DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-01-2023 18:01
SXEU31 DWAV 011800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 01.01.2023 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Namen des gesamten Vorhersageteams wünschen wir allen Leserinnen und Lesern
der Synoptischen Übersichten ein glückliches, erfolgreiches und vor allem
gesundes Jahr 2023! Bleibt uns gewogen.

Wechselhafter Witterungsabschnitt mit wiederholten Tiefausläufern, aber auch
Zwischenhochphasen. Dabei allmählich zurückgehende Temperaturen, aber nicht
wirklich kalt.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... neigt sich der erste Tag des neuen Jahres langsam dem Ende entgegen,
auch wenn es noch ein paar Stunden bis Mitternacht sind. Und was soll ich sagen.
Das neue Jahr startet wie das alte geendet ist, nämlich fast schon unmenschlich
warm und mit einem ganzen Sack voller Rekorde. Nachdem gestern tagsüber die
Monatsrekorde für den wärmsten Dezembertag gleich x-fach regelrecht pulverisiert
wurden, lässt sich heute das Gleiche in Grün für den Januar konstatieren. Und
dazwischen lag eine Nacht - für Viele die Nacht der Nächte -, in der ebenfalls
fleißig gepunktet wurde. So konnte vielerorts die wärmste Silvesternacht seit
Aufzeichnungsbeginn registriert werden. In Hoyerswerda oder in Cottbus
beispielsweise sank das Quecksilber nicht unter die 15°C-Marke.

Zur Lage, die Deutschland nach wie vor auf der warmen Seite der Frontalzone
sieht, welche sich heute Abend vom Westrand der Biskaya via UK, Nord- und Ostsee
bis hinüber in den Westen Russlands erstreckt. Ein eingelagerter Jetstreak
markiert den vorderen Ast eines umfangreichen Höhentrogs, der sich vom
Ostatlantik immer dichter an den europäischen Kontinent heranschiebt. Von der
Höhe auf den Boden der Tatsachen, wo hoher Luftdruck über Süd- und Südosteuropa
diversen Tiefs über Nordeuropa und dem nahen Atlantik gegenübersteht. Es handelt
sich durchweg um "Altlasten" aus 2022, sprich, die die Tiefs und Hochs waren
auch gestern bzw. die Tage zuvor schon da. Die erste Taufe des neuen Jahres -
Hochs weiblich, Tiefs männlich - lässt also noch etwas auf sich warten, dürfte
wahrscheinlich morgen aber vollzogen werden. Wie auch immer, in den nächsten
Stunden zieht von der Biskaya die flache Welle MAGDALENE zunächst in Richtung
Benelux, um in den Morgenstunden die Deutsche Bucht zu erreichen. Dort wird sie
sich wahrscheinlich zu einem kleinen Tief entwickeln, das im Laufe des Montags
weiter Richtung Südschweden und Baltikum schwenkt.

Mit der Welle respektive an ihrer Warmfront breiten sich Regenfälle über weite
Teile West- und Norddeutschlands aus, wobei vom Niederrhein bis in den Hamburger
Raum gebietsweise 5 bis 10, vereinzelt vielleicht bis 15 l/m² innert 12 h
runterkommen können. GFS simuliert den Regen etwas aggressiver, so dass man im
westlichen Niedersachsen und im Münsterland sogar über eine Dauerregenwarnung
bis Montagabend nachdenken könnte. Allerdings steht diese Meinung exklusiv, so
dass etwaige Maßnahmen bisher nicht ergriffen wurden. Nachdem der Wind am
Nachmittag ordentliche Einbußen erlitten hat - Druckanstieg im Norden und
Druckfall im Süden sorgten für eine kontinuierliche Gradientaufweichung -, legt
er mit Annäherung der Welle wieder etwas zu. Dabei dreht der Wind etwas zurück
auf südliche Richtungen und erreicht vor allem in höheren Lagen, lokal aber auch
im Lee einiger Mittelgebirge Böen der Stärke 7 bis 8 Bft. Der Feld- und
Fichtelberg kommen auf 9 Bft, der Brocken auf 9 bis 10, gegen Morgen vielleicht
sogar 11 Bft.

Abschließend noch ein, zwei Bemerkungen zur Temperatur. Im windschwachen Süden,
wo sich die Grundschicht vom Geschehen darüber abkoppelt, kühlt es stellenweise
auf 0°C oder sogar etwas darunter ab. Außerdem bildet sich im Bereich der Donau
und seiner Zuflüsse sowie zwischen Bodensee und Hochrhein teils dichter Nebel.
Am mildesten bleibt es in der nördlichen Mitte mit Tiefstwerten von 13 bis 10°C.


Montag ... zieht das kleine Tief MAGDALENE via Ostsee und Südschweden nach Osten
ab. Die zugehörige Kaltfront greift zunächst auf den Nordwesten über, um dann im
Tagesverlauf südostwärts vorzustoßen. Bis zum Abend erreicht sie etwa eine Linie
Breisgau-Oderhaff. Vor allem zwischen NRW und SH kommen gebietsweise noch mal 5
bis 10 l/m² frontaler Regen binnen 6-12 h zusammen, während weiter südöstlich
ihre Wetterwirksamkeit mehr und mehr an Substanz einbüßt. Zum einen läuft die
Front in ein Gebiet hohen Luftdrucks hinein, zum anderen entkoppelt sie sich
zunehmend vom nachfolgenden Höhentrog.

Apropos Höhentrog, postfrontal gelangt ein Schwall hochreichend maritimer und
zunehmend instabiler Subpolarluft in den Norden und Westen, in der T850 auf
etwas unter 0°C und T500 auf -28 bis -32°C zurückgeht. Ab dem Nachmittag
entwickeln sich einzelne Schauer, Richtung Nordsee ist auch ein kurzes Gewitter
nicht ausgeschlossen. Im Süden und Südosten sowie in der östlichen Mitte bleibt
es bis zum Abend noch weitgehend trocken. Außerdem scheint insbesondere in
Teilen Bayerns - abseits einiger zäher Nebelfelder - noch für einige Stunden die
Sonne, bevor die frontale Bewölkung allmählich zunimmt. Mit Unterstützung der
Sonne und des Windes werden präfrontal noch mal 12 bis 17°C erreicht. Lediglich
in den auch tagsüber entkoppelten Teilen Niederbayerns reicht es nur für 8 bis
12°C, was in etwa auch der Spanne für den äußersten Norden und Nordwesten
entspricht.

Thema Wind, der frischt präfrontal aus Süd- bis Südwest kommend vor allem in
höheren Lagen, bedingt aber auch weiter unten auf (vornehmlich im Lee einiger
Mittelgebirge). Gründe sind zum einen eine kurzzeitige Komprimierung der
Isobaren an bzw. direkt vor der Front sowie ein präfrontaler Low-Level-Jet mit
Windgeschwindigkeiten bis 55 Kt auf 925 hPa und 65 Kt auf 850 hPa. Für den
Brocken bedeutet das orkanartige Böen oder Orkanböen 11 bis 12 Bft, sonst für
Lagen oberhalb etwa 600 m Böen 8-9 Bft (Ausnahme Alpen/Südöstliche
Mittelgebirge). Hinter der Front lässt der auf Südwest bis West drehende Wind
wieder nach mit einer Ausnahme. Direkt an der See nimmt die Wahrscheinlichkeit
für 7er-, exponiert 8er-Böen ab dem Nachmittag eher zu.

In der Nacht zum Dienstag erreicht die Kaltfront Süddeutschland, wobei sie
angesichts steigendem Luftdrucks zusehend Mühe bekommt, sich über Wasser zu
halten. Wie schwierig das ist zeigt auch die Tatsache, dass T850 ganz im Süden
im leichten Plusbereich verbliebt, so dass die Schneefallgrenze mit Mühe und Not
in die Nähe von 1500 m kommt. Viel Niederschlag fällt ohnehin nicht, was die
Lage für alle, die Schnee erwarten, nicht besser macht. Im Zuge des sich
aufwölbenden Zwischenhochkeils beginnt der Gradient nun auch an der Küste
aufzuweichen, zunächst an der Nord-, später auch an der Ostsee. Folgerichtig
geht der Küstenwind von West nach Ost mehr und mehr in die Knie. Ansonsten
ziehen noch die kümmerlichen Reste des Höhenstrogs über den Vorhersageraum
hinweg, aus denen sich vornehmlich in der Nordhälfte einzelne Schauer entwickeln
(im Oberharz teils als Schnee). Das Niveau nächtlicher Temperaturminima pendelt
sich zwischen 7 und 1°C ein.

Dienstag ... kräftigt sich das Zwischenhoch noch etwas auf über 1030 hPa im
Süden. Damit stehen die Chancen nicht schlecht, dass die anfänglich noch
ziemlich zahlreich und flächendeckend vorhandene tiefe Bewölkung größere Lücken
bekommt. Im Alpenvorland sowie an den Alpen fällt anfangs noch etwas Regen,
oberhalb etwa 1500 m geringfügig Schnee. Im Laufe des Tages wandert die
Divergenzachse des Zwischenhochs gen Osten, was insbesondere den Nordwesten auf
die Vorderseite eines kleinen Randtiefs unweit von Irland und Schottland bringt.
Weit nach Osten ausgreifende WLA lässt dort die Bewölkung am Nachmittag und
Abend immer dichter werden. Ob es im Nordseeumfeld auch schon anfängt zu regnen,
steht noch nicht fest. Auf alle Fälle zieht der südliche Wind wieder an mit den
ersten Böen 7-8 Bft über der Deutschen Bucht. Die Tageshöchsttemperatur liegt
landesweit nur noch zwischen 6 und 12°C, was für Anfang Januar freilich immer
noch mild bis sehr mild ist.

In der Nacht zum Mittwoch zieht besagtes Tief zur nördlichen Nordsee. Die
zugehörige Warmfront greift auf den Norden und Nordwesten über und sorgt dort
für z.T. veritablen stratiformen Regen. Gerade in SH und im Nordseeumfeld können
dabei 10 bis 20 l/m² innert 12 h herausspringen. In weiten Teilen der Mitte und
im Süden beginnt der Luftdruck zwar auch zu fallen, es bleibt zunächst aber noch
trocken. Im Süden und Südosten bilden sich teils dichte Nebelfelder. Außerdem
kühlt es dort stellenweise auf etwas unter den Gefrierpunkt ab. Der Süd- bis
Südwestwind frischt insbesondere von der Mitte bis ins west- und
nordwestdeutsche Binnenland sowie an der Ostsee auf mit Böen 7 Bft, exponiert 8
Bft. An und auf der Nordsee stehen zunehmend Böen 8 bis 9 Bft auf der Karte, was
auch für das höhere Bergland gilt. Auf dem Brocken muss man sich wieder auf
Orkan einstellen.

Mittwoch ... intensiviert sich das Tief, wobei aber noch nicht klar ist, ob es
den Eingang zur Ostsee, also den Skagerrak, findet oder weiter nördlich die
südliche Westküste Norwegens ansteuert. Fakt ist, dass sich in weiten
Landesteilen eine Wind- bzw. Sturmlage einstellt. Außerdem breiten sich die
frontalen Regenfälle (erst die Warm-, dann die Kaltfront) bis weit in den Süden
aus, bevor sich später Schauer bilden. Das alles bei Tagesmaxima zwischen 7 und
13°C. Mehr dazu in den Folgeübersichten.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grobe Fahrtrichtung steht. Ein paar Fragezeichen stehen noch hinter dem am
Mittwoch gen Norwegen ziehenden Tief. Dass es uns einen bewegten, stark zyklonal
geprägten Tag bringt, scheint sicher. Bei den Details hakt es hingegen noch
etwas.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann