DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-12-2022 18:30
SXEU31 DWAV 311800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 31.12.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Milder und teils windiger Jahreswechsel. Danach weiterhin wechselhaft, weniger
windig und etwas weniger mild, aber alles andere als kalt. In diesem Sinne
"Guten Rutsch"!

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... sind nur noch wenige Stunden, bis ein in vielerlei Hinsicht
bemerkenswertes Jahr zu Ende geht. Der Jahresrückblicke gibt es viele und auch
der DWD hat gestern bereits Bilanz gezogen: zu warm, zu trocken, zu sonnig.
Genauer, es war in der Fläche das sonnenscheinreichste ever. Ob es auch das
wärmste wird, steht noch immer nicht fest. Die heutigen, in die Bilanz noch
eingehenden Temperaturen, haben alles, wirklich alles gegeben, damit es mit der
Spitzenposition - konkurriert wird mit dem Jahr 2018 - klappt. Von Winter weit
und breit keine Spur, stattdessen Frühlingserwachen total an Silvester. Die
Monatsrekorde (wohlbemerkt MONATSrekorde, nicht TAGESrekorde) an diversen
Stationen sind gepurzelt wie einst die Kölner Heinzelmännchen beim Schneider auf
den ausgestreuten Erbsen. Im Süden wurde lokal die 20°C-Marke geknackt. Selbst
auf Deutschlands höchstem Berg, der knapp 3000 m hohen Zugspitze, war die
Temperatur zur Mittagszeit nur noch wenige Zehntel im Minus, um kurze Zeit
später ins leichte Plus zu drehen - Wahnsinn! Aber was will man erwarten, wenn
auf 850 hPa satte 10°C gemessen werden, wie um 12 UTC in Oberschleißheim. Noch
mehr waren es zur gleichen Zeit in Payerne (Westschweiz), wo gar 12°C
registriert wurden.

Verantwortlich für die außergewöhnliche "Winterhitze" ist in erster Linie die
großräumige Verteilung der Druckgebilde sowie die Positionierung der
Frontalzone. Die verläuft südwest-nordost-exponiert vom Seegebiet westlich der
Biskaya über UK und die Nordsee hinweg bis nach Südskandinavien, wobei sie quasi
die Vorderseite eines breiten Höhentrogs über dem Ostatlantik markiert.
Deutschland bzw. Mitteleuropa generell befinden sich auf der warmen Seite der
Frontalzone und mithin im Zustrom hochreichend milder bis sehr milder
Luftmassen. Diese konnten sich heute teils mit Wind-, teils mit
Sonnenunterstützung (teils auch beidem) voll entfalten. Ursache für den in
weiten Landesteilen lebhaften Südwestwind ist ein veritabler Druckgradient
zwischen einer ganzen Armada an Tiefs über Nordeuropa bzw. dem nahen Atlantik
und hohem Luftdruck über dem Mittelmeerraum bzw. Südosteuropa. In den nächsten
Stunden steigt der Luftdruck im Norden etwas schneller als im Süden, was den
Gradienten in der Silvesternacht ein wenig auffächern lässt. Folgerichtig sowie
mit Unterstützung des Tagesgangs nimmt der Wind erst langsam, in der zweiten
Nachthälfte dann deutlicher ab, was aber nicht heißt, dass wir nicht noch
Warnungen bräuchten. Vor allem im Norden und Nordwesten bleibt es bis zum Morgen
windig (7 Bft), an der Nordsee auch stürmisch (8 bis 9 Bft). Ähnlich sieht es im
Bergland aus, wo oberhalb von 400 bis 600 m je nach Exposition Böen 7-9 Bft, auf
dem Brocken und dem Fichtelberg gar 10-12 Bft auf der Karte stehen.

Und sonst so? - Im Norden und Nordwesten fällt im Bereich einer schleifenden,
sich nur langsam nordwärts verlagernden Warmfront noch zeitweise Regen. Im
Norden von SH reicht es gebietsweise für 5 bis 10 l/m² innert 12 h, vereinzelt
vielleicht etwas darüber. Dagegen könnte es in einigen windgeschützten Lagen
Süddeutschlands - kurz nach Mitternacht mit artifizieller Unterstützung - für
das eine oder andere Nebelfeld reichen. Frost ist, oh Wunder, kein Thema.

Sonntag ... ändert sich die Lage der Frontalzone nicht substanziell. Allerdings
lässt sich WLA-bedingt von Süden her leichter Potenzialgewinn ausmachen, der für
eine minimale Aufwölbung der Isohypsen sorgt. Derweil macht die bis dato stark
nach Südwesten zurückhängende Achse des atlantischen Troges Boden in Richtung
europäischen Kontinent gut. Am Tagesende erstreckt sie sich von Schottland bis
zur portugiesischen Westküste.

Bodennah bleibt der hohe Luftdruck um 1030 hPa über Süd- und Südosteuropa eine
Konstante, wobei der gute LEONHARD wohl das letzte männliche Hoch in 2023 sein
wird (das auch nur, weil er noch in 2022 "geboren" wurde und die BWK/FU-Berlin
den Namen so lange beibehält, bis das Hoch von der Wetterkarte verschwindet).
Ihm gegenüber stehen nach wie vor ein wild verstreuter Haufen verschiedener
Tiefs über Westeuropa respektive dem nahen Atlantik und Nordeuropa. Auch hier
gilt, einmal da, immer da, heißt, den Ladies KERSTIN, LIDDY und MAGDALENE wird
die Ehre zuteil, als die letzten weiblichen Tiefdruckgebiete des Jahres 2023 in
die Geschichtsbücher einzugehen. Für uns sind von den Damen vor allem LIDDY II
und MAGDALENE von Interesse. Während LIDDY von UK/Irland zur nördlichen Nordsee
schwenkt, nimmt MAGDALENE als flache und stabile Welle von der Biskaya und
Frankreich her Kurs auf Benelux und Nordwestdeutschland, wo sie aber erst am
Abend bzw. in der Nacht zum Dienstag aufschlägt.

Wettertechnisch bedeutet das einen milden bis sehr milden Jahresstart, der dem
heutigen Ausklang nur wenig hinterherhinkt. Im Norden wird es hier und da
vielleicht sogar etwas wärmer, während weiter südlich kleinere Einbußen
hinzunehmen sind. Unter dem Strich stehen 10 bis 20°C Höchsttemperatur und das
an einem ersten Januar - herzlich Willkommen in 2023. Windmäßig geht es im
Tagesverlauf weiter bergab, weil der Druckgradient kontinuierlich aufweicht.
Hauptursache ist das permanente Auffüllen der guten LIDDY von etwas über 990 hPa
heute auf nahe 1005 hPa morgen Mittag. Am Nachmittag und Abend dürfte es dann
nur noch in einigen exponierten Hochlagen für Böen 7-8 Bft, auf dem Fichtelberg
9 Bft und dem Brocken 10 bis 11 Bft reichen. Während im Süden und Südosten
häufig die Sonne scheint - möglicherweise geringfügig getrübt durch etwas
Saharastaub -, bleibt es in Richtung Nordwesten überwiegend stark bewölkt. Dort
fällt im Vorfeld der langsam anrollenden MAGDALENE mitunter leichter Regen,
wobei die Tagessummen überwiegend unter der 5-l/m²-Schwelle verbleiben.

In der Nacht zum Dienstag überquert MAGDALENE als flache Welle den Nordwesten
und Norden des Landes in Richtung Dänemark. Die zugehörige Kaltfront kommt über
dem Nordwesten ins Schleifen, was dort die Regenintensität ansteigen lässt. 5
bis 10, lokal vielleicht sogar bis 15 l/m² innert 12 h sind gebietsweise drin,
auch wenn die Modellsuite bei der genauen Positionierung des
Niederschlagsschwerpunkts noch Unschärfen aufweist. Fakt ist, dass der südliche
Wind im westlichen und zentralen Mittelgebirgsraum wieder etwas zulegt, wobei
sich warnwürdige Böen aber im Wesentlichen auf Hoch- und Leelagen beschränken
sollten (7-8 Bft, exponiert 9 Bft, Brocken darüber).

Nach Süden und Südosten hin verläuft die Nacht trocken und vielfach unter
aufgelockerter Bewölkung, was hier und da ein paar Nebelfelder auf den Plan
ruft. Punktuell kühlt es auf nahe 0°C ab und stellenweise ist sogar leichter
Frost in Bodennähe wahrscheinlich. Ja, ja, soweit ist es schon gekommen, dass
ein derart belangloses und für Anfang Januar völlig normales Phänomen Einzug in
eine Synoptische Übersicht hält.

Montag ... greift der o.e. Höhentrog auf den Westen und Südwesten des Kontinents
über. Derweil zieht die Welle weiter gen Baltikum, wo sie sich tatsächlich noch
zu einem kleinen eigenständigen Tief entwickelt. Die Kaltfront kommt im
Tagesverlauf langsam südostwärts voran, was natürlich auch für den zugehörigen
frontalen Regen gilt. Bis zum Abend bleibt es in weiten Teilen Süd- und
Südostdeutschlands aber noch trocken und gerade in bayerisch Schwaben sowie in
Ober- und Niederbayern scheint sogar für einige Stunden die Sonne. Postfrontal
gelangt mit Winddrehung auf Südwest bis West ein Schwall subpolarer Meeresluft
in den Norden und Westen, wo T850 auf leichte Minusgrade und T500 auf unter
-25°C zurückgeht. Aber auch präfrontal ist ein gesamttroposphärischer Rückgang
der Temperatur zu verzeichnen, wodurch deutschlandweit "nur noch" 8 bis 15°C
erreicht werden. Allenfalls in Sachsen, in BaWü sowie im Alpenvorland könnte es
noch für ein oder zwei Grad mehr reichen.

Ansonsten gilt es nur noch zu konstatieren, dass es hinter der Front im
Nordwesten an der einen oder anderen Stelle mitunter etwas auflockert, sich auf
der anderen Seite aber auch einzelne Schauer bilden. Außerdem lebt der Wind mit
Frontpassage und auch schon etwas davor böig auf, wobei sich Böen 7 Bft,
exponiert 8-9 Bft weitgehend auf das Bergland konzentrieren dürften.

In der Nacht zum Dienstag erreicht die Kaltfront irgendwann die Alpen, wo T850
mit Mühe und Not auf etwa 0°C zurückgeht. Das bedeutet nichts Anderes, als dass
die Schneefallgrenze auf unter 1500 m sinkt, wobei im nächsten Satz aber schon
wieder auf die Euphoriebremse getreten werden muss. Allzu viel Niederschlag
kommt im Süden nicht an, so dass die Hoffnung auf Neuschnee in den Hochlagen
nicht zu stark ausfallen sollte. Rückseitig der Front greift der Höhentrog auf
den Vorhersageraum über, der weiten Landesteilen wechselnde
Bewölkungsverhältnisse mit einzelnen Schauern garantiert. Vielleicht reicht es
in einigen windschwachen Tal- und Muldenlagen für leichten Frost, meist
verbleibt die Temperatur aber in einer Range zwischen +7 und +1°C.

Dienstag ... steigt der Luftdruck an und von Südwesteuropa arbeitet sich eine
schmale Hochdruckzone bis zu uns voran, in deren Innern knapp über 1030 hPa
anvisiert werden. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es am Alpenrand
sowie im südlichen Alpenvorland zunächst noch zu leichten Niederschlägen kommt,
die von der scheidenden Kaltfront hervorgerufen werden. Die Schneefallgrenze
liegt bei etwa 1300/1200 m. Ansonsten gestaltet sich der Wetterablauf leicht
wechselhaft aber nicht unfreundlich. Unter dem nur langsam durchschwenkenden und
nach Südwesten zurückhängenden Trog entwickeln sich noch einzelne Schauer,
dazwischen scheint aber mal die Sonne. Bei Tageshöchstwerten, die nur noch
zwischen 6 und 11°C liegen, spielt der Wind keine große Geige.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren die Modelle ähnlich, auch wenn sich im Detail -
natürlich, muss man hinzufügen - gewisse Unschärfen zeigen. Als Beispiel sei die
flache Welle MAGDALENE genannt, deren Konfiguration von Modell zu Modell etwas
anders gesehen wird.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann