DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-01-2023 18:01
SXEU31 DWAV 031800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 03.01.2023 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Unbeständig und mild bis sehr mild. Ab der kommenden Nacht bis
Donnerstagvormittag Sturmlage und vorübergehend auch im Binnenland - außer im
Südosten - stürmische Böen möglich. An den Küsten und auf den Bergen Sturm- und
schwere Sturmböen, auf dem Brocken Orkanböen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... und auch über den gesamten Kurzfristzeitraum bleibt uns die
zyklonale Westlage, die heute mal vorübergehend einen leicht antizyklonalen
"Touch" hatte, erhalten, so dass die unbeständige, teils recht feuchte, vor
allem aber milde bis sehr milde Witterungsphase andauert.
Das aktuell noch leicht antizyklonal konturierte Geopotenzialfeld über dem
Vorhersagegebiet ist einem flachen Höhenkeil geschuldet, der sich im Laufe der
Nacht rasch ins östliche Mitteleuropa verlagert. Gleichzeitig stößt vom
Ostatlantik her ein kräftiger Jetstreak zu den Britischen Inseln vor. Am linken
Jetausgang hat sich ein markanter Kurzwellentrog etabliert, der morgens die
westliche Nordsee erreicht. Daran gekoppelt ist ein kleinräumiges Sturmtief im
Bodenfeld, das sich in den Frühstunden mit einem Kerndruck von knapp unter 990
hPa über der nördlichen Nordsee befindet.
Dessen aufgrund kräftiger WLA durchaus wetteraktive Warmfront überquert im Laufe
der Nacht rasch die Nordsee und greift bereits ausgangs der Nacht auf den Westen
und Nordwesten des Vorhersagegebietes über. Vorderseitig setzen recht intensive
Regenfälle ein, bis Mittwochfrüh fallen im Nordwesten verbreitet mehr als 5 l/qm
in 6 bis 8 Stunden, in Teilen von Schleswig-Holstein auch mehr als 10 l/qm.
In den Fokus der Warntätigkeit rückt allerdings (einmal mehr) der Wind. Die
aktuell noch über Süddeutschland nach Osten reichende breit angelegte
Hochdruckzone wird von Norden her rasch abgebaut und nach Süden abgedrängt.
Dabei fällt der Druckfall im Nordwesten deutlich kräftiger aus als im Südosten,
was zu einer markanten Gradientverschärfung führt. Mit Annäherung der Warmfront
dreht der Wind auf südliche Richtungen zurück und frischt angesichts der
stabilen Schichtung zunächst auf den Bergen sowie an den Küsten auf. Morgens
gibt es in den Kamm- und Gipfellagen der westlichen, zentralen und nördlichen
Mittelgebirge sowie im Nordseeumfeld erste stürmische Böen bzw. Sturmböen (Bft 8
bis 9), auf dem Brocken schwere Sturmböen, eventuell auch schon orkanartige Böen
(Bft 10 bis 11). Mit Warmfrontpassage reicht es dann auch im Binnenland bzw. in
den Niederungen West- und Nordwestdeutschlands sowie im Ostseeumfeld für steife
Böen (Bft 7), im Lee der westlichen Mittelgebirge für stürmische Böen.
Im Süden und Südosten bekommt man vom schärferen Gradienten so gut wie gar
nichts mit. Dort verläuft die Nacht auch gebietsweise noch gering bewölkt, so
dass es örtlich leichten Frost geben kann, stellenweise breiten sich auch
Nebelfelder aus. Im übrigen Land verhindern die milden Luftmassen im
Zusammenspiel mit zunehmend dichter Bewölkung frostige Temperaturen, im
Nordwesten bleibt es mit Werten deutlich über 5 Grad recht mild.

Mittwoch ... überquert der etwas an Wellenlänge gewinnende, aber nach wie vor
markante Kurzwellentrog die Nordsee rasch ostsüdostwärts und erreicht abends das
Skagerrak. PVA-induziert ist unmittelbar vorderseitig nach wie vor markante
dynamische Hebung aktiv. Das Bodentief über der Nordsee wird vom Trog allerdings
überlaufen und füllt sich vor der Südwestspitze Norwegens auf. Im Bereich des
Okklusionspunktes entwickelt sich allerdings im Laufe des Nachmittags ein
Teiltief, das um 18 UTC mit einem Kerndruck von etwa 992 hPa knapp nördlich von
Jütland aufschlägt, so dass der scharfe Gradient über dem Vorhersagegebiet
aufrecht bleibt bzw. sich sogar noch ein wenig verschärfen kann, zumal sich das
kräftige Hochdruckgebiet bzw. die über den Alpenraum bis nach Südosteuropa
reichende Hochdruckzone kaum abschwächen.
Die Warmfront zieht mit weiterhin teils intensiven Regenfällen, die auch noch
die nördliche Mitte erfassen, rasch nach Osten ab, die Kaltfront des Tiefs
erreicht mittags bereits den Nordwesten und kommt abends bis in die mittleren
Landesteile voran. Trotz recht hoher Zuggeschwindigkeit fallen mit Durchzug der
Warmfront in Norddeutschland und auch in den Staulagen der westlichen bzw.
nördlichen Mittelgebirge verbreitet 10 bis 20 l/qm in etwa 6 bis 10 Stunden, für
ein Überschreiten der Warnkriterien für Stark- bzw. Dauerregen wird es aber
voraussichtlich nicht bzw. nur lokal sehr eng begrenzt reichen.
Die Kaltfront befindet sich anfangs noch nahe des linken Jetausgangs und wird
somit zwar dynamisch gestützt, thermisch dagegen kaum, da postfrontal stark
erwärmte Meeresluft folgt. Mit deren Passage reicht es zwar für einige Schauer,
die bei hochreichend markanter Scherung auch als Linie organisiert auftreten
können, aber mangels hochreichender Labilität wohl kaum für Gewitter. Dennoch
sind bei kräftigen Höhenwinden von teilweise über 55 kn in 850 hPa in
kräftigeren Schauern selbst im Binnenland bzw. in den Niederungen einzelne
Sturmböen nicht ausgeschlossen.
Auch außerhalb der Schauer bleibt der Wind selbstverständlich Thema. Nun
verschärft sich auch in den mittleren und östlichen Landesteilen der Gradient
deutlich, zudem wird die Schichtung niedertroposphärisch labiler, was für
bessere Durchmischung sorgt. Im Südosten reicht es wohl lediglich in freien
Lagen bzw. im Alpenvorland für steife Böen aus Südwest, sonst aber verbreitet
und im Westen/Nordwesten, im küstennahen Binnenland sowie in den mittleren
Landesteilen kann es auch außerhalb der Schauer im Tagesverlauf stürmische Böen
geben.
An den Küsten gibt es verbreitet stürmische Böen, im Nordseeumfeld Sturmböen, an
Küstenabschnitten mit auflandigem Wind dort vorübergehend auch schwere
Sturmböen. Ähnliches gilt für die Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und
später auch der Alpen. Auf exponierten Gipfeln, insbesondere auf dem Brocken,
muss mit Orkanböen gerechnet werden.
Postfrontal gibt es im Norden nur noch vereinzelte Schauer, wobei die Wolken
dort aber kaum auflockern. Präfrontal fällt in Süddeutschland ebenfalls zunächst
nur wenig Regen, im Alpenvorland und an den Alpen bleibt es sogar noch
vielerorts trocken und dort kann sich auch zeitweise die Sonne durchsetzen.
Insgesamt wird es gegenüber dem Vortag wieder etwas milder. Die 850
hPa-Temperatur steigt präfrontal auf 2 bis 6 Grad, postfrontal sinkt sie auf
etwa 2 bis 0 Grad. In gut durchmischter Luftmasse liegen die Höchstwerte meist
zwischen 7 Grad in den ostbayerischen Mittelgebirgen und nahe 14 Grad örtlich im
Westen.

In der Nacht zum Donnerstag kommt der Kurzwellentrog rasch Richtung Baltikum
voran und verliert dabei an Kontur. Vom Ostatlantik greift ein Höhenrücken bis
Donnerstagfrüh auf die Britischen Inseln über, so dass die Höhenströmung über
dem Vorhersagegebiet etwas aufsteilt und auf Nordwest dreht. Darin eingebettet,
überqueren ein bis zwei weitere kurzwellige Troganteile vor allen den Norden und
die Mitte südostwärts, so dass es dort weitere Schauer, teilweise mit Graupel
gibt.
Das Bodentief zieht ebenfalls Richtung Baltikum und beginnt sich aufzufüllen.
Gleichzeitig setzt auch über Benelux und der Nordsee etwas kräftigerer
Druckanstieg ein, so dass sich der Gradient an der Südwestflanke des Tiefs im
Laufe der Nacht vorübergehend sogar noch etwas verschärfen kann. Vor allem im
Norden sowie in der Osthälfte gibt es somit bis weit ins Binnenland stürmische
Böen, im Bereich durchziehender Schauerstaffeln vereinzelt auch Sturmböen aus
westlichen Richtungen. An den Küsten - jetzt vermehrt entlang der vorpommerschen
Ostseeküste - muss mit Sturmböen gerechnet werden.
Im Westen und Süden reicht es dagegen meist nur für steife, höchstens anfangs
noch für stürmische Böen in den Niederungen. In den Kamm- und Gipfellagen gibt
es dagegen Sturm- exponiert schwere Sturmböen, auf Brocken und Fichtelberg
anfangs orkanartige Böen. Im weiteren Verlauf der Nacht nimmt der Wind von
Südwesten her etwas ab.
Die Kaltfront gerät über Süddeutschland ins Schleifen, so dass in den
Weststaulagen des Schwarzwaldes und des Oberallgäus, eventuell aber auch im
Bayerischen Wald länger anhaltender Regen einsetzt. Ob bis Donnerstagmittag
irgendwo die Warnschwellen für Dauerregen (über 30 l/qm in 12 bis 24 Stunden)
gerissen werden, ist aber noch unklar; am ehesten könnte das im Schwarzwald und
im westlichen Oberallgäu der Fall sein. Die Schneefallgrenze liegt dabei noch
oberhalb von 1500 m.
In den Norden gelangt nun etwas kühlere Meeresluft, so dass die 850
hPa-Temperatur dort auf etwa 0 bis -3 Grad sinkt. Sonst liegt sie weiterhin
zwischen +1 und +4 Grad. Somit verläuft die Nacht mild und frostfrei mit
vereinzelt zweistelligen Tiefstwerten am Oberrhein.

Donnerstag ... nähert sich vom Ostatlantik her der nächste markante
Kurzwellentrog den Britischen Inseln an. Vorderseitig stützt kräftige WLA den
Höhenrücken, der im Tagesverlauf die Nordsee allmählich ostwärts überquert. Auf
dessen Vorderseite steilt die nordwestliche Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet noch etwas auf und es setzt dynamisch Absinken ein, wobei sich
in etwa 700 hPa eine Absinkinversion etabliert.
Im Bodenfeld schenkt von Frankreich und Benelux her ein Hochkeil nach
Deutschland, während das Tief über dem Baltikum allmählich nach Osten abzieht.
An dessen Westflanke reicht ein recht markanter Bodentrog anfangs noch bis zur
südwestlichen Ostsee, so dass über der Osthälfte, insbesondere über dem
Nordosten, noch ein kräftiger Gradient aufrechterhalten wird. Somit beginnt der
Tag im Norden und Osten sowie im Südosten noch windig mit steifen, im Nordosten
auch bis weit ins Binnenland reichend stürmischen Böen aus West bis Nordwest. In
den Kamm- und Gipfellagen der östlichen Mittelgebirge und der Alpen gibt es
Sturm- und schwere Sturmböen. Im Westen und Südwesten flaut der Wind dagegen
bereits am Vormittag deutlich ab, am Nachmittag und Abend dann allmählich auch
im Nordosten.
Die Kaltfront löst sich am Alpennordrand auf, so dass die Niederschläge dort
zögernd nachlassen, im Stau der Alpen aber noch bis zum späten Nachmittag bzw.
Abend anhalten. Die Schneefallgrenze schwankt aber nach wie vor um 1500 m oder
knapp darüber.
Auch sonst bleibt es trotz Absinken und Hochkeil eher stark bewölkt, zumal die
unterhalb der sich etablierenden Absinkinversion von Nordwesten her feuchtmilde
Luft einströmt. Hier und da fällt noch etwas Regen bzw. gibt es einzelne
Schauer, letztere am ehesten im Osten und Nordosten. Die Sonne zeigt sich nur
selten, und wenn, dann nur kurz, am häufigsten wohl im Ostseeumfeld, wo
niedertroposphärisch in den Bereich der abziehenden Rinne etwas kühlere und
trockenere Luft einströmt. Dort sinkt die 850 hPa-Temperatur auf etwa -3 bis -6
Grad, während sie sonst zwischen -1 Grad an der Elbe und +4 Grad im Südwesten
verharrt. Entsprechend liegen die Höchstwerte zwischen 6 bis 7 Grad an der
Ostsee und 14 Grad am Oberrhein.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der Höhenrücken über das Vorhersagegebiet
hinweg ostwärts. Der folgende Kurzwellentrog zieht auf nördlicherer Zugbahn als
sein Vorgänger über die Britischen Inseln zur Nordsee. Das korrespondierende
Bodentief verstärkt sich zu einem Sturmtief und schlägt morgens mit einem
Kerndruck von etwa 980 hPa im Bereich der Shetlands auf. Die Warmfront überquert
im Laufe der Nacht weite Teile des Vorhersagegebietes mit allerdings nur
leichten Regenfällen (im Südwesten und Süden sowie im Lee der meisten
Mittelgebirge kommt so gut wie gar nichts mehr an, aber auch im Norden fallen
meist nur 1 bis 3 l/qm) ostwärts, die Kaltfront erreicht morgens die Deutsche
Bucht zw. Die Westgrenze des Landes.
Nach vorübergehender Abnahme frischt der auf Süd bis Südwest zurückdrehende Wind
im Norden und in der Mitte wieder etwas auf. Im Nordseeumfeld gibt es einzelne
steife, auf Helgoland auch stürmische Böen, auf dem Brocken Sturmböen.
Die Warmfront erreicht den Nordosten erst in den Frühstunden, vorderseitig
befindet sich dort noch die eingeflossene kühlere Luftmasse, innerhalb der es
auf nahe 0 Grad abkühlen kann. Ob es anfangs für ein paar Schneeflocken dort
reicht, ist aber mehr als fraglich und gefrierender Regen dürfte aufgrund der zu
warmen Böen auch kein Thema sein.
Werte nahe dem Gefrierpunkt kann es auch in einigen Alpentälern geben, ansonsten
verläuft die Nacht relativ mild und frostfrei.

Freitag ... nistet sich das Drehzentrum des Kurzwellentroges über dem Seegebiet
nördlich der Shetlands ein, während der Trog selbst sich weiterhin als Kurzwelle
rasch über die Nord- und Osthälfte Deutschlands nach Polen verlagert. Das
zugehörige Bodentief befindet sich im Tagesverlauf achsensenkrecht unterhalb des
Höhentiefs und beginnt sich aufzufüllen. Die Kaltfront überquert Norddeutschland
südostwärts und wird über den mittleren Landesteilen aufgrund zunehmend
höhenströmungsparalleler Exposition eingebremst. Mit Annäherung eines flachen,
aber breit angelegte Höhenrückens, der abends Benelux und die Nordsee erreicht,
wird die Front von zunehmend kräftigen Druckanstieg überlaufen und gerät unter
großräumiges Absinken, so dass sie Auflösungstendenzen aufweist. Vor allem im
Norden und Nordosten erweist sie sich aber noch als einigermaßen wetteraktiv mit
schauerartigen Regenfällen, dort fallen vormittags und mittags verbreitet mehr
als 5 l/qm bis nahe 10 l/qm. Postfrontal klingen die Niederschläge dann aber
rasch ab und es bleibt trocken, auch in der Mitte kommen nur noch wenig
Niederschläge an. Im präfrontalen Bereich bleibt es in Süddeutschland ebenfalls
weitgehend trocken.
Der Wind dreht mit Frontpassage auf West und frischt vorübergehend auf, in der
Nordhälfte bis in die mittleren Landesteile kann es in freien Lagen einzelne
steife Böen geben, im Nordseeumfeld eventuell auch stürmische Böen. In den Kamm-
und Gipfellagen (außer im Süden) gibt es stürmische Böen und Sturmböen, auf dem
Brocken eventuell schwere Sturmböen.
Vor allem postfrontal im Nordwesten, aber auch präfrontal südlich der Donau
kommt zeitweise die Sonne durch, sonst bleibt es bewölkt. An den Höchstwerten
ändert sich gegenüber dem Vortag nur wenig.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptischen Basisfelder werden von allen vorliegenden Modellen sehr
einheitlich simuliert. GFS hat die Windentwicklung ab der kommenden Nacht nach
wie vor schärfer auf der Agenda als die anderen Modelle, was aber wohl eher der
Modellphysik geschuldet ist.
Die Signale für Dauerregen in den genannten Regionen sind nach wie vor spärlich
gesät. Lediglich ICON-EU simuliert entsprechende Mengen und auch die
Probabilistik agiert sehr zurückhaltend.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff