigen Tieflagen (z.B. im äußersten Westen und Nordwesten,
in Ostsachsen) auf mit Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft, auf einigen Kämmen und
Kuppen 9 bis 10 Bft. In den Alpen verstärkt sich der Föhn (Druckunterschied
Bozen-Innsbruck nimmt auf bis zu 7 hPa zu), evtl. bricht er mit Böen 7 Bft in
einigen anfälligen Tälern durch. Bei zähem Nebel werden im Südosten keine 5°C
erreicht, sonst stehen 6 bis 13°C auf dem Zettel mit den höchsten Werten im
Rheintal.

In der Nacht zum Montag greift ein erster vorlaufender KW-Trog auf die
Westhälfte des Landes über, der eine Labilisierung initiiert. Er korreliert mit
einem ausgeprägten Bodentrog, der von Frankreich und Benelux heranschwenkt.
Dieser zieht zügig über den Vorhersageraum ost-nordostwärts hinweg und sorgt
dabei für eine Winddrehung (von Süd-Südost auf Südwest bis West) bzw.
vorübergehende Windauffrischung. Darüber hinaus kommt es von West nach Ost zu
schauerartig verstärkten Regenfällen, die im Zuge einsetzender KLA (hinter dem
Bodentrog geht T850 auf bis zu -3°C zurück) in höheren Lagen zunehmend mit
Schnee vermischt sind bzw. in Schnee übergehen. In den Alpen bricht der Südföhn
relativ zügig zusammen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die beschriebene Entwicklung mit hoher Kongruenz.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann