DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-01-2023 09:01
SXEU31 DWAV 040800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 04.01.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL. Wz (West zyklonal)

Von heute bis in den Donnerstag Wind- bzw. Sturmlage (Tief AXEL) mit
Regenfällen. Danach Zwischenhocheinfluss. Am Freitag das nächste Tief (BENITO),
aber deutlich schwächere Windlage. Ach so, und von Winter weiterhin keine Spur.


Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... liegt die Frontalzone relativ glattgebügelt über dem Ostatlantik.
Eingelagert ist ein Jetstreak, an dessen östlichen Ende ein kleiner, aber sehr
gut strukturierter KW-Trog steht. Dieser hat in der Nacht UK/Irland passiert und
inzwischen die nördliche Nordsee erreicht, wo er mit AXEL, dem ersten männlichen
Tief in 2023 interagiert. AXEL zieht heute Vormittag mit einem Kerndruck von
etwas unter 990 hPa von den Shetlands in Richtung norwegisches Svinöy, wo er
später nicht so richtig weiterkommt. Vielmehr bildet sich am Okklusionspunkt
über dem Skagerrak - forciert durch Umströmungseffekte - ein sekundärer Kern
aus, der bis Donnerstagfrüh nach Südschweden zieht. Zwischen dem alten und neuen
Kern sowie der konservativen Hochdruckzone ALTBURG über Südeuropa hat sich ein
veritabler Gradient etabliert, der sich in den nächsten Stunden sogar noch etwas
verschärft (stärkerer Druckfall im Norden als im Süden). Damit steht heute
weiten Landesteilen eine Wind- respektive Sturmlage in Haus, die aber bereits
weitgehend abgewarnt ist.

Zunächst mal schwenkt die Warmfront, genau genommen sind es zwei, des Tiefs über
den Vorhersageraum ostwärts hinweg, bevor die teilokkludierte, thermisch extrem
dünn aufgestellte Kaltfront schleifend von Nordwesten übergreift. Es kommt
verbreitet zu Regenfällen, die zunächst weitgehend stratiformer Natur sind,
bevor sie eher konvektiven Charakter annehmen. Akkumuliert über 12 Stunden liegt
der Schwerpunkt eindeutig im Norden, wo gebietsweise 10 bis 15 l/m², vereinzelt
vielleicht noch etwas mehr zusammenkommen können. Dagegen bleibt es im südlichen
Alpenvorland sowie am Alpenrand bis zum Abend weitgehend trocken mit - nachdem
sich der Nebel aufgelöst hat - einigen Auflockerungen bzw. sonnigen Abschnitten.


Zum Wind, der aus Süd bis Südwest kommend in einigen Regionen schon recht
flüssig unterwegs ist. Vor allem im Westen und Nordwesten wurden heute Morgen
schon vermehrt Böen 7 Bft, in einigen Leelagen 8 Bft registriert. Stürmisch
präsentieren sich die gesamte Nordseeküste sowie die meisten Hochlagen (außer im
Südosten sowie in den Alpen, wo es aber auch noch losgeht). In den nächsten
Stunden entfaltet sich das Starkwindfeld noch etwas bzw. dehnt sich weiter aus,
wobei der Wind leicht rechtdreht auf glatt Südwest. Abgesehen von einigen
Tieflagen Süd- und Südostdeutschlands treten verbreitet Böen 7-8 Bft auf.
Aufgrund sehr solider Höhenwinde, die auf 925 hPa denen auf 850 hPa in nichts
nachstehen (bis zu 55 Kt), sind in Schauernähe sogar einzelne "glatte" Sturmböen
9 Bft möglich. Eben so wenig überrascht es, dass in exponierten Kamm-, Kuppen-
und Gipfellagen je nach Exposition schwere Sturm- bis Orkanböen 10-12 Bft
erreicht werden. Ganz so hoch geht es an den Küsten nicht, stürmisch wird´s
trotzdem, wobei die Nord- gegenüber der Ostsee anfälliger ist (einzelne Böen 9
Bft, mit geringer Wahrscheinlichkeit auflandig auch mal eine 10 Bft).

In der gut durchmischten Atlantikluft (T850 2-5°C, später im Norden 0-2°C)
reicht die Spanne der Tageshöchstwerte von 6/7°C am vergleichsweise
windschwachen Fuße der ostbayerischen Mittelgebirge bis zu 14°C im Westen.

In der Nacht zum Donnerstag zieht (Jung)AXEL weiter in Richtung Südschweden,
wobei er sich beginnt aufzufüllen. Derweil bildet sich über der südöstlichen
Ostsee ein weiterer Teilkern, was dem gesamten Tief eine stark elliptische
Konfiguration verleiht. Auf seiner Südflanke bleibt der Gradient weiterhin
prominent aufgestellt, was in gleichem Maße für den nun mehr und mehr auf
Südwest bis West (an der Nordsee sogar auf Nordwest) drehenden Wind gilt. Zwar
nimmt die Wahrscheinlichkeit für Böen 8 Bft in tiefen Lagen allgemein ab, mit
steifen Böen 7 Bft muss aber noch allemal gerechnet werden. Erst in der zweiten
Nachthalbzeit wird es im Westen und Südwesten langsam weniger. Auf den Bergen
bleibt es ebenso stürmisch wie an der See, wo allerdings nach Mitternacht die
Wahrscheinlichkeit für glatte Sturmböen 9 Bft an der Nordsee zurückgeht.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich die Frontalzone über dem nahen
Atlantik beginnt aufzuwölben. Grund ist der Vorstoße eines Troges vom West- in
Richtung Ostatlantik, der stromab ein downstream development induziert. Bei uns
dreht die Höhenströmung auf West bis Nordwest, wodurch die teilokkludierte
Kaltfront wenn auch immer noch leicht schleifend Boden nach Süden hin gutmacht.
Es kommt zu weiteren, teils frontalen, teils konvektiven Regenfällen, die nun
auch den äußersten Süden erfassen und im Stau von Schwarzwald und Allgäu gar
nicht mal so unergiebig ausfallen. Punktuell könnte es für mehr als 25 l/m²
innert 12 h reichen und eine potenzielle Dauerregenwarnung wäre zu diskutieren,
drängt sich aber nicht zwingend auf. Schöner wäre es ohnehin, wenn wir über
Schnee sprechen könnten. Doch mit über 1500 m bleibt die Schneefallgrenze derart
hoch, dass es keinen Spaß macht, hier weitere Gedanken zu verschwenden. Die
Nacht bleibt frostfrei, am Rhein und seinen Nebenflüssen liegen die Tiefstwerte
nicht selten im zweistelligen Bereich.

Donnerstag... macht der eingeschlagene Aufwölbprozess weitere Fortschritte,
wobei der resultierende Höhenrücken Stück für Stück dichter an den
Vorhersageraum herankommt. Vorderseitig setzt Druckanstieg ein, außerdem bildet
sich zwischen 800 und 850 hPa eine schwache Absinkinversion ab. Von Frankreich
her schiebt sich ein Zwischenhochkeil bis nach Süddeutschland vor und da
gleichzeitig das Tief in Richtung Belarus abzieht, setzt sich der im Westen und
Südwesten begonnene Auffächerungsprozess des Druckgradienten weiter fort.
Allerdings dauert es schon noch bis in die Abendstunden, bis der
West-Nordwestwind wirklich zur Ruhe kommt. Vor allem im Osten und Nordosten, wo
sich ein über der Ostsee stark nach Westen zurückhängender Bodentrog bemerkbar
macht, muss noch bis weit in den Nachmittag hinein mit Böen 7-8 Bft, an der
Ostsee (exponiert) sowie in höheren Lagen 9 Bft gerechnet werden. In den Kamm-
und Gipfellagen der östlichen Mittelgebirge und der Alpen sowie auf dem Brocken
stehen Böen 9 bis 10 Bft, anfangs noch 11 Bft auf der Karte.

Darüber hinaus wird sich die Kaltfront im Süden dem permanenten Druckanstieg
beugen und sich auflösen, wodurch auch die Niederschläge immer weniger werden.
Ansonsten überwiegt wechselnde bis starke Bewölkung mit etwas Regen bzw.
Schauern nur wenigen sonnigen Momenten. Die treten am ehesten an der Ostsee auf,
wo ein Schluck kälterer (T850 -2°C) und etwas trockenerer Luft einströmt. Dort
bleibt das Thermometer dann auch bei 8, maximal 9°C stehen, während es im Süden
und Südwesten punktuell für 14°C reicht.

In der Nacht zum Freitag gilt es sich bereits mit dem nächsten Tief (BENITO)
auseinanderzusetzen. Tagsüber noch westlich der Hebriden gelegen, zieht es bis
zum Morgen dicht an Schottland vorbei in Richtung Norwegen, wobei es im Kern auf
stattliche 980 hPa kommt. Die zugehörige Warmfront überquert mit leichtem Regen
den Norden und die Mitte des Landes, wobei sie teilweise den nur langsam nach
Osten abwandernden Rücken überläuft. Die nachfolgende Kaltfront greift
frühestens in den frühen Morgenstunden von der Nordsee und den Niederlanden
über. Im Vorfeld frischt der südliche Wind insbesondere über der Nord-, bedingt
auch über der Ostsee auf. Auf den Inseln sowie an einigen Küstenabschnitten
treten erste Böen 7, vereinzelt 8 Bft auf. Auch im nordwestdeutschen Tiefland
sind am Morgen einzelne steife Böen 7 Bft möglich.

Freitag... beigt der gute BENITO vor der norwegischen Westküste nach Norden ab,
wobei er sich auf nahe 985 hPa auffüllt. Dadurch, dass das Tief weiter nördlich
ansetzt als Vorgänger AXEL, hält sich die Windentwicklung bei uns in Grenzen.
Zwar lebt der auf Südwest drehende Wind im Norden und auch in der Mitte mitunter
etwas auf, für eine großartige Starkwind- oder gar Sturmlage reicht das aber bei
Weitem nicht aus. Ein paar Böen 7 Bft, an der See und im Bergland 8 Bft, in
exponierten Hochlagen 9 Bft - das war´s. Darüber hinaus zieht die Kaltfront in
Richtung Süden, erreicht die Alpen aber nicht. Vorher wird sie rückläufig bzw.
geht die Warmfront einer flachen Welle west-nordwestlich der Biskaya über.
Während es ganz im Süden abgesehen von wenigen Tropfen trocken bleibt und
mitunter sogar die Sonne scheint, können ganz im Norden gebietsweise 5 bis 10
l/m² Regen innert 12 h zusammenkommen. Im Tagesverlauf lassen die Niederschläge
tendenziell aber immer mehr nach bzw. hören ganz auf. Mit 6 bis 10°C bleibt es
im Nordosten am frischesten, sonst stehen Maxima von 9 bis 14°C auf dem Zettel.

Die Nacht zum Samstag bringt leichten Zwischenhocheinfluss mit einem von Westen
vorstoßenden flachen Rücken. Entweder löst sich die Front irgendwo über der
Mitte oder dem Süden auf oder sie schwenkt in Form einer wenig wetteraktiven
Warmfront langsam gen Norden (die Modellfelder zeigen Feuchtereste und etwas
Regen, was pro Front spricht, aber kaum thermische Gegensätze, was contra Front
spricht). Im Süden bildet sich stellenweise Nebel und die Temperatur geht auf
nahe 0°C oder etwas darunter zurück.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die geschilderte Entwicklung wird modellübergreifend sehr ähnlich gesehen. Auf
eine Dauerregenwarnung für den Schwarzwald und das Allgäu wird verzichtet, da
eine Überschreitung der Kriterien nur lokal erfolgt und das auch nur auf Basis
von ICON.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann