DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-12-2022 18:01
SXEU31 DWAV 291800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 29.12.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zeitweise stürmische Böen bis in tiefe Lagen, an der Nordsee und im Bergland
zeitweise Sturm. Exponiert schwere Sturmböen bis Orkanböen. Extrem mild.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... liegen wir unter einer leicht mäandrierenden westlichen Strömung mit
der milde Meeresluft zu uns gelangt, auch wenn es sich dabei technisch gesehen
um erwärmte Meereskaltluft handelt. Ein flacher Höhentrog überquert Deutschland
in der Nacht zum Freitag ostwärts, rasch gefolgt von einem Höhenrücken, der
Freitag früh schon an der Westgrenze liegt. Zum Trog gehört ein Tiefdruckgebiet
vor der südnorwegischen Küste, dessen Kaltfront über dem Süden schleift. Mit
Annäherung des Troges wird sie abends und nachts von Frankreich her aktiviert.
Ihr folgt die eingangs erwähnte erwärmte Meeresluft subpolaren Ursprungs mit -1
bis -3°C in 850 hPa, während über dem äußersten Süden die Temperaturen in diesem
Niveau bis in Gefrierpunktnähe oder leicht darunter sinken.
Aus starker Bewölkung regnet es im Süden gebietsweise, wobei sich der Regen
intensiviert und in die Regionen südlich der Donau verlagert (5-10,
Stau/Oberschwaben bis 15 l/qm). Ansonsten beruhigt sich das Wetter kurzzeitig
und die Wolken lockern gebietsweise stärker auf, teils ist es
gering bewölkt und die anfänglichen Schauer klingen ab.
Der Wind hat schon im Laufe des Nachmittags und abends nachgelassen und ist über
weite Strecken der Nacht im Binnenland nicht mehr warnwürdig, auch an den Küsten
lässt der Wind nach, vor allem an der Nordsee sind aber auch über die Nacht
hinweg starke bis stürmische Böen aus Südwest möglich. Im höheren Bergland muss
weiter mit stürmischen bis Sturmböen, exponiert mit schweren Sturmböen gerechnet
werden.
Trotz nachlassenden Windes vor allem nach Norden und über der Mitte gut
durchmischt, spielt Frost abgesehen von einigen höheren Alpentälern keine Rolle.
In Lagen oberhalb 1000 bis 1200 m kann es im Laufe der 2.Nachthälfte in den
Alpen leicht schneien.

Freitag ... zieht der Höhenrücken, ebenso flott wie die Wellen zuvor, nach Osten
ab. Wegen einer neuen Austrogung über dem Nordatlantik dreht die - weiter leicht
schwingende - Höhenströmung auf Westsüdwest. Die Frontalzone verschärft sich an
der Flanke des neuen Troges, was in einen markanten Jet-Streak mündet, der sich
vom Atlantik zu den Britischen Inseln ausweitet.

Das zugehörige Bodentiefdruckgebiet zieht über Schottland in die nördliche
Nordsee und das okkludierende Frontensystem greift ab den Mittagsstunden mit
kräftiger Warmluftadvektion auf Deutschland über. Die Regenfälle überziehen
große Landesteile und lassen bis zum Abend nur den Osten und Südosten außen vor.
Erneut kommen gebietsweise 5 bis 10 l/qm zusammen, in Staulagen des Südwestens
um 15 l/qm. Der Nordwesten gelangt nachmittags schon wieder auf die Rückseite,
während im Südwesten und Süden im Bereich des Warmsektors die Zufuhr extrem
milder Subtropikluft eingeleitet wird.

Natürlich zieht auch der Wind wieder an. Vor allem im Westen, Nordwesten und
über der Mitte muss verbreitet mit starken, in Leelagen der Mittelgebirge und
exponiert auch sonst mit stürmischen Böen gerechnet werden. Sturmböen bleiben
aufgrund der stabilen Grenzschicht den höheren Lagen und der Nordsee
vorbehalten. Die exponierten Gipfel warten vermehrt mit Böen Bft 10-12 auf.
Die Subtropikluft kann sich bodennah noch nicht in voller Pracht entfalten,
weshalb im Westen und Südwesten "nur" Höchstwerte von 10 bis 14°C erreicht
werden, die 7 bis 11°C in den anderen Landesteilen sind auch sehr mild.

In der Nacht zu Silvester zieht das Frontensystem nach Nordosten ab, wobei die
zunächst über der Mitte schleifende Kaltfront vor einer nach Irland ziehenden
Welle als Warmfront wieder nordwärts geführt wird.
Im Warmsektor breitet sich sehr milde Subtropikluft über weite Teile
Deutschlands aus. Die Temperaturen auf 850 hPa steigen auf 5 bis 9°C, nur im
Norden bleibt es etwas darunter. In der zudem außerordentlich feuchten Luft (die
spezifische Feuchte von knapp 9 g/kg bis 500 m geht fast als sommerlich durch),
bleibt es stark bewölkt, im Norden und Westen regnet es teils länger anhaltend,
südlich daran anschließend im Warmsektor nieselt es. Die Regenschwerpunkte sind
noch unsicher, im Westen sind in Staulagen vereinzelt 15 bis 20 l/qm möglich,
für warnrelevante Mengen spricht außer vereinzelten Signalen im ICON D2 kaum
etwas.
Im Norden bleibt es im Laufe der Nacht meist trocken und auch im äußersten Süden
kommt nicht viel Regen an.

Im Norden schwächt sich der Wind im Laufe der Nacht ab. Im Binnenland rascher
als den Küsten, aber auch dort werden Warnschwellen zum Morgen kaum noch
erreicht. Über der Mitte und nach Südwesten hin legt der Gradient dagegen leicht
zu. Trotz stabiler Schichtung sind bis ganz runter einzelne stürmische Böen
möglich, im Bergland Sturmböen und exponiert 10-12 Bft. Hier wiederum bleibt der
Südosten außen vor, wo es nicht zu warnwürdigen Böen reicht.
Die Nacht wird mit Minima von +10 bis +4°C auch Dank der Durchmischung sehr
mild. Die niedrigeren Werte werden im Südosten erwartet, im Westen und Südwesten
sind regional 12 bis 10°C möglich, wobei die Temperatur im Laufe der Nacht
steigt und die Frühwerte Silvester über den hier angegebenen Werten liegen.

Samstag ... Silvester, hält die kräftige westsüdwestliche Strömung an, wobei der
Jet über die Nordsee nach Südskandinavien verläuft. Die entsprechende
Tiefdruckrinne reicht von Skandinavien über die Britischen Inseln auf den
Atlantik. Ein darin eingelagertes Bodentief zieht von den Britischen Inseln nach
Südschweden. Auf der Südseite verläuft die wellende Bodenfrontalzone über dem
Norden Deutschlands und dem Ärmelkanal nach Südwesten. Wir liegen im breit
aufspannten, sehr dynamischen Warmsektor (50 bis 60 kt in 1000m Höhe) im Zustrom
ungewöhnlich milder, fast schon warmer subtropischer Meeresluft. Die Temperatur
in 850 hPa steigt auf 4°C ganz im Norden und über 10°C im Süden, föhnig erwärmt
im Alpenvorland bis 13°C.

Es steht insgesamt zwar eine weitere Gradientzunahme an, der stärkste Gradient
verschiebt sich aber nach Norddeutschland, sodass im Süden und der Mitte nach
windigem oder stürmischem Tagesbeginn der Wind langsam wieder nachlässt.
Über den Tag gesehen gibt von Nordwesten und Norden bis in die Mitte steife bis
stürmische Böen; 7-8 Bft; über dem Westen sind in windanfälligen Lagen Sturmböen
9 Bft nicht ausgeschlossen. Wegen der weiter stabilen Schichtung kommen die
starken Oberwinde nicht unten an.
Im Bergland sowie an der Nordsee sind Sturmböen (Bft 8 bis 9) häufiger, in
exponierten Gipfellagen der Gebirge sind schwere Sturmböen bis Orkanböen
wahrscheinlich, auf dem Brocken bis extreme Orkanböen; ca. 150 km/h. Dagegen
sind im Flachland Süddeutschlands kaum warnwürdigen Böen zu erwarten.
An den über Norddeutschland schleifenden Tiefausläufern regnet es längere Zeit,
meist 5 bis 10, stellenweise 10 bis 15 l/qm und nicht warnwürdig.

In der einströmenden Subtropikluft wird es an Sylvester extrem mild und der
wärmste Jahreswechsel seit Beginn der Aufzeichnungen eingeläutet. Die
Kombination aus sehr milder Luft und bester Durchmischung sorgen für verbreitet
15 bis 19°C als Höchstwerte. Im Süden sind stellenweise 20 bis 22°C möglich. Nur
ganz im Norden werden die 15 Grad nicht erreicht.
Im Süden ist zudem gebietsweise mit einem freundlichen Tag zu rechnen, sonst
bleibt die Wolkendecke meist dicht.
In der Neujahrsnacht bleibt es im Norden und Nordwesten bedeckt und regnerisch
sowie zum Teil stürmisch, wobei sich die Passage einer Welle andeutet, die
nochmal eine Windzunahme bringen könnte, sodass größere Teile von stürmischen
Böen betroffen sind. An den Küsten wären dann Sturmböen bis exponiert schwere
Sturmböen nicht ausgeschlossen. Das strahlt eventuell bis in die Mitte aus mit
Windböen, während der Süden in tieferen Lagen eher schwachwindig bleibt. Im
Bergland bleibt es ohnehin stürmisch. Die Wolkendecke lockert nach Süden hin
mehr und mehr auf, teils ist es gering bewölkt. Abgesehen vom Regen im Norden
bleibt es niederschlagsfrei.
Über dem Norden und der Mitte liegen die Tiefstwerte bei 14 bis 9°C, was schon
als Tageshöchstwerte sehr mild wäre, wenigstens geht es in Südostbayern unter
die 5°C Marke, ohne das Frostgefahr besteht.

Sonntag ... (Neujahr) liegt Deutschland zwischen einem Höhenrücken über dem
Mittelmeer und einem Langwellentrog über dem nahen Nordatlantik unter einer
zunehmend leicht antizyklonalen und mit Annäherung des Troges weiter nach
Südwest drehenden Strömung. Der Höhenjet in 300 hPa erstreckt sich von der
Biskaya über die Nordsee bis zum Baltikum. Die Bodenfrontalzone mit der
wellenden Luftmassengrenze schmiegt sich dem nach Südosten an, reicht von
Nordpolen über Norddeutschland und biegt dann zur Biskaya nach Südwesten ab.
Dort regnet es verbreitet aus starker Bewölkung, während es über der Mitte und
vor allem nach Süden hin vermehrt auflockert oder aufheitert, in Richtung der
Hochdruckzone über dem Mittelmeer.
Die Luftmassengrenze bildet sich im thermischen Feld mit 850er Werten von +4°C
im Norden ab, während über Süddeutschland mehr als 10°C anstehen.
Die Maxima in 2m Höhe liegen zwischen 11°C ganz im Norden und erneut örtlich
etwas über 20°C im Südwesten.
Die nicht mehr ganz so extremen Werte im Süden sind dem nachlassenden Wind und
der damit schwächelnden Durchmischung geschuldet.
Im Süden und der Mitte gibt es schwachen bis mäßigen Süd- bis Südwestwind mit
Sturmböen exponiert im Bergland. Nach Westen und Nordwesten hin sind einzelne
steife Böen möglich und Böen 9-11, Brocken bis 12 auf den Gipfeln der Berge im
Norden und Osten. Auch den Küsten macht sich die Gradientauffächerung mit
nachlassendem Wind bemerkbar.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden recht einheitlich simuliert, der Fahrplan steht in groben
Zügen. Unschärfen betreffen Details und sind vorab kaum zu klären.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner